Arbeitsrecht Berlin

Frohe Weihnachten 2021!

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Ich wünsche allen Mandanten und Lesern meines Blogs ein frohes und gesundes Weihnachtsfest!

Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitsgerichtsgericht Berlin: keine Entschädigung für abgewiesene Lehrerin mit Kopftuch!

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Eine Lehrerin wurde vom Land Berlin nicht eingestellt und erhob vor dem Arbeitsgericht Berlin eine Entschädigungsklage. Diese führte aus, dass sie wegen ihrer Religion diskriminiert werde, da diese als gläubige Muslima ein (muslimisches) Kopftuch trage. Das beklagte Land Berlin hatte sich in diesem Zusammenhang auf das Berliner Neutralitätsgesetz berufen, wonach religiöse oder weltanschauliche Symbole in öffentlichen Schulen – mit Ausnahme von beruflichen Schulen – von Lehrkräften nicht getragen werden dürfen.

Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 24.05.2018 – 58 Ca 7193/17) wies die Entschädigungsklage der muslimischen Lehrerin ab.

Es führte dazu aus:

Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land für berechtigt gehalten, die Klägerin nicht einzustellen. Das beklagte Land wende zu Recht das Neutralitätsgesetz an. Dieses Gesetz sei verfassungsgemäß. Der Berliner Gesetzgeber habe damit eine zulässige Entscheidung darüber getroffen, wie die Glaubensfreiheit der Lehrkräfte gegen die negative Religionsfreiheit der Schulkinder, das Erziehungsrecht der Eltern und den staatlichen Erziehungsauftrag, dem in neutraler Weise nachzukommen sei, abzuwägen seien. Dabei habe er den ihm als Gesetzgeber eingeräumten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die staatliche Neutralität der öffentlichen Schulen sei im Hinblick auf die Vielzahl von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen in der Berliner Bevölkerung von besonderer Bedeutung. Es dürfe auch berücksichtigt werden, dass den Lehrkräften – insbesondere bei jüngeren Schülerinnen und Schülern – eine besondere Vorbildfunktion zukomme, die für das geforderte neutrale Auftreten spreche. Die Einschränkung der Religionsfreiheit der Klägerin sei bei dieser Sachlage hinzunehmen, zumal die Klägerin ihren Beruf an einer beruflichen Schule ausüben könne.

Rechtsanwalt Andreas Martin

LAG Berlin-Brandenburg: Überzahlung aus Abrechnungsververgleich muss Arbeitnehmer ausgleichen

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Ein Arbeitnehmer verklagte seine Arbeitgeberin auf Lohnzahlung (+ Bestandsschutz) und schloss sodann vor dem Arbeitsgericht Berlin einen Vergleich wie folgt:

1. Die Parteien sind sich darin einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund arbeitgeberseitiger fristgemäßer betriebsbedingter Kündigung mit Ablauf des 28.02.2014 geendet hat.

2. Die Beklagte leitet aus der fristlosen Kündigung vom 10.01.2014 keine Rechte mehr her.

3. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für die Monate Januar und Februar 2014 ordnungsgemäß auf der Grundlage einer Vergütung von 2000,– € ab und zahlt den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus.

Die (jetzige) Klägerin (Arbeitgeberin) nahm sodann eine Abrechnung für die Monate Januar und Februar 2014 vor und zahlte an den Beklagten (Arbeitnehmer) insgesamt 1.032,94 EUR aus. Darüber hinaus erstattete die Arbeitgeberin der Krankenkasse des Beklagten für den Zeitraum 11.01.2014 bis 19.02.2014 1.548,40 EUR Krankengeld und führte die sich aus den Abrechnungen ergebenden Sozialabgaben und Lohnsteuern ab.

Der Arbeitnehmer meinte, dass die Arbeitgeberin nicht das übergegangene Krankengeld vom Lohnanspruch abziehen durfte und vollstreckte aus dem Vergleich gegenüber der Beklagten; die dann unter dem Vorbehalt der Rückforderung die Zahlung der 1.723,36 EUR vornahm.

Die Arbeitgeberin/ Klägerin ging von einer Überzahlung aus und verklagte den Arbeitnehmer auf 1.723,36 EUR, nachdem eine außergerichtliche Rückzahlungsaufforderung ohne Erfolg blieb.

Sowohl vor dem Arbeitsgericht Berlin als auch vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bekam die Klägerin/ Arbeitgeberin Recht.

Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.10.2015 -5 Sa 1379/15) führte dazu aus:

Auf den Gesamtzahlungszeitraum vom 01.01.14 bis 19.2.2014 entfiel der Zeitraum vom 11.01.2014 bis 19.02.2014, in welchem der Beklagte 1.548,40 EUR Krankengeld erhalten hatte, weshalb – in den Abrechnungen nicht, jedoch im Begleitschreiben der Klägerin vom 04.09.2014 berücksichtigt – der Nettovergütungsanspruch von insgesamt 2.581,34 EUR im Umfang von 1.548,40 EUR auf die BKK VBU übergegangen war (§ 115 Abs. 1 SGB X), so dass ein Auszahlungsanspruch iHv 1.023,94 EUR verblieb.

