Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Betriebsfest nur mit 2G+ und negativen Test

Betriebsfeier mit strengen Corona-Regelungen
Viele Arbeitgeber haben interne, betriebliche Regelungen getroffen, die die Voraussetzungen den Zugang zum Betrieb/ Arbeitsplatz festlegen. Es schon einige Entscheidungen von Arbeitsgerichten, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich bestimmte Corona-Zugangsregelungen (Testpflicht etc) am Arbeitsplatz treffen darf.
Gesundheitsberufung mit strengen Sonderregelungen
In den Gesundheitsberufen gibt es darüber hinaus ja nun auch eine Pflicht zum Nachweis der Impfung.
Sogar für Betriebsfeiern darf der Arbeitgeber bestimmte Zugangsbeschränkungen – Pandemiepläne – aufstellen.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
So jedenfalls nach einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Eine Klinik hatte für ihre Beschäftigte ein Betriebsfest an einem auswärtigen Veranstaltungsort ausgerichtet. Die Klinik verhängte aber strenge Zugangsregelung zur Betriebsfeier. Nach der Klinik war erforderlich, dass eine gültige, vollständige Impfung und/oder Genesung sowie eine auch Auffrischimpung und darüber hinaus ein tagesaktueller negativer Antigenschnelltest erforderlich waren (2 G+ und negativer Schnelltest).
einstweiliger Rechtschutz eines Arbeitnehmers
Dies sind schon sehr strenge Anforderungen und ein Arbeitnehmer wollte sich dies nicht gefallen lassen und wollte den Zugang zur Betriebsfeier erstreiten ohne dass er den entsprechenden strengen Zugangsregelung unterworfen wird.
Er versucht im Wege der einstweiligen Anordnung den Zugang zur Betriebsfeier zu erreichen.
Entscheidungen des Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin lehnte dies ab und in dem Verfahren der zweiten Instanz (Beschwerdeverfahren) bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das entsprechende Urteil.
Begründung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das LAG Berlin-Brandenburg (6 Ta 673/22) führte in seiner Pressemitteilung Nr. 14/22 vom 04.07.2022 dazu folgendes aus:
Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Teilnahme an dem Sommerfest ohne Einhaltung dieser Vorgaben. Eine besondere Rechtsgrundlage für die Zugangsbeschränkungen sei entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers nicht erforderlich. Die Klinik handle nicht hoheitlich. Vielmehr sei eine Anspruchsgrundlage für den begehrten Zutritt erforderlich. Ansprüche ergäben sich schon deshalb nicht aus dem Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin (LADG), weil dieses gemäß § 3 Absatz 1 LADG auf öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Klinik nur anwendbar sei, soweit diese Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Dies sei bei der Ausrichtung einer Betriebsfeier nicht der Fall. Aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) könnten sich keine Ansprüche ergeben, weil der Arbeitnehmer keine Benachteiligung aufgrund hier genannter Merkmale geltend mache. Er behaupte keine Behinderung und eine etwa aus diesem Grund nicht mögliche Impfung. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Hiernach müsse eine vorgenommene Gruppenbildung bei der Gewährung von Leistungen – hier dem Zutritt zum Betriebsfest – sachlich gerechtfertigt sein. Die sachliche Rechtfertigung sei hier schon angesichts der gesetzlichen Wertung in § 20a Infektionsschutzgesetz gegeben. Hiernach gebe es für Beschäftigte in Kliniken besonderen Anlass für Schutzmaßnahmen, insbesondere auch in Form eines Impf- oder Genesenennachweises. Für das Infektionsrisiko spiele es keine Rolle, ob es um Zusammenkünfte bei der Arbeit oder anlässlich einer Betriebsfeier gehe. Ferner sei für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ein besonderer Verfügungsgrund erforderlich, das heißt, dass dem Arbeitnehmer erhebliche Nachteile drohen, die außer Verhältnis zu einem möglichen Schaden der Klinik stünden. Solche Nachteile ergäben sich allein aufgrund einer unterbliebenen Teilnahme an einer Betriebsfeier nicht. Erst recht gelte dies in Abwägung mit möglichen Nachteilen des Klinikbetriebes im Hinblick auf Infektionsrisiken.
Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
LAG Berlin-Brandenburg (6 Ta 673/22) in der Pressemitteilung Nr. 14/22 vom 04.07.2022
Anmerkung:
Das LAG dreht hier den Spieß um. Nicht der Arbeitgeber muss eine Rechtsgrundlage für die strengen Zugangsvoraussetzungen nachweisen, sondern der Arbeitnehmer braucht eine solche für den begehrten Zugang zur Betriebsfeier ohne Einhaltung der strengen Corona-Vorgaben. Eine solche Rechtsgrundlage sah das LAG hier auf Seiten des Arbeitnehmers nicht, zumal es hier nicht um den Zugang zum Arbeitsplatz ging, sondern nur um eine Feier.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fristlose Kündigung – Lehrer mit Tätowierung „Meine Ehre heißt Treue“

Ein Lehrer (gelernter Lebensmittelchemiker – in der Schule seit 2016) im öffentlichem Dienst im Land Brandenburg zog bei einem Schulsportfest aufgrund großer Hitze sein T-Shirt aus. Die Schüler und auch die Kollegen konnten nun die Tätowierungen sehen.
Tätowierungen mit rechtsextremen Inhalt
Der Lehrer hatte u.a. folgende Tätowierungen: Am rechten Oberarm den Schriftzug „Legion Walhalla“ und auf dem linken Oberarm den Schriftzug „Odin statt Jesus“, jeweils in Frakturschrift. Im Bauchbereich stand „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift darunter – nur bei bei stark abgesenktem Hosenbund zu sehen – stand unter dem Wort Treue der Zusatz „Liebe Familie“.
