Tarifvertrag
Lohn und nicht im Arbeitsvertrag benannte tarifvertragliche Ausschlussfristen

tarifvertragliche Ausschlussfristen
Tarifvertragliche Ausschlussfristen führen dazu, dass Ansprüche innerhalb einer kurzen Zeitspanne verfallen, wenn diese nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Dies betrifft Ansprüche von Arbeitgebern, aber in der Praxis vor allem Ansprüche der Arbeitnehmer.
tarifvertragliche Rahmenverträge
In fast allen Rahmentarifverträgen (z.B. auch im BRTV-Bau) findet man solche Verfallsklauseln. Diese stehen oft am Ende des Rahmentarifvertrages. Die Klauseln beinhalten oft kurze Fristen, sogenanntes Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der anderen Seite geltend zu machen sind. Viele Arbeitnehmer wissen dies nicht, da die Unsitte herrscht, dass man die Tarifverträge zwar grob kennt, aber nicht komplett liest. Dass diese Lektüre nicht sehr spannend ist, mag hier durchaus bestätigt werden.
Ausschlussfristen
Ausschlussfristen bewirken, dass ein Recht nach Ablauf bestimmter Zeit erlischt, wenn es nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Ausschlussfristen für die Geltendmachung von tariflichen Rechten können nur im Tarifvertrag vereinbart werden, § 4 Abs. 4 S. 3 TVG.
Verfallsklauseln
Diese Verfallsklauseln können auch durchaus kürzer sein als drei Monate und sind für Arbeitnehmer von daher die wirkliche Gefahr nicht die Verjährung, die an drei Jahre beträgt. In Arbeitsverträgen müssen die Verfallsklauseln-sofern keine entsprechenden Klauseln in anwendbaren Tarifverträgen existieren-wenigstens drei Monate auf jeder Stufe betragen.
Arten von Ausschlussfristen
Es werden im Arbeitsrecht zwei Formen von Ausschlussfristen unterschieden:
einstufige Verfallsfristen
Bei einstufigen Ausschlussfristen muss der Anspruch innerhalb einer Frist geltend gemacht werden muss.
zweistufige Verfallfristen
bei zweistufige Ausschlussfristen muss innerhalb einer weiteren Frist Klage eingereicht werden.
Nachweisgesetz
Nach dem Nachweisgesetz-der alten Fassung-war der Arbeitgeber aber verpflichtet die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingung und dazu zählen auch die Anwendbarkeit von Tarifverträgen und die Geltung von Ausschlussklauseln in solchen Tarifverträgen dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen. Oft findet man dazu einen Hinweis im Arbeitsvertrag. Fehlt aber ein solcher Hinweis und verfällt dann der Anspruch des Arbeitnehmers aufgrund einer tarifvertraglichen Ausschlussklausel, dann könnte der Arbeitnehmer unter Umständen trotzdem noch seinen Anspruch geltend machen, wenn er darlegt und gegebenenfalls nachweist, dass er bei rechtzeitiger Information durch den Arbeitgeber den Anspruch auch rechtzeitig geltend gemacht hätte und dieser dann nicht verfallen wäre.
§ 2 Abs. 1 Nachweisgesetz alter Fassung
(1) Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
Nachweisgesetz alter Fassung
Bundesarbeitsgericht
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21) hat nun über einen solchen Fall entschieden.
Fall des BAG
Wichtig ist, dass es hierbei um das Nachweisgesetz in der alten Fassung ging. Ein Arbeitnehmer hatte über Jahre eine Höhergruppierung, die aufgrund eines Tarifvertrages eigentlich hätte greifen müssen, gegenüber seinem Arbeitgeber nicht geltend gemacht. Im Tarifvertrag waren auch Ausschlussklauseln vorhanden, nach denen die entsprechenden Höhergruppierung Ansprüche/Lohnansprüche schon längst verfallen waren. Im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers gab es aber-entgegen der Regelung im Nachweisgesetz-keinen Hinweis auf den Tarifvertrag.
Der Arbeitnehmer trug über seinen Rechtsanwalt vor, dass er bei rechtzeitigem Hinweis auf die Ausschlussfristen seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte und von daher der Anspruch zwar verfallen ist aber ihm ein gleich hoher Schadensersatzanspruch zusteht.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers besteht, wenn aufgrund eines nicht erfolgten Hinweises des Arbeitgebers auf anwendbare Ausschlussklauseln in einem Tarifvertrag nicht hingewiesen wurde und dadurch die Ansprüche des Arbeitnehmers verfallen sind. Voraussetzung ist aber, dass auch der fehlende Hinweis ursächlich für den Verfall ist. Der Arbeitnehmer muss also vortragen, dass er bei entsprechenden Hinweis die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte. Ein bloßer Vortrag reicht aber nicht aus, sondern es muss im Ergebnis auch schlüssig sein, was hier nicht der Fall war.
