Arbeitsrecht

Wer A sagt, muss auch B sagen – „EMPLOYMENT CONTRACT“ ist Arbeitsverhältnis

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Wer A sagt, muss auch B sagen - „EMPLOYMENT CONTRACT“ ist Arbeitsverhältnis
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

freie Mitarbeit und Arbeitnehmerstellung

In der Praxis ist manchmal strittig, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder nur eine freie Mitarbeit. Entscheidend für die Einordnung ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach und neue Arbeitsformen, z.B. das Crowdworking, werfen die Problematik immer wieder auf bis auch hier eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.

Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

Auch für den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten spielt die Einordnung als Arbeitsverhältnis oder freies Mitarbeiterverhältnis eine Rolle.

Streitigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses sind nämlich ausschließlich beim Arbeitsgericht auszutragen. Man spricht hier von sogenannten Rechtsweg. Auch der Scheinselbständige kann vor dem Arbeitsgericht verklagt werden.

Fall des hessischen Landesarbeitsgerichts zur Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

Das hessische Landesarbeitsgericht hatte nochmals klargestellt, dass wenn die Parteien den zwischen ihnen bestehenden Vertrag als Arbeitsverhältnis bezeichnen, an diese Bezeichnung gebunden sind, insbesondere dann, wenn auch der restliche Teil des Vertrages, wie ein Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. In diesem Fall kommt es nicht so sehr darauf an, ob tatsächlich das Vertragsverhältnis, wie ein Arbeitsverhältnis gelebt wurde.

Falschbezeichnung ist im Normalfall unerheblich

Häufiger sind allerdings die Fälle, bei denen zum Beispiel ein Vertragsverhältnis als freies Mitarbeiterverhältnis bezeichnet ist und tatsächlich aber dieses, wie ein Arbeitsverhältnis gelebt wird. Es liegt dann eine Scheinselbstständigkeit vor. Hier kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses an, was also die Parteien letztendlich tatsächlich leben. Die Bezeichnung allein verhindert nicht, dass ein Gericht das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifiziert.

steht Arbeitsverhältnis über den Vertrag dann wird es so behandelt

Wie oben ausgeführt, ging es hier aber um den umgekehrten Fall. Hier hatten die Parteien das Vertragsverhältnis zwischen ihnen als Arbeitsverhältnis bezeichnet (auf Englisch „EMPLOYMENT CONTRACT“) und die Beklagte wandte sich nun gegen eine Klage des Vertragspartners mit dem Argument, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht geöffnet sei, da gar kein Arbeitsverhältnis tatsächlich gelebt wurde. Nur die Bezeichnung deutete darauf hin.

Entscheidung des LAG Hessen

Dies sah das Landesarbeitsgericht Hessen (Beschluss vom 1.02.2022 – Az 19 Ta 507/21) anders. Wenn die Parteien das Vertragsverhältnis das Arbeitsverhältnis bezeichnen, dann kann sich – zumindest für die Frage des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten – keine Seite darauf berufen, das faktisch kein Arbeitsverhältnis durchgeführt wurde, wenn auch der Inhalt des Vertrages, wie ein Arbeitsvertrag gestaltet ist.

Begründung des Landesarbeitsgerichts

Das LAG Hessen führte dazu aus:

Anders ist dies jedoch im umgekehrten Fall, in dem die Vertragsparteien einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag abschließen und für ein Arbeitsverhältnis typische Rechte und Pflichten im Vertrag regeln. Haben die Parteien – wie hier – ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 694/12 – Rn. 19, juris). Dass die Beklagte zu 1. das ihr vertraglich zustehende Weisungsrecht nicht ausgeübt hat, steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ist nur maßgebend, wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern z. B. als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet. Das beruht darauf, dass ein tatsächlich bestehendes Arbeitsverhältnis durch Parteivereinbarung nicht dem Geltungsbereich des zwingenden Arbeitnehmerschutzes entzogen werden kann. Hieraus folgt aber nicht, dass ein Rechtsverhältnis, das als Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, durch bloße Nichtausübung der Weisungsrechte zu einem freien Dienstverhältnis wird. Wollen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses ihre Rechtsbeziehungen künftig als freies Dienstverhältnis fortsetzen, müssen sie das hinreichend klar unter Beachtung von § 623 BGB vereinbaren (BAG, Beschluss vom 25. Januar 2007 – 5 AZB 49/06 – Rn. 12, NZA 2007, 580; BAG, Urteil vom 12. September 1996 – 5 AZR 1066/94 – Rn. 25, BAGE 84, 108; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Rn. 5; ErfK/Preis BGB § 611a Rn. 21). Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend nicht ersichtlich.

Beschluss vom 1.02.2022 – Az 19 Ta 507/21

Anmerkung:

Als Arbeitgeber sollte man nur in Ausnahmefällen einen Arbeitsvertrag in englischer Sprache abschließen. Allein schon bei der Übersetzung ins Englische und „Rückübersetzung“ ins Deutsche für das Arbeitsgericht tuen sich diverse Fehlerquellen auf.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kündigung durch Arbeitgeber-die 10 häufigsten Irrtümer!

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Kündigung durch Arbeitgeber-die zehn häufigsten Irrtümer!
Kündigung und häufige Irrtümer

Gerade beim Thema Kündigung – egal, ob ordentlich oder außerordentlich – durch den Arbeitgeber gibt es diverse Irrtümer, die sich hartnäckig halten. Regelmäßig werde ich damit als Fachanwalt für Arbeitsrecht konfrontiert und möchte hier kurz diese Irrtümer klarstellen.

1. Irrtum: Während einer Erkrankung darf ich nicht gekündigt werden

Dies ist falsch. Der Arbeitgeber kann unproblematisch auch während einer Erkrankung des Arbeitnehmers, sogar wenn dieser im Krankenhaus ist, das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beenden. Die Krankheit selbst ist kein Grund dafür, dass die Kündigung unwirksam ist. Die Kündigung kann natürlich aus anderen Gründen unwirksam sein, aber nicht deshalb, da diese während einer Erkrankung erfolgt ist. Ansonsten könnte der Arbeitgeber einen dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer niemals kündigen. Wichtig ist dabei, dass eine Kündigung nur bei verhaltensbedingten Gründen ein Verschulden voraussetzt. Natürlich kann der erkrankte Arbeitnehmer oder der aus betrieblichen Gründen gekündigte Arbeitnehmer nichts für die Kündigungen hat sich im Normalfall auch nicht zu Schulden kommen lassen. Ein Verschulden ist aber keine Voraussetzung für eine Kündigung, mit Ausnahme der verhaltensbedingten Kündigung.


2. Irrtum: Der Arbeitgeber darf nicht während des Urlaubs kündigen!

Auch dies ist falsch. Auch während des Urlaubs des Arbeitnehmers ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber möglich. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, da sie während des Urlaubs ausgesprochen wurde. Aus anderen Gründen kann die Kündigung natürlich unwirksam sein. Nach deutschem Arbeitsrecht gibt es kein Kündigungsverbot während des Urlaubs.


3. Irrtum: Der Arbeitgeber hat keinen Kündigungsgrund in der Kündigung angegeben, deshalb ist diese unwirksam.

Hartnäckig hält sich auch das Gerücht, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist in der Kündigungserklärung den Kündigungsgrund anzugeben. Dies ist nicht so. Der Arbeitgeber muss überhaupt keinen Kündigungsgrund in der Kündigungserklärung angeben und es wäre taktisch auch falsch, wenn er dies machen würde. In nur ganz wenigen Ausnahmefällen, zum Beispiel bei der Kündigung eines Auszubildenden, muss der Grund angegeben werden. Dass der Arbeitgeber, zumindest dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, einen Kündigungsgrund braucht, ist eine andere Sache. Er muss ihn aber nicht in der Kündigung angeben. Bei der außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber aber dem Arbeitnehmer-aber nur auf dessen Nachfrage-den Kündigungsgrund mitteilen. Dies ergibt sich aus § 626 Abs. 2 BGB.


4. Irrtum: Nach der Probezeit besteht Kündigungsschutz!

Auch dies stimmt so nicht. Die Probezeit kann zum Beispiel drei Monate betragen und trotzdem besteht kein allgemeiner Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer, da dieser unabhängig von der Probezeit erst nach sechs Monaten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses eintritt. Die Probezeit hat nichts mit dem allgemeinen Kündigungsschutz zu tun, auch wenn diese manchmal mit diesem zusammenfällt, da die meisten Arbeitsverhältnisse eine sechsmonatige Probezeit haben und dann auch der Kündigungsschutz eintritt, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers in Vollzeit regelmäßig arbeiten. Von daher wird die Probezeit oft mit der Wartezeit verwechselt oder mit dieser gleichgesetzt. Die Wartezeit für das Kündigungsschutzgesetz tritt immer erst nach sechs Monaten ein. Die Probezeit kann kürzer sein. Die Probezeit ist nichts weiter als die Vereinbarung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist, was innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich möglich ist.


5. Irrtum: Den Erhalt der Kündigung muss ich bestätigen!

Der Arbeitnehmer muss überhaupt nichts bestätigen. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Kündigung übergibt oder über einem Boten zustellen lässt und dann darum bittet, dass der Zugang der Kündigung bestätigt wird, so muss der Arbeitnehmer dem nicht nachkommen. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers hier eine entsprechende Bestätigungserklärung abzugeben besteht nicht. Es wird dazu geraten, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber diesbezüglich gar nichts bestätigt. Letztendlich ist dies das Problem des Arbeitgebers nachzuweisen, wann die Kündigung zugegangen ist. Weshalb sollte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber dabei helfen?


6. Irrtum: Wenn der Arbeitgeber das Kündigungsschutzverfahren verliert, muss er auch den Anwalt des Arbeitnehmers bezahlen!

Auch dies stimmt nicht. Im außergerichtlichen Bereich und im Arbeitsgerichtsverfahren in der ersten Instanz, also auch im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht, muss jede Seite den einen Anwalt bezahlen. Dies gilt unabhängig davon, ob man gewinnt oder verliert. Der Arbeitnehmer muss also vom Arbeitsgericht, auch im Kündigungsschutzverfahren, immer den eigenen Anwalt bezahlen, dies gilt selbst dann, wenn dieser das Arbeitsgericht Verfahren gegen den Arbeitgeber gewinnt. Andererseits muss er aber auch nie den Anwalt des Arbeitgebers vor dem Arbeitsgericht bezahlen. In der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht ist dies wieder anders. Hier besteht eine Kostenerstattungspflicht.


7. Irrtum: Der Arbeitgeber braucht für eine Kündigung immer einen Grund!

Dies stimmt nicht. Im Kleinbetrieb und vor Ablauf der Wartezeit, also in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, besteht kein allgemeiner Kündigungsschutz. Wenn dann kein Sonderkündigungsschutz besteht, wie zum Beispiel bei Schwangerschaft oder aus anderen Gründen, kann der Arbeitgeber ohne dafür einen Grund zu haben, das Arbeitsverhältnis einfach kündigen.


8. Irrtum: Während der Probezeit besteht kein Kündigungsschutz!

In den meisten Fällen besteht bei einer **Kündigung in der Probezeit** kein Kündigungsschutz. Das hat aber nichts mit der Probezeit an sich zu tun. Dies hängt aber einfach damit zusammen, dass die Probezeit meistens immer geringer als sechs Monate ist. Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz setzt eine Wartezeit von wenigstens sechs Monaten voraus. Wenn aber die Probezeit zum Beispiel sieben Monate besteht, was nur selten möglich ist, da der Arbeitgeber die Probezeit nicht auf einen sehr langen Zeitraum erweitern kann, dann würde trotzdem schon Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz bestehen. Wichtig ist zu verstehen, dass die Probezeit einfach nur die Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist, nämlich einer Frist von zwei Wochen taggenau, ist.


9. Irrtum: Wenn man eine Kündigung des Arbeitgebers erhält, macht es Sinn mit dem Arbeitgeber außergerichtlich zu verhandeln!

Nein dies macht meistens keinen Sinn. Man verschenkt nur wertvolle Zeit und muss immer daran denken, dass man nur drei Wochen Zeit hat um die Kündigungsschutzklage einzureichen. Wenn diese Frist abgelaufen ist, dann wird die Kündigung nach § 7 des Kündigungsschutzgesetzes wirksam und der Arbeitnehmer kann nicht mehr gegen diese Kündigung vorgehen. Bei außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen kommt es oft vor, dass der Arbeitnehmer meint, er werde sich mit dem Arbeitgeber schon einigen und er verzichtet auf die Erhebung der Klage. Dann hat er später kein Druckmittel mehr in der Hand und der Arbeitgeber lässt die Verhandlungen scheitern und zahlt gar nichts an Arbeitnehmer und bietet diesen auch nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an.