Aus dem Vergleich vom 09.07.2014 folgt demgegenüber nicht, dass die Klägerin bei der Abrechnung und Auszahlung der Vergütung für Januar und Februar 2014 den Anspruchsübergang auf die BKK VBU nicht berücksichtigen durfte und damit im Ergebnis trotz des Anspruchsübergangs auch die übergegangenen Vergütungsansprüche nochmals gegenüber dem Beklagten zu erfüllen hatte. Der insoweit maßgebliche Wortlaut „Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für die Monate Januar und Februar 2014 ordnungsgemäß auf der Grundlage einer Vergütung von 2.000,– EUR brutto ab und zahlt den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus“ begründet jedenfalls nicht ohne Weiteres die Annahme, die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dem Beklagten sollten für Januar und Februar je 2.000,00 EUR brutto ohne Berücksichtigung von Anspruchsübergängen auf Dritte zustehen. Die Verwendung der Begriffe „...auf der Grundlage einer Vergütung von…“ lassen zumindest ebenso gut den Schluss zu, die Parteien wollten lediglich die Höhe der dem Beklagten zustehenden Monatsvergütung außer Streit stellen und die Höhe der auszuzahlenden Vergütung den noch zu erstellenden Abrechnungen überlassen. Für das letztgenannte Verständnis spricht vorliegend, dass die Höhe der dem Beklagten zustehenden monatlichen Vergütung in dem vom Vergleich umfassten Zeitraum zwischen den Parteien streitig war. Die Klägerin hatte sich nämlich in dem durch den Prozessvergleich beendeten arbeitsgerichtlichen Verfahren darauf berufen, eine Leistungszulage wirksam widerrufen zu haben und dem Beklagten daher nur noch 1.885,00 EUR monatlich zu schulden. Daher bestand Anlass, die Höhe der monatlich geschuldeten Vergütung im Vergleich außer Streit zu stellen, ohne weiter gehend damit auch schon die Höhe des jeweils konkret geschuldeten Auszahlungsbetrages bzw. die Nichtberücksichtigung von Anspruchsübergängen zu regeln. Zudem muss sich der Beklagte fragen lassen, warum er bei seinem Verständnis hinnimmt, dass die Klägerin für Februar 2014 nur 1.266,73 EUR brutto und nicht 2.000,00 EUR brutto abrechnete. Aus dem Vergleich folgt nicht, dass unabhängig von dem Vorliegen eines dem Beklagten zustehenden Anspruchs auf Vergütung jeweils 2.000,00 EUR brutto für Januar und Februar 2014 zu leisten waren, was der Beklagte für den Zeitraum vom 20. bis 28.02.2014 zu Recht auch nicht beanstandet. Nichts anderes gilt aber auch für den Zeitraum vom 11.01. bis 19.02.2014, für welchen dem Beklagten aufgrund des nach § 115 Abs. 1 SGB X eingetretenen Anspruchsübergangs im Höhe von 1.548,40 EUR netto ebenfalls kein Anspruch auf Vergütung zusteht.

Die Parteien hatten im ursprünglichen Vergleich nur die Abrechnung mit anschließender Nettoauszahlung vereinbart und nicht einen reinen Auszahlungsanspruch in bestimmter Höhe, so jedenfalls das LAG.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Arbeitsgericht Berlin: Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung auf den Mindestlohn

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Nicht wenige Arbeitgeber haben vor Einführung des Mindestlohnes einen geringen Grundlohn gezahlt und darüber hinaus Sonderzahlungen gewährt.

Welche Zusatzleistungen des Arbeitgebers werden auf den Mindestlohn angerechnet?

Nun nach Einführung des Mindestlohnes stellt sich die Frage – die noch nicht höchstrichterlich geklärt ist – ob diese Zahlungen auf den Mindestlohn anzurechnen sind oder ob diese zusätzlich zum Mindestlohn zu zahlen sind.

 

Anrechnung von Sonderzahlungen auf den Mindestlohn?

Mit Sicherheit sind bereits diverse Fälle bei den Arbeitsgerichten diesbezüglich anhängig. Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 04.03.2015, Az 54 Ca 14420/14) hat sich nun diesbezüglich ebenfalls auseinandergesetzt und kam zum Ergebnis, dass eben keine Anrechung von Sonderzahlungen und auch nicht vom Urlaubsgeld auf den Mindestlohn erfolgt.

In seiner Pressemitteilung führt das Arbeitsgericht Berlin dazu aus:

Die Arbeitnehmerin wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt; sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen
Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche
Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.

Der Arbeitgeber hat hier also den Mindestlohn und die Sonderzahlungen nebst Urlaubsgeld zu zahlen.

Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg dazu ausgeht; es spricht aber einiges dafür, dass auch das LAG dies so sieht.

RA A . Martin

Arbeitsgericht Berlin: Busfahrer positiver Drogenschnelltest – Kündigung wirksam

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Ein Busfahrer, der in Berlin im öffentlichen Stadtverkehr seit 2006 beschäftigt war (BVG), wurde von Fahrgästen beschuldigt, mehrere Ampeln bei Rotlicht überfahren sowie weitere andere Verkehrsverstöße auf seiner Tour getätigt zu haben. Auf seinen „Fahrstil“ angesprochen, habe er die Fahrgäste beschimpft. Dieses Verhalten meldete ein Fahrgast der Polizei, welche dann vor Ort beim Busfahrer einen sog. Drogenschnelltest (hier Urintest) durchführten. Der Test zeigte die Einahme von Kokain an. Der Führerschein des Busfahrers wurde beschlagnahmt. Ein Bluttest durchgeführt, allerdings mit unbekannten Ergebnis. Das Strafverfahren gegen den Busfahrer wurde von der Staatsanwaltschaft Berlin nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Es fand dann ein Personalgespräch statt. Der Arbeitnehmer räumte den Konsum von Kokain am letzten Sonntag – vor dem geschehen – ein. Er räumte weiterhin einen regelmäßigen Drogenkonsum ein, der aber vor Jahren bereits geschehen war. Einen Aufhebungsvertrag unterzeichnete er nicht.

