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Anwalt Arbeitsrecht Berlin – Blog

Anwalt Arbeitsrecht Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin
Auf meinen diesen Blog (Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin Blog) erhalten Sie Informationen zum Arbeitsrecht, insbesondere aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte.
Den ersten Artikel zum Arbeitsrecht habe ich im März 2009 hier veröffentlicht.
Als Author – Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin – bin ich seit dem Jahr 2003 als Anwalt zugelassen und bin vor allem am Standort in Berlin (Marzahn-Hellersdorf) im Arbeitsrecht tätig.
Überwiegend beschäftige ich mich mit Kündigungsschutz (Kündigungsschutzklagen) und berate und vertrete vor allen in der Problematik „Kündigung und Abfindung„. Ein Großteil meiner arbeitsrechtlichen Verfahren habe ich vor dem Arbeitsgericht Berlin.
Der Blog beschäftigt sich mit arbeitsrechtlichen Problemen und vor allen aktuellen Entscheidung der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgericht sowie der Rechtsprechung des EuGH, soweit diese Bezug zum Arbeitsrecht hat.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Bereich Berlin-Brandenburg.
Innerhalb des Arbeitsrechtes geht es vor allem dann um Artikel und Entscheidungen zur Thematik Kündigung, Abfindung, Kündigungsschutz, Lohn, Urlaub, Überstundenvergütung, Haftung des Arbeitnehmers und anderen Bereichen des Arbeitsrechts.
Viel Spaß beim Lesen!
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Unwahre Angaben im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich mit folgendem Fall zu beschäftigen:
Ein Berliner Rechtsanwalt erhob für seine Mandanten Klage gegen den Arbeitgeber und verlangte noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt. Zuvor hatte er gegen den Arbeitgeber für seine Mandantin Kündigungsschutzklage eingereicht und das Verfahren durch einen Vergleich beendet. In diesem Verfahren ( Kündigungsschutzverfahren) hatte der Anwalt für seine Mandantin Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt. Bereits hier gab es schon Unklarheiten, insbesondere wurden die Kontoauszüge unkenntlich gemacht. Die Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts wurde allerdings gewährt.
In den Verfahren auf Lohnklage beantragt Rechtsanwalt für seine Mandantin ebenfalls Prozesskostenhilfe, er reichte dazu aber keine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mandanten ein, sondern verwies auf die ursprüngliche Erklärung, dem Kündigungsschutzverfahren von seiner Mandantin abgegeben wurde. Er gab dazu an, dass keine Änderungen eingetreten seien.
Das Arbeitsgericht Berlin forderte die Arbeitnehmerin über ihren Rechtsanwalt auf nochmals die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. Dies machte dann die Klägerin und es ergab sich zunächst aus der Erklärung, dass die Klägerin mittlerweile ein Kind geboren hatte und sich in Elternzeit befand. Ein Beleg über den Kontostand der Klägerin war nicht beigefügt. Auch gab die Klägerin an, dass sie eine Riesterrente habe.
Das Arbeitsgericht Berlin forderte denRechtsanwalt aus, dass seine Mandantin hier den Kontostand nachweisen und nähere Angaben / Belege zur Riesterrente machen solle. Dies machte dann der Anwalt und es stellt sich heraus,dass ein Guthabenstand von 1.768,85 EUR vorlag, aber keine Riesterrente.
Das Arbeitsrecht Berlin wies den Antrag der Klägerin/Arbeitnehmerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für die Lohnklage mit der Begründung zurück, dass die Klägerin hier im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren wissentlich falsche Angaben gemacht habe.
Gegen den Beschluss legte der Rechtsanwalt sofortige Beschwerde ein und das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und leitete die Akte an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg weiter.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.2.2016 10 Ta 85/16) hielt die Beschwerde für zulässig und begründet und führte dazu aus:
In der Sache ist das Beschwerdegericht von einer Verwirkung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe auf Grundlage einer analogen Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ausgegangen. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Nachhinein u.a. aufheben, wenn die Antragstellerin im Überprüfungsverfahren absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hat vor allem Sanktionscharakter (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – IV ZB 16/12). Daher kann das Gericht die Prozesskostenhilfebewilligung bei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachten falschen Angaben des Antragstellers auch dann aufheben, wenn die Bewilligung nicht auf diesen Angaben beruht, sofern die falschen Angaben jedenfalls generell geeignet erscheinen, die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu beeinflussen. Wird eine bewilligte Prozesskostenhilfe in Anwendung dieser Vorschrift widerrufen, wirkt sich der Sanktionscharakter dahin aus, dass die staatliche Leistung nachträglich entzogen wird und die Antragstellerin zur Erstattung der Kosten und Auslagen herangezogen werden kann.