10. Irrtum: Bei der betriebsbedingten Kündigung habe ich einen Anspruch auf Abfindung!

Nein. In den meisten Fällen besteht kein Anspruch Abfindung, auch nicht bei einer betriebsbedingten Kündigung. Ein Abfindungsanspruch kann bestehen, wenn ein Sozialplan besteht, oder der Arbeitgeber nach § 1 a des Kündigungsschutzgesetzes eine betriebsbedingte Kündigung mit einem Abfindungsangebot ausspricht. Es gibt nur wenige Fälle, wonach der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung hat. Bei einer Kündigung des Arbeitgebers, egal ob verhaltensbedingte, Person bedingt oder betriebsbedingt, besteht in den meisten Fällen kein solcher Abfindungsanspruch. Um eine Abfindung zu erhalten, bleibt dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit Kündigungsschutzklage einzureichen um so Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Oft kommt es dann im Gütetermin zu einer Vereinbarung über die Zahlung eine Abfindung an den Arbeitnehmer.

Links zum Thema Kündigung

  1. Was ist der Unterschied zwischen Probezeit und Wartezeit?
  2. Muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Erhalt der Kündigung bestätigen?
  3. Kostenfestsetzung im Arbeitsgerichtsverfahren der ersten Instanz?
  4. Mindestkündigungsschutz – Wenn nichts mehr geht!
  5. Abfindung im Arbeitsrecht
  6. betriebsbedingte Kündigung
  7. Kann man während einer Krankheit gekündigt werden?
  8. Kündigung während Corona-Quarantäne unzulässig!
  9. Änderungskündigung im Arbeitsrecht
  10. die Kündigungsschutzklage im Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin – Andreas Martin

Abfindung im Arbeitsrecht

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Abfindung im Arbeitsrecht
Abfindung

Abfindung im Arbeitsrecht

Nach einer Kündigung des Arbeitgebers ist das Ziel der meisten Arbeitnehmer der Erhalt einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Gerade bei dem Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung stellt sich die Frage nach eine Entschädigung für den Arbeitnehmer. Aber auch beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags geht es um einen finanziellen Ausgleich für die verlorene Arbeitsstelle.


Das Wichtigste in Kürze vorab:

  1. Ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach einer Kündigung des Arbeitgebers besteht in den wenigsten Fällen. Dies gilt auch für eine Arbeitgeberkündigung aus betrieblichen Gründen.
  2. Abfindungen werden aber trotzdem von Arbeitgeberseite häufig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt, insbesondere beim Abschluss von Aufhebungsverträgen oder im Kündigungsschutzverfahren. Der Grund dafür ist der, dass Arbeitgeber den Arbeitsgerichtsprozess abkürzen bzw. ganz verhindern wollen.
  3. Obwohl ist keine allgemeingültig Abfindungsformel gibt, werden oft Abfindungen von einen halben Bruttomonatsgehalt pro Arbeitsjahr gezahlt.
  4. Da fast immer die Zahlung einer Abfindung und auch die Abfindungshöhe Verhandlungssache sind, können auch niedrigere , aber auch bedeutend höhere Abfindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden.Die Höhe der Zahlung hängt vor allem auch vom Verhandlungsgeschick und der Erfahrung des beauftragten Rechtsanwalts / Fachanwalts für Arbeitsrecht ab.

Abfindung – was ist das?

Die Abfindung im deutschen Arbeitsrecht ist eine nicht zwingend einmalige Geldzahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Oft erfolgt die Abfindungszahlung nach einer betriebsbedingten Kündigung, aber auch für andere Kündigungen kann es eine Abfindungszahlung geben. Nicht selten bieten Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern eine Abfindung bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags an, was häufig für den Arbeitnehmer nicht vorteilhaft ist.

Abfindung keine Abfindung
Zahlung für Verlust des Arbeitsplatzes Zahlung nur aus Anlass der Beendigung
Entschädigung Lohn/Karenzentschädigung

Wann besteht ein Anspruch auf eine Abfindung?

In folgenden Fällen, welche in der Praxis selten vorkommen, kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung haben:

  1. nach § 1a KSchG, wenn der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung ein Abfindungsangebot unterbreitet und der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage einreicht,
  2. beim erfolgreichen Auflösungsantrag des Arbeitnehmers nach §§ 9,10 KSchG durch arbeitsgerichtlichesAuflösungsurteil,
  3. nach § 113 BetrVG beim Sozialplanabfindungsanspruch oder Nachteilsausgleichsanspruch,
  4. beim tarifvertraglicher Abfindungsanspruch (nach Tarifsozialplan, Rationalisierungsschutztarifvertrag),
  5. beim Abfindungsanspruch auf der Grundlage einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung,
  6. bei zugesagter Abfindung durch den Arbeitgeber

Was ist der Grund für eine Abfindungszahlung?

Die Zahlung einer Arbeitsplatzentschädigung erfolgt wegen den Nachteilen, die der Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes erleidet. Die Abfindung soll diese möglichst kompensieren. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit, denn ansonsten müsste ja jeder Arbeitnehmer, der unverschuldet gekündigt wird, eine Abfindung erhalten.


Weshalb zahlen Arbeitgeber wirklich eine Abfindung?

Der wahre Grund hinter der Abfindungszahlung ist die Gefahr für den Arbeitgeber, dass dieser ein Kündigungsschutzverfahren verliert und dann den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen und ggfs. auch noch den Lohn nachzahlen muss. Eine Abfindungszahlung erfolgt fast immer nur, wenn ein entsprechender finanzieller Druck auf den Arbeitgeber besteht. Freiwillig – ohne Grund – wird selten von Arbeitgeberseite eine Abfindung gezahlt.


Abfindung in Millionenhöhe für Manager

Von mehreren Millionen an Abfindungszahlungen kann der Arbeitnehmer nur träumen. Solche Abfindungsbeträge erhalten aber regelmäßig Manager, die aus dem Unternehmen ausscheiden. Oft ist der Grund der, um eine schnelle und unkomplizierte Trennung zu ermöglichen, wobei auch zu beachten ist, dass Top-Manager auch eine zigfache Vergütung nebst Boni eines Arbeitnehmers erhalten.


Wie erhält man eine arbeitsrechtliche Abfindung?

Wie <a href="#anspruch-abfindung">oben ausgeführt</a>, besteht nur in wenigen Fällen ein direkter Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gegen den Arbeitgeber. Um eine Abfindung zu erhalten, bestehen folgende Möglichkeiten:

Kündigung durch den Arbeitgeber Aufhebungsvertrag
Erhebung der Kündigungsschutzklage + Verhandlung Verhandlung mit dem Arbeitgeber

Wichtig ist, dass bei einer Arbeitgeberkündigung immer eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden sollte, erst danach beginnt man – am besten über einen Anwalt – mit der Abfindungsverhandlun.


Bekommt man eine höhere Abfindung, wenn man einen Anwalt einschaltet?

Obwohl ich bei der Beantwortung der Frage als Fachanwalt für Arbeitsrecht sicherlich nicht unvoreingenommen bin, behaupte ich, dass bei geschickter anwaltlicher Vertretung des Arbeitnehmers die Abfindungshöhe erheblich höher ist als wenn der Arbeitnehmer nicht selbst vertritt. Dies gilt bei jeder Art von Abfindungsverhandlungen, also sowohl im Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht als auch bei dem Aushandeln eines Aufhebungsvertrags. Es kommt vor allem auf Erfahrung und solide Kenntnisse des Arbeitsrechts nebst Verhandlungsgeschick an. Einer der wichtigsten Parameter für die Höhe der Abfindung ist das sog. Prozessrisiko, welches in der Regel nur ein Anwalt einschätzen kann. Wichtig ist aber, dass es keine Garantie für den Erhalt einer bestimmten Abfindungshöhe gibt.


Welche Umstände haben Einfluss auf die Höhe der Abfindung?

Auf die Höhe einer Abfindungszahlung durch den Arbeitgeber haben eine Vielzahl von Faktoren einen Einfluss. Dies sind u.a.

  • Prozessrisiko des Arbeitgebers
  • Bereitschaft des Arbeitgebers den Arbeitnehmer zu beschäftigen
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Bruttoeinkommen pro Monat des Arbeitnehmers
  • Alter, Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers
  • ggfs. bestehender Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers
  • Arbeitsmarktsituation
  • Bereitschaft des Arbeitnehmers notfalls beim Arbeitgeber wieder zu arbeiten
  • finanzielle Verhältnisse des Arbeitgebers

Kann ein Anwalt sofort die Höhe der voraussichtlichen Abfindung vorhersagen?

Nein! Wenn Ihnen ein Rechtsanwalt – dann vielleicht sogar noch am Telefon beim Erstkontakt – erzählen möchte, wie hoch Ihre Abfindung mit Sicherheit ausfallen wird, so ist dies nicht seriös. Kein Anwalt kann Ihnen dies sicher sagen, wenigen Ausnahmefällen, wo ein Abfindungsanspruch besteht, abgesehen. Dies hängt auch damit zusammen, dass selbst der beste Anwalt das Verhalten des Arbeitgebers nur innerhalb bestimmter Grenzen beeinflussen kann. Da meist kein Abfindungsanspruch besteht und die Höhe der Abfindung meist reine Verhandlungssache ist, kann man die Höhe allenfalls schätzen.


Kann mir mein Rechtsanwalt wenigstens zusichern, dass ich überhaupt eine Abfindung bekommen werde?

Nein! Selbst dies geht nicht verbindlich. Der Rechtsanwalt kann aufgrund seiner Erfahrung, wenn er dann den Sachverhalt kennt, eine wahrscheinliche Entwicklung und auch effektive Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Er kann aber nicht garantieren, dass Sie eine Abfindung erhalten. Auch ein Arbeitgeber kann sich unerwartet verhalten. Darüber hinaus gibt es auch Fälle, bei denen es kaum möglich ist, eine Abfindung auszuhandeln.

> Beispiel: Der Arbeitnehmer A ist seit 10 Jahren beim Arbeitgeber B zu einem monatlichen Bruttoverdienst von € 3.000 beschäftig und erhält nun eine betriebsbedingte Kündigung. Der Arbeitgeber beschäftigt. Im Betrieb sind 20 Arbeitnehmer beschäftigt. > Der Arbeitnehmer A möchte nun von seinem Anwalt wissen, wie hoch eine mögliche Abfindung ist. Dieser rechnet schon mit einer Abfindung von rund € 15.000 (10 x 3.000 ./.2). Im Gütetermin fängt der Rechtsanwalt mit einer hohen Forderung von € 30.000 an zu verhandeln. Der Arbeitgeber möchte nur € 5.000 zahlen. Die Verhandlungen scheitern und der Arbeitgeber erklärt darauf, dass er "die Kündigung zurücknimmt" und aus dieser keine weiteren Recht mehr herleiten wird und fordert den Arbeitnehmer auf, am Montag um 7 Uhr auf Arbeit zu erscheinen. > Ergebnis: Der Anwalt muss nun Arbeitnehmer sagen, dass es sehr schwer ist nun überhaupt noch eine Abfindung zu erhalten, denn diese wäre nur noch über einen Auflösungsantrag erzielbar, dessen Voraussetzungen aber nicht vorliegen. Der Arbeitnehmer bekommt hier gar nichts und wird am Montag wahrscheinlich krankt sein und später dann wohl selbst kündigen.


Gibt es Fälle, bei denen von vornherein kaum die Aussicht auf Abfindungszahlung besteht?

Ja, solche Fälle gibt es. Solche Fälle können sein:

  1. es liegt ein Kleinbetrieb (nicht mehr als 10 AN) vor
  2. der Arbeitnehmer befindet sich in der Wartezeit (Probezeit)
  3. es ist klar, dass der Arbeitgeber die "Kündigung zurücknehmen" wird

> Beispiel: Der Arbeitnehmer A ist seit 10 Jahren beim Arbeitgeber B zu einem monatlichen Bruttoverdienst von € 3.000 beschäftig und erhält nun eine betriebsbedingte Kündigung. Im Betrieb sind 9 Arbeitnehmer beschäftigt. Sonderkündigungsschutz besteht nicht. > Der Arbeitnehmer A möchte nun von seinem Anwalt wissen, wie hoch eine mögliche Abfindung ist. > Ergebnis: Der Anwalt muss dem Arbeitnehmer sagen, dass es sehr schwer ist überhaupt eine Abfindung zu erhalten, denn dieser hat keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz und würde wohl ein Kündigungsschutzverfahren verlieren. Dann hat der Arbeitgeber keinen Grund für eine Abfindungszahlung.


Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung?

Auch bei einer betriebsbedingten Kündigung gibt es in der Regel keinen <a href="#anspruch-abfindung">Anspruch auf eine Abfindung</a>. Auch hier kann der Arbeitnehmer von daher nicht direkt auf Zahlung einer Abfindung klagen. Um im Spiel zu bleiben, bleibt nur die Erhebung der Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der betriebsbedingten Kündigung beim Arbeitnehmer. Danach muss man die Abfindung im Kündigungsschutzverfahren mit dem Arbeitgeber verhandeln. Dies geschieht meist im sogenannten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht.


Abfindung im Kündigungsschutzprozess

Der Arbeitnehmer, der eine Kündigung des Arbeitgebers erhalten hat, kommt in der Regel nur an eine Abfindung, wenn er sich gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage wehrt. Die Kündigungsschutzklage ist nicht auf Zahlung einer Abfindung gerichtet, sondern auf Feststellung, dass die Arbeitgeberkündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Dies ist aber egal. Nur so bleibt der Arbeitnehmer "im Spiel".

