Bundesarbeitsgericht
BAG: keine sachgrundlose Befristung bei Vorbeschäftigung vor 8 Jahren möglich!
Eine Befristung ohne Grund (Sachgrund) ist bei einer vormaligen Beschäftigung des Arbeitnehmer – so jedenfalls das Gesetz ( § 14 Abs. 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes -TzBfG) – nicht möglich. Das Bundesarbeitsgericht sah dies im Jahr 2011 (Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09) allerdings anders und meinte, dass nur in den letzten 3 Jahren keine Vorbeschäftigung vorgelegen haben dürfte. Damit wollte man vor allem Studenten, die geringfügig beim Arbeitgeber während des Studium beschäftigt wurden, den Weg in das Berufsleben ebnen. Diese Rechtsprechung wurde vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 6. Juni 2018 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) für verfassungswidrig erklärt.
Nun stand wiederum eine Entscheidung zur sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung des BAG an.
Dem lag folgender Fall zu Grunde:
Ein Arbeitnehmer war von März 2004 bis September 2005 als „gewerblicher Mitarbeiter“ bei der Arbeitgeberin tätig. Im Jahr 2013 – also 8 Jahre später – bewarb er sich bei der Beklagten/ Arbeitgeberin erneut und wurde mit Wirkung zum 19. August 2013 erneut eingestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde bis zum 28. Februar 2014 ohne Sachgrund befristet.
Der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin verlängerten die Laufzeit des Arbeitsvertrags mehrfach, zuletzt bis zum 18. August 2015.
Gegen die letzte Befristung wehrte sich der Arbeitnehmer/ Kläger mittels Entfristungsklage (Befristungskontrollklage).
Die Klage des Arbeitnehmers hatte in allen drei Instanzen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16) führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 23.01.2019 (
Nr. 3/19) aus:
Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung kann jedoch auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht aufrechterhalten werden. Danach hat das Bundesarbeitsgericht durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten, weil der Gesetzgeber eine solche Karenzzeit erkennbar nicht regeln wollte. Allerdings können und müssen die Fachgerichte auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend nicht, insbesondere lag das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre und damit nicht sehr lang zurück. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vereinbart zu haben. Sie musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.
Anmerkung: Bei vielen Arbeitgebern ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zum Vorbeschäftigungsverbot nicht nicht angekommen. Von daher existieren in der Praxis noch eine Vielzahl von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen (mit Vorbeschäftigung unter 3 Jahren). Diese Befristungen sind unwirksam – es sei denn es liegt ein Sachgrund für die Befristung vor (Dieser muss im Arbeitsvertrag nicht benannt sein!) – und damit sind die Beschäftigungsverhältnisse unbefristet.
Dies sollte man als Arbeitgeber wissen. Da ist fast allen befristeten Arbeitsverträgen die Kündigungsmöglichkeit eingeräumt ist, ist es in diesen Fällen sinnvoller – sofern ein Beendigungswunsch besteht – über eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag nachzudenken.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Marzahn- Hellersdorf (Berlin)
BAG: Rechtsanwalt reicht Berufungsbegründung nur mit Unterschriftenstempel per Fax ein – unzulässig!
Boni – Klage über € 64.000
In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren mit nicht unerheblichen Streitwert (€ 64.000) klagte der Arbeitnehmer Bonizahlungen von der Arbeitgeberin ein. Er verlor das Verfahren der 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht.
Berufung vor dem Landesarbeitsgericht
Daraufhin legte der Arbeitnehmer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, beim Landesarbeitsgericht Berufung ein. Er beantragte danach die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, die gewährt wurde.
Berufungsbegründung per Fax mit Faksimile-Stempel anstatt Unterschrift
Sodann schickte der Rechtsanwalt des Klägers die Berufungsbegründung – noch innerhalb der Frist – per Fax an das Landesarbeitsgericht. Allerdings war das Fax nicht eigenhändig unterschrieben, sondern enthielt – an Stelle der Unterschrift- nur einen Unterschriftenstempel (Faksimile-Stempel) des Anwalts.
