Abfindung Berlin
Bundesverfassungsgericht: Abfindung nur für Mitglieder der Gewerkschaft ?
Abfindungen im Arbeitsrecht
Im Normalfall hat der gekündigte Arbeitnehmer keinen Abfindungsanspruch. Dies wissen aber viele Arbeitnehmer nicht, da gerade in den Medien der Eindruck vermittelt wird, dass jeder Arbeitnehmer, die eine Kündigung erhält, zumindest dann wenn die Kündigung betriebsbedingt ist, auch einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung hat. Dies ist aber nicht so.
Nachfolgend wird nun aber ein Fall dargestellt, bei den Arbeitnehmer tatsächlich einen Abfindungsanspruch haben.
Sachverhalt
In einem Sozialtarifvertrag war geregelt, dass bestimmte Überbrückungs- und Abfindungsleistungen nur Beschäftigten zu-kommen, die an einem vereinbarten Stichtag Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft waren.
Der Beschwerdeführer (Arbeitnehmer) erhielt die Leistungen nicht, da er keiner Gewerkschaft angehörte (teilweise aber aus dem Arbeitsvertrag), wogegen er klagte; bis zum Bundesverfassungsgericht ….
Entscheidung des Bundesverfassungsgericht
Letztendlich verlor der Arbeitnehmer auch beim BVerfG (Beschluss vom 14. November 2018 – Az 1 BvR 1278/16). Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner Pressemitteilung Nr. 89/2018 vom 21. Dezember 2018 folgendes dazu aus:
Eine unterschiedliche Behandlung gewerkschaftlich organisierter und nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag verletzt nicht die negative Koalitionsfreiheit, solange sich daraus nur ein faktischer Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt ergibt, aber weder Zwang noch Druck entsteht. Mit dieser Begründung hat die 2. Kammer des Ersten Senates mit heute veröffentlichtem Beschluss die Verfassungsbeschwerde eines gewerkschaftlich nicht organisierten Beschäftigten nicht zur Entscheidung angenommen, der sich durch eine sogenannte „Differenzierungsklausel“ in einem Tarifvertrag benachteiligt sah.
1.Art. 9 Abs. 3 GG schützt auch die Freiheit, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fernzubleiben. Daher darf kein Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft ausgeübt werden. Die Tatsache, dass organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anders behandelt werden als nicht organisierte Beschäftigte, bedeutet insofern jedoch noch keine Grundrechtsverletzung, solange sich daraus nur ein eventueller faktischer Anreiz zum Beitritt ergibt, aber weder Zwang noch Druck entsteht. Hier behauptet der Beschwerdeführer zwar, es gebe einen „generalpräventiven“ Druck, einer Gewerkschaft beizutreten. Das wird aber nicht weiter belegt, eine individuelle Zwangswirkung ist nicht erkennbar. Das Bundesarbeitsgericht geht jedenfalls nachvollziehbar davon aus, dass kein höherer Druck erzeugt wird als derjenige, der sich stets ergibt, wenn individualvertragliche Vereinbarungen hinter den Abreden zurückbleiben, die eine Gewerkschaft im Wege eines Tarifvertrages nur für ihre Mitglieder treffen kann.
2.Es ist nicht erkennbar, dass das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG, einen Arbeitsvertrag frei zu schließen und daher auch aushandeln zu können, verletzt wäre.
Abhängig Beschäftigte befinden sich beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischerweise in einer Situation struktureller Unterlegenheit, weshalb Vorkehrungen zu treffen sind, um sie zu schützen. Schutz davor, dass eine Unterlegenheit ausgenutzt wird, können Tarifverträge bewirken, und grundsätzlich darf davon ausgegangen werden, dass von den Tarifvertragsparteien erzielte Verhandlungsergebnisse die Interessen beider Seiten sachgerecht zum Ausgleich bringen. Das hat das Bundesarbeitsgericht hier nachvollziehbar angenommen. Die betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen, die auch auf den Beschwerdeführer Anwendung fanden, waren angesichts der besonderen Umstände des Falles geeignet, eine strukturelle Unterlegenheit aufzufangen. Es fehlen jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass grundrechtliche Schutzinteressen des Beschwerdeführers verletzt worden wären, die einer Anwendung tarifvertraglicher Sonderregelungen für vor dem Stichtag eingetretene Mitglieder der Gewerkschaft entgegenstünden. Das Bundesarbeitsgericht hat das geprüft und die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft an einem Stichtag für sachlich begründet erachtet. Sie hebe auf den besonderen Kündigungsschutz derjenigen ab, die gerade zuvor bereits Mitglied waren, weshalb ein Stichtag erforderlich war, um verlässlich zu bestimmen, wer die vereinbarten Leistungen erhalten würde. Zudem ist die Gewerkschaft ohnehin nur befugt, Abreden für ihre Mitglieder zu treffen, und kann schon aufgrund der Tarifautonomie nicht als verpflichtet angesehen werden, dabei alle Beschäftigten gleichermaßen zu berücksichtigen.