Der Betriebsrat wurde angehört. Sodann kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis außerordentlich in Form einer Verdachtskündigung.

 

Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 21.11.2012 – 31 Ca 13626/12) hielt der außerordentliche Verdachtskündigung für wirksam und führte dazu aus:

Die Kündigung vom 21.08.2012 beendet das Arbeitsverhältnis mit Zugang am 22.08.2012. Die Kündigung ist als Verdachtskündigung gerechtfertigt.

a.

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass nicht nur eine erhebliche Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann. Der Verdacht der schwerwiegenden Pflichtverletzung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflicht verletzt, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, der Verdacht eines (nicht erwiesenen) vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Eine Verdachtskündigung ist nur dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Dabei ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Die Kündigung verstieße anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie wäre nicht ultima-ratio (BAG, 23.06.2009, 2 AZR 474/07, NZA 2009, 1136; BAG, 13.03.2008, 2 AZR 961/06, NZA 2008, 809). Der Verdacht muss darüber hinaus schwerwiegend sein und sich aus den Umständen ergeben bzw. objektiv durch Tatsachen begründet sein. Er muss weiter dringend sein, d. h. bei einer kritischen Prüfung muss eine auf Beweisanzeichen gestützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers bestehen (BAG, 12.03.2009, 2 ABR 24/08, NZA-RR 2010, 180). Dabei muss das Gericht im Einzelnen prüfen, ob die den Verdacht begründenden Indizien zutreffen, also entweder unstreitig sind oder vom Arbeitgeber bewiesen werden. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Tatvorwurf erwiesen ist, sondern darauf, ob die vom Arbeitgeber zur Begründung des Verdachts vorgetragenen Tatsachen einerseits den Verdacht rechtfertigen und ob sie tatsächlich zutreffen (BAG, 10.02.2005, 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056). Der Verdacht muss sich dabei aus objektiven, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Tatsachen ergeben (BAG, 10.06.2010, 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227).

Der Verdacht des Fahrens unter Einfluss von Betäubungsmitteln in einem Zustand der Fahrdienstuntauglichkeit ist geeignet einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

b.

Entsprechend der vorgenannten Grundsätze geht die erkennende Kammer davon aus, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Verdachts im konkreten Fall vorliegen.

Gemäß § 8 der Berufsordnung für Kraftfahrer (BO-Kraft) ist dem Betriebspersonal untersagt, während des Dienstes oder der Dienstbereitschaft alkoholische Getränke oder andere die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel zu sich zu nehmen oder die Fahrt anzutreten, obwohl sie unter der Wirkung solcher Getränke oder Mittel stehen. Bereits der schwerwiegende Verdacht einer solchen Handlung rechtfertigt die Verdachtskündigung. Der Kläger trägt vorliegend die Verantwortung für seine Person, die Fahrgäste und andere Verkehrsteilnehmer.

Der Verdacht ist schwerwiegend. Der Kläger ist Busfahrer. Das Führen eines Fahrzeugs unter Drogeneinfluss im öffentlichen Straßenverkehr mit Fahrgästen bzw. der Verdacht eines Fahrens unter Drogeneinfluss stellt einen Verstoß gegen elementare Hauptleistungspflichten dar.

Der Verdacht ist durch objektive Tatsachen begründet.

Der beim Kläger durch die Polizei durchgeführte Drogenschnelltest (Urintest) wies ein auf Kokain positives Ergebnis auf. Demgegenüber kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er pauschal die Aussagefähigkeit des Drogenschnelltestes bestreitet. Insoweit hätte es substantiierter Anhaltspunkte bedurft, warum dem grundsätzlich durch die Polizei benutzen Drogenschnelltest keine derart gewichtige Aussagefähigkeit zukommen soll bzw. welche persönlichen Umstände auf Seiten des Klägers zur Annahme führen könnten, das Ergebnis spreche nicht für einen Konsum von Kokain. Soweit der Kläger anfangs behauptet hat, der weitere Bluttest auf Drogenkonsum sei negativ ausgefallen, kann dem keine Bedeutung beigemessen werden. Zum einen handelt es sich nur um eine Annahme des Klägers, die er weder in dieser Deutlichkeit aufrechterhalten noch durch Tatsachen belegt hat. Vielmehr schließt er das Ergebnis aus dem Umstand, dass das Strafverfahren gegen ihn gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Auch wenn das zutreffend sein sollte, kann dieser Umstand nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden. Denn der Kläger kann hier zu seiner Entlastung lediglich Umstände vortragen, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorlagen. Solchen können bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgetragen werden. Da es für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung aber auf die im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestehenden Verdachtsmomente ankommt, kann es auf spätere Entwicklungen – auch zu Gunsten des Klägers – nicht ankommen (Ascheidt/Preis/Schmidt/Döner-Vossen, Kündigungsschutzrecht, 4. Aufl., 2012, § 626 Rn. 356).