LAG ging von rechtzeitiger Berufungsbegründung aus
Das Berufungsgericht (LAG) sah dies (fehlende eigenhändige Unterschrift unter der Berufungsbegründung) nicht als problematisch an.
Landesarbeitsgericht gab der Berufung teilweise Erfolg
Mit Urteil vom 14. Dezember 2016 hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte /Arbeitgeberin unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung auf den Hilfsantrag verurteilt, dem Kläger für das Geschäftsjahr 2010 weitere 660,00 Euro und für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 Forderungen in Höhe von 25.973,44 Euro und 7.183,13 Euro zu zahlen. Die Revision wurde zugelassen.
Revision zum Bundesarbeitsgericht
Beide Parteien legten Revision zum BAG ein. Das Bundesarbeitsgericht gab der Revision der Arbeitgeberin statt und wies die Revision des Arbeitnehmers vollumfänglich zurück.
Bundesarbeitsgericht hält Berufung des Arbeitnehmers für unzulässig und damit Revision für erfolglos
Die Revision des Arbeitnehmers wies das BAG ab, da dieser die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten hatte, was vom BAG von Amts wegen zur berücksichtigen ist.
Begründung des Bundesarbeitsgerichts
Dazu führt das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 24.10.2018, 10 AZR 278/17):
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Berufung des Klägers mit dem innerhalb der bis zum 9. Februar 2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist als Telekopie eingegangenen Schriftsatz vom 9. Februar 2016 ordnungsgemäß iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO begründet wurde. Der Schriftsatz genügte nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO.
Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 23. August 2017 – 10 AZR 136/17 – Rn. 13). War die Berufung des Klägers unzulässig, ist auf die Revision des Beklagten eine gleichwohl zu seinen Lasten ergangene Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung als unzulässig zu verwerfen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 26. April 2017 – 10 AZR 275/16 – Rn. 10).
Die Berufung des Klägers ist wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig (§ 520 ZPO). Der innerhalb der bis zum 9. Februar 2016 verlängerten Begründungsfrist als Telekopie eingegangene Schriftsatz vom 9. Februar 2016 ist nicht von der ihn verantwortenden Person unterschrieben. Die in der vom Gericht erstellten Kopie des Schriftsatzes wiedergegebene faksimilierte Unterschrift des Rechtsanwalts Dr. P genügt nicht dem für bestimmende Schriftsätze zwingenden und unverzichtbaren Formerfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO. Der Mangel konnte nicht nach § 295 Abs. 1 ZPO durch rügelose Einlassung geheilt werden.
Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist die Berufungsbegründung, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Für diesen gelten nach § 520 Abs. 5 ZPO die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze.
Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung von einem beim Landesarbeitsgericht nach § 11 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 und Satz 4 ArbGG vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und eigenhändig unterschrieben sein, § 130 Nr. 6 ZPO (vgl. BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 17; BGH 30. Januar 2018 – II ZR 238/16 – Rn. 9). Eine solche Unterschrift stellt sicher, dass der Unterzeichner die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt (BGH 27. Februar 2018 – XI ZR 452/16 – Rn. 16). Bei der Übermittlung eines Schriftsatzes durch einen Telefaxdienst tritt an die Stelle der grundsätzlich zwingenden Unterschrift auf der Urkunde die Wiedergabe dieser Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie (vgl. BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 21). Die Prüfung der für eine Unterschrift erforderlichen Merkmale kann vom Revisionsgericht selbständig vorgenommen werden (BAG 25. Februar 2015 – 5 AZR 849/13 – Rn. 17, BAGE 151, 66).