Es liegt auch kein Grund vor, generell anzunehmen, dass Sozialplanvolumina durch eigenständige tarifvertragliche Vereinbarungen zugunsten von Mitgliedern der Gewerkschaften und zulasten der Nichtorganisierten ausgezehrt werden. Hier war das Zustandekommen des Betriebsänderungsmodells insgesamt davon abhängig, dass der ganz überwiegende Teil der vom Ausscheiden betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diesem Modell selbst zustimmten. In Anbetracht des Organisationsgrades der Gewerkschaft war dies wiederum nur erreichbar, wenn auch die betroffenen Beschäftigten, die nicht Mitglied der Gewerkschaft waren, mehrheitlich ihre Zustimmung zu den Abreden erklärten. Zudem erreichen die auf bisherige Mitglieder der Gewerkschaft beschränkten Vergünstigungen kein Ausmaß, das angesichts des Gesamtvolumens der vereinbarten Leistungen eine Auszehrung nahelegen würde.
EuGH: keine Ungleichbehandlung von befristeten Arbeitnehmer gegenüber unbefristeten bei Abfindungszahlungen
Abfindungen und der EuGH
Mittlerweile hat der EuGH, also der eEuropäische Gerichtshof ein Wörtchen bei diversen Rechtsstreitigkeiten mitzureden. Dies führt dazu, dass im Endeffekt eine ungeklärte Rechtsfrage durch aus nun noch mal einige Jahre länger bist du Klärung dauern kann. Gerade beim Thema Abfindung, geht es um Geld und, und manchmal um gar nicht so wenig Geld. Hier möchte natürlich jede Seite möglichst wenig nachgeben. Von daher gelangen auch immer mehr Fälle über Streitigkeiten im Hinblick auf die Beendigung von Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung vor dem Europäischen Gerichtshof.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 14.9.2016 – Rs. C-596/14 -de Diego Porras) hat entschieden, wonach eine gesetzliche Regelung (hier in Spanien), wonach unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer eine höhere Abfindung bei einer Kündigung erhalten als befristet beschäftigte Arbeitnehmer, für unwirksam erklärt.
Sachverhalt
Nach spanischem Recht erhalten unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer im Fall einer rechtmäßigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindungszahlung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr. Für befristet Beschäftigte beträgt diese Abfindungszahlung dagegen nur 12 Tagesentgelte pro Beschäftigungsjahr. Arbeitnehmer, die nur für eine Übergangszeit beschäftigt sind, bekamen danach gar keine Ausgleichszahlung.
spanischer oberster Gerichtshof legt den Fall dem EuGH vor
Der Oberste Gerichtshof von Madrid (Tribunal Superior de Justicia de Madrid) hatte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Unionsrecht und legte den Fall dem EuGH vor mit der Frage ob eine solche Regelung mit § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG) zu vereinbaren ist.
EuGH sieht keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung
Der EuGH entschied, die spanische Regelung dem § 4 Nr. 1 der obigen Rahmenvereinbarung widerspricht und dass es in Hinblick auf gesetzliche Abfindungszahlungen keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung von befristet beschäftigten gegenüber unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern gibt.
Anmerkung:
Interessant ist, dass wohl das spanische Arbeitsrecht – anders als das deutsche – dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen (betriebsbedingten) Kündigung automatisch einen Anspruch auf Abfindung zuspricht und dann sogar noch in vorbestimmter Höhe (höher als in Deutschland üblich – nach den Abfindungssätzen der Arbeitsgerichte). In Deutschland besteht ein solcher Anspruch nicht.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
LAG Düsseldorf: Abfindungen nach dem „Windhundprinzip“ zulässig!