Das Bundesarbeitsgericht wies von daher die Klage des Arbeitnehmers ab und führte zu der Begründung folgendes aus:
Die Beklagte hat auch gegen ihre Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz verstoßen, indem sie den Kläger entgegen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF getroffenen Bestimmung in keiner der ihm überlassenen Niederschriften bzw. Vertragsexemplare iSv. § 2 Abs. 1 bzw. Abs. 4 NachwG aF ausdrücklich auf die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO hingewiesen hat. Die Ausschlussfrist ist eine wesentliche Vertragsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF. Auch insoweit wird wegen der Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 30. Oktober 2019 (- 6 AZR 465/18 – Rn. 46 ff., BAGE 168, 254) Bezug genommen. …
Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF in Verzug, ist er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 a der Gründe; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75).18
Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf sie hingewiesen worden wäre (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aF vgl. auch: BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 35; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75). Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der bis 31. Juli 2022 geltenden Nachweisrichtlinie 91/533/EWG vom 14. Oktober 1991, den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Der Arbeitnehmer könnte im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – aaO).19
Dabei ersetzt die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens als Beweisregel allerdings nicht den Parteivortrag. Die Tatsachen für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden hat der Arbeitnehmer darzutun (BAG 20. Juni 2018 – 4 AZR 235/15 – Rn. 23; 20. April 2011 – 5 AZR 171/10 – Rn. 27, BAGE 137, 375; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 c der Gründe).
Dass die Entgeltansprüche auch bei ordnungsgemäßem Nachweis der Ausschlussfrist verfallen wären, wird im Übrigen durch das eigene Verhalten des Klägers bestätigt. Der Kläger hat die Differenzvergütungsansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 auch nicht in unverjährter Zeit eingeklagt, sondern erst im Jahr 2016 klageweise geltend gemacht. Dies spricht dafür, dass er die Ansprüche auch in Kenntnis der Ausschlussfrist nicht rechtzeitig geltend gemacht hätte.
BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21
Anmerkung:
Das Bundesarbeitsgericht hat also nochmals bestätigt, dass bei fehlenden Hinweis des Arbeitgebers auf tarifvertragliche Ausschlussfristen (nach dem alten Nachweisgesetz) ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers entstehen kann. Der Arbeitnehmer muss aber nachweisen, dass er, wenn der Arbeitgeber auf die entsprechenden Ausschlussfristen hingewiesen hätte, er den Anspruch geltend gemacht hätte und zwar rechtzeitig. Dies war hier das Problem. Der Arbeitnehmer hatte nämlich vorgetragen, dass er gar nicht gewusst hat, dass er einen entsprechenden höheren Lohnanspruch hatte. Dies führt dazu, dass auch wenn er von der entsprechenden Ausschlussklausel gewusst hätte, er ohnehin die Lohnerhöhung gar nicht geltend gemacht hätte, da er davon ja nichts wusste. Dies war das Problem in der Sache. Die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Arbeitgebers, den fehlenden Hinweis auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist, und den Schaden des Arbeitnehmers, nämlich des Verfalls seiner Lohnerhöhung Ansprüche/Differenzlohnansprüche, konnte durch den Arbeitnehmer nicht ausreichend vorgetragen werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kürzung von Urlaub in der Elternzeit

Kürzung von Urlaub in der Elternzeit
Wussten Sie, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen den Urlaub in der Elternzeit kürzen kann?
Viele Arbeitnehmer wissen dies nicht und dies gilt auch für Arbeitgeber, dass grundsätzlich der Arbeitgeber den Urlaub in der Elternzeit kürzen kann. Es geht dabei um den Urlaubsanspruch, den der Arbeitnehmer während der Elternzeit erwirbt.
Kürzungsrecht nach § 17 BEEG
§ 17 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG regelt nämlich die Möglichkeit des Arbeitgebers, dass dieser den Urlaubsanspruch, der für den Arbeitnehmer während der bestehenden Elternzeit entsteht, kürzen kann. Faktisch läuft die Kürzung darauf hinaus, dass letztendlich der Urlaubsanspruch in der Elternzeit entfällt. Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber dieses Kürzungsrecht auch tatsächlich ausüben muss.
gesetzliche Grundlage für die Kürzung des Urlaubsanspruchs
Wie bereits ausgeführt findet man die Rechtsgrundlage dafür in § 17 des BEEG. Die Norm lautet wie folgt:
§ 17 Urlaub
(1) Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der Elternzeit bei seinem oder ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet.