Weiterhin kann sich die Beklagte auf weitere Indizien stützen. So lag ihr im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der Meldebucheintrag der BVG vor (Bl. 22 f. d. A.). Dort ist das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten im Straßenverkehr wiedergegeben. Weiterhin hat der Kläger den Drogenkonsum im Gespräch am 16.08.2012 eingeräumt. Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass er zunächst einen Drogenkonsum geleugnet hat. Er behauptet selbst, dass er sich im weiteren Verlauf des Gesprächs derart unter Druck gesetzt gefühlt hat, dass er den Drogenkonsum schließlich einräumte. Dabei wirkt die Begründung des Klägers, er habe den Konsum lediglich eingeräumt, weil er das Gefühl hatte, ihm werde kein Glauben geschenkt und er habe sich einer emotionalen Ausnahmesituation befunden, als Schutzbehauptung. Nachvollziehbar ist, dass es sich um eine emotionale Ausnahmesituation für den Kläger gehandelt hat. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass in einer solchen Ausnahmesituation ein Eingeständnis eines Fehlverhaltens erfolgt und dass alles unter Mitteilung eines – dann wohl erdachten – Randgeschehens, nämlich dass der Drogenkonsum konkret mit Freunden am vergangenen Sonntag erfolgt sein soll. Der Kläger hat seine Angaben auch im Nachhinein nicht gegenüber der Beklagten korrigiert. Warum damit die Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung von anderen Anhaltspunkten hätte ausgehen müssen, als dem schließlich vom Kläger geäußerten Eingeständnis des Drogenkonsums, ist nicht ersichtlich.

Damit konnte die Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 21.08.2012 mangels anderweitiger entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgehen, dass der Kläger am 15.08.2012 unter dem Einfluss von Kokain seine Arbeitsleistung, nämlich das Fahren eines Busses im öffentlichen Straßenverkehr mit Fahrgästen erbringen wollte.

Der Verdacht ist auch dringend. D. h. es besteht eine auf Beweisanzeichen gestützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung.

Die Indizien, der positive Drogenschnelltest, der Eintrag im Meldebuch der BVG sowie das letztendliche Eingeständnis seitens des Klägers im Rahmen des Personalgesprächs sind unstreitig, selbst wenn der Kläger nunmehr bestreitet, Kokain genommen und die ihm vorgeworfenen Verstöße im Straßenverkehr begangen zu haben. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung lagen diese Indizien vor. Insbesondere hat der Kläger nicht im Nachgang zum Gespräch am 16.08.2012 mitgeteilt, dass er von seinem Eingeständnis des Drogenkonsums abrücke.

In Ansehung der gegebenen Indizien war die Beklagte damit nicht verpflichtet, so wie vom Kläger gefordert, noch weitere substantielle Sachverhaltsaufklärung zu betreiben.

Die Beklagte hat den Kläger auch im Personalgespräch am 16.08.2012 ordnungsgemäß zu den Vorwürfen angehört.

B.

Die Klage ist im Antrag zu 2. unzulässig. Der Kläger hat keine weiteren Beendigungstatbestände bzw. das Risiko solcher dargetan. Aus diesem Grund fehlt dem Antrag das notwendige Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO.

Ein interessanter Fall, der die Besonderheiten der Verdachtskündigung aufzeigt. Für den Laien mag erstaunlich sein, dass es hier unerheblich war, dass sich der Tatverdacht (wohl) später nicht bestätigte. Da dies aber nach dem Ausspruch der Verdachtskündigung erfolgte, ist dies hier unerheblich.

RA A. Martin

LAG Berlin-Brandenburg: keine Aussetzung des Kündigungsschutzverfahrens bis Abschluss des Strafverfahrens

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Sachverhalt

Der Arbeitgeber behauptete, dass der Arbeitnehmer im Jahr 2013 Tonermaterial im Wert von 80.000 EUR bestellt habe, obwohl im Betrieb jährlich im Durchschnitt nur für 4.000 bis 5.000 EUR Drucker-Toner benötige. Darüber hinaus habe der Arbeitnehmer Oki-Toner bestellt, obwohl im Betrieb lediglich Kyocera-Toner zur Anwendung kommen.

Weiter trug der Arbeitgeber vor, dass er anhand von rekonstruierten E-Mails feststellen konnte, dass der Arbeitnehmer über eine andere Firma die Originalrechnungen in Rechnungen für Kyocera-Toner habe umschreiben lassen.

Auch meinte der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer im Rahmen einer Nebentätigkeit anderen Personen Oki-Toner angeboten habe. Von daher ging der Arbeitgeber davon aus, dass der Arbeitnehmer die Oki-Toner auf eigene Rechnung gewinnbringend veräußert habe. Dem Arbeitgeber sei ein beträchtlicher Schaden entstanden.

Der Arbeitgeber kündigte sodann das Arbeitsverhältnis mit den Arbeitnehmer außerodentlich und fristlos in Form einer Verdachtkündigung.

Der Arbeitnehmer erhob dagegen Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Berlin.

Auch zeigte der Arbeitgeber den Sachverhalt bei der Polizei an und Stellte Strafantrag . Das Ermittlungsverfahren wurde noch geführt und war noch nicht abgeschlossen. Im Ermittlungsverfahren machte der Arbeitnehmer von seinem Recht auf schweigen Gebrauch.

Auch im Arbeitsgerichtsverfahren ließ sich der Arbeitnehmer zu den Vorwürfen nicht genau ein.

