Arbeitslohn
BAG- Vergütung von Leiharbeitern

Das Wichtigste vorab:
Nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz haben Leiharbeiter einen Anspruch auf die gleiche Bezahlung wie ein Stammmitarbeiter in dem Betrieb, in dem Sie eingesetzt sind, sofern der Ihnen in Qualifikation, Berufserfahrung und ausgeübter Tätigkeit ähnelt. Dies nennt man Equal-Pay-Grundsatz oder Gleichstellungsgrundsatz.
Was regelt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Vergütung der Leiharbeiter?
Der wichtigste Grundsatz zur Vergütung von Leiharbeitnehmer, der im Gesetz verankert ist, ist der Gleichstellungsgrundsatz. Dieser ist in § 8 des AÜG geregelt. Dort heißt es:
Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.
Was bedeutet der Gleichstellungsgrundsatz?
Der Grundsatz der Gleichstellung bedeutet, dass der Arbeitgeber, also die Zeitarbeitsfirma, dem Arbeitnehmer das gleiche Gehalt zahlen muss, wie ein vergleichbarer Stammmitarbeiter in dem Betrieb bekommt. Vergleichbar ist ein Arbeitnehmer dann, wenn er dem Stammmitarbeiter in Qualifikation und Kompetenz (Ausbildung und Berufserfahrung) ähnelt und im Betrieb ähnliche Aufgaben ausführt.
Darf vom Equal-Pay-Grundsatz aufgrund eines Tarifvertrags abgewichen werden?
Gesetzlich ist eine solche – auch negative – Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz geregelt und zwar für den Fall, dass ein Tarifvertrag Anwendung findet. Geregelt ist dies ist § 8 Abs. 2 AÜG. Dort steht:
Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. (§ 8, Abs. 2 AÜG)
Ist eine solche Abweichung durch das Europarecht gedeckt?
Dies ist die Frage, welche das Bundesarbeitsgericht nun dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat. Denn Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären (Grundsatz der Gleichbehandlung).
Welchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht zur Zeitarbeit und der Gleichstellung beim Lohn zu entscheiden?
Eine Zeitarbeitnehmerin war von April 2016 bis April 2017 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bei einer Leiharbeitsfirma als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Die Mitarbeiterin war einem Unternehmen des Einzelhandels für dessen Auslieferungslager als Kommissioniererin überlassen. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin einen Stundenlohn von 9,23 Euro brutto. Aufgrund tarifvertragliche Regelungen erhielt die Klägerin nicht die gleiche Vergütung eines vergleichbaren Stammarbeiters. Dort wäre der Stundenlohn € 13,64 brutto. Diesen wollte sie haben und zwar mit der Begründung, dass die tarifvertragliche Regelung über ihren Lohn (Verringerung) gegen Europarecht und zwar gegen den Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG verstoße.
Das Arbeitsgericht hat die Klage der Leiharbeitnehmerin abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage beim BAG weiter.
Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) hat keine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen, da der Ausgang der Angelegenheit von der Frage abhängig ist, ob hier ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt. Das BAG hat gemäß Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ersucht.
Was hat das BAG dazu in der Pressemitteilung ausgeführt?
In der Pressemitteilung Nr. 48/20 vom 16.12.2020 führt das Bundesarbeitsgericht dazu folgendes aus:
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären (Grundsatz der Gleichbehandlung). Allerdings gestattet Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie den Mitgliedsstaaten, den Sozialpartnern die Möglichkeit einzuräumen, Tarifverträge zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern beim Arbeitsentgelt und den sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen. Eine Definition des „Gesamtschutzes“ enthält die Richtlinie nicht, sein Inhalt und die Voraussetzungen für seine „Achtung“ sind im Schrifttum umstritten. Zur Klärung der im Zusammenhang mit der von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG verlangten Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern aufgeworfenen Fragen* hat der Senat entsprechend seiner Verpflichtung aus Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ersucht.
weitreichende Konsequenzen
Die Entscheidung des EuGH könnte weitreichende Auswirkungen auf die Praxis haben. Wenn der EuGH hier einen Verstoß gegen Unionsrecht feststellt, dann wird es zukünftig für Leiharbeitsfirmen äußerst schwierig weniger an Lohn als nach dem Gleichstellungsgrundsatz zu zahlen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin
Auskunftsanspruch über Lohn der Arbeitskollegen

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. Juni 2020 – 8 AZR 145/19) hat nun entschieden, dass auch arbeitnehmerähnliche Personen einen Anspruch auf Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz haben können. Danach können die Löhne vergleichbarer Arbeitnehmer (Kollegen) beim Arbeitgeber erfragt werden.
Sachverhalt – Auskunftsanspruch
Die Klägerin ist für die beklagte Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts seit 2007 als Redakteurin tätig. Diese war zunächst befristet, seit 2011 aber unbefristete bei der Beklagten als freie Mitarbeiterin („Redakteurin mit besonderer Verantwortung“) beschäftigt.