Stellungnahme gegenüber der Schule
Der Lehrer wurde auf dem Sportfest von einem Kollegen fotografiert und später wurde diese vom Schulleiter zu Rede gestellt. Er gab an, dass er keine rechte Gesinnung und keine Bezug zum Rechtsextremismus habe und ließ teilweise auch die Tätowierungen übertätowieren.
Strafverfahren und Verurteilung
Der Lehrer erstattete bei der Polizei daraufhin Selbstanzeige. Es erging ein Strafbefehl zu 40 Tagessätzen zu je 50,00 € aufgrund des Tattoos „Meine Ehre heißt Treue“ wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Lehrer legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein und das Amtsgericht Oranienburg verurteilte den Kläger daraufhin zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Dagegen legte der Lehrer Berufung ein und wurde zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.
Stellungnahme des Verfassungsschutzes
Das Schulamt legte dem Verfassungsschutz das Foto vom Oberkörper des Lehrers mit der Bitte um Bewertung vor. Der Staatsschutz äußerte gegenüber dem Schulamt, dass die Zurschaustellung der Symbole auf einen „harten Rechtsextremismus“ hindeute und erhebliche Zweifel an der Treuepflicht sowie an dem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Lehrers bestünden.
fristlose Kündigung durch das Land
Das Land Brandenburg kündigte daraufhin dem Lehrer das Arbeitsverhältnis außerordentlich (und fristlos) und hilfsweise ordentlich.
Kündigungsschutzverfahren in Brandenburg und Berlin
Dagegen erhob der Lehrer Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht Neuruppin. Das Land legte Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg ein und gewann dort das Kündigungsschutzverfahren.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 11.5.2021 – 8 Sa 1655/20) entschied zu Gunsten des klagenden Landes führte dazu aus:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 20.11.2019 zum 22.11.2019 aufgelöst. Die fehlende Eignung des Klägers stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Dem beklagten Land ist die weitere Beschäftigung des Klägers unzumutbar.
Ein offenbar gewordener Mangel an der Eignung eines Arbeitnehmers kann „an sich“ einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen (BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197 Rn. 14 zur fehlenden Eignung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln).
Ein Eignungsmangel kann aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers folgen. Die Verfassungstreue ist Bestandteil des Begriffs „Eignung“ in Art. 33 Absatz 2 GG (BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 23 unter Hinweis auf BVerfG, 08.07.1997 – 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95 und 1 BvR 2189/95, NJW 1997, 2307). Ob entsprechende Zweifel zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen können, hängt entscheidend davon ab, ob diese die allgemeine Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers oder das konkrete Aufgabengebiet des Arbeitnehmers berühren. Das wiederum hängt maßgeblich davon ab, welche staatlichen Aufgaben der Arbeitgeber wahrzunehmen hat, welche Verhaltenspflichten dem Arbeitnehmer obliegen und welches Aufgabengebiet innerhalb der Verwaltung er zu bearbeiten hat (BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 23; BAG, 20.07.1989 – 2 AZR 114/87, NZA 1990, 614).
Ein Lehrer muss den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte unserer Verfassung vermitteln. In öffentlichen Schulen sollen die Kinder und Jugendlichen erkennen, dass Freiheit, Demokratie und sozialer Rechtsstaat Werte sind, für die einzusetzen es sich lohnt. Hat der Lehrer selbst kein positives Verhältnis zu den Grundwerten und Grundprinzipien unserer Verfassung, kann er den ihm anvertrauten Schülern nicht das Wissen und die Überzeugung vermitteln, dass diese Demokratie ein verteidigungswertes und zu erhaltendes Gut ist. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ein solcher Lehrer die Schüler in seinem Sinne gegen die Grundwerte unserer Verfassung beeinflusst. Die Schüler sind diesen Einflüssen meist hilflos ausgeliefert. Die Lehrtätigkeit ist deshalb eine „Aufgabe von großer staatspolitischer Bedeutung“ (BAG, 31.03.1976 – 5 AZR 104/74, BAGE 28, 62 zu III. 1. e); BVerwG, 06.02.1975 – II C 68/73, NJW 1975, 1135 – zu II 2c der Gründe). Von dieser Erziehungsaufgabe ist der Kläger nicht deshalb entbunden, weil er in der Schule Naturwissenschaften unterrichtet. Die Vermittlung der Grundwerte der Verfassung liegt als allgemeines Erziehungs- und Unterrichtsprinzip der gesamten Tätigkeit eines Lehrers zu Grunde (BAG, 31.03.1976 – 5 AZR 104/74, BAGE 28, 62 zu III. 1. e).
Das Tragen einer Tätowierung stellt eine Pflichtverletzung dar, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere Pflichten verstößt. Das ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt – wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86 a Absatz 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht offenbart (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 54). Der Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht steht nicht entgegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen weder strafrechtlich zu beanstanden sind noch einen unmittelbaren Bezug zum Dritten Reich aufweisen (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 55; BVerfG, Beschluss vom 06.05.2008 – 2 BvR 337/08, NJW 2008, 2568 Rn. 31 und 34). Soweit durch Tätowierungen die Verfassungstreuepflicht berührt ist, betrifft dies ein unmittelbar kraft gesetzlicher Anordnung und Verfassungsrecht geltendes Eignungsmerkmal (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn.56 unter Verweis auf VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.08.2017 – 2 L 3279/17, BeckRS 2017, 122612 Rn. 15).
aa. Die Tätowierung der unter Strafe stehenden Losung „Meine Ehre heißt Treue“ begründet den Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht.