Der Kläger war im Bereich IT bei der Beklagten tätig. Die Beklagte wollte rund 1.600 von 9100 stellen abbauen und führte ein sog. offenes Abfindungsprogramm nach dem „Windhundprinzip“ (Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“) ein. Danach konnte sich jeder Arbeitnehmer, der gegen Abfindung ausscheiden wollte bei der Beklagten per E-Mail unter Verwendung eines bestimmten Formblattes melden. Winhundprinzip deshalb, da nur eine bestimmte / begrenzte Anzahl von Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung ausscheiden konnten. Sollten mehr Interessenten als Plätze im Kontingent vorhanden sein, sollte es auf den zeitlichen Eingang der Anmeldungen ankommen; also die „schnellsten“ Arbeitnehmer sollten die Plätze bekommen.
Im Bereich IT sollten 7 Stellen abgebaut werden.
Der Kläger meldet sich per E-Mail beim Arbeitgeber und erhielt eine Anmeldebestätigung mit Eingang 13:07:53:560 Uhr. Später teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger nicht berücksichtigt werden könne, weil seine Meldung zu einer Zeit eingetroffen sei, als es keine freien Plätze mehr im zur Verfügung stehenden Kontingent gegeben habe (letzte Vergabe für 13:01:09:603 Uhr).
Damit wollte sich der Kläger aber nicht abfinden und erhob Klage zum Arbeitsgericht und zwar auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 298.777,00 Euro (!).
Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte keinen Erfolg.
Das LAG Düsseldorf (Urteil 12.4.2016, 14 Sa 1344/15) führte dazu in der Pressemitteilung (PM vom 12.04.2016) u.a. aus:
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Arbeitgeber in Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat Mitarbeitern das Ausscheiden gegen Abfindung anbietet, die Anzahl der ausscheidenden Mitarbeiter begrenzt und die Auswahl nach dem zeitlichen Eingang der Meldungen trifft. Dies gilt selbst dann, wenn durch das Abstellen auf Millisekunden nach menschlichem Ermessen die exakte Eingangszeit nicht bis ins Letzte zu beeinflussen ist. Da kein Anspruch auf ein Ausscheiden gegen eine Abfindung besteht, ist der Arbeitgeber – abgesehen von unzulässigen Diskriminierungen, die hier nicht gegeben sind – frei, wie er die Auswahl gestartet.
Rechtsanwalt Andreas Martin
BAG: Abfindung im Kündigungsschutzverfahren steht dem Insolvenzverwalter des Arbeitnehmers zu
Seit dem Jahr 2006 war bei einem Arbeitnehmer das Verbraucherinsolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Spandau eröffnet worden. Er hatte mit dem Antrag die Restschuldbefreiung beantragt und zukünftige Vergütungsansprüche an den Insolvenzverwalter abgetreten. Der Arbeitgeber wusste vom eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren.
Verbraucherinsolvenzverfahren und Vergleich vor dem Arbeitsgericht
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis gebenüber dem Arbeitnehmer und im Jahr 2008 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Berlin im Kündigungsschutzverfahren einen Abfindungsvergleich. Danach verpflichtete sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von € 7.000 an den Arbeitnehmer.
Abfindungsvergleich vor dem Arbeitsgericht
Die Zahlung erfolgte in monatlichen Raten in Höhe von € 1.000 auf das Konto der Ehefrau des Arbeitnehmers. Der Insolvenzverwalter war am Verfahren nicht beteiligt. Der Arbeitgeber zahlte letztendlich die volle Summe (€ 7.000) aus dem Vergleich.
Insolvenzverwalter macht Forderung gegen Arbeitgeber geltend
Im Jahr 2012 meldete sich der Insolvenzverwalter bei Gericht und beantragte die Umschreibung des Vergleiches (Protokolls) auf sich als Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers und die Erteilung einer Vollstreckungsklausel. Der Grund dafür war, dass der Insolvenzverwalter meinte, dass die Vergleichssumme dem Insolvenzverwalter zustehen würde.
Umschreibung des Vergleiches und Vollstreckungsklausel beantragt
Der Arbeitgeber legte Erinnerung gegen die Umschreibung und die Erteilung der Vollstreckungsklausel ein.
Entscheidung des BAG über Rechtsnachfolge des Insolvenzverwalters
Das Verfahren landete letztendlich vor dem Bundesarbeitsgericht, welches dem Insolvenzverwalter Recht gab:
Das BAG (Beschluss vom 12.8.2014, 10 AZB 8/14) führte dazu aus:
a) Die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Titels, für den die Erteilung der Vollstreckungsklausel begehrt wird, unterliegt im Klauselerinnerungsverfahren nach § 732 ZPO keiner Überprüfung (BGH 29. Juni 2011 – VII ZB 89/10 – Rn. 21 mwN, BGHZ 190, 172). Deshalb könnte die Rüge mangelnder Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners zum Abschluss des Vergleichs der Erinnerung nicht zum Erfolg verhelfen. Diese wird von der Schuldnerin auch nicht erhoben.