Klägerin ist aber keine Arbeitnehmerin
Aufgrund einer rechtskräftiger Entscheidung des Landesarbeitsgerichts steht fest, dass die Klägerin rechtlich gesehen keine Arbeitnehmerin ist.
Auskunft nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG
Mit Schreiben vom 1. August 2018 beantragte die Klägerin beim Personalrat Auskunft gemäß § 10 Abs. 1 EntgTranspG.
§ 10 Entgelttransparenzgesetz
§ 10 Individueller Auskunftsanspruch
(1) Zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses Gesetzes haben Beschäftigte einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16. Dazu haben die Beschäftigten in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen. Sie können Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Absatz 1 und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen.
(2) Das Auskunftsverlangen hat in Textform zu erfolgen. Vor Ablauf von zwei Jahren nach Einreichen des letzten Auskunftsverlangens können Beschäftigte nur dann erneut Auskunft verlangen, wenn sie darlegen, dass sich die Voraussetzungen wesentlich verändert haben.
(3) Das Auskunftsverlangen ist mit der Antwort nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 erfüllt.
(4) Sonstige Auskunftsansprüche bleiben von diesem Gesetz unberührt.
Höhe der Löhne der Arbeitskollegen
Dieser Auskunftsanspruch dient dazu, dass der Mitarbeiter überprüfen kann, ob andere Arbeitnehmer für die gleiche Tätigkeit mehr Geld bekommen. Der Mitarbeiter weiß dann, ob z.B. vergleichbare Arbeitskollegen höhere Löhne als man selbst bekommen und kann dann ggfs. auf Gleichstellung, wenn eine Diskriminierung (z.B. Frauen gegenüber Männer vorliegt) klagen.
Ablehnung der Auskunft durch Gegenseite
Dieser lehnte die Auskunftsanspruch – nach Rücksprache mit der Personalabteilung der Beklagten – ab und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin nicht unter das Entgelttransparenzgesetz falle und deshalb keinen Auskunftsanspruch habe.
Klage vor den Arbeitsgerichten auf Erteilung der Auskunft
Die Klägerin klagte sodann auf Erteilung der Auskunft.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Sie verlor aber beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 5. Februar 2019 – 16 Sa 983/18). Das LAG Berlin-Brandenburg führte dazu aus, dass die Klägerin nicht Arbeitnehmerin iSd. innerstaatlichen Rechts und als arbeitnehmerähnliche Person nicht Beschäftigte iSd. § 5 Abs. 2 EntgTranspG sei, weshalb sie keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte habe.
Entscheidung des Bundesarbeitsgericht
Die Revision der Klägerin hatte nämlich vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.
Das BAG führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 25.06.2020 mit der Nr. 17/20 aus:
Die Klägerin kann von der Beklagten nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung verlangen, da sie als freie Mitarbeiterin der Beklagten „Arbeitnehmerin“ iSv. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG und damit Beschäftigte iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgeltTranspG ist. Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen, da es andernfalls an einer Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit im deutschen Recht fehlen würde. Eine – zwingend erforderliche – ausreichende Umsetzung ist bislang weder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch ansonsten erfolgt.
Erst das Entgelttransparenzgesetz enthält Bestimmungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit gerichtet sind. Ob die Klägerin gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichsentgelt hat, konnte der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Insoweit hat der Senat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg muss nun den Sachverhalt weiter ermitteln und dann – anhand der obigen Kriterien des BAG- die Sache neu entscheiden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG Hamm: Ein Sugar-Daddy-Arbeitsvertrag (2 x Sex pro Woche) ist wirksam.

Die 35 Jahre alte Klägerin bezog Grundsicherung für Arbeitssuchende und ist Mutter dreier Kinder im Alter von 19, 12 und 7 Jahren.
Eine frühere Mitarbeiterin des Beklagten erzählte diesem im Sommer 2017, sie habe eine Freundin – die Klägerin -, die einen älteren Mann als „Sugar Daddy“ suche, der sie finanziell gegen Geschlechtsverkehr unterstütze.
Der Beklagte war nicht abgeneigt, ließ sich ein Foto der Klägerin per WhatsApp schicken.
Am 10. Juni 2017 trafen die Parteien sich dann in einem Café.
Nach von der Klägerin bestrittenen Behauptung des Beklagten vereinbarten die beiden dann, dass die Klägerin den Beklagten zu Hause zweimal wöchentlich für einvernehmlichem Sex aufsuchen werden und zwar jeweils mittwochs und samstags oder sonntags.
Weiter sollte sie sporadisch zu gemeinsamen Abendessen mit Freunden kommen sowie zwei- bis dreimal jährlich den Beklagten zum Kurzurlaub begleiten.