§ 17 BEEG
(2) Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.
(3) Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten.
(4) Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vor Beginn der Elternzeit mehr Urlaub erhalten, als ihm oder ihr nach Absatz 1 zusteht, kann der Arbeitgeber den Urlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin nach dem Ende der Elternzeit zusteht, um die zu viel gewährten Urlaubstage kürzen.
Abgabe der Kürzungserklärung durch Arbeitgeber
Dazu ist erforderlich, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung abgibt. Diese Kürzungserklärung muss dem Arbeitnehmer nachweislich zugehen. Im Zweifel – oft gibt es später Streit bei der sog. Urlaubsabgeltung – muss der Arbeitgeber also den Zugang dieser Erklärung beim Arbeitnehmer nachweisen.
Entscheidung des LAG Niedersachsen Urteil vom 17.5.2022 – 10 Sa 954/21)
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urt. v. 17.5.2022 – 10 Sa 954/21) hatte nun zwei Probleme im Zusammenhang mit dieser Kürzung des Urlaubs in der Elternzeit zu entscheiden.
Zum einen ging es darum, ob eine tarifliche Norm die Kürzungserklärung des Arbeitgebers ersetzen kann, so dass der Arbeitgeber nicht mehr ausdrücklich gegenüber dem Arbeitnehmer die Kürzung des Urlaubs in der Elternzeit erklären muss. Zum anderen ging es darum, innerhalb welcher Zeitspanne der Arbeitgeber das Kürzungsrecht ausüben muss.
Kürzung durch tarifvertragliche Regelung
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschied, dass § 26 Absatz 2 c des TVöD nicht ausreicht, um eine entsprechende Kürzungserklärung in der Elternzeit zu ersetzen. Das Gericht gehe davon aus, dass eine tarifvertraglichen Norm die Kürzungserklärung des Arbeitgebers nicht ersetzen kann.
Zeitrahmen für die Abgabe der Kürzungserklärung
Weiter hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschieden, dass der Arbeitgeber grundsätzlich einen weiten zeitlichen Rahmen hat, um sein Kürzungsrecht zu erklären. Das Kürzungsrecht kann vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausgeübt werden. Dabei gelten allerdings zwei Ausnahmen. Zum einen kann das Kürzungsrecht nicht mehr nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt werden. Wenn also das Arbeitsverhältnis beendet ist, kann der Arbeitgeber hier nicht mehr kürzen. Darüberhinaus hat das LAG Niedersachsen entschieden, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht auch nicht vor der Erklärung des Arbeitnehmers, dass dieser Elternzeit in Anspruch nimmt, erklärt werden kann.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Erschwerniszuschlag für Arbeitnehmer beim Tragen einer Corona-Maske auf Arbeit?

Das Wichtigste vorab:
1. Für das Tragen der Corona-Maske auf Arbeit gibt es keinen allgemeinen Erschwerniszuschlag.
2. Sofern ein tarifvertraglicher Erschwerniszuschlag vorgesehen ist, wie zum Beispiel im Reinigungsgewerbe, umfasst diese Regelung in der Regel nicht das Arbeiten mit einer Corona-Schutzmaske, es sei denn diese ist Teil der persönlichen Schutzausrüstung
—
Corona und Erschwerniszuschläge
Erschwerniszuschläge sind Zulagen für Arbeitnehmer, die zusätzlich zum Arbeitslohn für durchgeführte Arbeiten, die besonders schwierig oder aufwendig sind. Oft sind solche Zulagen in Tarifverträgen festgeschrieben. Im Gesetz findet man dazu wenig. Dies hat zunächst auch nicht viel mit dem Corona-Virus zu tun. Die Pandemie kommt hier aber noch ins Spiel … .
das Arbeiten mit einer Corona-Maske
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, also einer Corona-Maske, die Arbeit anstrengender ist als ohne Maske. Vor allen dann wenn körperlich schwere Arbeit ausgeführt wird ggfs. dann auch noch mit Kundenkontakt, ist die Maske, die vor der Ansteckung mit dem Corona Virus schützen soll recht unangenehm zu tragen. Dabei ist die einfache OP-Maske etwas „luftdurchlässiger“ als die sog. FFP2-Maske. Nicht umsonst gibt es für FFP2-Masken bestimmte Pausenzeiten, die beachtet werden sollen. FFP Masken (FFP2 und FFP3) sind – im Gegensatz zur Mund-Nase-Bedeckung – zum Eigenschutz und bei gesundheitsgefährdender Einwirkung zu tragen.