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Unabhängig hiervon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, dass der Insolvenzschuldner trotz laufenden Insolvenzverfahrens befugt war, sein Arbeitsverhältnis im Wege des Vergleichs gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden. Die Arbeitskraft des Schuldners und dessen Arbeitsverhältnis als solches gehören nicht zur Insolvenzmasse und unterfallen daher nicht dem Verfügungsverbot des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO. Die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, also kein Vermögensobjekt, und fällt nicht in die Insolvenzmasse. Gleiches gilt für das Arbeitsverhältnis als solches. Die Entscheidung über eine Klage gegen eine Arbeitgeberkündigung und die Prozessführungsbefugnis verbleiben beim Insolvenzschuldner (vgl. insgesamt dazu: BAG 20. Juni 2013 – 6 AZR 789/11 – Rn. 15 ff. mwN; 5. November 2009 – 2 AZR 609/08 – Rn. 10 mwN). Daraus folgt, dass alleine dieser berechtigt ist, darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen er sein Arbeitsverhältnis nach einer Kündigung im Wege des Vergleichs beendet. Eine Zustimmung des Treuhänders – auch wenn er die Funktion des Insolvenzverwalters nach § 313 Abs. 1 InsO in der bis 30. Juni 2014 geltenden Fassung innehat – zu einem solchen Vergleichsschluss ist für die Wirksamkeit des Vergleichs nicht erforderlich. Daran ändert nichts, dass ein solcher Beendigungsvergleich typischerweise den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, die dem Massebeschlag nach § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO unterliegt, beinhaltet. Die mittelbare Wirkung auf die Insolvenzmasse ist hinzunehmen. Andernfalls könnte das Recht des Schuldners, über seine Arbeitskraft selbst zu verfügen, durch den Treuhänder eingeschränkt werden (BAG 20. Juni 2013 – 6 AZR 789/11 – [zur Änderung des Arbeitsvertrags durch Annahme einer Änderungskündigung]; Reinfelder NZA 2009, 124, 127; ähnlich Mohn NZA-RR 2008, 617, 622; zweifelnd Hergenröder ZVI 2011, 1, 10).
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b) Der mit Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 23. April 2009 entstandene Abfindungsanspruch ist Teil der Insolvenzmasse nach §§ 35, 36 InsO und unterlag mit seinem Entstehen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Antragstellers als Treuhänder nach § 313 Abs. 1 InsO aF.
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aa) Nach § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO erfasst das Insolvenzverfahren auch das Vermögen, das der Insolvenzschuldner während des Verfahrens erlangt (sog. Neuerwerb). Dies gilt jedenfalls so lange, bis ihm Restschuldbefreiung erteilt wird (BGH 13. Februar 2014 – IX ZB 23/13 – Rn. 5 ff. mwN; vgl. auch seit 1. Juli 2014 § 300a InsO). Arbeitseinkommen fällt in die Insolvenzmasse, soweit es pfändbar ist. Die Pfändbarkeit bestimmt sich dabei gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO – mit hier nicht relevanten Ausnahmen – nach §§ 850 ff. ZPO (BAG 20. Juni 2013 – 6 AZR 789/11 – Rn. 17 ff.). Zum Arbeitseinkommen iSv. § 850 ZPO gehören auch Abfindungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, unabhängig davon, ob es sich um gesetzliche Abfindungsansprüche, beispielsweise nach §§ 9, 10 KSchG, oder um vertraglich vereinbarte handelt (BAG 20. August 1996 – 9 AZR 964/94 – zu II 2 c der Gründe; BGH 11. Mai 2010 – IX ZR 139/09 – Rn. 11). Eine Abfindung ist eine nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung iSv. § 850i ZPO (vgl. umfassend Hergenröder ZVI 2006, 173); sie wird nicht als Gegenleistung für die in einem bestimmten Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung geleistet (BAG 20. August 1996 – 9 AZR 964/94 – aaO). Um einen solchen Abfindungsanspruch geht es hier; dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Dass die Abfindung in mehreren Raten gezahlt wurde, ändert an ihrem Charakter als Einmalzahlung nichts. Einen Pfändungsschutzantrag nach § 850i ZPO hat der Insolvenzschuldner nicht gestellt, so dass der Abfindungsanspruch mit seinem Entstehen in vollem Umfang dem Insolvenzbeschlag unterlag.