Die Klägerin behauptet, was später vor Gericht nich überzeugend war, sie habe Geschlechtsverkehr abgelehnt.
Der Beklagte behauptet, es sei noch am Abend des 10. Juni 2017 zu Geschlechtsverkehr gekommen, der nach kurzer Zeit habe abgebrochen werden müssen, weil die Klägerin an einer Armverletzung gelitten habe.
„Zur Absicherung“ schlossen die Parteien dann einen undatierten als „Teilzeitarbeitsvertrag für Arbeiter und Angestellte ohne Tarifbindung“ bezeichneten Vertrag, wonach die Klägerin als teilzeitbeschäftigte Hauswirtschafterin („3 x die Woche“) mit den Aufgaben Putzen, Wäschewaschen, Bügeln, Einkauf, Kochen und für sonstige haushaltsübliche Verrichtungen eingestellt wurde und dafür eine monatlichen Bruttovergütung von 460,00 Euro erhielt.
Die Parteien führten einen regen Whatsappverkehr, so schickte die Klägerin dem Beklagten zahlreiche erotische Fotos und diverse Nachrichten, wie „Nexte Mal Ich bin hood“ oder „Und onse Samstag … wilt du zu hause blieb? Fahren…? Party machen? Koks-party? Andere Frau wir meinem? …Hast du idea??!“
oder „Yes. Morgen we sex machen dan besser is“ .
Am 29. November 2017 schickte sie erotische Fotos mit der Anmerkung „Baby you see my weed?“ und am 4. Dezember 2017 schrieb sie unter anderem „I make give you sex of dream aber das is toya“.
Der Kläger schrieb z.B. „Baby, du weißt doch, was ich am liebsten mit dir machen möchte“. Die Klägerin antwortete daraufhin: „Sex (Herzchensymbol) ok“.
In der Folgezeit wendete der Beklagte für die Klägerin insgesamt € 20.000,00 auf, u.a. um der Klägerin eine Reise nach Polen, den Bezug einer neuen Wohnung und die Nutzung eines PKWs zu ermöglichen.
Bis Dezember 2016 zahlte der Beklagte auch die Vergütung von monatlich 460,00 Euro. Für Januar und Februar 2018 erfolgten keine Zahlungen. Erhaltene Zahlungen gab der Klägerin nicht gegenüber der Agentur für Arbeit an.
Nach Vortrag der Klägerin teilte sie dem Beklagten am 28. Januar 2018 mit, eine sexuelle Beziehung abzulehnen.
Daraufhin kündigte dieser mit Schreiben vom 29. Januar 2018 das „Hauswirtschaftsarbeitsverhältnis“ zum 28. Februar 2018 und stellte sie ab sofort von der Arbeitsleistung frei.
Die Klägerin erhob daraufhin Klage zum Arbeitsgericht und begehrte u.a. die Zahlung des Lohnes für Januar 2018.
Die Klägerin behauptete keine sexuelle Beziehung zum Kläger gehabt zu haben und machte Ansprüche aus dem Hauswirtschaftsarbeitsvertag geltend.
Der Beklagte trug vor, dass der Vertrag nur zum Schein geschlossen wurde und es um sexuelle Dienstleistungen gehe und ein solcher Vertrag aber sittenwidrig sei und von daher bestünden keine arbeitsvertraglichen Ansprüche.
Die Klägerin gewann sowohl in der ersten als auch in zweiten Instanz.
Das Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 06.06.2019, führt dazu in seiner Pressemitteilung aus:
Der zwischen den Parteien geschlossene undatierte Arbeitsvertrag stellt sich als Scheingeschäft iSd. § 117 Abs. 2 BGB dar.
Danach gilt, dass, wenn durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt wird, die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung finden.
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn nur der äußere Schein von Willenserklärungen hervorgerufen wird, die Parteien die Rechtswirkung nicht eintreten lassen wollen. Kein Scheingeschäft ist gegeben, wenn zur Erreichung der gewollten Rechtsfolge eine gültige Willenserklärung für nötig gehalten wird. Gegen ein Scheingeschäft spricht, dass der ernsthaft gewollte Rechtserfolg nur durch gültige Willenserklärungen zu erreichen ist, mag das Geschäft auch der Täuschung Dritter dienen (BAG 18. März 2009 – 5 AZR 355/08 – Rn. 12, juris; Jauernig/Mausel, BGB, 17. Auflage, § 117 BGB Rn. 2, 3).
Die Parteien haben in § 3 des als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrags vereinbart, dass die Klägerin als Hauswirtschafterin hausübliche Verrichtungen habe erbringen sollen. Sie haben jedoch nicht den Willen gehabt, den Rechtserfolg nach § 611a Satz 1 BGB herbeizuführen, nämlich die Verpflichtung der Klägerin, in dem Haushalt des Beklagten zu arbeiten.