> Beispiel: Klageantrag einer Kündigungsschutzklage: "Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten (Arbeitgeber) vom 15.03.2021 beendet worden ist."

Wird die Kündigungsschutzklage fristgerecht erhoben, dann kommt es zum sogenannten Gütetermin oder auch Güteverhandlung genannt. In diesem Termin werden die meisten Abfindungen vereinbart.

Wie verhandelt man im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht die Entschädigung aus?

Wer als Arbeitnehmer einer Abfindung möchte, kommt in der Regel nicht um die Erhebung der Kündigungsschutzklage vorbei. Nach der Klageerhebung kommt es um ersten Termin beim Arbeitsgericht. Beim Arbeitsgericht Berlin gibt es den Gütetermin bereits 4 bis 6 Wochen nach der Klageerhebung. Im Gütetermin geht es vor allem um die Sachverhaltsaufklärung und um die Einigung in der Sache. Diese Einigung muss nicht immer die Zahlung einer Abfindung sein. Scheitert der Gütetermin dann gibt es mehrere Monate später einen Kammertermin. In diesem Termin ist dann nicht nur der vorsitzender (Berufs-) Richter anwesend, sondern auch zwei ehrenamtliche Richter, jeweils ein Arbeitnehmer und ein Arbeitgeber.

Gütetermin Kammertermin
Aufklärung des Sachverhalts streitigeVerhandlung über Rechtsstreit
Verhandlung über Einigungsmöglichkeiten Beweisaufnahme oder Urteil in der Sache
Abfindungsverhandlung manchmal auch Vergleichsverhandlung

Muss die Güteverhandlung immer mit der Zahlung einer Abfindung enden?

Nein, selbstverständlich nicht. Der Gütetermin kann auch anders enden. Auch, wenn die Zahlung der Abfindung der Normalfall im Kündigungsschutzprozess ist.

Der Gütetermin kann wie folgt enden:

Gütetermin mit Ergebnis Konsequenzen für das Verfahren
Vergleich mit Abfindung das Verfahren ist damit beendet
Vergleich ohne Abfindung das Verfahren ist damit beendet
keine Einigung das Verfahren geht weiter, es folgt später der Kammertermin
Arbeitgeber nimmt die "Kündigung zurück" das Verfahren ist damit nicht automatisch beendet, aber meist sinnlos
Arbeitgeber kommt nicht Versäumnisurteil gegen Arbeitgeber
beide Parteien kommen nicht Ruhen des Verfahrens wird angeorndet
schriftlicher Vergleich vor dem Termin Vergleich wird protokolliert und Verfahren endet mit Annahme

Welche Regelungen sollten immer im Abfindungsvergleich vor dem Arbeitsgericht ausgehandelt werden?

Schließen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, welchen man Prozessvergleich nennt, dann findet man in diesem nicht nur eine Regelung über die Zahlung einer Abfindung, sondern auch weitere Regelungen.

Diese Regelungen können sein:

| Arbeitsgerichtlicher Abfindungsvergleich| |:–|:–| | sinnvolle Regelungen | weitere Regelungen | | Ende des Arbeitsverhältnisses| Freistellung| | Zahlung einer Abfindung | Urlaub | | Fälligkeit der Abfindung | Überstunden| | Lohnzahlung bis Ende des Arbeitsverhältnisses | Verschwiegenheit | | Arbeitszeugnis mit Note | Ausschlussklausel|


Wann wird die Abfindung bei einem Prozessvergleich fällig?

Schließen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Prozessvergleich vor dem Arbeitsgericht – beim Arbeitsgericht Berlin bekommt man den Vergleichstext mit dem Protokoll gleich nach dem Gütetermin ausgehändigt – dann wird die Abfindungszahlung an dem Tag fällig, welcher die Fälligkeit der Abfindung im Vergleich regelt.

> Beispiel: "Die Abfindung wird zum 31.05.2021 zur Zahlung fällig." > Hier ist klar, dass die Abfindung am 31. Mai 2021 zu zahlen ist.

Gibt es keine genaue Regelung über die Fälligkeit der Abfindung, was normal ist, dann wird die Abfindung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses es fällig.

> Beispiel: Das Arbeitsverhältnis endet mittels Vergleich zum 30.04.2020. Im Vergleich steht: "Die Beklagte zahlt an die Kläger eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSChG für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von € 10.000." > oder > "Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Entschädigung von € 10.000, welche zum Beendigungstermin zur Zahlung fällig wird."

> In beiden Fällen wird die Abfindung am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses fällig, also am 30.04.2021. Dabei ist unerheblich, wann der Vergleich geschlossen wurde oder ob der Arbeitnehmer bereits früher freigestellt war oder auch schon die Schlüssen abgegeben hat. Die Abfindung wird erst zum Ende des Arbeitsverhältnisses fällig.


Abfindung bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags

Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer "loswerden" möchte, aber befürchtet, dass sich dieser erfolgreich gegen eine mögliche Kündigung wehrt, dann wir er diesem in der Regel den Abschluss eines Aufhebungsvertrages anbieten. Im Normalfall ist der Aufhebungsvertrag allein für den Arbeitgeber günstig. Der Arbeitnehmer wird fast immer bei freiwilliger Aufgabe seines Arbeitsplatzes mittels Aufhebungs- und/oder Abwicklungsvertrag eine Sperre beim Arbeitslosengeld erhalten. Um den Arbeitnehmer den Abschluss des Beendigungsvertrags nun schmackhaft zu machen, wird der Arbeitgeber eine Abfindung anbieten. Die Höhe der Abfindung ist auch hier Verhandlungssache, wobei die <a href="#faktoren">obigen Faktoren</a> eine Rolle spielen. In der Regel wird der Arbeitgeber ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Arbeitsjahr an Abfindungshöhe vorschlagen. Im Hinblick auf die zu erwartende Sperre ist es aber oft besser, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung abwartet und sich gegen diese mittels Kündigungsschutzklage wehrt. Er kann dann ggfs. einen besseren Vergleich vor dem Arbeitsgericht schließen und hat dann keine Sperre zu erwarten.


| | Abfindung im Aufhebungsvertrag | Abfindung im Gerichtsvergleich| |:–|:–| | Vorteile | schnelle Beendigung bei neuer Stelle | keine Sperre + Vollstreckbarkeit + meist höhere Abfindung| | Nachteile | Sperre beim ALG I |Abwarten bis Kündigung und Klage | | Fazit | bei neuer und besserer Arbeitsstelle in Aussicht sinnvoll | ansonsten Kündigungsschutzverfahren sinnvoller |


Muss man für die Abfindung Sozialabgaben zahlen?

Eine Abfindung ist kein Arbeitsentgelt des Arbeitnehmer, wie zum Beispiel der Arbeitslohn, sondern eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (so § 14 SGB IV). Von daher muss der Arbeitnehmer keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung auf die Abfindung zahlen. Die Abfindung ist sozialversicherungsfrei.


Wie wird die Abfindung versteuert?

Auch wenn keine Sozialversicherungsabgaben auf die Abfindung fällig werden, so entsteht doch Einkommenssteuer. Abfindungen sind nicht mehr komplett steuerfrei, so wie früher. Nicht versteuert werden müssen solche Zahlungen nur dann, wenn die Gesamteinkünfte des Jahres inklusive der Abfindungszahlung den Grundfreibetrag (9.744 Euro für 2021) nicht übersteigen. Dies dürfte beim normalen Arbeitnehmer eher die Ausnahme sein.

Die Abfindung ist von daher ganz normal zu versteuern. Dabei gibt es aber zwei Sachen zu beachten:

Lohnsteuerklassenwechsel

Nicht selten kommt es vor, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Auszahlung der Abfindung schon eine andere Arbeit hat. Dann wir die Abfindung meist mit der Lohnsteuerklasse 1 versteuert. Dies geht meist nicht anders, da die Lohnsteuerklassen automatisch dem Finanzamt vom (neuen Arbeitgeber) mitgeteilt werden. Der Arbeitnehmer kann aber über den Lohnsteuerjahresausgleich die zuviel gezahlt Einkommensteuer erstattet bekommen.


Fünftelregelung

Es kann passieren, dass sich durch die Zahlung einer hohen Abfindung der Jahresbruttoverdienst des Arbeitnehmers erheblich erhöht und er dadurch in die Stufe des nächsthöheren Steuersatzes kommt. Der Arbeitnehmer kann aber mit Hilfe der sogenannten Fünftelregelung Steuern sparen. Danach wird er so gerechnet, als hätte er über fünf Jahre verteilt jeweils ein Fünftel der Abfindungszahlung erhalten.


Wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet?

Arbeitnehmer haben trotz des Erhalts einer Abfindung den vollen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Die "Abfindungsentschädigung" wird nicht auf die Sozialleistung (ALG I) angerechnet.

Davon gibt es zwei Ausnahmen:

Aufhebungsvertrag mit Abfindung Verkürzung der Kündigungsfrist
in der Regel Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bis zu 3 Monate in der Regel Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist

weiterführende Artikel

Nachfolgend finden Sie weiterführende Artikel zum Thema Abfindung im Arbeitsrecht sowie entsprechende Gerichtsentscheidungen der Arbeitsgericht und des Bundesarbeitsgerichts.


  1. Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung nach § 1 a KSchG?
  2. „Die Abfindung ist vererblich.“ Was ist damit gemeint?
  3. BAG: Abfindung und Insolvenzverfahren
  4. BAG: Verrechenbarkeit von Sozialplanabfindung und Nachteilsausgleich ist zulässig.
  5. Bundesverfassungsgericht: Abfindung nur für Mitglieder der Gewerkschaft?
  6. BAG: Betriebsrat bekommt € 120.000 netto an Abfindung und klagt später nach Erhalt auf Fortbestand!
  7. EuGH: keine Ungleichbehandlung von befristeten Arbeitnehmer gegenüber unbefristeten bei Abfindungszahlungen
  8. LAG Düsseldorf: Abfindungen nach dem „Windhundprinzip“ zulässig!
  9. BAG: Abfindung im Kündigungsschutzverfahren steht dem Insolvenzverwalter des Arbeitnehmers zu!
  10. Anspruch des Arbeitnehmers auf Abfindung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht nach § 9 des Kündigungsschutzgesetzes
  11. Abfindung und Sozialversicherung
  12. Der Abfindungsvergleich vor dem Arbeitsgericht – sind die Parteien an den Vorschlag des Gerichtes gebunden?
  13. BFH – Abfindung darf steuerlich günstig vereinbart werden!
  14. Klage auf Abfindung oder Kündigungsschutzklage?
  15. Kann man eine Abfindung pfänden?
  16. Muster: betriebsbedingte Kündigung für Arbeitgeber mit Abfindungsangebot
  17. Eigenkündigung + Abfindung + Schadenersatz + Lohn = Rundumschlag gegen den Arbeitgeber!
  18. Wann wird eine Abfindung fällig?
  19. Abfindung bei Eigenkündigung?
  20. Abfindungsanspruch bei Kündigung – kann dieser vererbt werden?
  21. Abfindung bei Kündigung – gibt es eine Höchstgrenze?
  22. Kündigung und Abfindung – die häufigsten Fehler!

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin

Abmahnung im Arbeitsrecht

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Abmahnung im Arbeitsrecht
arbeitsrechtliche Abmahnung

Abmahnung im Arbeitsrecht

Die arbeitsrechtlich Abmahnung ist ein durch Richterrecht begründetes Instrument der Personalführung. Sie kommt als milderes Mittel zur Kündigung in der Praxis häufiger vor. Die Abmahnung ist Bestandteil der Personalakte des Arbeitnehmers und hat drei Hauptfunktionen. Die wichtigste davon ist die Warnfunktion. In vielen Fällen bereitet die Abmahnung im Arbeitsrecht eine (verhaltensbedingte) Kündigung des Arbeitgebers vor. Sie ist Vorstufe zur Kündigung.

Dieser Artikel soll einen Überblick über die Voraussetzungen einer arbeitsrechtlichen Abmahnung, die einzuhaltenden Fristen, die Form, die Gründe und das Vorgehen gegen eine Abmahnung.


Was ist eine Abmahnung im Arbeitsrecht?

Eine Abmahnung ist eine einseitige Willenserklärung des Arbeitgebers, welches ein vertragswidriges Verhalten beim Arbeitnehmer beanstandet und den Arbeitnehmer unter Androhung einer Kündigung im Wiederholungsfall zu einem zukünftigen vertragsgemäßen Verhalten veranlassen soll.

> Kurz um: Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer mit der Abmahnung mit, dass er sich falsch verhalten hat und dass er sich zukünftig richtig verhalten soll, ansonsten muss er mit einer Kündigung rechnen.

Mit der Abmahnung werden vor allem Leistungsmängel beim Arbeitnehmer beanstandet.

Was ist die gesetzliche Grundlage einer arbeitsrechtlichen Abmahnung?