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bb) Dass der Insolvenzschuldner bereits mit der Stellung des Insolvenzantrags gemäß § 287 Abs. 2 InsO seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis an den Treuhänder abgetreten hatte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Da Restschuldbefreiung noch nicht angekündigt und das Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs noch nicht aufgehoben war, konnte diese Abtretung noch keine Wirkung entfalten (§§ 291, 289 Abs. 2 Satz 2 InsO aF). Maßgeblich war vielmehr ausschließlich der Insolvenzbeschlag des Abfindungsanspruchs nach § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO (BGH 3. Dezember 2009 – IX ZB 247/08 – Rn. 15, BGHZ 183, 258; HK-InsO/Waltenberger 7. Aufl. § 287 InsO aF Rn. 32 mwN).
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c) Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 727 ZPO sind entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erst mit dem Abschluss des Vergleichs eingetreten, nicht bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
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aa) Voraussetzung für die Erteilung der Klausel nach § 727 ZPO ist, dass die Rechtsnachfolge bei Urteilen nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt ist. Bei anderen Vollstreckungstiteln, denen kein Klageverfahren vorausging, ist maßgebender Zeitpunkt frühestens der ihrer Errichtung (allgM, vgl. zB Thomas/Putzo/Seiler § 727 ZPO Rn. 11). Gleiches gilt bei einem gerichtlichen Vergleich jedenfalls dann, wenn der in ihm geregelte vollstreckbare Anspruch nicht Gegenstand des Rechtsstreits war, der durch den Vergleich beendet wurde(BGH 9. Dezember 1992 – VIII ZR 218/91 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 120, 387).
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bb) Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) auf den Antragsteller als Treuhänder nach § 313 Abs. 1 InsO aF bestand das Arbeitsverhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und der Schuldnerin noch. Ein Abfindungsanspruch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand dem Insolvenzschuldner zu diesem Zeitpunkt weder kraft Gesetzes noch kraft vertraglicher Vereinbarung zu. Die Verfügungsbefugnis über einen solchen Anspruch konnte daher auch nicht auf den Antragsteller übergehen. Ebenso wenig war ein solcher Abfindungsanspruch Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Berlin(- 53 Ca 20268/08 -), vielmehr stritten die dortigen Parteien ausschließlich über die Wirksamkeit der Kündigung vom 28. November 2008. Deshalb konnte der Antragsteller die Forderung auf die Abfindung iHv. 7.000,00 Euro vor dem Wirksamwerden des Vergleichs noch nicht erworben haben (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation: BGH 9. Dezember 1992 – VIII ZR 218/91 – zu II 1 b der Gründe, BGHZ 120, 387).
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cc) Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gegen die Schuldnerin ist durch Abschluss des Vergleichs am 23. April 2009 entstanden. Erst durch die wirksame Verfügung des Insolvenzschuldners über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses kam es im Gegenzug zum Entstehen des Abfindungsanspruchs (vgl. zum Gegenseitigkeitsverhältnis: BAG 10. November 2011 – 6 AZR 357/10 – Rn. 18, BAGE 139, 376). Erst zu diesem Zeitpunkt hat damit auch der Antragsteller kraft Gesetzes (§ 35 Abs. 1 Alt. 2, § 80 Abs. 1 InsO) die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die nunmehr zur Masse gehörige Forderung erlangt und hat diese in Verwaltung zu nehmen (HK-InsO/Depré § 148 InsO Rn. 5). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es deshalb insoweit auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht an.
Die Entscheidung ist interessant und zeigt erneut, was alles – hier für den Arbeitgeber – vor dem Arbeitsgericht „schief laufen“ kann. Der Arbeitgeber, der ja bereits die Vergleichssumme gezahlt hatte, wird nun nochmals an den Insolvenzverwalter zahlen müssen,da er an den falschen Schuldner geleistet hat. Der Arbeitnehmer durfte den Vergleich schließen, das Geld / die Abfindung stand ihm aber dann nicht mehr zu.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Kann man einen Auflösungsantrag zurücknehmen?
Wehrt sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung des Arbeitgebers mittels Kündigungsschutzklage so meinen immer noch viele Arbeitnehmer, dass beim Gewinn des Kündigungsschutzprozesses eine Abfindung vom Arbeitgeber gezahlt wird.