Würde man den Rechtsgedanken des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aber bereits im Bewilligungsverfahren anwenden und Verfahrenskostenhilfe wegen falscher Angaben versagen, ergäbe sich eine deutlich weiter reichende Folge, nämlich dass das beabsichtigte gerichtliche Verfahren überhaupt nicht geführt werden kann, letztendlich also der Zugang zum Rechtsschutz insgesamt versagt oder zumindest erheblich beeinträchtigt wird.
Anmerkung:
Das Landesarbeitsgericht hat hier für die Klägerin entschieden, da es schlichtweg keine Vorschrift gibt, die im PKH-Bewilligkeitverfahren normiert, dass keine Prozesskostenhilfe bei wissentlich unwahren Angaben gewährt wird. Eine solche Vorschrift gibt es nur innerhalb des PKH-Prüfungsverfahrens (also nach der Bewilligung der PKH – meist 1 Jahr später müssen nochmals Angaben gemacht werden).
Widerruf eines Vergleiches „durch schriftliche Anzeige zur Gerichtsakte“
Vor dem Arbeitsgerichten werden häufig Vergleiche geschlossen. Der Instanzrichter hat ein starkes Interesse daran, dass die Angelegenheit durch eine gütliche Regelung endet, denn in der Regel hat der Instanzrichter gar nicht die Zeit in jedem Arbeitsrechtsstreit ein Urteil zu schreiben. Entsprechend groß ist der Druck den der Richter häufig auf die Parteien beim Arbeitsgericht ausübt.
Nicht nur infolgedessen, sondern auch deshalb, da häufig Arbeitnehmer der Arbeitgeber gleichermaßen daran interessiert sind die Angelegenheit schnell zu erledigen, wird der Vergleich vor dem Arbeitsgericht geschlossen.
Ist ein Rechtsanwalt hier für eine Partei (z.B. den Arbeitnehmer) tätig, die im Gütetermin / Kammertermin nicht anwesend ist, wird dieser in der Regel ohne Zustimmung seines Mandanten keinen Vergleich schließen. In dieser Situation besteht aber für den Anwalt die Möglichkeit einen so genannten Widerrufsvergleich zu schließen. Dies kommt in der Praxis, gerade vor dem Arbeitsgericht, nicht selten vor.
Auch hier übt das Gericht meistens einen entsprechenden Druck aus. Den Richter ist es lieber, wenn ein Widerrufsvergleich geschlossen wird, als wenn der Anwalt einfach nur pauschal mitteilt, dass er die Vergleichsmöglichkeit mit seinem Mandanten besprechen wird.
Häufig formuliert das Gericht den Vergleich. Dabei wird nicht immer seitens des Richters sorgfältig vorgegangen, da dieser eine Vielzahl von Fälle nacheinander abhandelt. Von daher kann es durchaus sein, dass Formulierungen wie, „der Vergleich erfolgt durch Widerruf zu Gerichtsakte“ in den Vergleichstext aufgenommen werden. Die Parteien und die Anwälte verstehen dies dann meistens so, dass der Zugang eines Schreibens/ Fax an das Arbeitsgericht am letzten Tag der Widerrufsfrist zum Widerruf des Vergleiches ausreichend ist. Dem ist nicht so.
Eine solche Klausel heißt, dass der Widerruf nicht nur bei Gericht eingeht, sondern sich spätestens am Tag des Fristablaufes auch in der Gerichtsakte (worauf der Anwalt wenige Einfluss hat) befindet. Durch diese unglückliche Formulierung musste Anwalt also sicherstellen, dass nicht nur das Widerrufsschreiben bei Gericht eingeht, sondern dass diese Schreiben sich bereits am Tag des Fristablaufs in der Gerichtsakte befindet (LG Hagen, Urteil vom 21.04.2004, 8 O 232/99).