Erschwerniszuschlag beim Arbeiten mit einem Mund-Nasen-Schutz/ FFP2-Maske?
Nun könnte man den Schluss ziehen, dass sogenannte Erschwerniszuschläge grundsätzlich für Arbeitnehmer zu zahlen sind, die mit dem entsprechenden Mund-und Nasenschutz ihre Arbeit verrichten und dadurch körperlich zusätzlich belastet werden. Zu beachten ist allerdings, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, wonach ein Arbeitnehmer einen Lohnzuschlag erhält. Das Bundesarbeitsgericht hat aber für Nachtarbeit und Sonn- und Feiertagsarbeit einen Anspruch auf Zuschläge (Feiertagszuschläge) normiert.
Rechtsgrundlage für die Zahlung von Zuschlägen
Für entsprechende Erschwerniszuschläge muss es von daher eine rechtliche Grundlage geben. Im Gesetz selbst ist für den normalen Arbeitnehmer hier wenig zu finden. Manchmal findet man entsprechende Regelungen in Arbeitsverträgen.
Allerdings gibt es einige Tarifverträge, die vorschreiben, wann der Arbeitnehmer sogenannte Erschwerniszulagen erhält.
Rahmentarifvertrag für die Gebäudereinigung
So ist dies zum Beispiel bei den Gebäudereinigern, also im Reinigunggewerbe, geregelt. Dort gibt es einen Rahmentarifvertrag (RTV).
So ist in § 10 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 (RTV) , der auch im Bundesland Berlin gilt, dazu folgendes geregelt:
§ 10 RTV Erschwerniszuschläge
Der Anspruch auf nachstehende Zuschläge setzt voraus, dass Beschäftigte die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften einhalten.
Beschäftigte haben für die Zeit, in der sie mit einer der folgenden Arbeiten beschäftigt werden, Anspruch auf den nachstehenden jeweils aufgeführten Erschwerniszuschlag, bezogen auf den jeweiligen Lohn des Tätigkeitsbereichs.1. Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung
(Schutzbekleidung, Atemschutzgerät)
1.1 Arbeiten, bei denen ein vorgeschriebener Schutzanzug…verwendet wird
….
1.2 Arbeiten, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird….10 %
Fall für das Arbeitsgericht Berlin
Ein Arbeitnehmer kam nun auf die Idee für sich nach der tarifvertraglichen Norm in der Gebäudereinigung wegen des Tragens der Corona-Maske einen tariflichen Erschwerniszuschlag zu beanspruchen. Dies teilte er seinem Arbeitgeber mit, der davon nicht begeistert war. Der Arbeitgeber lehnte die Zahlung von Erschwerniszuschlägen für den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mit der Corona Maske erbringen musste, ab.
Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Zahlung von „Corona-Erschwerniszuschlägen“
Es kam wie es kommen musste, der Arbeitnehmer klagte hier vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Zahlung der Zuschläge in Höhe von 10 % zum Lohn.
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab und sah keinen Anspruch auf Zahlung. Ein tariflicher Erschwerniszuschlag sei nicht zu zahlen.
Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Die Berufung des Arbeitnehmers (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2021, Aktenzeichen 17 Sa 1067/21) wurde auch hier zurückgewiesen, allerdings wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
In seiner Pressemitteilung Nummer 45/21 vom 17. November 2021 führte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dazu folgendes aus:
Beschäftigte der Reinigungsbranche, die bei der Durchführung der Arbeiten eine sogenannte OP-Maske tragen, haben keinen Anspruch auf einen tariflichen Erschwerniszuschlag. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Reinigungskraft tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 (RTV) Anwendung. Dieser sieht bei Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird, einen Zuschlag von 10 % vor.
Der Kläger hatte ab August 2020 bei der Arbeit eine OP-Maske zu tragen. Er hat mit seiner Klage den genannten Erschwerniszuschlag geltend gemacht.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage – wie bereits das Arbeitsgericht – abgewiesen. Der geforderte Erschwerniszuschlag sei nur zu zahlen, wenn die Atemschutzmaske Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers sei. Dies sei bei einer OP-Maske nicht der Fall, weil sie – anders als eine FFP2- oder FFP3-Maske – nicht vor allem dem Eigenschutz des Arbeitnehmers, sondern dem Schutz anderer Personen diene.