Für ihre Behauptung, es sei ein Arbeitsvertrag über hauswirtschaftliche Dienste geschlossen worden, spricht zunächst der schriftliche Arbeitsvertrag. Der für den Abschluss eines Scheingeschäfts darlegungspflichtige Beklagte (BAG 13. Februar 2003 – 8 AZR 59/02 – Rn. 36, juris) hat jedoch schlüssig dargelegt, dass entgegen der Abrede ihre Tätigkeit als Hauswirtschafterin nicht gewollt war, der Vertrag tatsächlich auch nicht so gelebt wurde. Er hat sich vielmehr darauf berufen, dass schon bei ihrem ersten Treffen am 10. Juni 2017 vereinbart wurde, ein sogenanntes „Sugar-Daddy-Verhältnis“ zu begründen, d.h. der Beklagte war bereit, die Klägerin gegen sexuelle Dienstleistungen finanziell zu unterstützen und ihr ein monatliches Entgelt zu zahlen. Sie hat nicht in Abrede gestellt, dass er ihr am 10. Juni 2017 nicht den Abschluss eines Arbeitsvertrags als Hauswirtschafterin, sondern einvernehmlichen Sex zweimal wöchentlich sowie gemeinsame Essen und Kurzurlaube angeboten hat. Sie hat lediglich bestritten, das Angebot angenommen zu haben.
Für die Absicht, eine vertragliche Bindung zur Erbringung sexueller Dienstleistungen einzugehen, spricht, dass das Treffen nach von ihr nicht bestrittenem Vortrag des Beklagten von einer gemeinsamen Bekannten arrangiert wurde, die ihm Fotos sendete, die nicht den üblichen Bewerbungsfotos für ein Arbeitsverhältnis entsprechen. Die Klägerin, die nicht in Abrede gestellt hat, dass die Fotos mit ihrem Willen aufgenommen und dem Beklagten zugänglich gemacht wurden, stellte sich ihre Attraktivität als Frau deutlich betonend dar.
Weiterhin sendete sie ihm nach dem Treffen, insbesondere in den Monaten Juni bis August 2017, regelmäßig Fotos, die sein sexuelles Interesse steigern bzw. erhalten sollten.
Auch aus dem Whatsappverkehr der Parteien ergibt sich, dass Sex ein ständiges Thema war und von dem Beklagten erwartet wurde. Gegen die Behauptung der Klägerin, es habe zwischen den Parteien niemals Geschlechtsverkehr gegeben, auch anlässlich des ersten Treffens am 10. Juni 2017 habe es kein sexuell geprägtes Zusammensein gegeben, spricht der Whatsappverkehr vom 11. Juni 2017, in dem sie auf das Bedauern des Beklagten bezüglich ihrer Schmerzen im Arm schrieb „Nexte mal Ich bin hood“ und auf seine Antwort „Du warst gestern auch gut, ich fand es schön“ erwiderte „Fur 1mal nich slecht“. Am 14. November 2017 versprach sie ihm Sex für den folgenden Tag. Am 29. November 2017 sendete sie ihm erotische Fotos mit der Bemerkung „Bby you see my weed?“ (Unkraut, Seegras, Marihuana). Am 4. Dezember 2017 schrieb sie „I make give you sex of dream aber das is toya“. Auch am 23. Dezember 2017 erklärte sie sich zu Sex an diesem Tag bereit.
Das Bestreiten der Klägerin ist angesichts des substantiierten Vortrags des Beklagten unzureichend.
….
Zusammengefasst stellte sich das Verhältnis der Parteien so dar, dass der Beklagte unter Einsatz erheblicher finanzieller Zuwendungen versucht hat, die Klägerin an sich zu binden und sie zu sexuellen Dienstleistungen zu bewegen, wie er bereits am 10. Juni 2017 äußerte. Sie hat sich seiner finanziellen Zuwendungen, seines Interesses durch Übersendung aufreizender Fotos und Ankündigung von Sex vergewissert, sich jedenfalls nicht in dem von dem Beklagten erwarteten Umfang auf Geschlechtsverkehr eingelassen. Teil der finanziellen Zuwendungen war die als Arbeitslohn ausgewiesene Zahlung von monatlich 460,00 Euro, ohne dass dafür eine hauswirtschaftliche Arbeitsleistung erbracht werden sollte. Die Beziehung war für eine unbestimmte Dauer auf sexuelle Dienstleistungen angelegt. Unwidersprochen hat der Beklagte behauptet, insgesamt ca. 20.000,00 Euro „investiert“ zu haben.
Dabei handelt es sich jedoch nach Vortrag beider Parteien nicht lediglich um eine unverbindliche „Sugar-Daddy-Beziehung“.