Nach § 86 a StGB steht das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe. Bei dem Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ handelt es sich um die Losung der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) und geht auf Adolf Hitlers Satz „SS-Mann, deine Ehre heißt Treue!“ aus dem Jahr 1931 zurück (https://de.wikipedia.org/wiki/Meine_Ehre_hei%C3%9Ft_Treue). Die Verwendung der Losung steht gemäß § 86 a StGB unter Strafe (Bundesamt für Verfassungsschutz: Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und verbotene Organisationen, Oktober 2018, S. 65; https://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/die-extreme-rechte/lifestyle/gru%C3%9Fformen-und-losungen). Durch das Sichtbarmachen beim Sportfest hat der Kläger auch gezeigt, dass er sich mit dem Tattoo identifiziert.Die Verfassungstreuepflichtverletzung wird nicht dadurch relativiert oder gar negiert, dass der Kläger sich unter das Wort „Treue“ die Worte „Liebe Familie“ hat tätowieren lassen. Während sich der Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift über den gesamten Bauchbereich über dem Hosenbund zieht, sind die Worte „Liebe Familie“ nur bei stark abgesenktem Hosenbund sichtbar. D. h., wenn der Kläger sich mit unbedecktem Oberkörper zeigt, ist der Zusatz für Dritte nicht lesbar. Die Relativierung, die der Kläger durch den Zusatz glauben machen will, tritt daher nicht offen zutage. Hätte der Kläger eine aus Treue, Liebe und Familie zusammengehörende Botschaft transportieren wollen, hätte er eine andere Anordnung gewählt.
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE210010611
Anmerkung: Politische Tatoos bei Lehrern sind problematisch. Hier wurde durch die Tätowierung sogar eine Straftat begangen. Weshalb der Lehrer die „Selbstanzeige“ bei der Polizei gemacht hat, ist unverständlich.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Erschwerniszuschlag für Arbeitnehmer beim Tragen einer Corona-Maske auf Arbeit?

Das Wichtigste vorab:
1. Für das Tragen der Corona-Maske auf Arbeit gibt es keinen allgemeinen Erschwerniszuschlag.
2. Sofern ein tarifvertraglicher Erschwerniszuschlag vorgesehen ist, wie zum Beispiel im Reinigungsgewerbe, umfasst diese Regelung in der Regel nicht das Arbeiten mit einer Corona-Schutzmaske, es sei denn diese ist Teil der persönlichen Schutzausrüstung
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Corona und Erschwerniszuschläge
Erschwerniszuschläge sind Zulagen für Arbeitnehmer, die zusätzlich zum Arbeitslohn für durchgeführte Arbeiten, die besonders schwierig oder aufwendig sind. Oft sind solche Zulagen in Tarifverträgen festgeschrieben. Im Gesetz findet man dazu wenig. Dies hat zunächst auch nicht viel mit dem Corona-Virus zu tun. Die Pandemie kommt hier aber noch ins Spiel … .
das Arbeiten mit einer Corona-Maske
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, also einer Corona-Maske, die Arbeit anstrengender ist als ohne Maske. Vor allen dann wenn körperlich schwere Arbeit ausgeführt wird ggfs. dann auch noch mit Kundenkontakt, ist die Maske, die vor der Ansteckung mit dem Corona Virus schützen soll recht unangenehm zu tragen. Dabei ist die einfache OP-Maske etwas „luftdurchlässiger“ als die sog. FFP2-Maske. Nicht umsonst gibt es für FFP2-Masken bestimmte Pausenzeiten, die beachtet werden sollen. FFP Masken (FFP2 und FFP3) sind – im Gegensatz zur Mund-Nase-Bedeckung – zum Eigenschutz und bei gesundheitsgefährdender Einwirkung zu tragen.
Erschwerniszuschlag beim Arbeiten mit einem Mund-Nasen-Schutz/ FFP2-Maske?
Nun könnte man den Schluss ziehen, dass sogenannte Erschwerniszuschläge grundsätzlich für Arbeitnehmer zu zahlen sind, die mit dem entsprechenden Mund-und Nasenschutz ihre Arbeit verrichten und dadurch körperlich zusätzlich belastet werden. Zu beachten ist allerdings, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, wonach ein Arbeitnehmer einen Lohnzuschlag erhält. Das Bundesarbeitsgericht hat aber für Nachtarbeit und Sonn- und Feiertagsarbeit einen Anspruch auf Zuschläge (Feiertagszuschläge) normiert.
Rechtsgrundlage für die Zahlung von Zuschlägen
Für entsprechende Erschwerniszuschläge muss es von daher eine rechtliche Grundlage geben. Im Gesetz selbst ist für den normalen Arbeitnehmer hier wenig zu finden. Manchmal findet man entsprechende Regelungen in Arbeitsverträgen.
Allerdings gibt es einige Tarifverträge, die vorschreiben, wann der Arbeitnehmer sogenannte Erschwerniszulagen erhält.
Rahmentarifvertrag für die Gebäudereinigung
So ist dies zum Beispiel bei den Gebäudereinigern, also im Reinigunggewerbe, geregelt. Dort gibt es einen Rahmentarifvertrag (RTV).
So ist in § 10 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 (RTV) , der auch im Bundesland Berlin gilt, dazu folgendes geregelt:
§ 10 RTV Erschwerniszuschläge
Der Anspruch auf nachstehende Zuschläge setzt voraus, dass Beschäftigte die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften einhalten.
Beschäftigte haben für die Zeit, in der sie mit einer der folgenden Arbeiten beschäftigt werden, Anspruch auf den nachstehenden jeweils aufgeführten Erschwerniszuschlag, bezogen auf den jeweiligen Lohn des Tätigkeitsbereichs.1. Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung
(Schutzbekleidung, Atemschutzgerät)
1.1 Arbeiten, bei denen ein vorgeschriebener Schutzanzug…verwendet wird
….
1.2 Arbeiten, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird….10 %
Fall für das Arbeitsgericht Berlin
Ein Arbeitnehmer kam nun auf die Idee für sich nach der tarifvertraglichen Norm in der Gebäudereinigung wegen des Tragens der Corona-Maske einen tariflichen Erschwerniszuschlag zu beanspruchen. Dies teilte er seinem Arbeitgeber mit, der davon nicht begeistert war. Der Arbeitgeber lehnte die Zahlung von Erschwerniszuschlägen für den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mit der Corona Maske erbringen musste, ab.
Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Zahlung von „Corona-Erschwerniszuschlägen“
Es kam wie es kommen musste, der Arbeitnehmer klagte hier vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Zahlung der Zuschläge in Höhe von 10 % zum Lohn.
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab und sah keinen Anspruch auf Zahlung. Ein tariflicher Erschwerniszuschlag sei nicht zu zahlen.
Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Die Berufung des Arbeitnehmers (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2021, Aktenzeichen 17 Sa 1067/21) wurde auch hier zurückgewiesen, allerdings wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
In seiner Pressemitteilung Nummer 45/21 vom 17. November 2021 führte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dazu folgendes aus:
Beschäftigte der Reinigungsbranche, die bei der Durchführung der Arbeiten eine sogenannte OP-Maske tragen, haben keinen Anspruch auf einen tariflichen Erschwerniszuschlag. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Reinigungskraft tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 (RTV) Anwendung. Dieser sieht bei Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird, einen Zuschlag von 10 % vor.
Der Kläger hatte ab August 2020 bei der Arbeit eine OP-Maske zu tragen. Er hat mit seiner Klage den genannten Erschwerniszuschlag geltend gemacht.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage – wie bereits das Arbeitsgericht – abgewiesen. Der geforderte Erschwerniszuschlag sei nur zu zahlen, wenn die Atemschutzmaske Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers sei. Dies sei bei einer OP-Maske nicht der Fall, weil sie – anders als eine FFP2- oder FFP3-Maske – nicht vor allem dem Eigenschutz des Arbeitnehmers, sondern dem Schutz anderer Personen diene.
Update Januar 2022
Mittlerweile gibt es die nächste Entscheidung zu der Frage, ob das Tragen der Corona-Maske dazu führt, dass Erschwerniszulagen vom Arbeitgeber zu zahlen sind. Hier liegt eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 8. Dezember 2021 vor. Eine Arbeitnehmerin, die hauswirtschaftliche Arbeiten ausführte, wollte eine Erschwerniszulage nach § Abs. 1 Satz eins des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes (TVöD) wegen des Tragens einer FFP2-Masken. Das Gericht lehnte dies ab.
Arbeitsgericht Karlsruhe – Entscheidung
Das Arbeitsgericht Karlsruhe (Urteil 8.12.2021 – 9 Ca 238/21) führte dazu aus:
Zuschläge werden nach § 19 Abs. 3 TVöD aber dann nicht gewährt, wenn der außergewöhnlichen Erschwernis durch geeignete Vorkehrungen, insbesondere zum Arbeitsschutz, Rechnung getragen wird.
Davon ausgehend sind sicherlich hauswirtschaftliche Arbeiten unter der Gefahr einer Ansteckung mit dem mitunter lebensgefährlichen Corona-Virus eine außergewöhnliche Erschwernis. Dieser außergewöhnlichen Erschwernis wird jedoch durch das Tragen einer FFP2-Maske begegnet, die insoweit eine Schutzvorkehrung im Sinne von § 19 Abs. 3 TVöD ist, sodass dafür kein Zuschlag nach § 19 Abs. 1 TVöD zu zahlen ist.
Hauswirtschaftliche Arbeiten mit einer FFP2-Maske für sich genommen sind zwar eine Erschwernis, aber keine außergewöhnliche Erschwernis im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass hauswirtschaftliche Arbeiten mit einer FFP2-Maske belastend sind, weil man durch das Tragen einer FFP2-Maske weniger Luft bekommt, die man vermehrt bei hauswirtschaftlichen Arbeiten benötigt wegen der damit einhergehenden körperlichen Anstrengung. Eine besondere Gefährdung durch das Tragen einer FFP2-Maske bei Reinigungsarbeiten ist allerdings weder erkennbar noch von der Klägerin konkret aufgezeigt. Eine besondere Gefährdung ist aber Voraussetzung für eine Erschwerniszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD, wie insbesondere aus § 19 Abs. 2 Buchstabe a) TVöD folgt. Da diese nicht ersichtlich ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Erschwerniszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 1 TVöD.
Ein Anspruch auf eine Erschwerniszulage folgt auch nicht aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
ArbG Karlsruhe, Urt. v. 8.12.2021 – 9 Ca 238/21
Update Juli 2022 – Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Der Fall ging nun zum BAG. Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 20.7.2022 – 10 AZR 41/22) wies die Revision des Arbeitnehmers zurück. Auch das Bundesarbeitsgericht sah hier keinen Anspruch auf einen Erschwerniszuschlag durch das Tragen einer Corona-Schutzmaske.
Das BAG führte dazu aus:
Eine medizinische Gesichtsmaske ist keine Atemschutzmaske i.S.v. § 10 Nr. 1.2 RTV. Die tarifliche Bestimmung knüpft insoweit an die maßgeblichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts an. Danach fällt unter den Begriff der Atemschutzmaske nur eine solche Maske, die vorrangig den Eigenschutz bezweckt und zu den sog. persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) gehört. Das trifft auf medizinische Gesichtsmasken nicht zu. Diese bezwecken einen Fremd-, aber keinen Eigenschutz, der den Anforderungen an eine persönliche Schutzausrüstung im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften genügt. Ein Anspruch auf den tariflichen Erschwerniszuschlag nach dem RTV besteht deshalb beim Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske nicht.