Update Januar 2022
Mittlerweile gibt es die nächste Entscheidung zu der Frage, ob das Tragen der Corona-Maske dazu führt, dass Erschwerniszulagen vom Arbeitgeber zu zahlen sind. Hier liegt eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 8. Dezember 2021 vor. Eine Arbeitnehmerin, die hauswirtschaftliche Arbeiten ausführte, wollte eine Erschwerniszulage nach § Abs. 1 Satz eins des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes (TVöD) wegen des Tragens einer FFP2-Masken. Das Gericht lehnte dies ab.
Arbeitsgericht Karlsruhe – Entscheidung
Das Arbeitsgericht Karlsruhe (Urteil 8.12.2021 – 9 Ca 238/21) führte dazu aus:
Zuschläge werden nach § 19 Abs. 3 TVöD aber dann nicht gewährt, wenn der außergewöhnlichen Erschwernis durch geeignete Vorkehrungen, insbesondere zum Arbeitsschutz, Rechnung getragen wird.
Davon ausgehend sind sicherlich hauswirtschaftliche Arbeiten unter der Gefahr einer Ansteckung mit dem mitunter lebensgefährlichen Corona-Virus eine außergewöhnliche Erschwernis. Dieser außergewöhnlichen Erschwernis wird jedoch durch das Tragen einer FFP2-Maske begegnet, die insoweit eine Schutzvorkehrung im Sinne von § 19 Abs. 3 TVöD ist, sodass dafür kein Zuschlag nach § 19 Abs. 1 TVöD zu zahlen ist.
Hauswirtschaftliche Arbeiten mit einer FFP2-Maske für sich genommen sind zwar eine Erschwernis, aber keine außergewöhnliche Erschwernis im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass hauswirtschaftliche Arbeiten mit einer FFP2-Maske belastend sind, weil man durch das Tragen einer FFP2-Maske weniger Luft bekommt, die man vermehrt bei hauswirtschaftlichen Arbeiten benötigt wegen der damit einhergehenden körperlichen Anstrengung. Eine besondere Gefährdung durch das Tragen einer FFP2-Maske bei Reinigungsarbeiten ist allerdings weder erkennbar noch von der Klägerin konkret aufgezeigt. Eine besondere Gefährdung ist aber Voraussetzung für eine Erschwerniszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD, wie insbesondere aus § 19 Abs. 2 Buchstabe a) TVöD folgt. Da diese nicht ersichtlich ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Erschwerniszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD.
Ein Anspruch auf eine Erschwerniszulage folgt auch nicht aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
ArbG Karlsruhe, Urt. v. 8.12.2021 – 9 Ca 238/21
Update Juli 2022 – Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Der Fall ging nun zum BAG. Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 20.7.2022 – 10 AZR 41/22) wies die Revision des Arbeitnehmers zurück. Auch das Bundesarbeitsgericht sah hier keinen Anspruch auf einen Erschwerniszuschlag durch das Tragen einer Corona-Schutzmaske.
Das BAG führte dazu aus:
Eine medizinische Gesichtsmaske ist keine Atemschutzmaske i.S.v. § 10 Nr. 1.2 RTV. Die tarifliche Bestimmung knüpft insoweit an die maßgeblichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts an. Danach fällt unter den Begriff der Atemschutzmaske nur eine solche Maske, die vorrangig den Eigenschutz bezweckt und zu den sog. persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) gehört. Das trifft auf medizinische Gesichtsmasken nicht zu. Diese bezwecken einen Fremd-, aber keinen Eigenschutz, der den Anforderungen an eine persönliche Schutzausrüstung im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften genügt. Ein Anspruch auf den tariflichen Erschwerniszuschlag nach dem RTV besteht deshalb beim Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske nicht.
Bundesarbeitsgericht vom 20.7.2022 – 10 AZR 41/22
Anmerkung:
Das Gericht musste die tarifvertragliche Regelung auslegen und orientiert sich dabei am Wortlaut. Nach dem Wortlaut bekommt der Arbeitnehmer den Zuschlag, wenn dieser die persönliche Schutzausrüstung trägt. Der Grund für den Zuschlag ist die besondere Erschwernis der Arbeit mit der Schutzausrüstung. Die medizinische Gesichtsmaske ist nicht Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers. Dies ist aber in anderen Branchen (Bau/ Medizin) durchaus denkbar; allerdings muss es dann wieder eine entsprechende Rechtsgrundlage für einen Zuschlag geben.
Rechtsanwalt Andreas Martin
BAG: Keine Vergütung des ärztlichen Hintergrunddienstes!
ärztlicher Hintergrunddienst
Oberärzte leisten oft einen sogenannten Hintergrunddienst. Dabei sind sie örtlich nicht anwesend, sondern können sich Zuhause aufhalten, müssen aber im Notfall erreichbar sein und in bestimmten Fällen sogar dann ins Krankenhaus fahren. Dieser sogenannte Hintergrunddienst stellt die Frage danach, ob ein solcher Dienst, wie Arbeitszeit, zu vergüten ist.