Die Rechtsgrundlage einer Abmahnung im Arbeitsrecht findet man in § 314 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Diese Vorschrift findet entsprechend auch Anwendung auf ordentliche Kündigungen. Dort hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Abmahnung eine Vorstufe zur Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist. Ansonsten ist das Rechtsinstitut der Abmahnung durch Richterrecht entwickelt worden.


Was regelt § 314 Abs. 2 BGB?

Geregelt ist in § 312 II BGB folgendes:

> Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig.

Die gesetzlichen Norm regelt das Feld inzwischen Abmahnung und Kündigung. Bei einer steuerbaren Pflichtverletzung des Arbeitnehmers ist in der Regel zunächst eine Abmahnung erforderlich.


Wann kann man ohne vorherige Abmahnung kündigen?

Die Notwendigkeit der Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Ultima-Ratio-Prinzip entsprechend dem Grundgedanken des § 326 BGB.

Es ist aber nicht immer so, dass der Arbeitgeber bei jeder Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorher abmahnen muss. Im bestimmten Fällen kann der Arbeitgeber von eine Abmahnung absehen und sofort eine Kündigung, entweder außerordentlich oder ordentlich, verhaltensbedingt gegenüber dem Arbeitnehmer aussprechen.

Trotzdem gilt hier im Normalfall der Grundsatz, dass bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers zunächst abzumahnen ist. Mit steuerbaren Verhalten ist die Abgrenzung zu nicht beeinflussbaren Vertragsverletzungen gemeint, wie zum Beispiel der Schlechtleistung aufgrund einer Erkrankung des Arbeitnehmers.


Wann darf der Arbeitgeber sofort ohne vorherige Abmahnung eine Kündigung aussprechen?

Wie oben bereits ausgeführt wurde, kann bestimmten Fällen eine Abmahnung entbehrlich sein und es dem Arbeitgeber auch nicht zumutbar sein ein Verhalten mit eine Abmahnung zu verfolgen, sondern gleich das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt zu kündigen.

In folgenden Fällen ist eine vorherige Abmahnung entbehrlich und der Arbeitgeber kann sofort das Arbeitsverhältnis kündigen:

  1. bei schweren Pflichtverletzungen, die eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zur Folge haben,
  2. wenn der Arbeitnehmer mehrfach angekündigt, dass er sein pflichtwidriges Verhalten nicht ändern wird,
  3. bei Vermögensstraftaten gegen den Arbeitgeber

Was sind die Funktionen einer arbeitsrechtlichen Abmahnung?

Die Abmahnung hat in der Regel drei Funktionen. Diese sind:

  1. Hinweisfunktion: Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer auf eine Pflichtverletzung hin und teilt diesen mit, wie er sich richtig zu verhalten hätte. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil einer jeden Abmahnung und darf nicht fehlen.

  2. Dokumentationsfunktion: Obwohl eine Abmahnung nicht zwingend schriftlich erfolgen muss, hat diese auch einen Dokumentationsfunktion. Diese Dokumentationsfunktion kann man nur nachkommen, wenn man die Abmahnung wenigstens in Textform, besser noch in Schriftform, verfasst. Die Abmahnung soll den Pflichtverstoß des Arbeitnehmers dokumentieren, was für eine spätere Kündigung von Relevanz sein kann.

  3. Warnfunktion: Der Unterschied zur Ermahnung besteht in der Warnfunktion. Die Abmahnung soll nicht nur dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten vor Augen führen, sondern diesem auch ganz konkret vor den Konsequenzen im Wiederholungsfall warnen. Dies nennt man Warnfunktion. Der Arbeitgeber droht in der Abmahnung arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Kündigung, an. Dem Arbeitnehmer muss also klar sein, dass er bei einen erneuten Pflichtverstoß mit einer arbeitsrechtlichen Kündigung rechnen muss.

Oft werden der Abmahnung auch nur 2 Funktionen vorgeschrieben und zwar "Rüge und Warnung". Durch diese Funktionen unterscheidet sich die Abmahnung von

  • der Rüge,
  • der Ermahnung,
  • Beanstandung,
  • der Mahnung,
  • Verwarnung oder der
  • Missbilligung

Die obigen "Ordnungsmittel" des Arbeitgebers sind bloße Vorstufen der Abmahnung.


Vorstufe zur Abmahnung Vorstufe zur Kündigung Kündigung
Rüge Abmahnung ordentlich
Missbilligung außerordentlich
Verwarnung
Ermahnung

Was muss zwingend in einer Abmahnung stehen?

Eine Abmahnung muss aus drei Teilen bestehen.

  • Teil 1: Der Arbeitgeber muss konkret beschreiben, was der Arbeitnehmer falsch gemacht hat. Er muss also die konkrete Pflichtverletzung des Arbeitnehmers genau in der Abmahnung darlegen. In Regel muss das Fehlverhalten genau nach Inhalt, Ort und Zeitpunkt sowie beteiligten Personen bezeichnet werden. Allgemeine Formulierungen oder eine Pauschalierung des abmahnwürdigen Verhaltens des Arbeitnehmers reichen auf keinen Fall aus.

  • Teil 2: Im zweiten Teil muss der Arbeitgeber aufführen, wie sich der Arbeitnehmer richtig verhalten hätte. Dies liegt oft auf der Hand. In der Regel aber muss dies auch genau beschrieben werden. Nur wenn ganz klar ist, wie der Arbeitnehmer sich normalerweise richtig zu verhalten hat, braucht dies nur kurz formuliert zu werden. Im Normalfall muss hier ganz konkret beschrieben werden, was der Arbeitnehmer zukünftig machen und wie er sich richtig verhalten soll.

  • Teil 3: im dritten Teil kommt die Warnfunktion der Abmahnung zum Tragen. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer warnen und eine Kündigung androhen. Wichtig ist dabei, dass eine Formulierung, dass nur arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht werden, nicht zulässig ist, da diese zu unbestimmt ist. Üblich ist die Formulierung, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, bis hin zur Kündigung. Die Warnfunktion wird nur erfüllt, wenn die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch zur Kenntnisnahme gelangt. Anders als bei einer Kündigung reicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme (Zugang) nicht aus.


Welche Formulierungen deuten auf keine konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers hin?

Der Arbeitgeber muss in der 1. Stufe der Abmahnung das Fehlverhalten des Arbeitnehmers genau beschreiben. Dies muss nach

  • Ort
  • Zeit und
  • Beteiligte

genau geschehen.

Folgen Formulierungen weisen auf eine pauschale, nicht ausreichende Beschreibung in der Abmahnung hin:

Formulierung Problem
Störung des Betriebsfriedens Dies allein ist viel zu ungenau. Wie erfolgte die Störung? Wodurch?
Unzuverlässigkeit Worin besteht diese? Was wäre richtig gewesen?
ungebührliches Verhalten Dies ist zu pauschal. Worin bestand die Pflichtverletzung?
mangelndes Interesse Auch hier ist schon eine Pflichtverletzung zweifelhaft. Der Arbeitnehmer schuldet kein Interesse.
Führungsschwäche Zu pauschal. Worin soll diese bestehen?
fehlende Zusammenarbeit Was ist konkret falsch gemacht worden?

Was können neben der Kündigung weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen sein?

Neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses können im Wiederholungsfall weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen sein:

  1. eine Versetzung (anderer Arbeitsplatz)
  2. eine Änderung des Arbeitsvertrags (Rückstufung der Funktion)
  3. eine Änderungskündigung
  4. ein Widerruf einer Leistungszulage oder
  5. eine fristgemäße oder fristgerechte (ordentliche) Kündigung

Wann ist eine Abmahnung entbehrlich?

Wann ist eine Abmahnung entbehrlich?
sofortige Kündigung

Eine Abmahnung mit beinhalteten der Verbindung von Rüge- und Warnfunktion muss regelmäßig dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung vorausgehen. Dies ist der Grundsatz.

Es gibt aber Fälle, bei denen der Arbeitgeber sofort kündigen kann. Oft versucht man die Unterscheidung zwischen einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, die zur Abmahnung und einer die sofort zur Kündigung berechtigt mit einer Unterscheidung zwischen dem Leistungsbereich und dem Vertrauensbereich zu unterscheiden.

Grobe Unterscheidung:

Störung im Leistungsbereich Störung im Vertrauensbereich
in der Regel Abmahnung erforderlich sofortige Kündigung möglich

Dies ist aber nur ein sehr grobe Unterscheidung. Das Bundesarbeitsgericht hat seine frühere Rechtsprechung, die auf die Unterscheidung zwischen Leistung – und Vertrauensbereich basierte, teilweise aufgeben (BAG, Urteil vom BAG 11.03.1999 in NZA 1999,587).

Auch bei Störungen im Vertrauensbereich kann von daher eine vorherige Abmahnung erforderlich sein, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt und die Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG, Urteil vom 4.6.1997 in NZA 1997, 1281).

Grob kann man auch folgende Fallgruppen benennen, bei denen eine sofortige Kündigung möglich ist:

schwerwiegende Pflichtverletzung Wiederholung des Fehlverhaltens absehbar
sofortige Kündigung möglich sofortige Kündigung möglich

Eine Abmahnung ist dagegen entbehrlich, wenn es sich bei dem Fehlverhalten des Arbeitnehmers um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist (so BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/ 13).

Eine Abmahnung ist auch dann entbehrlich, wenn sie nicht als Erfolg versprechend angesehen werden kann, weil erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers in Zukunft auch nach der Abmahnung nicht zu erwarten ist (BAG, Urteil vom 31.7.2014 – 2 AZR 434/ 13). Dies ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer eindeutig nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten und bereits für die Zukunft ein erneutes Fehlverhalten ankündigt und sein Fehlverhalten kennt.

In folgenden Fällen hat die Rechtsprechung eine Abmahnung für entbehrlich gehalten; der Arbeitgeber durfte sofort kündigen:

Fehlverhalten Gerichtsentscheidung
Strafbahre Vermögensdelikte gegen den Arbeitgeber BAG, Urteil vom 21.04.2005 in NZA 2005,991
Arbeitszeitbetrug BAG, Urteil vom 24.11.2005 in NZA 2006,484
Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte BAG, Urteil vom 6.10.2005 in NZA 2006,431)
Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot BAG, Urteil vom 25.04.1991 in NZA 1992,212
sexuelle Übergriffe auf Arbeitskollegen/ Schüler BAG, Urteil vom 12.03.2009 in NZA 865/13
dringender Verdacht der Unterschlagung gegenüber Kassiererin LAG Mecklenburg-Vorpommern 25.11.1999 – 1 Sa 349/99
vorsätzliche Löschung wichtiger Kundendaten durch Außendienstmitarbeiter LAG Köln , Urteil vom 24.07.2002
Manipulation der Telefonanlage des Arbeitgebers/ Sex-Hotline während der Arbeitszeit angerufen LAG Köln, Urteil vom 13.03.2002 – 7 Sa 380/01
zweimaliges Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.11.2000 in NZA-RR 2001, 470
ausschweifende private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit LAG Schleswig, Urteil vom 6.5.2014 – 1 Sa 421/13,

In folgenden Fällen war eine Abmahnung noch erforderlich:

Fehlverhalten Gerichtsentscheidung
unerlaubter Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs bei vorheriger mehrfacher Duldung LAG Köln, Urteil vom 2.11.2009 – 5 Sa 625/09
Diebstahl von Versandmaterial vom geringen Wert – hier 3 Briefumschläge im Wer von 3 Pfennige LAG Köln, Urteil vom 30.9.1999 in ZTR 2000, 427
fahrlässige Abrechnung von fiktiven Reisekosten – halte ich für problematisch LAG Niedersachsen 15.06.2004 – 13 Sa 1681/03
Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot BAG, Urteil vom 25.04.1991 in NZA 1992,212)
sexuelle Übergriffe auf Arbeitskollegen/ Schüler BAG, Urteil vom 12.03.2009 in NZA 865/13)

Muss beim abgemahnten Sachverhalt ein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegen?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 7.9.1988 in NZA 1989,272) kommt es nicht auf ein Verschulden hat, sondern allein darauf, ob die Abmahnung auf Tatsachen gestützt wird, die den erhobenen Vorwurf rechtfertigen.


Muss der Arbeitnehmer mehrere Pflichtverletzungen zusammen abmahnen?

Nein, dies muss er nicht. Er kann auch eine "Sammelabmahnung" fertigen und dort mehrere Fehlleistungen des Arbeitnehmers zusammen abmahnen oder ein fertigt jeweils einzelne Abmahnungen, was aus Sicht des Arbeitgebers die bessere Variante wäre. Der Arbeitgeber muss auch nicht abmahnen, sondern kann dies tun.


Kann jedes Fehlverhalten abgemahnt werden?

Auch für die Abmahnung gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, genau, wie bei einer Kündigung. Es kann also Fälle von Pflichtverletzungen geben, die so gering sind, dass sich auch eine Abmahnung verbietet.

Kein abmahnwürdiges Fehlverhalten liegt vor:

Fehlverhalten Beispiel Sanktion
geringfügige Pflichtverletzungen Tippfehler einer Sekretärin Verwarnung/ Rüge
bedeutungslose Pflichtverletzung Flüchtigkeitsfehler beim Ausfüllen eines Berichts Verwarnung/ Rüge
Bagatellverletzung Verspätung um 1 min Rüge/ Verwarnung

Wie sieht das Muster eine Abmahnung aus?