Der Kläger hat die Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens beantragt, ohne bisher auf die Vorwürfe im Einzelnen im Kündigungsschutzverfahren einzugehen. In dem zurzeit beim LKA anhängigen Verfahren habe er noch keine Akteneinsicht erhalten. Der Kläger verweist darauf, dass eine Vielzahl von Personen Zugang zu dem Raum gehabt hätte, in dem die Druckertoner gelagert worden seien. Die Erkenntnismöglichkeiten der Staatsanwaltschaft gingen weiter. Diese könne effektiver als das Arbeitsgericht Zeugen zu der Frage laden, welche Personen zu welchem Zeitpunkt Zugang zu diesem Raum und Zugriff auf die Toner gehabt hätten. Das Verfahren sei auch deswegen auszusetzen, da er sonst im hiesigen Verfahren Gefahr laufe, sich selbst ggfs. zu bezichtigen. Wenn er im hiesigen Verfahren die Vorwürfe substantiiert bestreite, um der Geständnisfiktion des § 138 ZPO zu entgehen, werde das Aussageverweigerungsrecht im Strafverfahren inhaltsleer. Dem Recht, schweigen zu dürfen, komme eine überragende Bedeutung zu. Dies ergebe sich aus dem Grundgesetz, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und ferner der EMRK. Im Übrigen verweist er auf Regelungen im Disziplinarrecht von Beamten (§ 22 BDG), wonach ein Disziplinarverfahren auszusetzen sein, wenn öffentlich Klage erhoben worden ist.

Das Arbeitsgericht Berlin lehnte den Antrag auf Aussetzung des Arbeitsgerichtsverfahrens ab.

Dagegen wandte sich der Arbeitnehmer / Kläger mittels sofortiger Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13.06.2014 – 15 Ta 1108/14). Das LAG wies die sofortige Beschwerde zurück und führte dazu aus:

Das vom Kläger in Anspruch genommene Recht, im Strafverfahren schweigen zu dürfen, rechtfertigt auch keine Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens.

10
2.1 Dieses Recht, das das Bundesverfassungsgericht aus Art 2 I, 1 I GG als Ausfluss des Gebotes eines fairen Verfahrens ableitet (BVerfG NJW 97, 1841, 1843), wird durch die Mitwirkungspflichten nach § 138 ZPO nicht verletzt. Eine Partei muss sich auch im Zivilprozess nicht selbst bezichtigen (BVerfGE 56, 37, 44). Daher kann der hiesige Kläger in dem von ihm angestrengten Prozess zu den Vorwürfen der Beklagten schweigen. Insofern führt das BVerfG aus:

11
„Die derart gegen den Zwang zu Selbstbezichtigung geschützten Prozessparteien … tragen lediglich das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung.“ (BVerfGE 56, 37, 44).

12
Auch die Kommentarliteratur geht davon aus, dass die Partei im Zivilprozess jede Äußerung verweigern dürfe (Stein-Jonas 22. Aufl. § 138 ZPO Rn 13). Eine solche Partei müsse sich rechtzeitig überlegen, ob sie einen Prozess führen möchte (MüKo 4. Aufl. § 138 ZPO Rn 15). Sie dürfe nicht wahrheitswidrig vortragen und müsse bei Absehen eines eigenen Vortrags die prozessualen Konsequenzen tragen (Zöller 30. Aufl. § 138 ZPO Rn 3). Hiervon wird auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte ausgegangen (LAG Hamm 10.05.2013 – 7 Ta 155/13 – Rn 21ff m.w.N.)

13
Insofern muss auch der hiesige Kläger überlegen, ob er in dem von ihm angestrengten Prozess schweigen oder sich wahrheitsgemäß äußern will. Größerer Schutz muss ihm im Zivilverfahren nicht eingeräumt werden.

14
2.2 Art. 6 EMRK rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

15
Art. 6 EMRK hat nach der Ratifizierung den Rang eines einfachen Bundesgesetzes und bindet die deutschen Gerichte unmittelbar (BAG 26.03.1987 – 8 AZR 54/86 – Rn 19). Der EGMR leitet aus Art. 6 EMRK das Recht ab, zu schweigen und sich nicht selbst zu beschuldigen (EGMR 03.05.2001 – 31827/96 – NJW 2002, 499). Der Begriff der „strafrechtliche Anklage“ in Art. 6 I EMRK legt der EGMR autonom aus. Bei der Entscheidung, ob ein Verfahren ein Strafverfahren ist, seien drei Kriterien heranzuziehen, nämlich erstens, wie das innerstaatliche Recht das Verfahren qualifiziert, zweitens die Art der Zuwiderhandlung und drittens die Art und Schwere der dem Betroffenen drohenden Sanktion. Daher dürfe ein Bürger in einem Steuerverfahren nicht mit Bußgeldern zu Auskünften gezwungen werden, die in einem Steuerstrafverfahren zu seinem Nachteil verwendet werden (EGMR a.a.O.).

16
Art. 6 EMRK kann hier schon deswegen nicht verletzt sein, weil im Arbeitsgerichtsprozess keine Partei zu einer Aussage gezwungen werden kann. Darüber hinaus stellt das Kündigungsschutzverfahren auch kein Strafverfahren im Sinne des Art. 6 EMRK dar. Hier tritt nicht der Staat strafend dem Bürger gegenüber, sondern das Verfahren betrifft zwei Bürger untereinander.