Dass man dies nicht bei Formulierung des Vergleiches nicht gemeint hat, kann dahinstehen, ferner andere Auslegung ist hier kein Raum.
Anwalt A. Martin
BAG: Prozesskostenhilfe bei Gewerkschaftsmitgliedschaft?
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Arbeitnehmer, der Mitglied einer Gewerkschaft ist einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe im Arbeitsgerichtverfahren hat. Dabei ist von auszuführen, dass Gewerkschaftsmitglieder in der Regel die Möglichkeit haben sich dem Arbeitsgericht Prozess durch die Gewerkschaft vertreten zu lassen.
das Bundesarbeitsgericht – Prozesskostenhilfe bei Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft
In seinem Leitsatz fasst das BAG (BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 5.11.2012, 3 AZB 23/12) die Entscheidung wie folgt zusammen:
Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, zur Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, stellt Vermögen iSd. § 115 ZPO dar, solange die Gewerkschaft Rechtsschutz nicht abgelehnt hat oder es als sicher erscheint, dass dies geschehen wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Einzelfall der Vermögenseinsatz unzumutbar ist. Dies kann bei einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Gewerkschaft und ihrem Mitglied der Fall sein.
Weiter für das Bundesarbeitsgericht (Entscheidungsgründe) aus:
1) Die Prozesskostenhilfe dient dem Zweck, unbemittelten Personen den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie ist als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (vgl. etwa BGH 26. Oktober 1989 – III ZR 147/88 – zu A II 2 c bb der Gründe, BGHZ 109, 163; Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 115 Rn. 19). Daher tritt der Staat nur ein, wenn die Partei selbst die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn die Partei zwar selbst bedürftig ist, jedoch gegen einen Dritten Anspruch auf Bevorschussung, etwa aus dem Unterhaltsrecht (vgl. etwa BGH 25. November 2009 – XII ZB 46/09 – Rn. 4, NJW 2010, 372; 10. Juli 2008 – VII ZB 25/08 – Rn. 8, MDR 2008, 1232), oder auf Übernahme der Verfahrenskosten, zB durch eine Rechtsschutzversicherung (vgl. etwa BGH 20. Juni 2006 – VI ZR 255/05 – zu II 1 der Gründe, VersR 2007, 132; 25. April 2006 – VI ZR 255/05 – ZfSch 2006, 503), hat. Deshalb stellt auch die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, zur Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, Vermögen iSv. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO dar, solange die Gewerkschaft Rechtsschutz nicht abgelehnt hat oder es als sicher erscheint, dass dies geschehen wird. Etwas anderes gilt nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur dann, wenn im Einzelfall der Vermögenseinsatz unzumutbar ist. Dies kann bei einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Gewerkschaft und ihrem Mitglied der Fall sein. Dabei ist der Arbeitnehmer zur Begründung seines Prozesskostenhilfeantrags verpflichtet, die Gründe, die für die Unzumutbarkeit sprechen, im Einzelnen darzulegen.
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bb) Danach war es dem Kläger als Gewerkschaftsmitglied zuzumuten, den ihm zustehenden kostenlosen gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Vertrauensverhältnis des Klägers zu seinem gewerkschaftlichen Prozessvertreter sei nicht hinreichend zerrüttet, ist frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die bloße Behauptung des Klägers, er habe kein Vertrauen mehr in die Beratung durch den Vertreter der Gewerkschaft gehabt, weil er sich auf dessen Rat nicht habe verlassen können und ihm keine Begründung dafür gegeben worden sei, warum die Prozessaussichten nach dem Gütetermin – anders als vorher – negativ einzuschätzen gewesen seien, genüge zur Darlegung der Unzumutbarkeit, sich weiterhin durch die Gewerkschaft vertreten zu lassen, nicht. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund des Verlaufs des Gütetermins und des dortigen Vorbringens der Beklagten die Prozesschancen möglicherweise anders einzuschätzen waren als zuvor und dass es ggf. Sache des Klägers gewesen wäre, eine weitere Begründung für die gegebene Prognose zu verlangen oder bei der Gewerkschaft um die Vertretung durch einen anderen Gewerkschaftssekretär nachzusuchen.