Muster einer arbeitsrechtlichen Abmahnung
Abmahnung

Das nachfolgende Muster zeigt den Wortlaut einer möglichen Abmahnung.

> An Arbeitnehmer Schlau > Schlaue Straße 1 > 12693 Berlin > per Übergabe/Zeuge > > > > Abmahnung > > Sehr geehrter Herr Schlau, > wegen des nachstehend aufgeführten Sachverhalts mahnen wir Sie hiermit ab. > (genaue Schilderung des Fehlverhaltens) > Am 10.03.2021 warten Sie zusammen mit Ihrem Vorgesetzten Herrn Schlaumeier auf unserer Baustelle in der Pappelallee 203 in Berlin Prenzlauer Berg. Herr Schlaumeier gab Ihnen gegen 10:30 Uhr die Arbeitsanweisung die Innenräume des Objekts 12 der obigen Baustelle in der ersten Etage (links) unverzüglich zu streichen. Daraufhin erwiderten Sie, dass dies nicht tun werden und Herr Schlaumeier könne dies selbst machen. Sie hätten dazu keine Lust. Auch auf eine nochmalige Aufforderung des Herrn Schlaumeier nahmen Sie die angewiesenen Arbeiten nicht vor, stattdessen beschäftigten Sie sich mit anderen Arbeiten, die nicht angewiesen wurden. Bis heute sind die Arbeiten nicht von Ihnen vorgenommen worden. Einen Grund für die Verweigerung der Anweisung teilten Sie nicht mit und dieser ist auch nicht ersichtlich.

> Ihr vorstehend dargestelltes Verhalten gibt uns Veranlassung, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hinzuweisen. > (Schilderung des richtigen Verhaltens) > Sie hätten die Anweisung des Herrn Schlaumeier, der ausdrücklich – was Ihnen bekannt ist – als Vorgesetzter weisungsbefugt ist, unverzüglich nachkommen müssen. > Wir fordern Sie dazu auf, sich zukünftig vertragsgemäß zu verhalten. > Im Falle einer weiteren derartigen oder ähnlichen Pflichtverletzung müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, bin hin zur Kündigung rechnen.

> Diese Abmahnung wird zu Ihrer Personalakte genommen. > > Berlin, den ……… > > Mit freundlichen Grüßen > > Arbeitgeber Besserwisser


Was wird oft von Arbeitgebern bei einer Abmahnung falsch gemacht?

Eine der häufigsten Fehler von Arbeitgeberseite bei der Formulierung einer Abmahnung im Arbeitsrecht besteht darin, dass die Abmahnung zu pauschal formuliert ist. Der Arbeitgeber muss das Fehlverhalten des Arbeitnehmers genau beschreiben. Dies wird oft oberflächlich gemacht, da es sich nicht selten um eine emotionale Situation handelt und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sofort zeigen will, dass sein Fehlverhalten Konsequenzen hat. Dies nützt dem Arbeitgeber aber nichts, wenn die Abmahnung schon aus formellen Gründen unwirksam ist.

Völlig falsch wäre es zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber eine Abmahnung so formuliert:

> "Aufgrund des ihnen bekannten Sachverhalts mangelt sie hiermit ab. Im Wiederholungsfall haben sie mit einer Kündigung zu rechnen."

Eine solche Abmahnung ist (formell) unwirksam.

Ein weiterer häufiger Fehler besteht darin, dass Arbeitgeber am Schluss der Abmahnung, wenn es also um die Androhung-Warnfunktion geht, zum Beispiel schreiben:

> "Sie müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Wiederholungsfall rechnen."

Dies ist zu unbestimmt und erfüllt nicht den Zweck einer Warnung. Eine solche Abmahnung ist schon aus formellen Gründen unwirksam.

Wie oft muss man abmahnen bis man kündigen kann?

Von Arbeitgeberseite wird auf die Frage gestellt:

> "Wie viele Abmahnungen brauche ich bis ich dem Arbeitnehmer eine Kündigung aussprechen kann?"

Hierauf gibt es keine einfache Antwort. Wie so oft, kommt es hier auf den Einzelfall an.

Dabei spielen u.a. folgende Faktoren eine Rolle:

  • schwere der Pflichtverletzung
  • Häufigkeit der Pflichtverletzung
  • Verhalten des Arbeitnehmers vor der Abmahnung
  • Einsichtsfähigkeit des Arbeitnehmers
  • Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers

Grundsätzlich kann man sagen: Bei leichten Pflichtverletzung muss der Arbeitnehmer mehr als einmal abmahnen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Zuspätkommen. Der Grund dafür ist der, dass ein kurzeitiges Zuspätkommen eine leichte Pflichtverletzung ist und die Interessen des Arbeitgebers im Betrieb im Normalfall nur leicht tangiert. Eine verhaltensbedingte Kündigung allein deshalb wäre unangemessen, wenn bereits nach einer Abmahnung gekündigt wird.

Bei schweren Pflichtverletzungen, die noch keine Kündigung sofort rechtfertigen, reicht in der Regel eine Abmahnung, Manchmal müssen aber zwei Abmahnungen vor dem Kündigungsausspruch erfolgen, insbesondere wenn seit der ersten Abmahnung ein langer Zeitraum vergangen ist. Die Abmahnungen müssen aber wirksam sein. Dabei sind die obigen Punkte zu beachten, insbesondere dass der Arbeitgeber das Fehlverhalten des Arbeitnehmers konkret aufführt. Dem Arbeitnehmer muss die Chance gewährt werden, sein Verhalten zukünftig noch zu ändern.

Bei schwersten Pflichtverletzungen ist in der Regel gar keine Abmahnung erforderlich und der Arbeitgeber kann sofort kündigen.


Kann es sein, dass man mehrfach abgemahnt wurde und der Arbeitgeber trotzdem nicht kündigen kann?

Dies ist durchaus möglich. Es kann zum Beispiel sein, dass der Arbeitnehmer an einem Tag 10 Minuten zu spät zur Arbeit erschienen ist, wobei er dies verschuldet haben muss, um abgemahnt zu werden und an einem anderen Tag zum Beispiel sein Arbeitsplatz nach Beendigung der Arbeit nicht aufgeräumt hat. Hier liegen zwei leichte Pflichtverletzungen vor, die zu einer Kündigung, wenn Arbeitnehmer zum Beispiel wieder zu spät zur Arbeit erscheint, nicht ausreichen. Die Abmahnung müssen zudem einschlägig (gleichartige Pflichtverstöße) sein.


Kann man auch zu viel abmahnen?

Es ist anerkannt, dass ein zu häufiges Abmahnen dazu führen kann, dass eine Kündigung dann nicht ohne weiteres möglich ist (BAG, Urteil vom 15.11.2001 – 2 AZR 609/00), da sich die Warnfunktion der Abmahnung abschwächt und deshalb der Arbeitnehmer nicht mit einer Kündigung rechnen muss. Hier fehlt es an der Ernsthaftigkeit der Warnung. Der Arbeitgeber, da zum Beispiel bereits 10 mal wegen Zuspätkommen abgemahnt hat, kann diese Problem umgehen, in dem er in der letzten Abmahnung sehr deutlich macht, dass der Arbeitnehmer bei der nächsten Verspätung definitiv eine Kündigung erhält.


Wann verjährt eine Abmahnung in der Personalakte?

Früher ging man davon aus, dass eine Abmahnung nach drei Jahren aus der Personalakte zu entfernen ist und damit "verjährt". Der Begriff der Verjährung ist aber mißverständlich und juristisch nicht richtig. Der Arbeitgeber konnte sich auf diese Abmahnung nicht mehr berufen. Nach der Emily-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist es nun aber so, dass die Abmahnung nicht mehr nach drei Jahren aus der Personalakte zu entfernen ist, da man ansonsten nicht überprüfen kann, ob der Arbeitnehmer über einen sehr langen Zeitraum störungsfrei, also ohne Abmahnung, gearbeitet hat. Trotzdem schwächt sich eine Abmahnung mit dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne kontinuierlich ab. Wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel einen Arbeitskollegen vor fünf Jahren leicht beleidigt hat und es wiederum eine Beleidigung gibt, dann wird im Normalfall der Arbeitgeber die erste Abmahnung nicht mehr ohne weiteres heranziehen können, da man davon ausgeht, dass ein Arbeitnehmer sich nach so langer Zeit in nicht mehr „gewarnt fühlt“.


Kann eine Abmahnung verspätet sein?

Für die Abmahnung gibt es keine Regelausschlussfrist (so BAG, Urteil vom 15.01.1986, DB 1986,1075). Das Recht zur Abmahnung kann aber verwirken nach § 242 BGB. Hierzu muss ein Zeitmoment und Umstandsmoment vorliegen. Wenn also der Arbeitnehmer nach einem halben Jahr nach dem Pflichtverstoß nicht mehr mit der Abmahnung rechnen muss, da der Arbeitgeber dies so äußerte, dann ist das Recht zur Abmahnung verwirkt.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 13.12.1998 – 5 AZR 10/89) hat ein Abwarten des Arbeitgebers von 8 Wochen noch als unproblematisch angesehen. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG Nürnberg vom 14.06.2005 – 6 Sa 367/05) geht davon aus, dass ein Abwarten des Arbeitgebers von 6 Monaten zeigt, dass dieser von einem nicht sanktionswürdigen Verstoß des Arbeitnehmers ausgeht. Auch das LAG Köln (Urteil vom 28.03.1988, DB 1988, 1170) geht bei einer Zeitspanne von 1 Jahr von einer Verwirkung aus.


Kann der Ausspruch einer Abmahnung gemäß arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen verfallen?

Nein, das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Abmahnanspruch des Arbeitgebers kein Anspruch ist, der unter arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen/ Verfallsfristen fällt (BAG, Urteil vom 14.12.1994 in NZA 1995,676).


Kann der Arbeitgeber zu früh abmahnen?

Auch der Arbeitgeber kann über das Ziel hinaus schießen, gerade bei emotionalen Situationen, kann dies der Fall sein. Wenn der Arbeitgeber also einen Arbeitnehmer abmahnt, weil dieser zum Beispiel im Betrieb Arbeitsmittel gestohlen hat, dann ist dies aus arbeitgeberseitigen Sicht nicht optimal gelaufen. Der Arbeitgeber hätte sich überlegen sollen, ob er nicht gleich eine Kündigung hätte aussprechen können.


Kann der Arbeitgeber abmahnen und sofort kündigen?

Abmahnung und sofortige Kündigung
abmahnen und kündigen

Ich habe in der Praxis schon oft die Situation erlebt, dass der Arbeitgeber zum Beispiel den Arbeitnehmer wegen eines Fehlverhaltens, sagen wir mal wegen einer Beleidigung eines Arbeitskollegen, abgemahnt hatte. Wenn es dann zu einer zweiten Beleidigung kommt, dann gibt es Arbeitgeber, die eine 2. Abmahnung ausstellen und gleichzeitig eine Kündigung aussprechen. Dies ist nicht möglich. Der Arbeitgeber kann nur arbeitsrechtlich abmahnen oder kündigen. Eine Abmahnung schließt eine Kündigung für den gleichen Sachverhalt aus.

> Merke: Stiehlt also der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber Betriebsmaterial und mahnt ihn Arbeitgeber deshalb ab, kann er wegen dieses Sachverhalts nicht mehr das Arbeitsverhältnis kündigen.

Dies ist natürlich für den Arbeitgeber bitter, aber zu beachten ist, dass man nur abmahnen oder kündigen kann.


Schwächt sich eine Abmahnung nach ein paar Jahren ab?

Wie oben ausgeführt, verjährt die Abmahnung nicht mehr ohne weiteres und wird auch nicht mehr automatisch aus der Personalakte entfernt, allerdings schwächt sich die Wirkung der Abmahnung mit dem Ablauf einer gewissen Zeitspanne kontinuierlich ab. Dies hängt damit zusammen, dass der Arbeitnehmer diese Warnung nicht mehr so vor Augen hat, wenn diese vor mehreren Jahren ausgesprochen wurde.


Wie kann man sich als Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung wehren?

Es ist oft so, dass der Arbeitnehmer, nachdem eine Abmahnung erhalten hat, oft das Bedürfnis hat sofort dagegen in irgendeiner Weise vorzugehen.