Dies ist fast nie der Fall, denn die Kündigungsschutzklage ist auf Feststellung, dass der Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet wurde, gerichtet.
Nur in wenigen Fällen kann direkt auf Abfindung geklagt werden. Ein solcher in der Praxis bedeutender – aber immer noch seltener Fall – ist die Stellung eines Auflösungsantrages im Kündigungsschutzprozesses. Dies ist dann erfolgreich möglich – neben weiteren Voraussetzungen – , wenn es dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber fortzusetzen.
Ist der Auflösungsantrag erfolgreich, spricht das Gericht dem Arbeitnehmer eine angemessene Abfindung zu (§ 9 Kündigungsschutzgesetz) zu.
(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.
(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.
Kann man den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurücknehmen?
Gestellte Anträge können auch zurückgenommen werden. Für den Auflösungantrag gilt, dass dieser bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren ohne Zustimmung der Gegenseite zurückgenommen werden kann (BAG, Urteil v. 26.10.1979, 7 AZR 752/77). Kostentechnisch kann dies sinnvoll sein, aber das Ziel – nämlich eine Abfindung zu bekommen – kann der Arbeitnehmer dann nicht mehr erreichen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Abfindung und Sozialversicherung
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, so hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit sich gegen die Kündigung des Arbeitgebers mittels Kündigungsschutzklage zu wehren.
Kündigungsschutzklage
Die Kündigungsschutzklage ist darauf gerichtet, festzustellen, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. In den meisten Fällen geht es allerdings den Arbeitnehmer darum, dass er sich allein gegen die Kündigung des Arbeitgebers wehrt, um eine Abfindung von diesen zu erhalten.
Anspruch auf Abfindung gibt es selten
Ich hatte ja bereits mehrfach ausgeführt, dass es in den wenigsten Fällen einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Abfindung gibt. Ablehnung werden trotzdem häufig vor dem Arbeitsgericht ausgehandelt, der auch meistens der Arbeitgeber – so oder so – das Arbeitsverhältnis notfalls gegen Zahlung einer Abfindung beenden möchte. Dies macht der Arbeitgeber dann, wenn er meint, dass sein Prozessrisiko hoch ist und er wahrscheinlich das Verfahren verlieren wird.
Abfindung und Sozialversicherungsbeiträge – Grundsatz= Beitragsfreiheit
In der Sozialversicherung sind Abfindungen grundsätzlich beitragsfrei. Voraussetzung ist allerdings, dass sie wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten §§ (9,10 Kündigungsschutzgesetz) gezahlt werden. da diese Abfindung in der Regel außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werden, unterliegen sie auch keiner Beitragspflicht zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung. Solche Abfindungen, also Entlassungsentschädigung, sind kein Arbeitsentgelt im Sinne von §14 SGB IV.
Ausnahme: verstecktes Arbeitsentgelt/ so genannte unechte Abfindung
Wie so oft, gibt es in der Juristerei keine Regel ohne Ausnahme. Abfindung sind dann nicht beitragsfrei, wenn es sich um verstecktes Arbeitsentgelt handelt. Dies ist dann der Fall, wenn ich hier Zahlung vorgenommen werden, die sie zeitlich der versicherungspflichtigen Beschäftigung zu unterlassen und mit einer Entschädigung wegen Verlust des Arbeitsplatzes nicht zu tun haben.
Häufig wird vor dem Arbeitsgericht-auch von Rechtsanwälten-vorgeschlagen, dass man noch ausstehen es Arbeitsentgelt zum Abfindungsbetrag hinzugerechnet und eine Gesamtabfindung zahlt, die als Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes bezeichnet wird. unabhängig davon, dass dies auch strafrechtlich problematisch sein kann, stellt sich dann immer das Problem des versteckten Arbeitsentgeltes, was dazu führen kann, dass die gesamte Abfindungssumme beitragspflichtig wird, insbesondere wenn man dem beitragspflichtigen Teil nicht vom beitragsfreien Teil eindeutig trennen kann.
Die Bezeichnung als Abfindung ist dabei unerheblich (Bundessozialgericht, Urteil vom 21. 02.1990, 12 RK 65/87 – USK 9016). Es kommt allein darauf an, ob die Zahlung allein eine Entschädigung darstellen soll oder Arbeitsleistung („Beträge mit Entgeltcharakter) abgelten soll. Das Bundessozialgericht hat seine bisherige Rechtsprechung dahingehend ergänzt, dass auch Abfindungen Arbeitsentgelt sind, die bei Fortsetzung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach einer Änderungskündigung oder nach einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages als Gegenleistung für die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen gezahlt werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Arbeitsrecht Berlin- Fachanwalt
Der Abfindungsvergleich vor dem Arbeitsgericht – sind die Parteien an den Vorschlag des Gerichtes gebunden?