Kommentierung der Entscheidung:
Vom Ergebnis her ist die Entscheidung richtig. Es wäre schwer einzusehen, weshalb jemand, der kostenlosen Rechtsschutz in Anspruch nehmen darf, eine Finanzierung seines Prozesses über Prozesskostenhilfe benötigt. Wichtig ist auch, dass es hiervon aber Ausnahmen gibt, zum Beispiel dann, wenn das Vertrauensverhältnis schwer zischen dem Arbeitnehmer unter gewerkschaftlichen Vertretung zerstört ist.
Rechtsanwalt A. Martin
Der Kammertermin und die Urteilsverkündung vor dem Arbeitsgericht.
Scheitert der Gütetermin beraumt das Arbeitsgericht einen so genannten Kammertermin an. Vor dem Kammertermin erhält jede Partei Auflagen mit Ausschlussfristen, innerhalb derer vorzutragen ist.
Beweisaufnahmen finden im arbeitsgerichtlichen Verfahren vergleichsweise selten statt. Wenn das Arbeitsgericht eine Beweisaufnahme für notwendig erachtet, dann werden meist die Zeugen zum Kammertermin geladen. Lädt das Gericht zum Kammertermin keine Zeugen, dann ist dies meist ein Indiz dafür, dass das Gericht den Vortrag der beweisbelasteten Partei insofern nicht als rechtserheblich ansieht. Im Kündigungsrechtsstreit muss der Arbeitgeber darlegen, dass die Kündigung rechtmäßig ist. Lädt das Arbeitsgericht also zum Kammertermin keine Zeugen, so kann man dies als Indiz dafür angesehen werden, dass das Gericht eine Beweisaufnahme für nicht notwendig ansieht, was in der Regel bedeutet, dass der Arbeitgeber hier die schlechteren Karten hat (es denn der Arbeitnehmer hat nicht ausreichend oder substantiiert vorgetragen/ bestritten). Dies muss allerdings nicht so sein. Es gibt auch noch genug andere Gründe, weshalb das Gericht keine Zeugen lädt (nochmaliger Güteversuch, Nachfragen zum Sachverhalt etc).
Eine Urteilsverkündung erfolgt im arbeitsgerichtlichen Verfahren in der Regel am Schluss der Sitzung. Dabei ist ausreichend, wenn die Verkündung am Ende des Terminstages erfolgt. Wenn das Urteil in dem Termin verkündet wurde, indem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, muss es im Zeitpunkt der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst sein. Dies ist häufig der Fall (so zum Beispiel beim Arbeitsgericht Berlin). Das Urteil muss dann allerdings in vollständig schriftlicher Fassung innerhalb von drei Wochen nach Verkündung der Geschäftsstelle übergeben werden. Geregelt ist dies in § 60 Abs. 4 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes.
RA Martin
LAG Berlin-Brandenburg: fehlende Unterschrift bei Berufungseinlegung per Telefax
Rechtsanwälte legen häufig – aus Zeitnot – Rechtsmittel gegen Urteile am letzten Tag ein. Dabei ist eine Übermittlung des Schriftsatzes per Post am letzten Tag nicht mehr rechtzeitig möglich. Von daher wird der Schriftsatz dann am letzten Tag vorab per Fax geschickt. Fristwahrend ist dies dann, wenn der Schriftsatz ordnungsgemäß unterschrieben ist (und später im Original bei Gericht eingeht – nach dem BGH ist der spätere Eingang des Originals nicht erforderlich).
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das LAG Berlin-Brandenburg (Entscheidung vom 12.03.2012 – 10 Sa 2078/11) hatte nun einen Fall zu entscheiden bei dem um die Frage der fristwahrenden Einhegung einer Berufung per Fax ging. Ein Rechtsanwalt hatte die Berufung gegen ein Urteil eines Arbeitsgerichts eingelegt, wobei er dies am letzten Tag vorab per Fax schickte.