Folgende Möglichkeiten bestehen für den Arbeitnehmer sich gegen eine Abmahnung zu wählen:

> Der Arbeitnehmer unternimmt nichts. > Der Rat zum Nichtstun wird oft vom Mandanten nicht gerne gehört. Der Arbeitnehmer, der eine arbeitsrechtlich Abmahnung bekommen hat, möchte sich dagegen wehren und dem Arbeitgeber zeigen, dass er mit diesem Sachverhalt nicht einverstanden ist. Oft stimmen die Sachverhalte in der Abmahnung nicht und der Arbeitnehmer fühlt sich zu Unrecht einer Pflichtverletzung beschuldigt. Der Rat, den die meisten Rechtsanwälte erteilen werden, besteht aber oft darin, dass der Arbeitnehmer nicht gegen die Abmahnung vorgeht. Höchstens könnte er eine Gegenvorstellung abgeben, aber auf keinen Fall sollte man sofort eine Entfernungsklage gegen den Arbeitgeber führen. Der Grund dafür ist der, dass ein solches Vorgehen den Nachteil hat, dass der Arbeitgeber sich intensiver mit der Abmahnung beschäftigt und Fehler dann korrigiert. Wenn man aber nicht gegen die Abmahnung vorgeht, dann muss nämlich der Arbeitgeber in einem späteren Kündigungsschutzprozess die Voraussetzungen der arbeitsrechtlichen Abmahnung nachweisen. Dann ist oft schon eine gewisse Zeitspanne vergangen und der Arbeitgeber ist nicht mehr in der Lage die Voraussetzungen der damaligen Abmahnung darzulegen und zu beweisen.

> Gegendarstellung > Weiter besteht die Möglichkeit für den Arbeitnehmer eine Gegenvorstellung gemäß § 83 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz zur Personalakte zu reichen. Dann würden sich in der Personalakte neben der Darstellung des Arbeitgebers auch die des Arbeitnehmers befinden. Oft ist es so, dass sich Arbeitnehmer dann besser fühlen, obwohl dies im Endeffekt nicht viel bringt. Es liegt dann ein weiteres Schriftstück in der Personalakte, mehr nicht. Ein späterer Arbeitgeber bekommt die Personalakte nicht zu sehen. Der Arbeitgeber wird sich um die Gegendarstellung nicht besonders kümmern, nur gegebenfalls dann, wenn er dann feststellt, dass er den Sachverhalt nicht richtig aufgearbeitet hat und die Abmahnung vielleicht dann noch korrigiert, was für den Arbeitnehmer schlecht wäre.

> Entfernungsklage > Der Arbeitnehmer hat auch die Möglichkeit gegen eine Abmahnung des Arbeitgebers vor dem Arbeitsgericht zu klagen. Eine solche Klage nennt man Entfernungsklage, da diese den Arbeitgeber verpflichtet die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Eine solche Entfernungsklage ist gerade für rechtsschutzversicherte Mandanten oft etwas, was sie gerne vornehmen würden. Es kostet ja erst einmal nichts und man würde dem Arbeitgeber dann zeigen, dass er nicht so mit dem Arbeitnehmer umgehen kann. In den meisten Fällen wird man als Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Arbeitsrecht davon aber abraten. Es ist besser gegen die Abmahnung nicht vorzugehen, sodass der Arbeitgeber in einem späteren Kündigungsschutzprozess, wenn also eine Kündigung gestützt auf die Abmahnung erfolgt, nachweisen und darlegen muss, dass die ursprüngliche Abmahnung wirksam war. Dies ist nach einer geraumen Zeitspanne oft dann nicht mehr so einfach möglich.


Wann hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung?

Diese Frage ist einfach zu beantworten. Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte, wenn die Abmahnung unberechtigt erteilt wurde. Dies muss nicht zwingend heißen, dass die Abmahnung inhaltlich falsch ist. Viele Abmahnungen sind nämlich aus formellen Gründen unwirksam. Arbeitgeber beschreiben oft das Fehlverhalten des Arbeitnehmers nicht genau genug.


Hat der Arbeitnehmer die Pflicht zur Gegendarstellung?

Nein, eine solche Pflicht besteht nicht. Dies gilt auch für die Beschwerderechte nach § 84 ff. BetrVG. Der Arbeitnehmer hat das Recht, aber nicht die Pflicht, sich beim Betriebsrat oder auch direkt beim Arbeitgeber zu beschweren.


Kann auch ein Recht auf Widerruf durch den Arbeitgeber bestehen?

In bestimmten Fällen kann ein Widerruf vom Arbeitgeber verlangt werden, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer durch die unberechtigte und unwahre Behauptung in der Abmahnung in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt wäre. Die Rechtsbeeinträchtigung muss aber fortdauern und durch den Widerruf beseitigt werden können.

> Beispiel: Der Arbeitgeber behauptet, dass sein abgemahnter Arbeitnehmer wohl Geld unterschlagen habe. Der dies nicht nachweisen konnte (siehe aber Möglichkeit der Verdachtskündigung) mahnt er diesem ab und erzählt auch regelmäßig bei Treffen mit anderen Arbeitgeber, dass ein Buchhalter wohl bei ihm Geld unterschlagen habe. > Hier wäre ein Widerruf denkbar.

Wer darf abmahnen im Arbeitsrecht?

Unproblematisch darf der Arbeitgeber die Abmahnung erteilen. Darüber hinaus sind zur Abmahnung auch Personen berechtigt, die entweder direkt bevollmächtigt sind oder aufgrund ihrer Stellung im Betrieb zu eine Abmahnung berechtigt sind. Von daher darf der Prokurist, dessen Vollmacht zur Vertretung der Gesellschaft sich aus dem Handelsregister gibt, ebenfalls abmahnen. Darüber hinaus dürfen alle Personen, die vom Arbeitgeber bevollmächtigt oder gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsbefugt sind (Vorgesetzte) eine arbeitsrechtliche Abmahnung aussprechen.


Ist eine mündliche Abmahnung wirksam?

Anders als bei der Kündigung und beim Aufhebungsvertrag gibt es keine gesetzliche Vorschrift, wonach der Arbeitgeber schriftlich abmahnen muss. Er kann also eine Abmahnung auch in Textform, also per E-Mail, aber auch möglich erteilen. Das Problem ist nur, dass der Arbeitgeber bei der mündlichen Abmahnung so gut wie nicht nachweisen kann, dass diese tatsächlich formell richtig erteilt wurde.


Darf der Arbeitgeber nach der zweiten Abmahnung sofort fristlos kündigen?

Wie so oft, kommt es darauf an. In der Regel wird der Arbeitgeber bei leichten bis mittelschweren Pflichtverletzungen im Wiederholungsfall tatsächlich zumindest eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aussprechen können. Es kann auch sein, dass sogar eine außerordentliche Kündigung möglich wäre. Hier spielen auch die sozialen Daten des Arbeitnehmers eine Rolle.


Muss für eine Kündigung die vorherige Abmahnung die gleiche Pflichtverletzung betreffen?

Um eine Abmahnung für eine verhaltensbedingte Kündigung heranziehen zu können, muss diese in einen Zusammenhang mit dem Kündigungssachverhalt stehen. Es ist nachvollziehbar, dass eine Verspätung des Arbeitnehmers eine andere Pflichtverletzung ist als eine (verschuldete) schlechte Arbeitsleistung. Nach der Rechtsprechung muss die Abmahnung "einschlägig" sein. Dies heißt, dass der Abmahnsachverhalt und die Kündigung auf gleichartigen – wenn auch nicht unbedingt identischen – Pflichtverletzungen beruhen. Dies ist dann der Fall, wenn die Pflichtverletzungen "auf einer Ebene" liegen.

Beispiele:

Grund für Abmahnung Kündigungsgrund
Unpünktlichkeit Vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes
unentschuldigtes Fehlen keine rechtzeitige Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit

Was ist eine Sammelabmahnung?

Bei einer Sammelabmahnung fasst der Arbeitgeber mehrere Pflichtverletzungen in einem Abmahnschreiben zusammen. Das Problem für den Arbeitgeber dabei ist, dass wenn nur ein Sachverhalt falsch ist, muss auf Verlangen des Arbeitnehmers, die ganze Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden.


Muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anhören?

Nein, eine Verpflichtung zur Anhörung vor Erteilung der Abmahnung gibt es nicht.


Muss der Betriebsrat angehört werden?

Nein, auch der Betriebsrat muss -anders als bei einer Kündigung – nicht angehört werden.


Dürfen Betriebsratsmitglieder abgemahnt werden?

Ja, nur bei Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten. Eine Abmahnung ist nicht zulässig, wenn diese eine Kritik an die betriebsverfassungsrechtliche Amtsausübung darstellt. Bei Amtspflichtverletzungen von Betriebsräten ist als Sanktion das Amtsenthebungsverfahren vorgesehen (§ 23 Abs. 1 BetrVG).


Was ist der Unterschied zwischen eine Abmahnung und eine Ermahnung?

Die Ermahnung ist eine Vorstufe zur Abmahnung. Sie ist ein milderes Mittel als die Abmahnung im Arbeitsrecht selbst. Bei der Ermahnung fehlt die Warnfunktion. Dort fehlt also komplett der Teil, wonach dem Arbeitnehmer für den Wiederholungsfall eine Kündigung angedroht wird.

wichtige Entscheidungen und Artikel zum Thema arbeitsrechtliche Abmahnung:

Nachfolgend habe ich einige Entscheidungen und Artikel zur Abmahnung durch den Arbeitgeber aufgelistet:


  1. Kann auch eine Abmahnung vor einer der krankheitsbedingten Kündigung erforderlich sein?
  2. Klage auf Entfernung einer Abmahnung – muss man eine Frist beachten?
  3. LAG Niedersachse: förmliche Rücknahmeerklärung bei Abmahnung
  4. BAG: Manipulation von Akten durch Arbeitnehmer kann außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen
  5. BAG: Anspruch auf Entfernung einer berechtigten Abmahnung nicht nach festen Zeitablauf
  6. Die Ermahnung im Arbeitsrecht – Unterschied zur Abmahnung.
  7. Wann kann man sich als Arbeitgeber die Abmahnung des Arbeitnehmers schenken?
  8. Entfernung einer Abmahnung – Klagefrist?
  9. LAG Berlin-Brandenburg: Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  10. Abmahnung vor Pflichtverstoß (antizipierte Abmahnung) wirksam?
  11. Inhalt der Abmahnung im Arbeitsrecht – Androhung von Konsequenzen!
  12. Inhalt einer Abmahnung – „Störung des Betriebsfriedens“ – genau genug?
  13. Kann eine unwirksame Kündigung in eine Abmahnung umgedeutet werden?
  14. Wie kann ein Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung des Arbeitgebers vorgehen?
  15. Was ist eine Entfernungsklage?
  16. Klage auf Entfernung einer Abmahnung (Entfernungsklage) und Prozesskostenhilfe
  17. Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Einsicht in seine Personalakte?

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

BAG- Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz für Betriebsrenten

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Haftung des Betriebserwerbers in Insolvenz für Betriebsrenten
Haftung für Renten

Das Wichtigste vorab:

Nach dem Bundesarbeitsgericht haftet ein Betriebserwerber in der Insolvenz nicht für Betriebsrentenanwartschaften, die für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden sind.

betriebliche Altersvorsorge

Oft bieten Arbeitgeber im Betrieb für Ihre Arbeitnehmer eine sog. betriebliche Altersvorsorge an. Der Begriff betriebliche Altersversorgung umfasst alle Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die einem Arbeitnehmer und bestimmten Nicht-Arbeitnehmern aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses oder einer Tätigkeit für das Unternehmen aufgrund einzel-, kollektivvertraglicher Vereinbarung oder gesetzlicher Regelung zugesagt worden sind.

Die betriebliche Altersvorsorge muss einem Versorgungszweck dienen. Darunter sind alle Leistungen zu verstehen, die den Lebensstandard des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Versorgungsfall, wenn auch nur zeitweilig, verbessern sollen.

Insolvenzsicherung der Altersvorsorge

Beit der Betriebsrente gibt es einen Insolvenzschutz, die sog. Insolvenzsicherung. Zweck der Insolvenzsicherung gem. §§ 7 ff. BetrAVG ist vor allem der Schutz der Versorgungsempfänger und Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn das Unternehmen, das die Versorgungszusage erteilt hat, zahlungsunfähig wird.

Pensionssicherungsverein

Im Fall der Insolvenz übernimmt der Pensionssicherungsverein in bestimmten Fällen die Ansprüche und bedient diese. Gesicherte Anspruchsberechtigte sind die Versorgungsempfänger, deren Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht erfüllt werden. Die Inhaber von unverfallbaren Versorgungsanwartschaften haben gem. § 7 Abs. 2 BetrAVG bei Eintritt des Versorgungsfalles einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung.

Fall des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht (u.a. Urteil vom 26. Januar 2021 – 3 AZR 139/17) hatte folgenden Fall zu entscheiden (siehe Pressemitteilung Nr. 2/21 vom 26.01.2021):

Den beiden Klägern sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden. Nach der Versorgungsordnung berechnet sich ihre Betriebsrente nach der Anzahl der Dienstjahre und dem – zu einem bestimmten Stichtag vor dem Ausscheiden – erzielten Gehalt. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 1. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im April 2009 ging der Betrieb nach § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte über.