Tarifverträge in Krankenhäusern regeln den Hintergrunddienst und dessen Vergütung
Eine Besonderheit besteht auch noch darin, dass für in Krankenhäusern beschäftigte Ärzte oft tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden. In vielen ärztlichen Tarifverträgen wird der Dienst als Hintergrund nicht oder nur sehr gering vergütet.
Entscheidung des BAG zur Vergütung des Hintergrundes
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun einen Fall zu entscheiden, wonach ein Oberarzt die Zeiten seines Hintergrunddienstes vergütet bekommen wollte.
> Ergebnis: > Um das Ergebnis vorwegzunehmen, das Bundesarbeitsgericht war der Meinung, dass die Hintergrunddienstzeiten des Arztes als Rufbereitschaftsdienste nicht zu vergüten sind.
> Dazu wie folgt:
Was ist Rufbereitschaft?
Rufbereitschaft ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und die Arbeit im Bedarfsfall aufzunehmen. In Tarifverträgen werden für die Rufbereitschaft teilweise andere Bezeichnungen verwandt.
Ist Rufbereitschaft zu vergüten?
Rufbereitschaft ist in der Regel nicht zu vergüten und zählt nicht zur Arbeitszeit, sondern ist Ruhezeit. Der Arbeitnehmer kann seinen Aufenthaltsort frei bestimmen und muss nur erreichbar sein.
Was ist Bereitschaftsdienst?
Bereitschaftsdienst ist eine Sonderform der Arbeitszeit und keine Ruhezeit. Der Bereitschaftsdienst ist das Verfügbarhalten des Arbeitnehmers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort mit der Pflicht zur unverzüglichen Aufnahme der Arbeit im Bedarfsfall.
Muss der Bereitschaftsdienst vergütet werden?
Da der Bereitschaftsdienst keine Ruhezeit, sondern Arbeitszeit ist, ist dieser zu vergüten.
Was ist der Unterschied zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft?
Grundsätzlich unterscheiden sich die Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst durch die unterschiedliche Bestimmung des Aufenthaltsortes. Bei der Rufbereitschaft bestimmt der Arbeitnehmer, bei der Arbeitsbereitschaft und dem Bereitschaftsdienst der Arbeitgeber den Aufenthaltsort. Die Rufbereitschaft ist Ruhezeit und von daher nicht zu vergüten. Der Bereitschaftsdienst ist vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Ist der ärztliche Bereitschaftsdienst zu vergüten?
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist Bereitschaftsdienst von Ärzten, den diese in persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung zu leisten haben, als Arbeitszeit anzusehen (so Urteil des EuGH vom 03.10.2000 C 303/98).
Ist die ärztliche Rufbereitschaft zu vergüten?
In der Regel nicht, aber hier können Ausnahmeregelungen in Tarifverträgen vorgesehen werden.
Sachverhalt des Bundesarbeitsgerichts zur Hintergrundzeit
Der Kläger ist Oberarzt und leistet bei der Beklagten im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, auf das der TV-Ärzte/TdL Anwendung findet, außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit sog. Hintergrunddienste.
Während dieser Zeit ist der Kläger verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer er die Arbeit im Klinikum aufzunehmen hat, gibt es nicht. In der Regel wird er telefonisch in Anspruch genommen und berät dann die Ärzte im Klinikum. In seltenen Fällen muss er auch ins Klinikum fahren.
> Die Beklagte vergütet die Hintergrunddienste gemäß § 9 Abs. 1 TV-Ärzte/TdL als Rufbereitschaft iSd. § 7 Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL.
Der klagende Oberarzt möchte nun seine Hintergrunddienst bezahlt bekommen und forderte vor dem Arbeitsgericht insgesamt € 40.000 an Vergütung nach.
Das Landesarbeitsgericht sprach dem Kläger die geforderte Vergütung zu.
Die Beklagte ging daraufhin in Revision zum BAG und gewann dort den Rechtsstreit.
Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht sah in der ärztlichen Hintergrunddienstzeit nur eine Rufbereitschaft, da kein Aufenthaltsort vorgegeben war, so dass eine Vergütungspflicht nicht bestand.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. März 2021 – 6 AZR 264/20) führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 25.03.2021 (Nr. 6/21) folgendes aus:
> Bei dem vom Kläger geleisteten Hintergrunddienst handelt es sich um Rufbereitschaft. Ob ein vom Arbeitgeber im Anwendungsbereich des TV-Ärzte/TdL angeordneter (Hintergrund-)Dienst im vergütungsrechtlichen Sinn Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft ist, richtet sich ausschließlich nach nationalem Recht und nicht nach der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterscheiden sich nach den tariflichen Definitionen in § 7 Abs. 4 Satz 1 bzw. Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL dadurch, dass der Arbeitnehmer sich nach den Vorgaben des Arbeitgebers nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Maßgeblich ist also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung. Dabei ist der Arbeitnehmer allerdings auch bei der Rufbereitschaft in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei. Er darf sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur so weit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort alsbald aufnehmen kann. Das ist bei dem von der Beklagten angeordneten Hintergrunddienst noch der Fall. Mit der Verpflichtung, einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen, ist keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden. Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit im Übrigen bestehen nicht. Dass uU nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortgesetzt werden muss, steht im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft. > > Allerdings untersagt § 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Das trifft vorliegend zu. Der Kläger wird in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen und leistet zu 4 % aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeitseinsätze an, die in der Klinik fortzusetzen sind, was in mehr als einem Viertel der Rufbereitschaften vorkommt. In der Gesamtschau dieser Umstände hätte sie die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste daher nicht anordnen dürfen. Gleichwohl führt dies nicht zu der vom Kläger begehrten höheren Vergütung. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil ist nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent. Die Tarifvertragsparteien haben damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen hat der Senat respektiert.
Anmerkung: Die Unterscheidung zwischen der nicht Vergütungspflichten Rufbereitschaft und dem zu bezahlenden Bereitschaftsdienst bestimmt sich dem Grunde nach danach, ob der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort frei bestimmen kann.
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Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Arbeitsgericht Berlin verhandelt am 7. April 2016 – Amazon gegen Streikmaßnahmen der (ver.di)
Das Arbeitsgericht Berlin(Az 41 Ca 15029/15) verhandelt am
Donnerstag, 7. April 2016, 12:15 Uhr, Saal 509
im Gebäude des Arbeitsgerichts am Magdeburger Platz 1 in 10785 Berlin (Saal 509/ 5. Stock) über die Klage der Amazon Pforzheim GmbH gegen Ver.di (Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft) wegen der Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände von Amazon.
Wie das Verfahren ausgehen wird, bleibt abzuwarten. Ver.di möchte gern für die Amazon-Mitarbeiter die Anwendung eines anderen Tarifvertrages erreichen. Darüber wird das Arbeitsgericht Berlin aber nicht entscheiden, sondern allein über die Rechtmäßigkeit der jetzigen Streikmaßnahmen von Ver.di.
Siehe dazu die Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin (PM 14/16 vom 31.3.2016).
Rechtsanwalt Andreas Martin
Tarifeinheitsgesetz geht durch den Bundestag
Der Bundestag hat gestern (22.5.2015) das Tarifeinheitsgesetz beschlossen.
Für das neue Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit stimmten insgesamt 448 Abgeordnete, 126 waren dagegen, 16 Parlamentarier enthielten sich der Stimme.
Zuvor gab es eine kontroverse Debatte über das umstrittene Gesetz.
Voraussichtlich am 12. Juni 2015 wird das Gesetz den Bundesrat passieren. Da hier eine Mehrheit der Stimmen in der Länderkammer nicht erforderlich ist, dürfte das Gesetz im Monat darauf in Kraft treten.
Es ist zu erwarten,dass dann sofern mehrere „Spartengewerkschaften“ (wie GDL, Cockpit, Marburger Bund) dann Verfassungsbeschwerde erheben werden. Die Verfassunsmäßigkeit des Gesetzes ist stark umstritten.
Anwalt A. Martin
Mindestlohn für Pädagogen auch an Feiertagen und bei Krankheit
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 10 AZR 191/14) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der tarifliche Mindestlohn für das pädagogische Personal auch an Feiertagen und bei Krankheit (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) gilt.
Die Arbeitnehmerin und spätere Klägerin war bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin tätig. Diese betreute Teilnehmer in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem SGB II und SGB III. Für das Arbeitsverhältnis galt kraft „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen“ der Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal (TV-Mindestlohn). Der Tarifvertrag sah eine Mindeststundenvergütung von € 12,60 brutto vor.