17
2.3. Das Gleiche gilt für das Schweigerecht nach Art. 14 Abs. III lit. g des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. II 1973 S. 1533, 1541). Das dort geregelte Schweigerecht betrifft ebenfalls das Strafverfahren (BGH GS 13.05.1996 – GSSt 1/96 – Rn 38).

18
2.4. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers folgt aus § 22 I 1 BDG nichts anderes.

19
Nach dieser Norm ist ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren auszusetzen, wenn öffentliche Klage erhoben worden ist. Der Staat, der dem Beamten im Disziplinarverfahren als Dienstherr hoheitlich gegenübertritt, mag sich in seinem Verfahren entsprechend binden. Auf ein zivilgerichtliches Verfahren zweier Bürger untereinander ist dies aber nicht anwendbar.

Eine nachvollziehbare Entscheidung. Der Arbeitnehmer muss sich überlegen, ob er schweigen möchte oder sich äußern wird. Wenn er sich äußert, dann muss dies wahrheitsgemäß sein. Im Zivilprozess / Arbeitsgerichtsprozess geltend andere Regeln als im Strafverfahren. Der Arbeitnehmer verteidigt sich im Strafverfahren gegen die strafrechtlichen Vorwürfe. Im Arbeitsgerichtsprozess geht es aber nicht um Verteidigung, sondern der Arbeitnehmer möchte hier etwas erreichen, nämlich die Kündigung „aus der Welt schaffen“. Dies geht nicht mit schweigen.

Auch kann das Abwarten des Ergebnisses des Strafverfahrens nachteilig sein, denn im Strafverfahren steht der Geschädigte als Zeuge zur Verfügung während dieser im Arbeitsgerichtsverfahren nur Partei ist, nämlich Beklagter.

Wahrscheinlich wollte der Kläger hier einfach mal schauen, was die Staatsanwaltschaft ermitteln wird, vielleicht kommt etwas Entlastendes heraus, vielleicht aber auch etwas Belastendes. Je nach dem wollte dann wohl der Kläger seine Strategie im Arbeitsgerichtsprozess anpassen; vielleicht sogar die Klage zurücknehmen, wenn sich im Strafprozess (dies ist für das Arbeitsgerichtsverfahren aber nicht bindend) herausstellt, dass es keine oder kaum entlastende Beweise/ Zeugen gibt.

Es ist nachvollziehbar, dass das Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg diesen halbherzigen Klageverhalten einen Riegel vorgeschoben hat.

 

Eine Besonderheit bestand hier darin, dass eine Verdachtskündigung ausgesprochen wurde. Bei dringenden schwerwiegenden Verdacht – ohne endgültigen Nachweis – kann der Arbeitgeber hier kündigen, muss den Arbeitnehmer aber vorher anhören.

RA A. Martin

BAG: Manipulation von Akten durch Arbeitnehmer kann außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen

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Eine Arbeitnehmerin, die bei einer Universität als Sachbearbeiterin beschäftigt war, sollte sich u.a. im Jahr 2009 um die Abmeldung von Mülltonnen kümmern. Die Arbeitnehmerin hatte erhebliche Probleme bei der Arbeitsorganisation. Ob eine Abmeldung tatsächlich erfolgt war, war bis zu letzt zwischen der Arbeitnehmerin und der Universität streitig.

Abmeldung von Mülltonnen

Später erhielt die Universität diverse Gebührenbescheide und Mahnungen (16) über insgesamt über € 4.936,70. Die Arbeitnehmerin behauptete aber weiter, dass diese die Mülltonnen bereits abgemeldet hätte und die Bescheide zu Unrecht ergangen seien. Die Arbeitnehmerin behauptete, dass diese gegen die Abgabengebührenbescheide (für die Mülltonnen) bereits Widerspruch eingelegt hätte. Kopien der  Schreiben befanden sich in der Akte, allerdings ohne entsprechende Ausgangs- und Zugangsnachweis. Auf Nachfrage räumte die Arbeitnehmerin dann ein,dass die Widersprüche von ihr nachträglich erstellt wurden und auch nicht an die Gegenseite übersandt wurden. Sie behauptete aber weiter, dass die Abmeldungen der Mülltonnen tatsächlich erfolgt seien.

Abmeldung strittig, aber nicht die „Fälschung der Widersprüche“

Nach Anhörung des Personalrates (dieser erteilte aber keine Zustimmung) kündigte die Universität der Klägerin des Arbeitsverhältnis – nach Ersetzung der Zustimmung des Personalrates durch die Einigungsstelle – ordentlich zum 30.09.2012. Eine Abmahnung hielt der Arbeitgeber hier nicht für notwendig.

Die Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Sie verlor in der ersten und zweiten Instanz. Danach legte sie Revision zum BAG ein. Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision zurück.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG (Urteil vom 23.1.2014, 2 AZR 638/13) führte dazu Folgendes aus:

Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – etwa eine Abmahnung oder eine Versetzung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftigeVertragstreue zu bewirken (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 811/11 – Rn. 16 mwN; 9. Juni 2011 – 2 AZR 284/10 – Rn. 34 mwN). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 16; 9. Juni 2011 – 2 AZR 284/10 – Rn. 35).