Der Abschluss des Arbeitsvertrags kann nur dahin verstanden werden, dass die Klägerin einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von monatlich 460,00 Euro erwerben, dafür als Gegenleistung dem Beklagten zu sexuellen Dienstleistungen zur Verfügung stehen sollte, wobei damit nicht nur Geschlechtsverkehr gemeint war, wie die von der Klägerin an den Beklagten übersandten Fotos zeigen.
Die Klägerin selbst hat in der Berufungsinstanz noch einmal betont, dass sich die Parteien rechtsgeschäftlich auf die Zahlung eines Monatslohnes von 460,00 Euro geeinigt hätten, lediglich der Inhalt der von ihr zu erbringenden Tätigkeit streitig, aber im Ergebnis unerheblich sei.
Das durch den Vertrag über Hauswirtschaftleistungen verdeckte Geschäft einer vertraglichen Verpflichtung der Klägerin zu sexuellen Dienstleistungen gegen finanzielle Zuwendungen des Beklagten, insbesondere gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts, ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nicht nichtig.
a. Entgegen seiner Auffassung ergibt sich die Sittenwidrigkeit nicht daraus, dass die Klägerin während der vertraglichen Beziehung der Parteien Leistungen des Jobcenters C bezog und die von ihm erhaltene Vergütung nicht angab.
Die Aufnahme einer wie auch immer gearteten Tätigkeit während des Bezugs der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist weder gesetzeswidrig iSd. § 134 BGB noch verstößt die Tätigkeit während des Leistungsbezugs per se gegen die guten Sitten.Das Einkommen der Klägerin mag grundsätzlich gemäß § 11 SGB II anzurechnen gewesen sein, soweit die Zuwendungen des Beklagten nicht die Voraussetzungen des § 11a Abs. 5 SGB II erfüllten. Sie mag auch Informationspflichten verletzt haben. Daraus folgt jedoch nicht die Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarung.
b. Diese ist auch nicht als Prostitutionsvertrag nichtig.
a. Die Parteien haben sich auf die Erbringung sexueller Handlungen durch die Klägerin verständigt.
Dabei kann dahinstehen, ob unter sexuellen Handlungen nur die Vornahme sexualbezogener Handlungen an sich, mit oder von einem Kunden in direktem Kontakt, herkömmlich als Prostitution bezeichnet, zu verstehen ist oder ob jedes menschliche Tun oder Dulden erfasst ist, das darauf gerichtet ist, einen anderen sexuell zu erregen und zu befriedigen, ohne dass sich Anbieterin und Kunde am gleichen Ort befinden (zum Meinungsstand: Staudinger/Fischinger, BGB, 2017, § 1 ProstG Rn. 3 – 6).
Die Klägerin hat dem Beklagten mehrmals Geschlechtsverkehr versprochen, wie die Whatsappnachrichten zeigen. Die vertragliche Vereinbarung war darauf ausgerichtet, dass sie im direkten Kontakt sexuelle Handlungen erbringt. Sie hat ihm nach ihrer eigenen Whatsappnachricht vom 11. Juni 2017 einen für das erste Mal „nich slechten“ Abend verschafft. Sie hat ihn darüber hinaus durch Übersendung aufreizender Fotos sexuell erregen wollen. Wie dargestellt, zeigen weitere Nachrichten ebenfalls die Bereitschaft zu sexuellen Handlungen.
bb. In der Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob Verträge über entgeltlichen Geschlechtsverkehr sittenwidrig sind.
In dem Prostitutionsgesetz idF. vom 21. Oktober 2016 ist die Frage der Sittenwidrigkeit nicht geregelt. § 1 ProstG regelt lediglich, wann ein Entgeltanspruch besteht. Nach § 3 ProstG sind die Weisungsrechte bei sexuellen Dienstleistungen eingeschränkt.
Ein Gesetzesentwurf, welcher die Abschaffung des Sittenwidrigkeitsverdikts für die Prostitution vorsah, wurde im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich abgelehnt. Allerdings waren mit Ausnahme der CDU/CSU-Fraktion alle im Bundestag vertretenen Fraktionen, die Entwurfverfasser und die Mehrheit im Bundesrat der Auffassung, dass Prostitution nicht mehr sittenwidrig ist (Staudinger/Fischinger aaO. § 1 ProstG Rn. 10 mwN.).