Bundesarbeitsgericht vom 20.7.2022 – 10 AZR 41/22
Anmerkung:
Das Gericht musste die tarifvertragliche Regelung auslegen und orientiert sich dabei am Wortlaut. Nach dem Wortlaut bekommt der Arbeitnehmer den Zuschlag, wenn dieser die persönliche Schutzausrüstung trägt. Der Grund für den Zuschlag ist die besondere Erschwernis der Arbeit mit der Schutzausrüstung. Die medizinische Gesichtsmaske ist nicht Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers. Dies ist aber in anderen Branchen (Bau/ Medizin) durchaus denkbar; allerdings muss es dann wieder eine entsprechende Rechtsgrundlage für einen Zuschlag geben.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Berlin-Brandenburg: Klage und unzulässiger Verweis auf Anlagen
Klage und Anlagen
Wer rückständigen Lohn einklagt oder zum Beispiel eine Kündigungsschutzklage erhebt erhebt, muss grundsätzlich alle Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs darlegen und notfalls beweisen.
Klage muss von sich aus schlüssig sein
Der entscheidende Punkt ist dabei, dass das Gericht im Schriftsatz selbst die entsprechenden Informationen erhält. Dies Klage muss in sich schlüssig sein. Das Beifügen von Anlagen, zur näheren Substantiierung, also Darlegung, ist oft sinnvoll, auch um gegebenfalls ein Beweisangebot zu machen.
> Achtung: > Zu beachten ist aber, dass Anlagen nicht den Vortrag des Klägers ersetzen. Das Gericht muss alle wichtigen Informationen aus dem Schriftsatz selbst entnehmen können.
umfangreiche Anlagen zum Schriftsatz
Es kommt in der Praxis oft vor, dass Anwälte den Schriftsätzen umfangreiche Anlagen beifügen und dieser entsprechend nicht oder nur wenig erläutern. Dies darf aber nicht dazu führen, dass sich dann das Gericht aus diesen Anlagen die entsprechende Informationen herauszusuchen muss. Gerade dies ist grundsätzlich nicht zulässig.
selbsterklärende Anlagen
Es kommt auch immer auf den Umfang und der Art der Anlagen an. Oft sind Anlagen auch "selbsterklärend". Wenn der Kündigungsschutzklage zum Beispiel die Kündigungserklärung des Arbeitgebers beigefügt ist, dann muss diese Anlage nicht näher erläutert werden. Hier ist auf den ersten Blick erkennbar, um was es sich handelt und in welchem Zusammenhang es zur Klage steht.
Darlegung und Verweis auf Anlagen
Etwas anderes ist es jedoch, wenn der Kläger zum Beispiel im Rahmen einer Lohnklage umfangreiche Lohnansprüche geltend macht und in Bezug auf die entsprechenden Arbeitszeiten auf diverse Arbeitszeitprotokolle ohne jegliche Erläuterung verweist. Dies wäre nicht zulässig. Das Gericht ist nicht gehalten sich aus den Anlagen dann herauszusuchen, wie die Arbeitszeit tatsächlich verteilt war. Die beigefügten Anlagen sich nicht "selbsterklärend" und ersetzen nicht den Vortrag des Klägers.
Fall des LAG Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte über einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Ein Arbeitnehmer machte Vergütungsansprüche für 33 Kalendertage gelten. Der Kläger war hier überwiegend als Fahrer unterwegs und der Klageschrift war eine dreiseitige Tabelle als Anlage beigefügt mit den Fahrzeiten des Klägers. Es handelte sich dabei um die Aufzeichnungen eines Fahrtenschreibers. Nähere Erläuterungen wurden nicht vom Kläger dazu gemacht.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Für die Klage beantragte der Kläger Prozesskostenhilfe. Das Arbeitsgericht Berlin wies den Prozesskostenhilfeantrag ab mit dem Hinweis, dass die Klage insgesamt nicht schlüssig sei.
Gegen diese Ablehnung legte der Kläger und Antragsteller sofortige Beschwerde zum Arbeitsgericht ein, welches aber nicht abhalf und die sofortige Beschwerde dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vorlegte.
Auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 3.3.21 – 10 Ta 320/21) entschied gegen den Kläger.
Es führte dazu aus:
> Nach § 11a Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bedarf auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Rechtsverfolgung einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg, wenn für diese Prozesskostenhilfe bewilligt werden soll. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat eine Klage, wenn sie schlüssig den geltend gemachten Anspruch begründet. > Eine solche hat das Arbeitsgericht zu recht im Ergebnis als nicht gegeben angenommen. Zu einer schlüssigen Klage auf Arbeitsvergütung gehört, dass der Kläger darlegt, wann er welche konkreten Arbeitszeiten geleistet hat. Eine Klage ist zwar nicht bereits unschlüssig, wenn für ihre Beurteilung auch beigefügte Anlagen erforderlich sind. Es genügt aber nicht eine pauschale Bezugnahme auf (umfangreiche) Anlagen ohne Spezifizierung (BVerfG vom 29.2.2012 – 2 BvR 368/10). Nur wenn es sich um verständliche Anlagen handelt, die ohne besonderen Aufwand zu erfassen sind, steht deren prozessualer Verwertung nichts entgegen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 5. Dezember 2019 – 10 Sa 705/19). > Der Hinweis auf einen Fahrtenschreiber ist nicht aus sich heraus bereits verständlich. Solange der Kläger sich nicht die Mühe macht, den Inhalt der Fahrerkarte für die einzelnen Tage schriftsätzlich näher darzulegen, verbleibt es bei der fehlenden Erfolgsaussicht der Klage. Hinzu kommt, dass der Kläger eine Nettovergütung geltend gemacht hat, obwohl es sich bei dem gesetzlichen Mindestlohn um eine Bruttovergütung handelt. Auch insoweit ist die Klage unschlüssig.
Anmerkung: Gerade bei umfangreichen Anlagen sollten diese ausreichend in der Klage erläutert werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Arbeitsgericht Berlin- Termine werden nun aufgehoben!