2. Die Klägerin hat ihre vertraglichen Pflichten – die tatsächliche Abmeldung der Mülltonnen zu ihren Gunsten unterstellt – dadurch erheblich und schuldhaft verletzt, dass sie innerhalb der Zeitspanne von etwa einem Jahr auf insgesamt 16 Schreiben der Stadt nicht reagiert und anschließend zwei in Wahrheit nicht versandte Widerspruchsschreiben unter falschem Datum erstellt und zu den Akten genommen hat. Damit ist sie nicht nur ihren Hauptleistungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Sie hat darüber hinaus durch Manipulation der Akten versucht, ihre Pflichtverstöße zu verschleiern und eine korrekte Aufgabenerfüllung vorzutäuschen. Auf diese Weise hat sie das in sie gesetzte Vertrauen des beklagten Landes zerstört.

Gerade beim planmäßigen Vorgehen zu Ungunsten des Arbeitgebers liegt die Wirksamkeit einer Kündigung nahe. Entscheidend ist hier, dass das Vertrauensverhältnis zum Arbeitnehmer unwiderbringbar zerstört ist. Wer vertraut einen Arbeitnehmer, der Scheiben manipuliert hat? Von daher war die Abmahnung hier nicht mehr notwendig.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

LAG Berlin-Brandenburg: Arbeitgeber muss Urlaub von sich aus gewähren, ansonsten Schadenersatz oder Ersatzurlaub

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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (12.06.2014, Aktenzeichen 21 Sa 221/14) hat überraschend entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, von sich aus Urlaub zu gewähren, auch wenn der Arbeitnehmer dies nicht zuvor beantragt hat. Gewährt der Arbeitgeber den Urlaub von sich aus nicht und verfällt der Urlaub zum Jahresende oder zum 31.3. des Folgejahres, dann hat der Arbeitnehmer im unbeendeten Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Ersatzurlaub und im beendeten Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs.

Das LAG führt in seiner Pressemitteilung 31/14 vom 4.8.2014 dazu aus:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz ebenso wie den Anspruch auf Ruhepausen und Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz von sich aus zu erfüllen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach und verfällt der Urlaubsanspruch deshalb nach Ablauf des Übertragungszeitraums, hat der Arbeitgeber ggf. Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubs zu leisten bzw. diesen Ersatzurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer vor dem Verfall des ursprünglichen Urlaubsanspruchs rechtzeitig Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber in Verzug gesetzt hatte.

….

Der Anspruch hänge – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 15.09.2011 – 8 AZR 846/09) – nicht davon ab, dass sich der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden habe.

Dass dies nicht „so ganz“ der bisherigen Rechtsprechung des BAG entspricht, welches ja darauf abstellt, ob der Arbeitgeber mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befindet, was in der Regel wenigstens einen Antrag des Arbeitnehmers voraussetzt, erscheint auch dem LAG klar zu sein.

Die Revision zum BAG wurde zugelassen. Es bleibt also spannend; und abzuwarten, was das BAG entscheidet.

 

RA A. Martin

ArbG Berlin: Kündigung wegen Alkohol am Steuer rechtmäßig

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Alkohol am Arbeitsplatz wird in der Regel vom Arbeitgeber verboten; dies ist aber nicht zwingend. Wie so oft, kommt es auch hier auf den Einzelfall (Branche, konkrete Arbeitsaufgabe, BAK) an.  Trotzdem muss nicht zwangsläufig der Alkoholmissbrauch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

vorherige Abmahnung vor außerordentlicher Kündigung ?

Sofern dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird und diese auf ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers beruht, ist in der Regel der Arbeitnehmer vor dem Ausspruch einer (außerordentlichen / ordentlichen) Kündigung abzumahnen. Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer nochmals sein vertragswidriges Verhalten vor Augen führen und darüber hinaus vor einer Wiederholung warnen; so dass der Arbeitnehmer weiß, dass er im Wiederholungsfall mit einer der Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss.

Abmahnung auch beim Berufskraftfahrer vor der Kündigung notwendig?

Wie so oft, kommt es aber auch hier auf den Einzelfall an. Bei Berufskraftfahrern besteht die Besonderheit, dass dieser regelmäßig am Straßenverkehr teilnehmen und von daher auch die entsprechenden Verkehrsregeln zu beachten haben. Bei Berufungskraftfahrern gilt fast immer ein arbeitsvertragliches Alkoholverbot, insbesondere ein Verbot des Führens des Fahrzeuges unter Alkoholeinfluss.

Eine Abmahnung wegen des Fahrens unter Alkoholeinfluss ist entbehrlich, wenn ein so schwerwiegender Verstoß des Arbeitnehmers vorliegt, dass dem Arbeitgeber die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Insbesondere kommt es auch darauf an, ob dem Arbeitnehmer sein vertragswidriges Verhalten bekannt war. Beim Berufskraftfahrer liegt es auf der Hand, dass Alkohol am Arbeitsplatz tabu ist.  Alkohol am Steuer ist die häufigste Ursache für Verkehrsunfälle. Unabhängig davon existieren bußgeldrechtliche – und strafrechtliche Vorschriften. Es spricht von daher viel dafür, dass der – selbst einmalige – Verstoß hiergegen durch den Arbeitnehmer eine außerordentliche (und erst recht eine ordentliche) Kündigung rechtfertigt; auch ohne Abmahnung. Aber auch dies kann nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Es macht nämlich einen Unterschied, ob ein Fahrer eines Buses (hier besteht gesetzliches Alkoholverbot) mit 2,5 ‰ einen Verkehrsunfall grob fährlässig verursacht und dabei Personen verletzt werden oder  ein seit 20 Jahren beanstandungslos arbeitender Lkw-Fahrer einmalig einen Restalkohol von 0,2 ‰ früh morgens nachgewiesen bekommt ohne, dass er bereits mit dem Lkw gefahren ist oder ggfs. nur eine kurze Strecke (außerhalb) ohne potentielle Gefährdung fuhr.

aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin

Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 03.04.2014 – 24 Ca 8017/13) – hier Pressemitteilung – hielt eine ordentliche (verhaltensbedingte) Kündigung gegenüber einen Berufskraftfahrer, der mit 0,64 ‰ an Alkoholisierung, einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem der Unfallgegner verletzt und ein erheblicher Sachschaden entstand für wirksam. Eine Abmahnung war hier entbehrlich. Im Betrieb bestand absolutes Alkoholverbot. Die gleichzeitig ausgesprochene außerordentliche (fristlose) Kündigung war hier aus formellen Gründen unwirksam, so dass das Arbeitsgericht Berlin nicht zu entscheiden hatte, ob auch bereits das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung wirksam beendet wurde.

Das Arbeitsgericht Berlin führt in seiner Pressemitteilung dazu folgendes aus:

Das Arbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung für rechtswirksam gehalten. Der Arbeitnehmer habe mit seinem Verhalten seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend und in vorwerfbarer Weise verletzt. Der Arbeitgeber dürfe von einem Berufskraftfahrer erwarten, dass dieser nüchtern zum Fahrtantritt erscheine und auch während der Fahrt keine alkoholischen Getränke zu sich nehme. Eine Alkoholerkrankung könne den Arbeitnehmer nicht entlasten; ihm sei weiterhin vorzuwerfen, eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss angetreten und hierdurch andere gefährdet zu haben. Das Fehlverhalten des Arbeitnehmers wiege auch derart schwer, dass ihm nicht mit einer Abmahnung hätte begegnet werden müssen. Der Arbeitgeber müsse dafür Sorge tragen, dass das Alkoholverbot von allen Fahrern beachtet werde; dies sei mit einer bloßen Abmahnung nicht zu erreichen. Auch habe der Kläger letztlich keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt.

Für den Berufskraftfahrer ist in der Regel das Fahren unter Alkoholeinfluss ein Grund zur verhaltensbedingter Kündigung ohne Abmahnung. Man wird wohl nur in Ausnahmefällen eine vorherige Abmahnung fordern können.

 

BAG: Keine Haftung des Personalvermittlers bei Diskriminierung bei Einstellung

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Wird ein Bewerber  diskriminiert, kann grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bestehen.  Mit solchen Klagen auf Entschädigung hat sich das Bundesarbeitsgericht schon häufiger beschäftigt.

Die Frage war nun, ob der diskriminierte Bewerber  einen Anspruch gegen den Personalvermittler hat, wenn dieser  die Diskriminierung begangen hat, aber nicht Arbeitgeber wäre.

Das BAG (Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 AZR 118/13 – – hier Pressemitteilung)  entschied, dass ein Anspruch gegen den Arbeitgeber nicht besteht.

Ansprüche auf Entschädigung bei Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nach § 15 Abs. 2 müssen gegen den Arbeitgeber gerichtet werden. Wird bei der Ausschreibung von Stellen ein Personalvermittler eingeschaltet, haftet dieser für solche Ansprüche nicht.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger bewarb sich im September 2011 auf eine im Internet ausgeschriebene Stelle als Personalvermittler. Die Stelle sollte bei „unserer Niederlassung Braunschweig“ bestehen. Die Bewerbung sollte an die UPN GmbH in Ahrensburg gerichtet werden. Am Ende der Stellenausschreibung wurde wegen etwaiger „Kontaktinformationen für Bewerber“ auch auf eine UP GmbH in Ahrensburg verwiesen. Der Kläger bewarb sich unter der angegebenen E-Mail-Adresse, das Bewerbungsschreiben richtete er an die UP GmbH. Er erhielt eine Absage per E-Mail, deren Absenderin die UPN GmbH war. Der Kläger verlangte von der UPN GmbH ohne Erfolg eine Entschädigung, worauf die UPN GmbH die Bewerbungsablehnung inhaltlich näher begründete. Schließlich verklagte der Kläger die UPN GmbH auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Im Prozess berief sich die UPN GmbH darauf, nicht sie, sondern die UP GmbH habe die Stelle für deren Standort Braunschweig ausgeschrieben.

Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab und führte dazu  in seiner Pressemitteilung aus:

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Klage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Der vom Kläger gegen die UPN GmbH gerichtete Entschädigungsanspruch besteht nicht. Die UPN GmbH war lediglich Personalvermittlerin. Arbeitgeberin wäre bei einer Einstellung die UP GmbH geworden. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann nur gegen den „Arbeitgeber“ gerichtet werden. Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob gegen den Personalvermittler andere Ansprüche entstehen können. Jedenfalls der Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden nach § 15 Abs. 2 AGG richtet sich ausschließlich gegen den Arbeitgeber.

Die Begründung des  Bundesarbeitsgerichtes überzeugt.  Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz  (AGG) gibt dem Arbeitnehmer allein einen Anspruch gegenüber den Arbeitgeber. Der Personalvermittler selbst haftet – so das BAG – nicht.

RA A. Martin