Vor diesem Hintergrund wird die Auffassung vertreten, nach den Wertungen der Rechtsordnung, insbesondere der Grundrechte sei die Prostitution weiterhin sittenwidrig, da sie durch die Kommerzialisierung von Sex das Persönlichkeitsrecht, insbesondere die sexuelle Selbstbestimmung verletze (Jauernig/Mause aaO. § 138 BGB Rn. 7; Palandt/Ellenberger, BGB, 78.Auflage, § 138 BGB Rn. 52; Erman/Schmidt-Ränsch, BGB, 15. Auflage, § 138 BGB Rn. 139; Meyer, NJW 2008, 1926, 1927). Dass das Sittenwidrigkeitsverdikt nicht aufgehoben worden sei, zeige sich auch in § 1 ProstG. Bei grundsätzlicher Nichtigkeit der Vereinbarung bestehe nur ausnahmsweise eine Forderung der Prostituierten auf das vorher vereinbarte Entgelt, nämlich nach erbrachter Leistung oder wenn sich eine Person insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Erbringung von sexuellen Handlungen für einen bestimmten Zeitraum bereithalte.
Das Bundessozialgericht hat die Frage, ob § 138 BGB umfassend nicht mehr anwendbar ist, offengelassen (BSG 6. Mai 2009 – B 11 AL 11/08 – R- Rn. 18, juris), hat aber angemerkt, dass sich dem Prostitutionsgesetz nicht entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber die entsprechende Beschäftigung habe umfassend legalisieren wollen.
Der 3. Strafsenat des BGH hat erkannt, dass § 1 ProstG eine Ausnahmevorschrift zu § 138 BGB ist und die Wirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt trotz Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts bestimme (BGH 18. Januar 2011 – 3 ScR 467/10 – Rn. 4, juris).
Der 3. Zivilsenat des BGH hat dagegen den Einwand der Sittenwidrigkeit gegenüber Entgeltansprüchen für die Erbringung von Telefonsexdienstleistungen selbst, aber auch für die Vermarktung und Vermittlung dieser Dienstleistungen verneint und ausgeführt, § 1 ProstG regle zwar unmittelbar lediglich die Wirksamkeit von Forderungen auf ein Entgelt, das für die Vornahme von sexuellen Handlungen vereinbart worden sei, jedoch ergäben die dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen und der Wandel der Anschauungen in der Bevölkerung, dass Forderungen auf Entgelt für die Erbringung, Vermarktung und Vermittlung von Telefonsexdienstleistungen nicht mehr an § 138 Abs. 1 BGB scheiterten. Könne für die Ausübung der klassischen Prostitution eine wirksame Entgeltforderung begründet werden, gelte dieses erst recht für den sogenannten Telefonsex (BGH 8. November 2007 – III ZR 102/07 – Rn. 13, juris). Er hat deshalb Verträge über die Vermarktung und Vermittlung von Telefonsexdienstleistungen nicht als nichtig angesehen (BGH 8. November 2007 aaO. Rn. 11).
Der 1. Zivilsenat des BGH hat ebenfalls die Auffassung vertreten, die Vereinbarungen zwischen Prostituierten und Kunden über die Vornahme von sexuellen Handlungen gegen Entgelt unterfielen nicht mehr dem Verdikt der Sittenwidrigkeit, denn der Gesetzgeber habe mit dem Prostitutionsgesetz einem Wandel in weiten Teilen der Bevölkerung Rechnung getragen, die die Prostitution nicht mehr als schlechthin sittenwidrig ansähen (BGH 13. Juli 2006 – I ZR 241/03 – Rn. 24, BGHZ 168, 314).
Auch das Bundesverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, der Gesetzgeber habe sich bei Erlass des Prostitutionsgesetzes von der Erwägung leiten lassen, dass nach überwiegender Auffassung die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig sei (BVerwG 6. November 2002 – 6 C 16/02 – Rn. 22, juris).
Die Kammer stimmt der weiterhin von einer Sittenwidrigkeit des Prostitutionsvertrages ausgehenden Auffassung insoweit zu, als Rechtsgeschäfte, die zu sexuellen Handlungen gegenüber anderen verpflichten oder solche sexuellen Handlungen belohnen, mit der in Art. 1 GG geschützten Menschenwürde und dem in Art. 2 GG geschützten Persönlichkeitsrecht unvereinbar sein können, da die Bereitschaft zu sexuellem Verhalten jederzeit widerrufbar, nicht rechtlich verpflichtend sein darf (Erman/Schmidt-Ränsch aaO. § 138 BGB Rn. 140).
Zu bedenken ist jedoch, dass eine Prostituierte, die sich frei und eigenverantwortlich und unter Abwägung der damit verbundenen Vor- und Nachteile für diese Tätigkeit entscheidet, zu erkennen gibt, dass sie darin keine Verletzung der eigenen Würde sieht. Angesichts des dem Grundgesetz zugrunde liegenden Menschenbildes verbietet sich der Schutz der Prostituierten vor ihrem eigenen, frei gebildeten Willen (Staudinger/Fischinger aaO. § 1 ProstG Rn. 13). Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Abrede eine rechtlich bindende Verpflichtung enthält, sexuelle Handlungen vorzunehmen. Eine einklagbare Rechtspflicht der Prostituierten zur Leistungserbringung kann nicht durch eine vertragliche Vereinbarung begründet werden, geht man nicht ohnehin davon aus, dass der Vertrag erst mit der Leistungserbringung zustande kommt (Staudinger/Fischinger aaO. § 1 ProstG Rn. 26, 32, 36, 37).