Aufgrund der Corona-Krise werden nun beim Arbeitsgericht Berlin und beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die meisten bereits anberaumten Termine – auch Kündigungsschutzsachen – aufgehoben. Dies ist besonders deshalb ärgerlich, da spätere Verfahren wegen betriebsbedingter Kündigungen wegen der Corona-Epidemie dann wohl auch nicht sofort terminiert werden können.
Entscheidung über Aufhebung der Termine treffen die einzelnen Richter selbst
Einige Richter des Arbeitsgerichts Berlin führen aber dennoch die Gütetermine immer noch durch. Aufgrund des Grundsatzes der Unabhängigkeit des Richters entscheiden letztendlich die Richter selbst, ob die anberaumten Termine stattfinden oder nicht, auch wenn es eine Empfehlung von der Direktorin des LAG Berlin-Brandenburg gibt, dass die Termine besser aufgehoben werden sollen.
Aufhebung der mündlichen Verhandlungen geschieht beim Arbeitsgericht Berlin derzeit überwiegend
In den meisten Fällen werden die Termine aufgehoben.
Ein Verschieben der Termine findet derzeit nicht statt, da man nicht weiß, wie lange die Ausnahmesituation (Corona-Epidemie) noch andauern wird.
spätere Vergabe der Termine
Bei einer späteren Terminsvergabe wird das Arbeitsgericht die Bestandsschutzsachen (Kündigungsschutzverfahren) aber bevorzugt behandeln, d.h. dann würden zunächst die Gütetermine/ Kammertermine in den Kündigungsschutzverfahren stattfinden.
Wann dies sein wird, weiß derzeit niemand.
eingeschränkter Betrieb beim Arbeitsgericht Berlin
Beim Arbeitsgericht Berlin und beim Landesarbeitsgericht Berlin -Brandenburg findet derzeit ein eingeschränkter Betrieb statt. Die Rechtsantragsstelle ist nicht tätig, aber auch nur stark eingeschränkt.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Haftung des Bauherrn für Sozialversicherungsabgaben des Subunternehmers?

Nicht selten beauftragt ein Bauherr – bei größeren Bauvorhaben– einen Generalunternehmer, der dann wiederum Subunternehmer beauftragt. Kann der Subunternehmer die Sozialversicherungsabgaben / den Lohn für seine Arbeitnehmer nicht zahlen, haftet der Generalunternehmer nach § 14 des Arbeitnehmerentsendegesetzes für das Mindestentgelt wie ein Bürge.
§ 14 lautet:
Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt im Sinne des Satzes 1 umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt).
Keine Haftung der Bauherrin für ausstehende Lohnzahlungen von Subunternehmern
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über folgenden Fall zu entscheiden:
Die beklagte Bauherrin hatte auf einem ihr gehörenden Grundstück in Berlin ein Einkaufszentrum (Mall for Berlin) errichten lassen, das sie verwaltet und in dem sie Geschäftsräume an Dritte vermietet. Für den Bau des Gebäudes beauftragte die Beklagte einen Generalunternehmer, der mehrere Subunternehmer einschaltete. Bei einem dieser Subunternehmer war der Kläger (Arbeitnehmer) als Bauhelfer beschäftigt. Der Subunternehmer / Arbeitgeber des Klägers blieb diesem – trotz rechtskräftiger Verurteilung in einem Arbeitsgerichtsprozess – Lohn schuldig.
Über das Vermögen des Generalunternehmers wurde zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet, so dass auch bei diesem nicht mehr viel zu holen war.
Der Kläger hatte deshalb wegen des ihm für seine Arbeit auf der Baustelle des Einkaufszentrums noch zustehenden Nettolohns die beklagte Bauherrin in Anspruch genommen und vor dem Arbeitsgericht Berlin verklagt. Er trug im Prozess dazu vor, dass auch die beklagte Bauherrin hafte nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz als Unternehmerin für die Lohnschulden eines Subunternehmers.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 2018 – 21 Sa 1231/17 – hat die Berufung des klagenden Arbeitnehmers zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 5 AZR 241/18 -) keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Pressemitteilung 31/19 vom 16.10.2019 folgendes aus:
Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte unterliegt als bloße Bauherrin nicht der Bürgenhaftung des Unternehmers nach § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz* (AEntG). Der Begriff des Unternehmers ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vorgängerregelung in § 1a AEntG aF nach dem vom Gesetzgeber mit dieser Bestimmung verfolgten Sinn und Zweck einschränkend auszulegen. Erfasst wird nur der Unternehmer, der sich zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Gibt er auf diese Weise die Beachtung der zwingenden Mindestarbeitsbedingungen aus der Hand, ist es gerechtfertigt, ihm die Haftung für die Erfüllung der Mindestlohnansprüche der auch in seinem Interesse auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer aufzuerlegen. Dies trifft auf die Beklagte nicht zu. Sie hat lediglich als Bauherrin den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf an einen Generalunternehmer erteilt und damit nicht die Erfüllung eigener Verpflichtungen an Subunternehmer weitergegeben. Mit der Vergabe des Bauauftrags schaffte sie nur die Grundlage dafür, ihrem Geschäftszweck, der Vermietung und Verwaltung des Gebäudes, nachgehen zu können.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Arbeitnehmer verweigert Tätigkeit im Home-Office – Kündigung unwirksam.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer/ Kläger war beim Arbeitgeber/ Beklagten als Ingenieur beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthielt keine Regelungen zur Möglichkeit der Änderung des Arbeitsorts des Arbeitnehmers (Stichwort: Versetzungsklausel). Der Arbeitgeber bot dem Arbeitnehmer nach einer Betriebsschließung an, seine Tätigkeit im „Home-Office“ /Telearbeit zu verrichten.