Einer der Kläger erhält seit August 2015 von der Beklagten eine Betriebsrente iHv. ca. 145,00 Euro und vom PSV eine Altersrente iHv. ca. 817,00 Euro. Bei der Berechnung legte die Beklagte zwar die Versorgungsordnung einschließlich des zum maßgeblichen Stichtag vor dem Versorgungsfall bezogenen höheren Gehalts zugrunde, ließ aber den Anteil an der Betriebsrente, der vor der Insolvenz erdient war, außer Betracht. Der PSV setzte dagegen – wie im Betriebsrentengesetz vorgesehen – das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens maßgebliche niedrigere Gehalt des Klägers an. Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, ihm eine höhere Betriebsrente zu gewähren. Diese müsse sich nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung auf der Basis des höheren Gehalts unter bloßem Abzug des Betrags errechnen, den er vom PSV erhalte.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Der Kläger verlor in der Vorinstanz den Rechtsstreit. Seine Revision zum BAG bliebt ohne Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht führte dazu aus:

Nach der – im Hinblick auf die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts einschränkenden – Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB durch die deutschen Arbeitsgerichte können die Kläger mit ihren Klagebegehren nicht durchdringen. Danach haftet ein Betriebserwerber in der Insolvenz nicht für Betriebsrentenanwartschaften, die im Sinne von § 108 Abs. 3 Insolvenzordnung für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden sind. Diese Rechtsprechung ist – wie der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden hat (EuGH 9. September 2020 – C-674/18 und C-675/18 – [TMD Friction])– mit Unionsrecht vereinbar. Sie rechtfertigt sich nach der allgemeinen Regelung des Art. 3 Abs. 4 Richtlinie 2001/23/EG, der auch neben den nur in der Insolvenz geltenden Bestimmungen in deren Art. 5 anwendbar bleibt. Voraussetzung ist, dass ein Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG entsprechender Mindestschutz gewährt wird. Dieser unionsrechtlich gebotene Mindestschutz wird in der Bundesrepublik Deutschland durch einen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden und gegen den PSV gerichteten Anspruch gewährleistet. Eine Haftung des Erwerbers scheidet deshalb aus.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

BAG- Vergütung von Leiharbeitern

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gleiche Vergütung von Leiharbeitern
Leiharbeit

Das Wichtigste vorab:

Nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz haben Leiharbeiter einen Anspruch auf die gleiche Bezahlung wie ein Stammmitarbeiter in dem Betrieb, in dem Sie eingesetzt sind, sofern der Ihnen in Qualifikation, Berufserfahrung und ausgeübter Tätigkeit ähnelt. Dies nennt man Equal-Pay-Grundsatz oder Gleichstellungsgrundsatz.

Was regelt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Vergütung der Leiharbeiter?

Der wichtigste Grundsatz zur Vergütung von Leiharbeitnehmer, der im Gesetz verankert ist, ist der Gleichstellungsgrundsatz. Dieser ist in § 8 des AÜG geregelt. Dort heißt es:

Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.

Was bedeutet der Gleichstellungsgrundsatz?

Der Grundsatz der Gleichstellung bedeutet, dass der Arbeitgeber, also die Zeitarbeitsfirma, dem Arbeitnehmer das gleiche Gehalt zahlen muss, wie ein vergleichbarer Stammmitarbeiter in dem Betrieb bekommt. Vergleichbar ist ein Arbeitnehmer dann, wenn er dem Stammmitarbeiter in Qualifikation und Kompetenz (Ausbildung und Berufserfahrung) ähnelt und im Betrieb ähnliche Aufgaben ausführt.

Darf vom Equal-Pay-Grundsatz aufgrund eines Tarifvertrags abgewichen werden?

Gesetzlich ist eine solche – auch negative – Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz geregelt und zwar für den Fall, dass ein Tarifvertrag Anwendung findet. Geregelt ist dies ist § 8 Abs. 2 AÜG. Dort steht:

Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. (§ 8, Abs. 2 AÜG)

Ist eine solche Abweichung durch das Europarecht gedeckt?

Dies ist die Frage, welche das Bundesarbeitsgericht nun dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat. Denn Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären (Grundsatz der Gleichbehandlung). 

Welchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht zur Zeitarbeit und der Gleichstellung beim Lohn zu entscheiden?

Eine Zeitarbeitnehmerin war von April 2016 bis April 2017 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bei einer Leiharbeitsfirma als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Die Mitarbeiterin war einem Unternehmen des Einzelhandels für dessen Auslieferungslager als Kommissioniererin überlassen. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin einen Stundenlohn von 9,23 Euro brutto. Aufgrund tarifvertragliche Regelungen erhielt die Klägerin nicht die gleiche Vergütung eines vergleichbaren Stammarbeiters. Dort wäre der Stundenlohn € 13,64 brutto. Diesen wollte sie haben und zwar mit der Begründung, dass die tarifvertragliche Regelung über ihren Lohn (Verringerung) gegen Europarecht und zwar gegen den Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG verstoße.

Das Arbeitsgericht hat die Klage der Leiharbeitnehmerin abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage beim BAG weiter.

Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) hat keine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen, da der Ausgang der Angelegenheit von der Frage abhängig ist, ob hier ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt. Das BAG hat gemäß Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ersucht.

Was hat das BAG dazu in der Pressemitteilung ausgeführt?

In der Pressemitteilung Nr. 48/20 vom 16.12.2020 führt das Bundesarbeitsgericht dazu folgendes aus:

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären (Grundsatz der Gleichbehandlung). Allerdings gestattet Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie den Mitgliedsstaaten, den Sozialpartnern die Möglichkeit einzuräumen, Tarifverträge zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern beim Arbeitsentgelt und den sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen. Eine Definition des „Gesamtschutzes“ enthält die Richtlinie nicht, sein Inhalt und die Voraussetzungen für seine „Achtung“ sind im Schrifttum umstritten. Zur Klärung der im Zusammenhang mit der von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG verlangten Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern aufgeworfenen Fragen* hat der Senat entsprechend seiner Verpflichtung aus Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ersucht.

weitreichende Konsequenzen

Die Entscheidung des EuGH könnte weitreichende Auswirkungen auf die Praxis haben. Wenn der EuGH hier einen Verstoß gegen Unionsrecht feststellt, dann wird es zukünftig für Leiharbeitsfirmen äußerst schwierig weniger an Lohn als nach dem Gleichstellungsgrundsatz zu zahlen.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

§ 7 KSchG – Wirksamkeitsfiktion- was heißt das?

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§ 7 Kündigungsschutzgesetz - Wirksamkeitsfiktion was ist das?
Wirksamkeitsfiktion

Das Wichtigste vorab:

Reicht der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung des Arbeitgebers nicht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht ein, so wird diese Kündigung automatisch wirksam. Auch eine völlig unwirksame Kündigung wird nach Ablauf dieser 3-Wochenfrist wirksam und kann nicht mehr angegriffen werden. Die Wirksamkeit wird kraft Gesetzes fingiert. Dies ist in § 7 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) geregelt.

Lockdown- Cornar 2020/2021

Aufgrund des CoronaLockdowns ist nunmehr verstärkt mit betriebsbedingten Kündigungen zu rechnen. Bedingt durch die Corona-Pandemie versuchen viele Arbeitgeber die wirtschaftlichen Folgen des Lockdown durch Kurzarbeit zu umgehen. Dies ist letztendlich aber keine dauerhafte Lösung. Der Arbeitgeber kann zwar einen gewissen Zeitraum Kurzarbeit mit den Arbeitnehmern in Betrieb vereinbaren und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie durch Kurzarbeit abfedern, auf langer Sicht führt aber ein vollständiger Umsatzeinbruch zu betriebsbedingten Kündigungen. Dies ist alles eine Frage der Zeit.

betriebsbedingte Kündigungen

Bei kleineren Unternehmen kann durchaus auch die Situation kommen, dass der Arbeitgeber gezwungen ist Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung zu lösen.
Was viele Arbeitnehmer wissen ist, dass man gegen eine solche Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht – in Berlin ist das Arbeitsgericht Berlin örtlich zuständig- einreichen kann. Auch ist allgemein bekannt, dass die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage drei Wochen ab Zugang der Kündigung beträgt. Die Kündigung wird dem Arbeitnehmer zugehen, wenn der Arbeitnehmer die Erklärung zu üblichen Zeiten in den Briefkasten erhält, so dass mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.

§ 7 KSchG – Wirksamkeitsfiktion

Was viele Arbeitnehmer noch immer nicht wissen ist, dass es eine gesetzliche Regelung gibt, wonach auch eine völlig unwirksame Kündigung nach Ablauf der Dreiwochenfrist-wenn keine Klage gegen die Kündigung eingereicht wurde-wirksam wird. Geregelt ist dies in § 7 Kündigungsschutzgesetz. Dort ist die sogenannte Wirksamkeitsfiktion normiert.

§ 7 des Kündigungsschutzgesetzes regelt:

Wirksamwerden der Kündigung

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2erklärter Vorbehalt erlischt.

Sinn und Zweck der Wirksamkeitsfiktion


Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dass nach einer Kündigung in recht kurzer Zeit der Arbeitnehmer sich entscheiden soll, ob er gegen die Kündigung vorgeht oder nicht. Wenn er nicht gegen die Kündigung vorgeht, soll die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht ausgetragen werden können. Damit wird eine gewisse Rechtssicherheit geschaffen, die auch notwendig ist, um zu verhindern, dass nach Jahren rückwirkend in das Arbeitsverhältnis eingegriffen wird. Es soll vor allem im Interesse der Arbeitgeber, möglichst bald Klarheit über den Weiterbestand oder das Ende des Arbeitsverhältnisses geschaffen werden. Mit anderen Worten: Die Frist des § 4 KSchG ist ihrem Zweck nach eine Überlegungsfrist. Der Arbeitnehmer soll überlegen, ob er die Kündigung hinnimmt oder nicht.

Versäumung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage

Ist die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage versäumt, so besteht nur noch die Möglichkeit eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage (auch oft falsch als Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bezeichnet) zu beantragen.

nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

Die Voraussetzung dafür sind sehr hoch. Es reicht zum Beispiel nicht aus, dass man unverschuldet die Frist versäumt hat, da man im Krankenhaus war. Selbst im Krankenhaus müsste man noch jemanden beauftragen, die Post kontrolliert und so den Zugang der Kündigung hätte notieren können. Auch aus dem Krankenhaus heraus kann man einen Rechtsanwalt beauftragen. Von daher sind die meisten Anträge auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ohne Erfolg. Wenn der Antrag aber erfolgreich ist, dann ist man wieder in der Frist und die aufschiebende Wirkung nach § sieben des Kündigungsschutzgesetzes tritt nicht ein.

2 Millionen Kündigungen pro Jahr – Bedeutung der Regelung

Die Zahl der Arbeitgeberkündigungen liegt soll wohl pro Jahr um die 2 Millionen bei bei einer Klagequote von 11 bis 15 % liegen (so Bielenski/Ullmann BABl. 10/2005, 4 ff., 13). Anhand dieser Schätzung ist zu sehen, wie groß die Bedeutung des § sieben Kündigungsschutzgesetz ist. Wenn nur 15 % der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung klagen, dann tritt diese Wirksamkeitsfiktion bei 1,7 Millionen Kündigungen pro Jahr auf. Nur gegen 300.000 Kündigungen pro Jahr wenden sich die Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage. Wer nicht klagt, der bekommt in der Regel auch keine Abfindung.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

Was bedeutet Nebentätigkeit?

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Was bedeutet Nebentätigkeit?
Nebentätigkeit

Das Wichtigste vorab:

Nebentätigkeit ist jede Beschäftigung gegen Entgelt im Arbeitsverhältnis, die neben einer hauptberuflichen Beschäftigung von einem  Arbeitnehmer ausgeübt wird. Dabei ist bezeichnend für die Nebentätigkeit, dass diese einen erheblich geringeren zeitlichen Umfang als die Hauptbeschäftigung hat.

Nebentätigkeit – generelles Verbot im Arbeitsvertrag?

Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich ein Interesse daran hat, dass der Arbeitnehmer allein bei ihm arbeitet und seine Freizeit dazu nutzt um sich zu erholen, so darf der Arbeitgeber doch nicht dem Arbeitnehmer jede Nebentätigkeit im Arbeitsverhältnis verbieten. Ein solches generelles Nebentätigkeitsverbot ist grundsätzlich nicht zulässig.

Ein Erlaubnisvorbehalt im Arbeitsvertrag kann zulässig sein. Also eine Regelung, wonach der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer vor Aufnahme einer Nebentätigkeit informiert wird und dann zustimmen muss. Der Ratgeber darf eine solche Zustimmung aber nicht von sachfremden Motiven abhängig machen und darf diese nur verweigern, wenn tatsächlich ein berechtigtes Interesse auf der Arbeitgeberseite besteht.

keine Konkurrenztätigkeit im Arbeitsverhältnis

Eine Nebentätigkeit ist aber verboten, wenn diese eine Konkurrenztätigkeit zur Haupttätigkeit darstellt. Bei der Konkurrenz darf der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis nie arbeiten. Dies gilt selbst während eines bestehenden Kündigungsschutzverfahrens nach Ablauf der Kündigungsfrist.

Von daher findet man manchmal in Arbeitsverträgen eine entsprechende Regelung, wonach eine Tätigkeit bei der Konkurrenz als Nebentätigkeit nicht zulässig ist. Aber auch ohne eine solche Regelung darf der Arbeitnehmer nie bei der Konkurrenz arbeiten, es sei denn, der Arbeitgeber stimmt zu, was kaum der Fall sein dürfte.