Damit ist dem Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechtes sowie der sexuellen Selbstbestimmung der Prostituierten ausreichend Rechnung getragen, ohne dass es der Nichtigkeit des gesamten Vertrages bedarf. Ihr gereichte ansonsten die zu ihrem Schutz postulierte Freiheit von einer Rechtspflicht zur Vornahme sexueller Handlungen zu einem Nachteil, weil sie keine vertraglichen Ansprüche mehr hätte (Staudinger/Fischinger aaO. § 1 ProstG Rn. 37).
Anmerkungen:
Die Klägerin gewann hier also das Verfahren. Ob Sie daran aber Spaß gehabt hat, mag bezweifelt werden. Das Gericht stellte hier klar, dass Sex gegen Entgelt vereinbart wurde und die Behauptung der Klägerin; es habe keinen Sex gegeben, nicht nachvollziehbar sei. Auch hat die Klägerin das bisherige Einkommen nicht gegenüber der Agentur für Arbeit angeben, was wahrscheinlich durch dieses Verfahren nun dort bekannt ist.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Auskunftsanspruch auf UmfangvonÜberstunden gegen Arbeitgeber?
Wer als Arbeitnehmer seine Überstunden einklagen bzw. geltend machen möchte, hat das Problem, dass er zunächst darlegen muss in welchem Umfang Überstunden angefallen sind. Dies ist nicht immer einfach, denn oft werden die Überstunden nicht ausreichend dokumentiert oder vom Arbeitnehmer niedergeschrieben und die Aufzeichnungen dann beim Arbeitgeber abgegeben mit der Hoffnung, dass dieser dann die Arbeitszeit nebst Überstunden zahlt.
Darlegung der Überstunden und Anordnung / Duldung durch Arbeitgeber
Wenn dies nicht geschieht, ist es in der Praxis auch oft so, dass der Arbeitnehmer zunächst abwartet und nichts macht, da er das Verhältnis zum Arbeitgeber nicht durch eine Klage aber Anmahnung der nicht bezahlen Überstunden belasten will.
genauer Auflistung der Stundenzahl vor Gericht erforderlich
Besteht das Arbeitsverhältnis nicht mehr, dann „erinnern“ sich viele Arbeitnehmer daran, dass noch Überstunden aussehen und zu bezahlen wären (sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen). Eine genaue Bezeichnung ist dem Arbeitnehmer dann meist nicht mehr möglich.
Schätzungen durch den Arbeitnehmer nicht zulässig
Dabei ist auch zu beachten, dass hier Schätzungen seitens der Arbeitnehmers für einen Prozess nicht ausreichen. Die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Überstunden vor Gericht sind nicht gerade gering und Arbeitnehmer unterschätzen hier die formalen und materiellen Anforderungen sowie die Beweislage beim Einklagen von Überstunden.
Keinesfalls reicht es aus, wenn behauptet wird, dass man generell pro Woche 2 oder 3 Stunden länger als die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit gearbeitet hätte. Die Stunden müssen taggenau aufgelistet werden, so dass pro Woche (bei vereinbarter regelmäßiger Arbeitszeit pro Woche) dargestellt wird, wie viele Stunden zu arbeiten gewesen wären und wie viele tatsächlich gearbeitet wurden (Überstunden).
Die genaue zeitliche Lage der Überstunden muss also vom Arbeitnehmer im Prozess vorgetragen und notfalls auch bewiesen werden.Schätzungen sind nicht möglich.
Hat der Arbeitgeber hier mehr Informationen zur den geleisteten Überstunden stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer in diesem Fall nicht einfach eine Auskunft vom Arbeitgeber verlangen kann.
kein Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber
Für die Geltendmachung von Überstunden besteht nach herrschender Meinung kein Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber auf Darlegung geleisteter Überstunden. Zwar besteht im Sonderfall ein Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers (neben den gesetzlichen Auskunftsansprüchen nach § 108 GewO, § 9 HAG, § 82 II BetrVG) als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (so das BAG vom 19.04.2005, 9 AZR 188/04), allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer „in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und – der Verpflichtete (Arbeitgeber oder Dritte die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Angaben unschwer machen kann. Damit sind aber im Normalfall nicht die Überstundenfälle gemeint, denn der Arbeitnehmer kann ja wissen, wann und wie lange er gearbeitet hat (er hat es nur versäumt es aufzuzeichnen).
Es geht hierbei nicht um die Frage, ob der Arbeitgeber diese Informationen hat oder haben muss (z.B. bei Aufzeichnungspflichten der Arbeitszeit nach dem MiloG oder dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz), sondern ob er verpflichtet ist, diese an den Arbeitnehmer herauszugeben. Dies muss er – im Normalfall – nicht.
Der Arbeitnehmer muss also im Überstundenprozess selbst die geleisteten Überstunden (nebst deren Anordnung durch den Arbeitgeber) darlegen und notfalls beweisen. Daran scheitern oft Überstunden- Vergütungsklagen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Übernahme von Fortbildungskosten ist kein Arbeitslohn bei Lkw-Fahrern
In einem Transportunternehmen waren die Fahrer aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet, sich in bestimmten Zeitabständen weiterzubilden. Die Kosten für die Weiterbildung übernahm der Arbeitgeber; dazu war er auch tarifvertraglich verpflichtet.
Das Finanzamt sah nun die Weiterbildungskosten als Arbeitslohn des Arbeitnehmers.
Das Finanzgericht Münster (FG Münster, Urteil vom 9.8.2016, 13 K 3218/13) sah dies anders.
Bereits die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme der Weiterbildungskosten sprach für das Finanzgericht für ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse. Außerdem kam es dem Betrieb zugute, dass die Fahrer ihr Wissen über das verkehrsgerechte Verhalten in Gefahren- und Unfallsituationen, über das sichere Beladen der Fahrzeuge und über kraftstoffsparendes Fahren auffrischten und vertieften, was ebenfalls der Firma zu Gute kam.
Von daher entschied das Finanzamt, dass Kosten für die Weiterbildung von Arbeitnehmern, die der Arbeitgeber übernimmt, keine steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen, wenn die Kostenübernahme im eigenbetrieblichen Interesse liegt.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Lehrerin soll 237.000 Euro ans Land NRW zurückzahlen
Eine Lehrerin, die in NRW tätig war, ging in Altersteilzeit und erhielt jahrelang die vollen Bezüge. Dies war auf einen Rechenfehler des Landesamts zurückzuführen. Aufgrund der Überzahlung der Bezüge ist die Lehrerin zur Rückzahlung verpflichtet. Gründe, die gegen eine solche Rückzahlungsverpflichtung sprechen, sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere auf einen Wegfall der Bereicherung wird sich die Lehrerin nicht berufen können, denn dies wäre nur möglich (unabhängig von der Frage wofür das Geld ausgegeben wurde), wenn diese die Überzahlung nicht bemerkt hätte.
Der Fall ging durch die Presse, wobei hier häufig zwei verschiedene Fälle miteinander vermengt wurden.
Die Frage der Rückzahlung des überzahlten Bezüge ist von der ggfs. strafrechtlichen Verantwortung der Lehrerin zu unterscheiden.
In den Medien wurde vom Strafverfahren gegen die Lehrerin berichtet, welches mit dem Rückzahlungsanspruch wenig zu tun hat. Hier geht es um die Frage, ob die Lehrerin durch die Nichtanzeige der Überzahlung einen Betrug im Sinne von § 263 StGB (durch ein Unterlassen) begangen hat. Dies wäre dann der Fall, wenn sie verpflichtet gewesen wäre, dem Land die Überzahlung anzuzeigen und dies nicht tat.
Beim normalen Arbeitsverhältnis wird man eine solche Verpflichtung des Arbeitnehmers im Normalfall nicht bejahen können (OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2010, 32 Ss 205/09) .
Das Amtsgericht in Düsseldorf scheint dies aber bei der Lehrerin anzunehmen, denn es hat hier – so die Pressemitteilungen – eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO (wegen geringer Schuld) in Aussicht gestellt, unter der Auflage der Rückzahlung der Überzahlung in Raten a € 800,00. Eine solche Einstellung wäre nicht denkbar gewesen, wenn das Gericht davon ausgehen würde,dass die Lehrerin hier keine Schuld und damit keine Straftat begangen hat.
Zu beachten ist hier, dass die Besonderheiten des Beamtenverhältnis (im Vergleich zum Arbeitsverhältnis) hier zu beachten sind. Das Gericht wird wohl davon ausgehen, dass hier die Lehrerin gegenüber ihren Dienstherrn besondere Aufklärungspflichten und Schutzpflichten hat. So ist in den Landesbeamtengesetzen eine Verpflichtung des Beamten zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten normiert (§ 57 Satz 3 LBG NRW a.F. / § 34 Satz 3 BeamtStG). Daraus wird in der Regel auch eine Verpflichtung hergeleitet, dass ein Vermögensschaden des Dienstherrn durch Überzahlung durch Anzeige derselben zu verhindern ist (Bayerischer VGH · Urteil vom 20. März 2013 · Az. 16a D 11.2002).
Rechtsanwalt Andreas Martin