Arbeitnehmer verweigert Tätigkeit im Home Office
Der Arbeitnehmer wollte dies nicht und verweigerte die Tätigkeit im Home-Office. Sodann kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund (außerordentlich) wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10. Oktober 2018 – 17 Sa 562/18) hält die Kündigung für unwirksam und führt dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 23/18 vom 18.12.2018 aus:
Der Arbeitgeber ist nicht allein wegen seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt, dem Arbeitnehmer einen Telearbeitsplatz zuzuweisen. Lehnt der Arbeitnehmer die Ausführung der Telearbeit ab, liegt deshalb keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung wie schon das Arbeitsgericht für unwirksam gehalten. Der Arbeitnehmer war arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, die ihm angebotene Telearbeit zu verrichten. Der Arbeitgeber konnte dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit nicht aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts (§ 106 GewO) einseitig zuweisen. Denn die Umstände der Telearbeit unterscheiden sich in erheblicher Weise von einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zu verrichten sind. Dass Arbeitnehmer z.B. zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf an einer Telearbeit interessiert sein können, führt nicht zu einer diesbezüglichen Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers.
Anmerkung:
Anders wäre es, wenn im Arbeitsvertrag die Möglichkeit eingeräumt wäre, dass der Arbeitgeber sog. Telearbeit zuweisen könnte. Dann kann er sich auf diese Klausel (die wirksam formuliert sein müsste) berufen und braucht das (schwache) Weisungsrecht nach § 106 GewO nicht, welches nach dem LAG ja nicht ausreichend für die Zuweisung von Telearbeit ist.
Rechtsanwalt Andreas Martin / Fachanwalt für Arbeitsrecht/ Berlin Marzahn-Hellersdorf
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: abgelehnte Lehrerin mit muslimischen Kopftuch – bekommt Entschädigung

Streitigkeiten wegen Entschädigung nach dem AGG nehmen zu
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen 7 Sa 963/18) hat einer Muslima eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund der Religion zugesprochen und damit das vorangegangene Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.05.2018 – 58 Ca 7193/17 aufgehoben.
Sachverhalt
Die abgelehnte Muslima/ Klägerin hatte geltend gemacht, ihre Bewerbung als Diplominformatikerin sei nicht erfolgreich gewesen, weil sie ein muslimisches Kopftuch trage. Sie ist aufgrund ihrer Religion unerlaubt benachteiligt worden.
Entschädigung von 1,5 Monatsgehältern für abgelehnte Bewerberin
Das Arbeitsgericht Berlin hatte noch in der 1. Instanz eine Entschädigung abgewiesen und dabei auf das Berliner Neutralitätsgesetz verwiesen. Das LAG sprach nun eine Entschädigung zu und sah in der Ablehnung der Muslima eine entschädigungspflichtige Diskriminierung.Das Landesarbeitsgericht hat der Mulima/ Klägerin eine Entschädigung in Höhe von eineinhalb Monatsvergütungen nach dem AGG zugesprochen.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg
In seiner Pressemitteilung Nr. 21/18 vom 27.11.2018 für das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg aus:
…… es liege eine Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor. Das Land Berlin könne sich zur Ablehnung der Bewerberin nicht mit Erfolg auf das Neutralitätsgesetz (Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27.01.2005, GVBl. 2005, 92) berufen. Bei der Auslegung dieses Gesetzes sei das Gericht an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (Aktenzeichen 1 BvR 471/10 –, 1 BvR1181/10) gebunden. Hiernach sei für ein gesetzliches allgemeines Verbot religiöser Symbole wie dem Kopftuch eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität erforderlich, die im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden könne. Das Neutralitätsgesetz des Landes Berlin sei mit der Verfassung vereinbar, weil dieses verfassungskonform ausgelegt werden könne, wie das Landesarbeitsgericht bereits durch Urteil vom 09.02.2017 entschieden hat (Aktenzeichen: Az. 14 Sa 1038/16, s. hierzu die Pressemitteilung Nr. 5/17).
Das Landesarbeitsgericht hat für das beklagte Land die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Anmerkung:
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte schon einmal eine ähnliche Entscheidung des Arbeitsgericht Berlin aufgehoben und ausgeführt, dass das Berliner Neutralitätsgesetz im Einzelfall eingeschränkt auszulegen sei.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Berlin Marzahn – Hellersdorf
LAG Berlin-Brandenburg: Mißbräuchliche Abfrage von Melderegisterdaten – außerordentliche Kündigung wirksam!
Die Arbeitnehmer/ Klägerin ist 56 Jahre alt und seit dem 1. Juni 1980 als vollbeschäftigte Angestellte beim beklagten Land Berlin mit einer Vergütung von zirka 2.700 EUR brutto pro Monat beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Danach ist die Arbeitnehmerin bereits gem. § 34 Abs. 2 ordentliche unkündbar und kann nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Im Jahr 2014 fragte die Klägerin/ Arbeitnehmerin mehrfach ohne dienstlichen Anlass, Daten aus dem Melderegister ab. Dabei ging es überwiegend um 5 Personen, deren Daten mehrfach – wohl aus persönlichen Gründen der Klägerin – abgefragt wurden.
Es kam zu außerordentlichen Kündigung durch das Land Berlin; das Land verlor den Prozess aber.
Am 17. Dezember 2014 erhielt das Bezirksamt eine 24-seitige Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 9. Dezember 2014 gegen die Klägerin zur Kenntnis. Danach erfolgten im noch nicht verjährten Zeitraum insgesamt 164 nicht autorisierte Abrufe aus dem Melderegister, davon 28 innerhalb der letzten 6 Monate.
Das Land Berlin kündigte sodann am 17. April 2015 das Arbeitsverhältnis fristlos und außerordentlich sowohl als sogenannte Tatkündigung wie auch als sogenannte Verdachtskündigung. In dem Kündigungsschreiben ist ausgeführt, dass die Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt werde.
Zwischenzeitlich wurde die Klägerin durch das Amtsgericht Tiergarten strafrechtlich zu 90 Tagessätzen Geldstrafe wegen Verstoßes gegen das Berliner Datenschutzgesetzes verurteilt.