Die Standardsituation vor dem Arbeitsgericht ist die, dass der Arbeitnehmer zum Beispiel Kündigungsschutzklage erhebt und dann im Gütetermin die Parteien über eine Abfindung verhandeln. Optimal (für den Arbeitnehmer) ist die Situation dann, wenn dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, da das Verhandlungsgeschick und die Kenntnis der Rechtslage maßgeblich die Höhe einer möglichen Abfindung beeinflussen.
Kündigungsschutzklage – Ziel ist eine Abfindung
Der Grund für die oben beschriebene Standardsituation ist häufig der, dass nur ein ganz geringer Teil an klagenden Arbeitnehmern, die sich gegen eine Kündigung des Arbeitgebers mittels Kündigungsschutzklage wehren, tatsächlich das Ziel haben weiter beim Arbeitgeber zu arbeiten. Das Ziel der meisten Arbeitnehmer ist der Erhalt einer Abfindung.
kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung
Wichtig ist, dass aber grundsätzlich der Klageantrag im Kündigungsschutzverfahren nicht auf die Zahlung einer Abfindung gerichtet ist (hiervon gibt es Ausnahmen, wenn zum Beispiel ein Auflösungsantrag gestellt wird oder auf die Zahlung einer zugesicherten Abfindung geklagt wird), sondern die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung angegriffen wird. Ist die Kündigung unwirksam besteht das Arbeitsverhältnis fort und eine Abfindung wäre im diesen Fall nicht zu zahlen.
Abfindungsformeln der Arbeitsgerichte
Einer maßgeblichen Bedeutung kommen hier die so genannten Abfindungsformeln der einzelnen Arbeitsgerichte zu. Diese Formeln dürfen allerdings auch nicht überschätzt werden. Faktisch heißt dies, dass das Arbeitsgericht selbst – teilweise auch differenziert nach Branche / Wirtschaftsleistung/ Region/ Kleinbetrieb/ besonders kurze Dauer des Arbeitsverhältnisses/ besonders hohes Alter des Arbeitnehmers – einen bestimmten Standardabfindungssatz vorschlägt. In der Regel würde das Gericht, wenn zum Beispiel ein zulässig und begründeter Auflösungsantrag gestellt wäre, unter Zugrundelegung dieses Abfindungssatzes entscheiden. Man darf aber auch nicht vergessen, dass das Gericht ein ureigenstes Interesse an der Erledigung des Rechtsstreites durch Abfindung hat, so dass man vom Gericht nicht ohne weiteres erwarten darf, dass die vorgeschlagene Abfindungshöhe „gerecht oder angemessen“ ist. Es ist häufig zu beobachten, dass der Arbeitsrichter teilweise massiven Druck auf die Parteien ausgeübt auch mit dem Ziel „die Akte vom Tisch zu bekommen“. Die Abfindungsformel zum Beispiel beim Arbeitsgericht Berlin beträgt ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Arbeitsjahr.
In der Regel wird der Arbeitsrichter im Gütetermin auch diesen Abfindungssatz vorschlagen. Wichtig ist, dass die Parteien nicht an diesen Abfindungssatz gebunden sind und selbst eine andere Abfindung verhandeln können. Die Höhe der Abfindung ist reine Verhandlungssache!
Dem Vorschlag des Gerichtes kommt allerdings schon eine gewisse Bedeutung zu, da dieser häufig Basis für die dann anschließenden Vergleichsverhandlungen ist.
Durch geschickten Vortrag vor dem Gütetermin oder während des Gütetermins ist und Verhandlungsgeschick kann also jede Seite die Höhe der dann später gezahlten Abfindung beeinflussen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung nach § 1 a KSchG?
Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung nach § 1 a KSchG?
Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass viele Arbeitnehmer meinen, dass diese automatisch bei einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers einen Anspruch auf Abfindung haben. Dem ist nicht so. In den meisten Fällen besteht kein Anspruch auf Abfindung. Auch wenn häufig Abfindungen vor dem Arbeitsgericht (Vergleich) gezahlt werden, handelt es sich dabei – in fast allen Fällen – um gütliche Einigungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Abfindungsanspruch bei einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 a KSchG
Einer der wenigen Fälle, bei dem ein Anspruch auf Abfindung besteht, ist die betriebsbedingte Kündigung unter den Voraussetzungen des § 1 a KSchG. Der Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG setzt Folgendes voraus:
- Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetz
- Hinweis des Arbeitgebers, dass
- Kündigung erfolgt wegen dringender betrieblicher Erfordernisse
- Arbeitnehmer kann beim Verstreichenlassen der Klagefrist der Kündigungsschutzklage eine Abfindung beanspruchen
- der Arbeitnehmer lässt daraufhin die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage tatsächlich verstreichen
Zu den Voraussetzungen zur Kündigung nach § 1 a KSchG im Einzelnen:
dringende betriebliche Erfordernisse
Die Kündigung muss wegen dringender betrieblicher Erfordernisse ausgesprochen worden sein. Auch daran sind hohe Anforderungen zu stellen. Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmer muss spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist wegfallen.
schriftlicher Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung
In der Kündigungserklärung muss der Arbeitgeber die obigen Hinweise geben. Er muss nichts zur Höhe der Abfindung schreiben. Die Höhe ergibt sich ja bereits aus dem Kündigungsschutzgesetz (§ 1 a KSchG). Ein mündlicher Hinweis ist nicht ausreichend. Es besteht das Schriftformerfordernis ( § 126 BGB).
Abfindungsanspruch nach dem Ablauf der Klagefrist für die Kündigungsschutzklage
Der Abfindungsanspruch entsteht erst im Zeitpunkt des Verstreichenlassens der Klagefrist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage (3 Wochen ab Zugang der Kündigung). Zuvor besteht eine Anwartschaft des Arbeitnehmers. Der Anspruch entsteht nicht mehr, wenn zuvor das Arbeitsverhältnis – z.B. durch eine außerordentliche Kündigung – beendet wird oder z.B. der Arbeitnehmer verstirbt.
Höhe der Abfindung
Die Höhe der Abfindung ist nach § 1 a KSchG mit 1/2 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses angegeben. Ein Zeitraum von mehr als 6 Monaten wird auf ein volles Jahr aufgerundet. Die Höhe des Monatsverdienstes bestimmt sich nach § 10 Abs. 3 KSchG. Es kommt auf das Bruttojahresgehalt geteilt durch 12 an, wobei Einmalzahlungen mit Gratifikationscharakter nicht zu berücksichtigen sind.
Nachteil des § 1 a Kündigungsschutzgesetz?
Das obige Angebot kann auch für den Arbeitnehmer nachteilig sein, wenn nämlich die Kündigung unwirksam ist und der Arbeitnehmer im Betrieb weiterarbeiten möchte oder wenn der Arbeitnehmer mittels Vergleich vor dem Arbeitsgericht eine höhere Abfindung erstreiten könnte. Weiter ist eine Sperre vom Arbeitsamt denkbar, auch wenn häufig argumentiert wird, dass das Arbeitsamt eigentlich keine Sperre erteilen dürfte, da der Arbeitnehmer ja seinen Arbeitsplatz ja nicht „verkauft“ hat und ohnehin – mit oder ohne Abfindung – betriebsbedingt gekündigt wurde. Weiter ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zum gerichtlichen Vergleich kein vollstreckbarer Titel existiert. Der Arbeitnehmer muss- wenn der Arbeitgeber nicht zahlt – noch vor dem Arbeitsgericht klagen, um sich einen Titel (Urteil) zu verschaffen.
Gesetzestext – § 1 a KSchG:
„Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.“
Auf jeden Fall ist jedem Arbeitnehmer zu raten, dass er sich anwaltlich beraten lässt, bevor er eine betriebsbedingte Kündigung mit entsprechenden Abfindungsangebot annimmt.
Wenn das Angebot nicht richtig formuliert ist, kann es sein, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung der Abfindung hat.
Praxislelevanz der Kündigungen nach § 1 a KSchG
In der Praxis hat sich die Regelung des § 1 a KSchG nicht bewehrt. Solche Kündigungen werden kaum von Arbeitgebern ausgesprochen. Der Grund dafür ist wahrscheinlich der, dass viele Arbeitgeber darauf hoffen, dass die Arbeitnehmer nicht gegen die Kündigung des Arbeitgeber klagen werden. Nach Ablauf der 3-Wochenfrist hat der Arbeitnehmer kaum noch eine Chance eine Entschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes mit dem Arbeitgeber auszuhandeln.