Der Arbeitgeber zahlte nur für die tatsächlich geleistete Arbeit den tariflichen Mindestlohn in Höhe von € 12,60 brutto die Stunde. Für die durch Feiertage und Krankheit (Lohnfortzahlung) angefallenen Arbeitsstunden zahlte der Arbeitgeber eine geringere Vergütung (war im Arbeitsvertrag geregelt). Dagegen wehrte sich die Arbeitnehmer mittels Klage zum Arbeitsgericht.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Arbeitnehmerin Recht. Die Revision des Arbeitsgebers gegen das Urteil des LAG hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht führt dazu in seiner Pressemitteilung (Nr 30/15) aus:
Nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (§ 2 Abs. 1, § 3 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG) hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung bestimmt sich gemäß § 11 BUrlG nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen (Referenzprinzip). Diese Regelungen finden auch dann Anwendung, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die – wie hier die MindestlohnVO – keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. Ein Rückgriff des Arbeitsgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung ist in diesen Fällen deshalb unzulässig.
Anmerkung: Auch wenn der Fall einen tariflich anwendbaren Mindestlohn betrifft und nicht den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz, so dürften die obigen Grundsätze auch hier gelten. Auch im Mindestlohngesetz ist nich ausdrücklich geregelt, dass der gesetzliche Mindestlohn auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und an Feiertagen gilt. Nach dem BAG gilt trotzdem der Anspruch des Arbeitnehmers auf Mindestlohn, da sowohl die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall als auch Urlaubsansprüche daran anknüpfen.
allgemeinverbindlicher Mindestlohn in der Fleischwirtschaft zum 1.8.2014 in Kraft getreten
Nicht, wie geplant, zum 1.7.2014,sondern zum 1.8.2014 ist nun ein allgemeinverbindlicher Mindestlohn in der Fleischwirtschaft in Kraft getreten. Ein Mindestlohntarifvertrag zwischen der NGG und der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss gab es bereits, allerdings wirkt dieser nur zwischen den jeweiligen Mitgliedern.
Dieser musste durch Rechtsverordnung erst für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dies schaffte man zwar nicht zum 1.7.,so wie geplant, aber zum 1. Äugst 2014 ist die Verordnung dann in Kraft getreten (nachzulesen hier auf den Seiten des Bundesministerium für Arbeit und Soziales)und regelt auch rückwirkend die Mindestlöhne in der Fleischbranche. Die Allgemeinverbindlichkeit bewirkt, dass der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer der Branche verbindlich geregelt wird, unabhängig von einer evtl. Gewerkschaftszugehörigkeit.
Tarifvertrags zur Regelung der Mindestbedingungen für Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestbedingungen) vom 13. Januar 2014
§1 Geltungsbereich
1. Räumlicher Geltungsbereich
Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
2. Betrieblicher Geltungsbereich
a) Alle Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen der Fleischwirtschaft. Dies sind Betriebe, in denen – Schweine und Rinder geschlachtet und/oder zerlegt werden, – Geflügel jeder Art geschlachtet und/oder zerlegt wird, – überwiegend Fleisch und Fleischwaren jeder Art verarbeitet, portioniert und/oder verpackt werden. http://www.bundesanzeiger.de Hierzu zählen auch Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die ihre Arbeitnehmer in Betrieben oder Be- triebsabteilungen der Fleischwirtschaft einsetzen (Dienstleister der Fleischwirtschaft). b) Nicht erfasst werden Betriebsstätten, die zum Fleischerhandwerk gehören, es sei denn, dass sie als Dienstleister der Fleischwirtschaft tätig werden.
3. Persönlicher Geltungsbereich
Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere solche, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Bu- ches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausüben, einschließlich derjenigen, die gemäß § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) eine geringfügige Beschäftigung ausüben. Dies sind auch Arbeitnehmer von Dienstleistern der Fleischwirtschaft, soweit sie in Betrieben oder selbständigen Betriebsabteilungen der Fleischwirtschaft eingesetzt werden.
Ausgenommen sind:
a) Auszubildende im Sinne des Berufsbildungsgesetzes.
b) Personen, die nachweislich aufgrund einer Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung ein Praktikum absolvieren.
§2 Mindestlöhne
1. Das Mindestentgelt ist Entgelt im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 1 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben unberührt.
2. Die Mindestlöhne je Stunde betragen bundeseinheitlich je Stunde
ab 1. Juli 2014 € 7,74
ab 1. Dezember 2014 € 8,00
ab 1. Oktober 2015 € 8,60
ab 1. Dezember 2016 €8,75
3. Der Anspruch auf das Mindestentgelt wird spätestens zum 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den das Mindestentgelt zu zahlen ist.
§3 Ausschlussfristen
Für alle Ansprüche aus diesem Tarifvertrag gilt eine Ausschlussfrist von 6 Monaten ab Fälligkeit des Anspruchs.