Die auf der Telekopie wiedergegebene faksimilierte Unterschrift unter dem Schriftsatz vom 9. Februar 2016 entspricht diesen Anforderungen nicht. Ein Unterschriftsstempel ist keine eigenhändige Unterschrift der den Schriftsatz verantwortenden Person iSv. § 130 Nr. 6 ZPO (so bereits mit ausführlicher Begründung BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 18 ff.; vgl. auch BGH 18. März 2015 – XII ZB 424/14 – Rn. 15; 26. Oktober 2015 – AnwZ (Brfg) 25/15 – Rn. 20).
Das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift kann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn – ohne Beweisaufnahme – aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass es sich bei dem Schriftsatz nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt und diesen auch bei Gericht einreichen will (vgl. BAG 25. Februar 2015 – 5 AZR 849/13 – Rn. 22, BAGE 151, 66; BGH 26. März 2012 – II ZB 23/11 – Rn. 9).
Anders als eine leer gebliebene Unterschriftszeile, die auf ein Versehen zurückzuführen sein kann (vgl. BGH 4. Oktober 1984 – VII ZR 342/83 – zu 1 c bb der Gründe, BGHZ 92, 251), erlaubt das Vorhandensein eines faksimilierten Signums unter einem Schriftsatz regelmäßig den Schluss, dass derjenige, mit dessen Namenszug der dem Gericht zugeleitete Schriftsatz gestempelt wurde, bei der Fertigstellung und Absendung des Schriftsatzes nicht anwesend war. Die Annahme, er habe gleichwohl die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen und diesen auch bei Gericht einreichen wollen, liegt daher in einem solchen Fall fern. Umstände, die im Streitfall darauf schließen lassen, dass der als Telekopie eingegangene Schriftsatz vom 9. Februar 2016 gleichwohl von dem klägerischen Prozessbevollmächtigten verantwortet und mit dessen Wissen und Willen dem Landesarbeitsgericht zugeleitet wurde, sind nicht gegeben.
Schon aufgrund der durch den Stempel hervorgerufenen Abwesenheitsvermutung bieten weder die Verwendung des Briefbogens seiner Kanzlei noch die maschinenschriftliche Wiedergabe seines Namens am Ende des Schriftsatzes eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Auch dessen Wille, am 9. Februar 2016 durch einen Telefaxdienst eine Berufungsbegründung in den Rechtsverkehr zu bringen, ist daher nicht zu erkennen (zu der Unterzeichnung mit einer unleserlichen „Linienführung“ BAG 25. Februar 2015 – 5 AZR 849/13 – Rn. 23, BAGE 151, 66).
Der Schriftsatz ist dem Landesarbeitsgericht nicht zusammen mit einem vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterschriebenen Begleitschreiben übermittelt worden. Innerhalb der Berufungsbegründungsfrist sind auch keine Abschriften des Schriftsatzes beim Landesarbeitsgericht eingereicht worden, die mit einer Unterschrift oder zumindest mit einem handschriftlich vollzogenen Beglaubigungsvermerk des Prozessbevollmächtigten versehen waren. Selbst das am 15. Februar 2016 als Briefpost eingegangene Original des Schriftsatzes trägt anstelle der Unterschrift allein den faksimilierten Schriftzug „Dr. P“.
Das auf Seite 1 des Schriftsatzes abgedruckte Kürzel „pü-jk“ neben dem kanzleiinternen Aktenzeichen erlaubt schon deshalb keinen sicheren Rückschluss darauf, dass Rechtsanwalt Dr. P ihn sowohl inhaltlich verantwortet hat als auch in den Rechtsverkehr bringen wollte, weil er erstinstanzlich auch – von ihm unterschriebene – Schriftsätze mit dem Diktatzeichen „mpü-pü-jk“ bei Gericht eingereicht hat.
Die mangelhafte Form der Berufungsbegründung konnte nicht durch rügelose Einlassung der Beklagten geheilt werden (§ 295 Abs. 2 ZPO). Unabhängig davon, ob die Beklagte Kenntnis von der Fristversäumung hatte – was offenbar durch die Verwendung des Faksimile-Stempels verhindert werden sollte -, sind die Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmittelschriften, namentlich die Wahrung von Rechtsmittelfristen, grundsätzlich einer Heilung unzugänglich (vgl. BGH 30. Januar 2018 – II ZR 238/16 – Rn. 12 mwN). Auf ihre Befolgung kann nicht durch rügeloses Verhandeln in Kenntnis des Mangels verzichtet werden.
Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen dienen der Rechtssicherheit, dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege und nicht zuletzt dem Schutz der anderen Partei (BVerfG 18. April 2007 – 1 BvR 110/07 – Rn. 22, BVerfGK 11, 48; für die Berufungsfrist BAG 25. Februar 2015 – 5 AZR 849/13 – Rn. 28, BAGE 151, 66). Auch bei Rechtsmittelbegründungsfristen kann es nicht der Gegenpartei überlassen werden, ob Mängel, mögen sie die Form der Rechtsmittelbegründungsschrift, ihren vorgeschriebenen Inhalt oder sonstige Voraussetzungen der Fristwahrung betreffen, zu berücksichtigen sind (BGH 30. Januar 2018 – II ZR 238/16 – Rn. 12 mwN). Das gilt insbesondere für die Unterschrift oder deren Wiedergabe auf der bei Gericht erstellten Kopie als nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO zwingende Wirksamkeitserfordernisse einer formgültigen Berufungsbegründung (BGH 30. Januar 2018 – II ZR 238/16 – aaO).
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Berlin Marzahn-Hellersdorf
BAG: Berufung zum Arbeitsgericht anstatt zum LAG – Berufungsfrist versäumt!
Das Bundesarbeitsgericht hatte über folgendem Fall zu entscheiden (Sachverhalt nach dem BAG:
Die Parteien streiten über vom Kläger geltend gemachte Nachtarbeitszuschläge.Das Arbeitsgericht Erfurt hat mit einem am 12. Juni 2015 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. Juli 2015 zugestellt. Dieser legte mit einem an das Arbeitsgericht Erfurt adressierten Schriftsatz Berufung ein. Er übermittelte diesen Schriftsatz am 10. August 2015 gegen 15:00 Uhr per Telefax an die Telefaxnummer des Arbeitsgerichts Erfurt. Am Abend desselben Tages warf der Prozessbevollmächtigte den an das Arbeitsgericht Erfurt adressierten Berufungsschriftsatz ferner im Original in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Erfurt ein, der eine gemeinsame Posteingangseinrichtung des Arbeitsgerichts Erfurt, des Thüringer Landesarbeitsgerichts und anderer Justizbehörden ist. Das Arbeitsgericht leitete am 11. August 2015 die Berufung des Klägers formlos an das im selben Gebäude befindliche Thüringer Landesarbeitsgericht weiter.
Sowohl das LAG als auch das BAG gingen von der Versäumung der Berufungsfrist aus und sahen auch keinen Grund für die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.
Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 22.8.2017, 10 AZB 46/17) führte dazu weiter aus:
Der Kläger hat die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) versäumt. Der Kläger hätte gemäß § 64 Abs. 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG gegen das ihm am 10. Juli 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts innerhalb eines Monats – also bis zum Ablauf des 10. August 2015 – Berufung beim Landesarbeitsgericht einlegen müssen. Die Berufungsschrift vom 10. August 2015 ist erst am 11. August 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und wahrt deshalb diese Frist nicht.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde konnte der Kläger nicht gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG wegen einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts die Berufung innerhalb eines Jahres seit Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung einlegen. Zwar wird in der Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts nur darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils beim Landesarbeitsgericht einzulegen ist. Dies gibt den Gesetzeswortlaut des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG jedoch nur unvollständig wieder, da nach dieser Vorschrift die Berufungsfrist nicht stets nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung zu laufen beginnt, sondern bei nicht fristgerecht zugestellten Entscheidungen spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Das macht die Rechtmittelbelehrung im konkreten Fall aber nicht unrichtig. Selbst wenn man sie als unvollständig ansehen würde, könnte der Kläger daraus die Rechtsfolge des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG nicht herleiten. Diese wird nur dann ausgelöst, wenn die Unvollständigkeit der Rechtsmittelbelehrung den Rechtsmittelführer beschwert (BAG 2. Juni 1986 – 6 AZB 2/86 – zu II der Gründe; Düwell/Lipke/Reinfelder 4. Aufl. § 9 Rn. 71; Schwab/Weth/Weth 4. Aufl. ArbGG § 9 Rn. 29). Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger bereits vier Wochen nach Verkündung zugestellt. Der Lauf der Berufungsfrist für den Kläger war damit offenkundig allein vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils abhängig.