Eine Regelung, dass jede Nebentätigkeit verboten ist, sofern sie bei der Konkurrenz erfolgt, heißt aber nicht, dass alle anderen Nebentätigkeiten grundsätzlich erlaubt wären. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg auch schon entschieden.

So ist vor kurzem gerade durch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden worden, dass ein Krankenpfleger in der Intensivpflege grundsätzlich auch eine Nebentätigkeit auf einer Intensivstation einer anderen Firma im Rahmen einer Nebentätigkeit ausführen darf. Eine reine Konkurrenzsituation lag hier wohl nicht vor, was wichtig zu beachten ist.

Dazu führte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 01.09.2020, Aktenzeichen 16 Sa 2073/19) in seiner Pressemitteilung Nr. 34/20 vom 18.12.2020 Folgendes aus:

Das Landesarbeitsgericht hat wie das Arbeitsgericht keinen Grund gesehen, die beabsichtigte Nebentätigkeit zu untersagen. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, es liege keine unmittelbare Konkurrenzsituation vor, gesetzliche Ruhezeiten könnten eingehalten werden, sonstige nachteilige Folgen aufgrund der beabsichtigten anderweitigen Tätigkeit habe die Arbeitgeberin nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger könne sowohl im Rahmen seiner Tätigkeit für die Arbeitgeberin als auch im Rahmen der angestrebten Nebentätigkeit mit an Covid 19 erkrankten Patientinnen und Patienten in Kontakt kommen. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine fehlende Einhaltung der erforderlichen Schutzmaßnahmen in den Krankenhäusern, in denen der Kläger im Rahmen seiner Nebentätigkeit eingesetzt werde.

Nebenjob bei Urlaub und Krankheit

Oft stellt sich auch die Frage, ob während bestehender Erkrankung des Arbeitnehmers oder während des Urlaubs eine Nebentätigkeit weiter zulässig ist bzw. generell verboten ist.

Grundsätzlich ist es so, dass während des bestehenden Urlaubs ein Nebenjob, der während der Haupttätigkeit zulässig war und ausgeübt wurde, auch weiterhin zulässig bleibt. Von daher darf auch im Urlaub diese Nebentätigkeit ausgeübt werden, sofern diese nicht den Erholungszweck des Urlaubs gefährdet. Dies wird bei Tätigkeiten im geringen Umfang fast nie der Fall sein, so dass diese zulässig sind und ausgeübt werden dürfen.

Ist der Arbeitnehmer erkrankt, so hat es sich grundsätzlich nicht genesungswidrig zu verhalten. Er muss alles unterlassen, was der Genesung entgegenstehen. Dies betrifft zum Beispiel auch Sportarten, die besonders anstrengend sind, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist.

Von daher stellt die Frage, ob eine Nebentätigkeit hier für den Arbeitnehmer genesungswidrig, also den Heilungsverlauf der Erkrankung gefährdet. Alles was den Heilungsverlauf gefährdet, ist grundsätzlich nicht erlaubt. Es kommt also auch auf die Art der Erkrankung und des Nebenjobs an. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass kleinere Nebenjobs die Heilung in der Regel nicht gefährden.

Ein kranker Beamter darf nicht mit einer Band musizieren; dies wird auch schon entschieden.

Nebentätigkeit – was fällt darunter?

Bei der Nebenbeschäftigung muss es sich um eine entgeltliche Tätigkeit handeln. Dies dient zur Abgrenzung zur reinen karitativen Tätigkeiten, die grundsätzlich nicht verboten werden können.

Weiter muss sich um eine nebenberufliche Tätigkeit handeln. Dies ist dann der Fall, wenn diese neben einer Haupttätigkeit besteht und dieses wiederum dann der Fall, wenn zeitlich diese „Nebentätigkeit“ im geringeren Umfang ausgeübt wird.

Weiter muss ein Arbeitsverhältnis (Arbeitnehmer/ Arbeitgeber) oder Dienstverhältnis oder Beamtenverhältnis bestehen.

gesetzliche Regelung im Arbeitsrecht

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Nebentätigkeit im Arbeitsverhältnis gibt es in Deutschland nicht. Das Recht zur Ausübung einer Nebentätigkeit wird in der Regel aus dem Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz ab. Zudem ist dabei auch die Allgemeine Handlungsfreiheit zu berücksichtigen.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

Arbeitszeitgesetz – wann verjähren Verstöße?

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Arbeitszeitgesetz - Verjährung von Verstößen
Verjährung

Das Wichtigste vorab:

Das Arbeitszeitgesetz sieht bei Verstößen sowohl Bußgelder als auch Straffan vor. Hier ist zu unterscheiden. Die Ordnungswidrigkeiten nach § 22 Abs. 1 Nr. 9 des Arbeitszeitgesetzes verjähren nach § 31 OWiG. Die Verjährungsfrist beträgt für alle Fälle des § 22 ArbZG zwei Jahre (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Die Verjährungsfrist für Straftaten nach § 23 ArbZG beträgt drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB).

Arbeitszeitgesetz – Verjährung

Das Arbeitszeitgesetz bezweckt den Schutz, vor allen der Gesundheit der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland. Auch soll das Gesetz die Schutz vor Sonntagsarbeit und Arbeit an Feiertagen realisieren. Dieser Zweck ergibt sich aus § 1 des Arbeitszeitgesetzes.

Die Frage ist nun, wann Verstöße des Arbeitgebers gegen das Arbeitszeitgesetz verjähren. Dabei ist zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu unterscheiden.

Ordnungswidrigkeiten und Straftaten – ArbZG

Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz drohen dem Arbeitgeber Geldbußen und Strafen. Im 7. Abschnitt sind die Straf- und Bußgeldvorschriften geregelt.

Bußgeldvorschriften – § 22 Arbeitszeitgesetz

Die Geldbußen bei Verstößen gegen das ArbZG sind in § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 10 geregelt. Nach dem Absatz 2 der Vorschrift können Geldbußen bis € 15.000 verhangen werden. Bei einen Verstoß gegen die Aushangpflicht des Gesetztes ist eine Geldbuße bis € 2.500 möglich.

Verjährung eines bußgeldrechtlichen Verstoßes des Arbeitgebers

Verstößt der Arbeitgeber gegen eine Vorgabe des § 22 Abs. 1 des ArbZG, dann handelt er ordnungswidrig und bekommt – sofern dies der Behörde bekannt wird – in der Regel eine Geldbuße. Verfolgungsbehörde ist die nach § 17 Abs. 1 ArbZG zuständige Aufsichtsbehörde. Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) ist die Aufsichtsbehörde über den Arbeitsschutz in Berliner Betrieben.

Ordnungswidrigkeiten nach dem ArbZG werden nach dem Opportunitätsprinzip verfolgt. Die Verfolgungsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob sie eine Verwarnung ausspricht oder ein Bußgeldverfahren einleitet und durchführt.

Verdichten sich allerdings die Umstände – nach Aufklärung des Verstoßes des Arbeitgebers – derart, dass möglicherweise ein Straftatbestand i.S.d. § 23 ArbZG verwirklicht ist, so hat die Aufsichtsbehörde das Verfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben. In Berlin ist die Staatsanwaltschaft Berlin bzw. die Amtsanwaltschaft Berlin hier tätig.

Ist die Ordnungswidrigkeit aber verjährt, dann kann der Arbeitgeber aber nicht mehr belangt werden.

Die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nach dem ArbZG  verjährt gem.  § 31 Ordnungswidrigkeitengesetz. Die Verjährungsfrist beträgt für die Fälle des § 22 ArbZG insgesamt zwei Jahre (siehe dazu § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Der Verjährungssbeginn liegt vor, sobald die Handlung beendet ist. Die Verjährung der Ordnungswidrigkeit kann gem. § 33 OWiG unterbrochen werden. Eine Unterbrechung erfolgt durch die erste Vernehmung des Betroffenen (Arbeitgebers) und die Bekanntgabe, dass gegen den Betroffenen das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Die Unterbrechung hat die Folge, dass die Verjährung von neuen beginnt.

Verjährung eine Straftat des Arbeitgebers

Verstößt der Arbeitgeber gegen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, so kann dieser Verstoß auch eine Straftat darstellen. Dies ist in § 23 ArbZG geregelt. Als Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorgesehen. In bestimmten Fällen der fahrlässigen Tatbegehung beträgt die Strafe bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.

Für die Verfolgung der Straftaten nach § 23 ArbZG ist nicht die Aufsichtsbehörde, sondern die Staatsanwaltschaft zuständig. Für die Verfolgung der Straftaten gilt das Legalitätsprinzip, dies heißt, dass die Staatsanwaltschaft wegen aller verfolgbaren Straftaten einschreiten muss, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO).

Die Verfolgung des Verstoßes gegen das ArbZG als Straftat kann ebenfalls verjähren. Die Verjährungsfrist dafür beträgt 3 Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Die Verjährung der Straftat beginnt, sobald die Tat beendet ist. Die Verjährung kann auch nach § 78c StGB unterbrochen werden. Wie bei der Ordnungswidrigkeit geschieht dies z.B. durch die erste Vernehmung des Beschuldigten oder die Bekanntgabe, dass gegen den Beschuldigten gerichteten Strafverfahren.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

Urlaub 2020 – was muss der Arbeitgeber jetzt machen?

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Urlaub 2020 - was muss der Arbeitgeber jetzt tun?
Urlaub 2020

Das Wichtigste vorab:

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers verfällt nicht mehr so einfach zum Jahresende oder zum 31.03. des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz). Der Arbeitgeber muss noch im Jahr 2020 tätig werden, ansonsten kann der Arbeitnehmer den Urlaub auch noch im nächsten Jahr – nach dem 31.03.2021 – noch in Anspruch nehmen (Ersatzurlaub).

Urlaub 2020 – Gewährung durch Arbeitgeber

Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende entgegen und viele Arbeitnehmer haben noch nicht den kompletten Jahresurlaub erhalten. Das Problem ist, dass der Jahresurlaub auch nicht mehr ohne weiteres zum Jahresende beziehungsweise zum 31. März des nächsten Jahres verfallen kann.

Dafür ist Voraussetzung, dass der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgericht bestimmte Handlungen vornimmt.

Welche dies hier sind, soll kurz aufgezeigt werden.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 19. Februar 2019- 9 AZR 541/15 –

Dazu führt das Bundesarbeitsgericht aus:

Das Bundesurlaubsgesetz lässt eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 BUrlG zu. Danach trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Grundsätzlich führt erst die Erfüllung der daraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen, zur Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG.

Weiter führt das BAG dazu aus:

Auch durch § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG wird das Verfahren der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub nicht abschließend bestimmt. Die zeitliche Festlegung des Urlaubs ist nach Maßgabe dieser Bestimmung dem Arbeitgeber vorbehalten. Er gewährt den Urlaub durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Ein Recht des Arbeitnehmers, sich selbst zu beurlauben, besteht grundsätzlich nicht.

Mitwirkungshandlungen des Arbeitgebers

Bei der Gewährung des Urlaubs treffen den Arbeitgeber nun bestimmte Mitwirkungshandlungen. Nur, wenn er diese vornimmt, dann verfällt der Urlaub zum Jahresende bzw. zum 31.03. des Folgejahres.

Das Bundesarbeitsgericht dazu:

Die unionsrechtlich gebotenen Mitwirkungshandlungen unterstützen den Sinn und Zweck der Befristungsregelung des § 7 Abs. 3 BUrlG. Die Vorschrift dient in erster Linie dem Gesundheitsschutz. Die Befristung des Urlaubsanspruchs ist ein vom deutschen Gesetzgeber gewähltes Mittel, um den Arbeitnehmer dazu anzuhalten, den Urlaubsanspruch grundsätzlich im Urlaubsjahr geltend zu machen. Dadurch soll erreicht werden, dass jeder Arbeitnehmer tatsächlich in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung und Entspannung erhält. 

Was muss der Arbeitgeber tun?

Was das Arbeitgeber nun genau tun muss, beschreibt das Bundesarbeitsgericht so:

Der Arbeitgeber muss konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss ihn – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt (vgl. EuGH 6.November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 45).

Handlungen des Arbeitgebers – Urlaub

Der Arbeitgeber müsste von daher Folgendes machen:

  1. Mitteilung der Anzahl der noch bestehende Urlaubstage
  2. Aufforderung an den Arbeitnehmer den Urlaub zu nehmen
  3. Aufklärung über die Rechtsfolgen (Verfall des Urlaubsanspruch)

Diese Mitteilung und Aufforderung muss der Arbeitgeber beweissicher durchführen. Von daher sollte dies am besten – obwohl diese keine Voraussetzung ist – schriftlich erfolgen. Dies sollte sich der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer quittieren lassen.

Dies alles muss vor dem Verfall des Urlaubs geschehen und so rechtzeitig , dass der Arbeitnehmer den Urlaub noch nehmen kann.

Zur Problematik des Verfalls von Urlaubsansprüchen bei Krankheit und Verjährung bitte klicken.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin