lohn
Darf der Arbeitgeber den Lohn des Arbeitnehmers einfach kürzen?
Im Arbeitsvertrag ist in der Regel genau geregelt, wie hoch der Lohnanspruch des Arbeitnehmers ist. Oft gibt es aber Situationen, in denen der Arbeitgeber die Höhe des Lohnes in Frage stellt. So kann zum Beispiel eine Unternehmenskrise vorliegen oder die Firma wird übernommen oder umstrukturiert.
Trotzdem braucht der Arbeitgeber in all diesen Fällen für eine Senkung des Lohnes die Zustimmung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann von daher nicht einfach die Höhe des Lohnes von sich aus ändern. Wie bei jeder Änderung des Arbeitsvertrages müssen beide Seiten zustimmen. Dies würde sogar selbst dann gelten, wenn der Arbeitgeber den Lohn des Arbeitnehmers erhöhen möchte.
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte aber nun folgenden Fall zu entscheiden:
Nach einem Betriebsübergang wurde dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber mitgeteilt, dass sein Stundenlohn statt 13,71 nun 12,89 € beträgt. der Kläger war zuvor als Servicetechniker tätig geworden und bei allen Personen, die nicht mehr als Servicetechniker in der Firma arbeiten, beschloss der Arbeitgeber eine Lohnsenkung von 6 %. Der Arbeitnehmer hat im Bezug auf diese Lohnkürzung nichts unternommen und erhob keine Einwände.
Später machte der Arbeitnehmer den Differenzlohn gegenüber dem Arbeitgeber in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht geltend.
Der Arbeitgeber meinte, dass der Arbeitnehmer ja letztendlich stillschweigend der Lohnabsenkung/ Lohnkürzung zugestimmt habe. Die Frage ist, ob Schweigen auf eine vom Arbeitgeber vorgeschlagene Lohnkürzung eine Zustimmung darstellt.
Das Landesarbeitsgericht-Mecklenburg-Vorpommern sah dies nicht so. Schweigen sei juristisch keine Erklärung und schon gar keine Zustimmung.
Das LAG Mecklenburg Vorpommern (Urteil vom 02.04.2019, 5 Sa 221/18) führte dazu folgendes aus:
Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) der einen Vertragspartei gemäß den §§ 145 ff. BGB von der anderen Vertragspartei angenommen wird. Willenserklärung ist jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, Rechte zu begründen, zu ändern oder aufzuheben ….. .
Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten überhaupt eine Willenserklärung darstellt (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 7 AZR 70/17 – Rn. 23, juris; BAG, Urteil vom 17. Mai 2017 – 7 AZR 301/15 – Rn. 16, juris = NZA 2017, 1340).
Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. November 2007 – 5 Sa 415707 – Rn. 25, juris; LAG Köln, Urteil vom 15. Dezember 2014 – 5 Sa 580/14 – Rn. 66, juris = NZA-RR 2015, 294).
Ob und ggf. wann die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hat, den Lohn um 6 % kürzen zu wollen, kann dahinstehen. Es fehlt jedenfalls an einem Verhalten des Klägers, aus dem sich bei verständiger Betrachtung ein Einverständnis mit einer Lohnkürzung herleiten lässt. Der Kläger hat sich hierzu, sofern die Erklärung der Beklagten überhaupt als Vertragsangebot auszulegen war, gar nicht erklärt, sondern ausgeschwiegen. Er hat nach den Ausführungen der Beklagten „keine Einwände erhoben“, d. h. sich hierzu nicht geäußert. Das genügt nicht, um von einer Zustimmung ausgehen zu können. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die auf eine Bereitschaft des Klägers schließen lassen, die angedachte Kürzung hinnehmen zu wollen. Es fehlt an irgendeinem positiven Signal des Klägers. Zudem ist nicht erkennbar, welches Interesse der Kläger zum besagten Zeitpunkt an einem solchen Verzicht gehabt haben sollte.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Bei gleicher Arbeit auch gleiches Geld ab 2017?
Das Bundeskabinett hat Mitte Januar 2017 das „Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen“ beschlossen. Dieses Gesetz soll gewährleisten, dass Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern bei gleicher Arbeit besteht. Angeblich sollen Frauen im Durchschnitt 21 % weniger Gehalt als Männer bei gleiche Tätigkeit erhalten.
Lohngleichheit – nicht zwischen allen Arbeitnehmern
Wichtig ist, dass dieses Gesetz speziell das Problem der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern regulieren soll und nicht die ungleiche Bezahlung generell für gleiche Arbeit. Denn bezahlt der Arbeitgeber den Frauen weniger – für die gleiche Arbeit – wie den Männern, dann liegt darin eine Ungleichbehandlung, die nach dem AGG (allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) schon jetzt eine nicht zulässige Diskriminierung darstellen könnte.
Problem war bisher der fehlende Auskunftsanspruch
Das Problem war bisher, dass die ungleiche Bezahlung der Frauen im Betrieb eine Diskriminierung (aufgrund des Geschlechts) darstellen konnte, aber die Frauen meist kaum Informationen hatten, wie viel ihre männlichen Kollegen im Betrieb erhalten haben. Dies soll sich nun in größeren Betrieben durch einen Auskunftsanspruch verbessern.
Auskunftsanspruch auch für männliche Arbeitnehmer im Betrieb
Den Anspruch auf Auskunft haben nicht nur die Frauen im Betrieb, sondern auch die Männer, ansonsten wäre dies eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung.
Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen
Der Gesetzentwurf sieht nun folgende Maßnahmen vor:
Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer im Betrieb von mehr als 200 Arbeitnehmern
- gegenüber Arbeitgeber über das Arbeitsentgelt von 6 vergleichbaren Arbeitnehmern des anderen Geschlechts
- nebst weitere Entgeltbestandteile, wie Boni oder Dienstwagen,
- Auskunftsanspruch in Betrieben ohne Betriebsrat und ohne Tarifvertrag direkt gegenüber dem Arbeitgeber
- in tarifgebundenen Unternehmen soll der Auskunftsanspruch in der Regel über den Betriebsrat erfolgen
- Arbeitgeber mit mehr als 500 Arbeitnehmern sollen regelmäßig alle 4 Jahre Berichte über den Stand der Entgeltgleichheit vorlegen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Berlin-Brandenburg: Schwangere bekommt Lohn im Beschäftigungsverbot auch ohne Arbeitsantritt
Eine Arbeitnehmerin schloss mit dem Arbeitgeber im November 2015 einen Arbeitsvertrag. Das Arbeitsverhältnis sollte danach am 1. Januar 2016 beginnen. Zum Arbeitsantritt der Arbeitnehmerin kam es aber nicht mehr, da im Dezember 2015 der Arbeitnehmerin aufgrund einer Risikoschwangerschaft ein ärztliches Beschäftigungsverbot erteilt wurde.
Die Arbeitnehmerin forderte Mutterschutzlohn nach § 11 Mutterschutzgesetz. Dabei machte Sie den Lohn geltend,den sie bei Arbeitsaufnahme ab Januar 2016 erhalten hätte (wie im Arbeitsvertrag vereinbart), obwohl sie beim Arbeitgeber noch nicht gearbeitet hatte.
Der Arbeitgeber lehnte dies aber und verwies darauf, dass die Arbeitnehmerin ja noch nie tatsächlich bei ihm gearbeitet hatte.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 30.09.2016, Az. 9 Sa 917/16) gab der Arbeitnehmerin Recht und sprach dieser die geforderten Beträge zu. Das LAG führte dazu in seiner Pressemitteilung (Nr. 34/16 vom 04.10.2016) aus:
Der Anspruch auf Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten setze keine vorherige Arbeitsleistung voraus. Es komme nur auf ein vorliegendes Arbeitsverhältnis und allein aufgrund eines Beschäftigungsverbotes unterbliebene Arbeit an. Der Arbeitgeber werde hierdurch nicht unverhältnismäßig belastet, weil er die zu zahlenden Beträge aufgrund des Umlageverfahrens in voller Höhe erstattet erhalte.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
BAG: „Bonusanspruch nach billigem Ermessen des Arbeitgebers“
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 3. August 2016 – 10 AZR 710/14 – Pressemitteilung 41/16 des BAG) hat entschieden, dass wenn ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag bestimmt, dass sich der Leistungsanspruch des Arbeitnehmers „nach billigem Ermessen des Arbeitgebers bestimmt“, die Arbeitsgericht diesen unbestimmten Rechtsbegriff
gerichtlich voll überprüfen dürfen.
Entspricht die Entscheidung des Arbeitgebers nicht dem billigem Ermessen, so ist diese gemäß § 315 Abs. 3 BGB unverbindlich und die Höhe des Bonus durch das Gericht auf Grundlage des Vortrags der Parteien festzusetzen.
§ 315 BGB (Bestimmung der Leistung durch eine Partei) lautet:
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer/ Kläger war beim Arbeitgeber (einer Großbank) vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2012 beschäftigt. Vereinbart war, dass der Kläger am jeweils gültigen Bonussystem teilnimmt. So erhielt er dementsprechend für das Geschäftsjahr 2009 einen Bonus von 200.000,00 Euro, für das Geschäftsjahr 2010 einen Bonus von 9.920,00 Euro und für das Geschäftsjahr 2011 wurde dem Kläger vom Arbeitgeber kein Bonus/ Sonderleistung gezahlt. Interessant war für den Arbeitgeber dabei, dass andere Mitarbeiter Leistungen / Bonuszahlungen erhielten, die der Höhe nach überwiegend einem Viertel bis zur Hälfte der jeweiligen Vorjahresleistung entsprachen.
Der Bankmitarbeiter/ Arbeitnehmer klagte sodann auf die Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2011. Die Höhe der Zahlung stellte er in das Ermessen des Gerichts, wenigstens sollten aber EUR 52.480,00 gezahlt werden.
Entscheidung des Arbeitsgerichts
In der ersten Instanz wurde dem Arbeitnehmer eine Zahlung von iHv. 78.720,00 Euro zugesprochen.
Aufhebung durch das Landesarbeitsgericht
Das Landesarbeitsgericht Hessen (Urteil vom 10. April 2014 – 19 Sa 1266/13) wies die Klage in der Berufungsinstanz ab mit der Begründung, dass der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen habe, die eine gerichtliche Festsetzung der Bonushöhe ermöglichten.
Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zu Gunsten des Arbeitnehmers
Gegen das Urteil des LAG Hessen legte der Arbeitnehmer sodann Revision zum BAG ein und hatte dort Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Entscheidung (Pressemitteilung Nr. 41/16) aus:
Der Kläger hat nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien einen Anspruch auf einen Bonus und/oder Deferral Award, der nach billigem Ermessen festzusetzen war. Mangels hinreichender Darlegungen der Beklagten zur Berechtigung der Festsetzung auf Null für das Jahr 2011 ist diese Festsetzung unverbindlich. Die Leistungsbestimmung hat in einem solchen Fall gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu erfolgen. Grundlage ist dafür der Sachvortrag der Parteien; eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn gibt es nicht. Äußert sich der bestimmungsberechtigte Arbeitgeber zu bestimmten Faktoren nicht, geht dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Von diesem kann kein Vortrag zu Umständen verlangt werden, wie zB der Höhe eines Bonustopfes, die außerhalb seines Kenntnisbereichs liegen. Auf die Erhebung einer Auskunftsklage kann er regelmäßig nicht verwiesen werden. Vielmehr ist die Leistung durch das Gericht aufgrund der aktenkundig gewordenen Umstände (zB Höhe der Leistung in den Vorjahren, wirtschaftliche Kennzahlen, Ergebnis einer Leistungsbeurteilung) festzusetzen. Eine gerichtlicheLeistungsfestsetzung scheidet nur dann ausnahmsweise aus, wenn jegliche Anhaltspunkte hierfür fehlen. Dies war hier entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall. Da die gerichtliche Bestimmung der Leistung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig Sache der Tatsacheninstanzen ist, hat der Senat den Rechtsstreit zur Festsetzung der Bonushöhe für das Geschäftsjahr 2011 an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Das LAG Hessen wird nun die Bonushöhe bestimmen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Lehrerin soll 237.000 Euro ans Land NRW zurückzahlen
Eine Lehrerin, die in NRW tätig war, ging in Altersteilzeit und erhielt jahrelang die vollen Bezüge. Dies war auf einen Rechenfehler des Landesamts zurückzuführen. Aufgrund der Überzahlung der Bezüge ist die Lehrerin zur Rückzahlung verpflichtet. Gründe, die gegen eine solche Rückzahlungsverpflichtung sprechen, sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere auf einen Wegfall der Bereicherung wird sich die Lehrerin nicht berufen können, denn dies wäre nur möglich (unabhängig von der Frage wofür das Geld ausgegeben wurde), wenn diese die Überzahlung nicht bemerkt hätte.
Der Fall ging durch die Presse, wobei hier häufig zwei verschiedene Fälle miteinander vermengt wurden.
Die Frage der Rückzahlung des überzahlten Bezüge ist von der ggfs. strafrechtlichen Verantwortung der Lehrerin zu unterscheiden.
In den Medien wurde vom Strafverfahren gegen die Lehrerin berichtet, welches mit dem Rückzahlungsanspruch wenig zu tun hat. Hier geht es um die Frage, ob die Lehrerin durch die Nichtanzeige der Überzahlung einen Betrug im Sinne von § 263 StGB (durch ein Unterlassen) begangen hat. Dies wäre dann der Fall, wenn sie verpflichtet gewesen wäre, dem Land die Überzahlung anzuzeigen und dies nicht tat.
Beim normalen Arbeitsverhältnis wird man eine solche Verpflichtung des Arbeitnehmers im Normalfall nicht bejahen können (OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2010, 32 Ss 205/09) .
Das Amtsgericht in Düsseldorf scheint dies aber bei der Lehrerin anzunehmen, denn es hat hier – so die Pressemitteilungen – eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO (wegen geringer Schuld) in Aussicht gestellt, unter der Auflage der Rückzahlung der Überzahlung in Raten a € 800,00. Eine solche Einstellung wäre nicht denkbar gewesen, wenn das Gericht davon ausgehen würde,dass die Lehrerin hier keine Schuld und damit keine Straftat begangen hat.
Zu beachten ist hier, dass die Besonderheiten des Beamtenverhältnis (im Vergleich zum Arbeitsverhältnis) hier zu beachten sind. Das Gericht wird wohl davon ausgehen, dass hier die Lehrerin gegenüber ihren Dienstherrn besondere Aufklärungspflichten und Schutzpflichten hat. So ist in den Landesbeamtengesetzen eine Verpflichtung des Beamten zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten normiert (§ 57 Satz 3 LBG NRW a.F. / § 34 Satz 3 BeamtStG). Daraus wird in der Regel auch eine Verpflichtung hergeleitet, dass ein Vermögensschaden des Dienstherrn durch Überzahlung durch Anzeige derselben zu verhindern ist (Bayerischer VGH · Urteil vom 20. März 2013 · Az. 16a D 11.2002).
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Berlin-Brandenburg: Hungerlohn von € 3,40 pro Stunde sittenwidrig
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 20.04.2016,Az 15 Sa 2258/15) hat – in einem Fall vor Inkrafttreten des Mindestlohnes – entschieden, dass ein Stundenlohn von € 3,40 brutto pro Stunden sittenwidrig ist.
Der Arbeitgeber betreibt eine Pizzeria im Land Brandenburg. Die Arbeitnehmerin war dort seit 2001 als Auslieferungsfahrerin tätig. Sie erhielt durchgängig pauschal 136 Euro bei einer vereinbarten Arbeitszeit von nach Bedarf ca. 35-40 Stunden pro Monat.
Das Jobcenter gewährte Leistungen an die Arbeitnehmerin und machte nun Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend. Das Jobcenter trug vor, dass die Vergütung sittenwidrig niedrig sei und bei Zahlung der üblichen Vergütung wären geringere Leistungen an Grundsicherung angefallen, weshalb der Arbeitgeber diese Differenz zu erstatten habe.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte der Klage des Jobcenter in Höhe von 5.744,18 Euro stattgegeben.
In seiner Pressemitteilung vom 22.4.2016 führt das LAG Berlin-Brandenburg aus:
Nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei dem sich ergebenden Stundenlohn von 3,40 Euro um einen Hungerlohn. Selbst bei unterstellter Vollzeittätigkeit werde ein Einkommen erzielt, von dem man nicht leben könne. Die Vereinbarung von Hungerlöhnen sei sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Die übliche Vergütung ergebe sich aus den Feststellungen des statistischen Landesamtes. Für das Jahr 2011 sei das klagende Jobcenter zutreffend von einem Stundenlohn von 6,77 € ausgegangen, der sich bis zum Jahr 2014 auf 9,74 € steigere. Ob sich eine Sittenwidrigkeit daneben auch aus Wertungen der Europäischen Sozialcharta ergeben kann, wurde nicht entschieden.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Anmerkung:
Der Falls spielte vor Inkrafttreten des Mindestlohnes. Ab dem 1.1.2015 hätte die Pizeria der Arbeitnehmerin € 8,50 brutto pro Stunde zahlen müssen. Die Fälle des sittenwidrigen Lohnes sind seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes zwar immer noch möglich, aber selten geworden. Es sind aber trotzdem weiterhin Fälle des Lohnwuchers – auch bei Bezahlung des Mindestlohnes – denkbar, wenn z.B. ein gut qualifiziertes Spezialist weniger als 2/3 des branchenüblichen Lohnes erhält und der Arbeitgeber hier sittenwidrig handelt.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht (Berlin-Marzahn)
LAG Berlin-Brandenburg: Überzahlung aus Abrechnungsververgleich muss Arbeitnehmer ausgleichen
Ein Arbeitnehmer verklagte seine Arbeitgeberin auf Lohnzahlung (+ Bestandsschutz) und schloss sodann vor dem Arbeitsgericht Berlin einen Vergleich wie folgt:
1. Die Parteien sind sich darin einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund arbeitgeberseitiger fristgemäßer betriebsbedingter Kündigung mit Ablauf des 28.02.2014 geendet hat.
2. Die Beklagte leitet aus der fristlosen Kündigung vom 10.01.2014 keine Rechte mehr her.
3. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für die Monate Januar und Februar 2014 ordnungsgemäß auf der Grundlage einer Vergütung von 2000,– € ab und zahlt den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus.
Die (jetzige) Klägerin (Arbeitgeberin) nahm sodann eine Abrechnung für die Monate Januar und Februar 2014 vor und zahlte an den Beklagten (Arbeitnehmer) insgesamt 1.032,94 EUR aus. Darüber hinaus erstattete die Arbeitgeberin der Krankenkasse des Beklagten für den Zeitraum 11.01.2014 bis 19.02.2014 1.548,40 EUR Krankengeld und führte die sich aus den Abrechnungen ergebenden Sozialabgaben und Lohnsteuern ab.
Der Arbeitnehmer meinte, dass die Arbeitgeberin nicht das übergegangene Krankengeld vom Lohnanspruch abziehen durfte und vollstreckte aus dem Vergleich gegenüber der Beklagten; die dann unter dem Vorbehalt der Rückforderung die Zahlung der 1.723,36 EUR vornahm.
Die Arbeitgeberin/ Klägerin ging von einer Überzahlung aus und verklagte den Arbeitnehmer auf 1.723,36 EUR, nachdem eine außergerichtliche Rückzahlungsaufforderung ohne Erfolg blieb.
Sowohl vor dem Arbeitsgericht Berlin als auch vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bekam die Klägerin/ Arbeitgeberin Recht.
Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.10.2015 -5 Sa 1379/15) führte dazu aus:
Auf den Gesamtzahlungszeitraum vom 01.01.14 bis 19.2.2014 entfiel der Zeitraum vom 11.01.2014 bis 19.02.2014, in welchem der Beklagte 1.548,40 EUR Krankengeld erhalten hatte, weshalb – in den Abrechnungen nicht, jedoch im Begleitschreiben der Klägerin vom 04.09.2014 berücksichtigt – der Nettovergütungsanspruch von insgesamt 2.581,34 EUR im Umfang von 1.548,40 EUR auf die BKK VBU übergegangen war (§ 115 Abs. 1 SGB X), so dass ein Auszahlungsanspruch iHv 1.023,94 EUR verblieb.
Aus dem Vergleich vom 09.07.2014 folgt demgegenüber nicht, dass die Klägerin bei der Abrechnung und Auszahlung der Vergütung für Januar und Februar 2014 den Anspruchsübergang auf die BKK VBU nicht berücksichtigen durfte und damit im Ergebnis trotz des Anspruchsübergangs auch die übergegangenen Vergütungsansprüche nochmals gegenüber dem Beklagten zu erfüllen hatte. Der insoweit maßgebliche Wortlaut „Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für die Monate Januar und Februar 2014 ordnungsgemäß auf der Grundlage einer Vergütung von 2.000,– EUR brutto ab und zahlt den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus“ begründet jedenfalls nicht ohne Weiteres die Annahme, die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dem Beklagten sollten für Januar und Februar je 2.000,00 EUR brutto ohne Berücksichtigung von Anspruchsübergängen auf Dritte zustehen. Die Verwendung der Begriffe „...auf der Grundlage einer Vergütung von…“ lassen zumindest ebenso gut den Schluss zu, die Parteien wollten lediglich die Höhe der dem Beklagten zustehenden Monatsvergütung außer Streit stellen und die Höhe der auszuzahlenden Vergütung den noch zu erstellenden Abrechnungen überlassen. Für das letztgenannte Verständnis spricht vorliegend, dass die Höhe der dem Beklagten zustehenden monatlichen Vergütung in dem vom Vergleich umfassten Zeitraum zwischen den Parteien streitig war. Die Klägerin hatte sich nämlich in dem durch den Prozessvergleich beendeten arbeitsgerichtlichen Verfahren darauf berufen, eine Leistungszulage wirksam widerrufen zu haben und dem Beklagten daher nur noch 1.885,00 EUR monatlich zu schulden. Daher bestand Anlass, die Höhe der monatlich geschuldeten Vergütung im Vergleich außer Streit zu stellen, ohne weiter gehend damit auch schon die Höhe des jeweils konkret geschuldeten Auszahlungsbetrages bzw. die Nichtberücksichtigung von Anspruchsübergängen zu regeln. Zudem muss sich der Beklagte fragen lassen, warum er bei seinem Verständnis hinnimmt, dass die Klägerin für Februar 2014 nur 1.266,73 EUR brutto und nicht 2.000,00 EUR brutto abrechnete. Aus dem Vergleich folgt nicht, dass unabhängig von dem Vorliegen eines dem Beklagten zustehenden Anspruchs auf Vergütung jeweils 2.000,00 EUR brutto für Januar und Februar 2014 zu leisten waren, was der Beklagte für den Zeitraum vom 20. bis 28.02.2014 zu Recht auch nicht beanstandet. Nichts anderes gilt aber auch für den Zeitraum vom 11.01. bis 19.02.2014, für welchen dem Beklagten aufgrund des nach § 115 Abs. 1 SGB X eingetretenen Anspruchsübergangs im Höhe von 1.548,40 EUR netto ebenfalls kein Anspruch auf Vergütung zusteht.
Die Parteien hatten im ursprünglichen Vergleich nur die Abrechnung mit anschließender Nettoauszahlung vereinbart und nicht einen reinen Auszahlungsanspruch in bestimmter Höhe, so jedenfalls das LAG.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Hessen: Strafanzeige gegen Arbeitgeber nicht automatisch Kündigungsgrund
Ein Arbeitnehmer, der außergerichtlich Lohnzahlungsansprüche gegen seinen Arbeitgeber geltend machte, stellte Strafanzeige gegen den Arbeitgeber wegen der Nichtzahlung, da der Arbeitgeber hier keinerlei Zahlung vornahm.
Der Arbeitgeber kündigte daraufhin außerordentlich und hilfsweise ordentlich und meinte, dass ein Kündigungsgrund schon allein wegen der unverhältnismäßigen Strafanzeige vorlag, denn der Arbeitnehmer – so der Arbeitgeber – hätte seine Vergütungsansprüche auch einfach per Gerichtsverfahren geltend machen können.
Vor dem Arbeitsgericht bekam der Arbeitnehmer – der sich gegen die Kündigungen des Arbeitgeber mittels Kündigungsschutzklage wehrte – Recht.
Die Berufung des Arbeitgebers zum Landesarbeitsgericht Hessen (Urteil vom 27.10.2015 – 16 Sa 674/14) blieb ohne Erfolg. Das LAG führte dazu aus:
Zwar kann die Erstattung einer Strafanzeige an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer mit der Erstattung einer Strafanzeige ein staatsbürgerliches Recht wahrnimmt (Bundesarbeitsgericht 7. Dezember 2006-2 AZR 400/05-Rn. 17). Zu berücksichtigen ist ferner, ob der Versuch einer innerbetrieblichen Klärung erfolgt ist und ob der Arbeitnehmer bereits bei der Erstattung der Anzeige wusste, dass der erhobene Vorwurf nicht zutrifft oder dies jedenfalls leicht erkennen konnte oder ob er einen unverhältnismäßigen Gebrauch von seinem Recht machte (Bundesarbeitsgericht 27. September 2012 -2 AZR 646/11- Rn. 37). Soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden, darf die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren im Regelfall aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen, daraus einen Grund für eine fristlose Kündigung abzuleiten (BVerfG 2. Juli 2001 -1 BvR 2049/00- Rn. 20).
Rechtsanwalt Andreas Martin