Die Berufungsschrift des Klägers ist nicht bis zum Ablauf des 10. August 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Das ist für den am 10. August 2015 per Telefax übermittelten Schriftsatz offenkundig. Er ist an diesem Tag nur beim Arbeitsgericht, nicht aber beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Der Schriftsatz war an das Arbeitsgericht adressiert und an die Telefaxnummer des Arbeitsgerichts übermittelt worden, die sich von der des Landesarbeitsgerichts unterscheidet. In die Verfügungsgewalt des Landesarbeitsgerichts ist der Schriftsatz erst nach Fristablauf am 11. August 2015 aufgrund Weiterleitung durch das Arbeitsgericht gelangt.
Gleiches gilt für den am Abend des 10. August 2015 in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Erfurt eingeworfenen Schriftsatz. Das Landesarbeitsgericht hatte dadurch keine tatsächliche Verfügungsgewalt über den Schriftsatz. Ein bei einer gemeinsamen Einlaufstelle mehrerer Gerichte eingegangener Schriftsatz einer Partei ist mit der Einreichung bei der Einlaufstelle bei dem Gericht eingegangen, an das er adressiert ist (BGH 2. März 2010 – IV ZB 15/09 – Rn. 6 mwN). Dies war aber das Arbeitsgericht und nicht das Landesarbeitsgericht. Es liegt auch kein Sonderfall vor, in dem die Fehlerhaftigkeit der Adressierung ohne weiteres erkennbar war (vgl. hierzu BGH 18. Februar 1997 – VI ZB 28/96 -).
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger zu Recht versagt, § 233 iVm. § 85 Abs. 2 ZPO.Seinen Prozessbevollmächtigten trifft ein Verschulden an der durch falsche Adressierung und falsche Telefaxübermittlung verursachten Versäumung der Notfrist zur Einlegung der Berufung.
Aufgrund der falschen Adressierung und falschen Telefaxübermittlung ist die Berufung am Tag des Fristablaufs beim Arbeitsgericht und erst einen Tag später beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte, dessen Verschulden dem Kläger zugerechnet wird (§ 85 Abs. 2 ZPO), hat dieses nicht entschuldigt. Er bezieht sich nur auf ein „bedauerliches Büroversehen“, ohne dieses näher zu erläutern oder Mittel der Glaubhaftmachung vorzulegen.
Die Kausalität des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten des Klägers an der Fristversäumung ist nicht dadurch entfallen, dass das Arbeitsgericht den Berufungsschriftsatz seinerseits nicht rechtzeitig an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet hat.
Geht ein fristgebundenes Rechtsmittel statt beim zuständigen Rechtsmittelgericht bei einem anderen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich lediglich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Kommt das angerufene Gericht dem nicht nach, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten an der falschen Adressierung nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Die eine Wiedereinsetzung begehrende Partei hat jedoch darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ihr Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgerecht an das zuständige Rechtsmittelgericht hätte weitergeleitet werden können (vgl. BGH 8. Februar 2012 – XII ZB 165/11 – Rn. 22).
Nach diesem Maßstab ist es nicht zu beanstanden, dass der Berufungsschriftsatz des Klägers vom Arbeitsgericht erst am 11. August 2015 und damit nach Fristablauf an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet wurde.