Im Strafurteil ist ausgeführt:
„Dadurch, dass vom Computersystem weder ein Betreff noch ein Aktenzeichen für die Anzeige des Datensatzes gefordert werden, war derart unreflektiertem Missbrauch zudem Tür und Tor geöffnet. Darüber hinaus handelte es sich nicht um wahllose Abfragen bezüglich völlig unbeteiligter Bürger, sondern um die immer gleichen fünf Betroffenen aus ihrem persönlichen Umfeld. … Der Umstand, dass die Angeklagte bei der Begehung der Taten jeweils keinen wirtschaftlichen Vorteil im Blick hatte, konnte sich jedoch nicht zu ihren Gunsten auswirken. Denn dann hätte sie sogar den mit höherer Strafe belegten Tatbestand des § 44 Abs. 1 BDschG verwirklicht. Gegen die Angeklagte sprach jedoch die Vielzahl an Verstößen. Überdies sind derartige Taten geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterkeit der Verwaltung ernsthaft zu erschüttern. Jede einzelne Tat sei mit 30 Tagessätzen zu ahnden, insgesamt dann auf eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zusammengefasst.“
Aufgrund dieses Sachverhalts kündigte das beklagte Land erneut wegen der strafrechtlichen Verurteilung der Arbeitnehmerin vor dem Amtsgericht Tiergarten.
Die Klägerin / Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin.
Mit Urteil vom 25. November 2015 hat das Arbeitsgericht Berlin (Aktenzeichen: 56 Ca 6036/15) der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin/ Klägerin stattgegeben. Das Gericht sah hier keine wirksamen Kündigungsgründe vorliegen. Die Kündigungen seien als Wiederholungskündigungen unwirksam.
Das Land Berlin legte gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein.
Das Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg (Urteil vom 13.04.2017 – 10 Sa 154/17) hob das Urteil des Arbeitsgericht Berlin auf und gab der Land Berlin recht. Die Kündigungen seien wirksam.
Das LAG Berlin-Brandenburg führte dazu aus:
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts handelt es sich bei den in diesem Rechtsstreit zu überprüfenden Kündigungen nicht um sogenannte Wiederholungskündigungen.
…..
Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (vgl. etwa BAG, Urteile vom 18. Dezember 2014 – 2 AZR 163/14, vom 20. März 2014 – 2 AZR 840/12; vom 11. Juli 2013 – 2 AZR 994/12). Das gilt auch bei einem sogenannten Dauertatbestand (BAG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 840/12 m.w.N.). Ein anderer Kündigungssachverhalt liegt auch in diesem Fall aber nur vor, wenn sich die tatsächlichen Umstände, aus denen der Arbeitgeber den Kündigungsgrund ableitet, wesentlich verändert haben (BAG, Urteil vom 6. September 2012 – 2 AZR 372/11).
….
Da es sich nicht um Wiederholungskündigungen handelt, ist zu prüfen, ob die der Klägerin vorgeworfenen Sachverhalte einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen.
….
Gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 TV-L kann das Arbeitsverhältnis von Beschäftigten, die die dort in Satz 1 und 2 genannten Voraussetzungen erfüllen, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. …..
Die Verletzung datenschutz- und melderechtlicher Vorschriften sind als wichtiger Grund „an sich“ i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist. Art. 33 der Berliner Landesverfassung gewährleistet als Grundrecht das Recht des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Sowohl nach § 5 Abs. 1 des früheren Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) wie auch nach § 7 Abs. 1 Bundesmeldegesetz (BMG) und § 5 Abs. 1 des BlnMeldeG sind die mit den Meldedaten beschäftigten Arbeitnehmer einem besonderen Geheimnisschutz verpflichtet. Den bei der Meldebehörde beschäftigten Personen ist bundesgesetzlich und landesgesetzlich untersagt, diese Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu erheben und zu verarbeiten, insbesondere bekanntzugeben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen.
….Die Klägerin hat in einem verfassungsrechtlich besonders geschützten Bereich in strafrechtlich relevanter Weise gegen bundes- und landesgesetzlich ausdrücklich die Arbeitnehmerin verpflichtende Vorschriften in vielfacher Weise verstoßen. Auch wenn die Übermittlung der Daten durch die Klägerin teilweise zwischen den Parteien streitig ist, ist der Abruf durch sie doch weitestgehend unstreitig. Wenn eine Arbeitnehmerin gegen derartige ausdrücklich formulierten Verpflichtungen im Kernbereich ihrer Tätigkeit verstößt und sich damit verfassungswidrig verhält, ist das als wichtiger Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung geeignet.
….
Mit den durch die Anklageschrift hinzugetretenen neueren Erkenntnissen verschiebt sich „die im Rahmen des Abmahnungserfordernisses angestellte positive Prognose einer Verhaltensänderung“ ins Negative. Die im Vorprozess nicht erkennbare Täuschungsabsicht der Klägerin ist nun offensichtlich. Zwar mag es zutreffend sein, dass die Mitarbeiter des beklagten Bezirksamtes wie von der Klägerin gegenüber dem Personalrat geschildert, bei der Anhörung der Klägerin am 12. Februar 2014 eine absolut unzulässige und gegebenenfalls ebenfalls strafrechtlich fragwürdige Verhaltensweise an den Tag gelegt haben. Deshalb ist für die hier erkennende Kammer die Äußerung der Klägerin in der Anhörung auch nicht von zentraler Bedeutung. Bedeutsam ist aber, dass die Klägerin mit dem Schreiben vom 13. Februar 2014 nur einseitige Klarstellungen mitgeteilt hat, obwohl sie dieses damit begründet, dass sie nun „nach mehrmaligem Lesen des Protokolls“ Richtigstellungen vornehmen wolle.