Den am 10. August 2015 in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz konnte das Arbeitsgericht offenkundig nicht vor dem 11. August 2015 an das Landesarbeitsgericht weiterleiten. Etwas anderes behauptet auch der Kläger nicht.
Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass der am 10. August 2015 gegen 15:00 Uhr beim Arbeitsgericht als Telefax eingegangene Schriftsatz noch am selben Tag an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet wird. In diesem Zusammenhang beruft sich die Beschwerde zu Unrecht darauf, dass bei einem Dienstschluss von 16:00 Uhr beim Arbeitsgericht noch ausreichend Zeit für eine Weiterleitung des Schriftsatzes am selben Tag bestanden habe, zumal sich das Landesarbeitsgericht im selben Gebäude befinde. Damit verkennt der Kläger, dass sich aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte keine generelle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Zuständigkeit bei Eingang der Rechtsmittelschrift ableiten lässt. Dies enthöbe die Verfahrensbeteiligten und deren Prozessbevollmächtigte ihrer eigenen Verantwortung für die Einhaltung der Formalien und überspannte die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens (BVerfG 17. Januar 2006 – 1 BvR 2558/05 – Rn. 10, BVerfGK 7, 198). Der Kläger konnte nicht damit rechnen, dass der Schriftsatz noch am selben Tag vom Arbeitsgericht an das zuständige Landesarbeitsgericht weitergeleitet wird (vgl. BAG 20. August 1997 – 2 AZR 9/97 – zu II 2 der Gründe; BGH 8. Februar 2012 – XII ZB 165/11 – Rn. 22; 12. Juni 2013 – XII ZB 394/12 – Rn. 23).
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht (Berlin-Marzahn – Zweigstelle)
BAG: freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich an- und abmelden
Die Arbeitgeberin verlangte mit Schreiben vom März 2012 von drei freigestellten Betriebsratsmitgliedern, dass diese sich bei Durchführung außerbetrieblicher Betriebsratstätigkeit künftig vor Verlassen des Betriebes innerhalb der Arbeitszeiten bei der Geschäftsführung abzumelden und dabei den Ort, sowie die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit anzugeben hätten. Dies sollte schriftlich geschehen.
Der Betriebsrat und die freigestellten Betriebsratsmitglieder vertraten die Auffassung, dass die Arbeitgeberin dies nicht verlangen könnte. Ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin würde nicht vorliegen. Die ständige Erreichbarkeit des Betriebsrats sei auch so – ohne An- und Abmeldung gewährleistet.
Der Betriebsrat beantragte daher die Feststellung, dass eine solche Verpflichtung nicht bestehe. Das Arbeitsgericht gab dem Betriebsrat Recht, ebenso, wie das Landesarbeitsgericht.
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin vor dem Bundesarbeitsgericht war überwiegend erfolgreich.
Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 24.2.2016, 7 ABR 20/14) führte dazu aus:
Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen. Ein Betriebsratsmitglied, das seinen Arbeitsplatz verlässt, um Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen, hat sich aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beim Arbeitgeber abzumelden. Es ist auch verpflichtet, sich zurückzumelden, sobald es nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnimmt (BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09 – Rn. 19 mwN, BAGE 138, 233). Die Betriebsratsmitglieder treffen kollektivrechtliche Obliegenheiten zur Ab- und Rückmeldung aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Gleichermaßen handelt es sich um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht iSv. § 241 Abs. 2 BGB (vgl. BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09 – Rn. 20 mwN, aaO). Die Meldepflichten dienen bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern dem Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Arbeitnehmers zu überbrücken. Um diesen Zweck zu erfüllen, genügt es, wenn das Betriebsratsmitglied bei der Abmeldung den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit angibt. Aufgrund dieser Mindestangaben ist der Arbeitgeber imstande, die Arbeitsabläufe in geeigneter Weise zu organisieren und Störungen im Betriebsablauf zu vermeiden (BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09 – Rn. 21, aaO).
Rechtsanwalt Andreas Martin