Zu diesem dem Beklagtenvertreter am 21. Oktober 2011 zugestellten Urteil ging am 16. Oktober 2011 um 22:55 Uhr ein Telefax in der Briefannahmestelle des LAG Berlin-Brandenburg ein (Bl. 153-154 d.A.). Dieses trug das Datum 16. November 2011 und wies von dem absendenden Fax eine Sendezeit vom 16. Oktober 2011 um 23:25 Uhr sowie als Absenderbezeichnung P. G.-W. aus. Auf der zweiten Seite dieses Faxes waren oberhalb und seitlich der letzten beiden Zeilen, die einmal „M.“ und einmal „Rechtsanwalt“ lauten, wenige nicht zusammenhängende Striche bzw. Punkte zu erkennen, die jedoch beim besten Willen nicht als Unterschrift zu identifizieren waren.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg führte dazu aus:
Nachdem der Beklagtenvertreter im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuches das Original der Berufungsschrift eingereicht hat, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die am 16. Oktober 2011 eingegangene Berufungsschrift von diesem Original stammt. Jedoch kann das auch dahinstehen, weil die zu diesem Zeitpunkt die Frist für die Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) seit langem verstrichen war. Von dem grundsätzlichen Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift haben die Gerichte stets Ausnahmen zugelassen, wenn eine Unterschrift aufgrund der technischen Besonderheiten des Übermittlungsweges nicht möglich war. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf dem Original des verfahrensbestimmenden Schriftsatzes vermag am wirkungsvollsten sicherzustellen, dass der Berechtigte das Schreiben autorisiert hat. Die eigenhändige Unterschrift gewährleistet, dass der Schriftsatz dem Berechtigten vor der Übermittlung vorgelegen hat und er diesen überprüfen konnte.
Soweit der Beklagtenvertreter meint, dass er als Betreiber einer Einzelkanzlei ohne Mitarbeiter immer als Urheber identifiziert werden könne, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Es begegnet keinen Bedenken, als Differenzierungskriterium auf die technische Möglichkeit der Beifügung einer eigenhändigen Unterschrift abzustellen. Dieses Kriterium bewirkt einerseits, dass dem technischen Fortschritt auch dann Rechnung getragen werden kann, wenn das mit gewissen Abstrichen an der Zielrichtung des § 130 Nr. 6 ZPO verbunden ist. Die damit mögliche Verwendung neuer Technologien erleichtert die Kommunikation mit dem Gericht und dient letztlich auch den Zielen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Andererseits aber begrenzt das Differenzierungskriterium die Ausnahmen von der Regel des § 130 Nr. 6 ZPO auf diejenigen Fälle, in denen dem Unterschriftserfordernis tatsächlich nicht genügt werden kann. Diese Differenzierung ist sachgerecht, weil sie Ausnahmen und damit Abstriche an der Zielsetzung des § 130 Nr. 6 ZPO auf das unumgängliche Mindestmaß begrenzt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. April 2007 – 1 BvR 110/07).
RA Martin
Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an seiner Arbeitsleistung beim Zahlungsverzug des Arbeitgebers
In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Arbeitgeber den fälligen Arbeitslohn nicht rechtzeitig zahlt. Der Arbeitnehmer, der mit seiner Arbeitsleistung ja in Vorleistung geht, möchte dann seine Arbeitsleistung nicht weiter erbringen, sofern der Lohn nicht gezahlt wird.
Der Arbeitnehmer kann in solchen Fällen seine Arbeitsleistung bis zur Lohnzahlung zurückbehalten.
Voraussetzung des Zurückbehaltungsrechtes des Arbeitnehmers
Zunächst muss Arbeitslohn ausstehen also fällig sein. Die Rechtsprechung verlangt, dass der ausstehende Arbeitslohn nicht „verhältnismäßig geringfügig“ ist. Es darf also nicht nur ein geringer Teillohnanspruch ausstehen, also z.B. wenn der Arbeitgeber nur mit einem Teil des Lohnanspruch im Zahlungsverzug ist. In einem solchen Fall ist die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes durch den Arbeitnehmer treuwidrig. Das Bundesarbeitsgericht verlangt wenigstens den Rückstand mit 1,5 Monatsgehältern. Wichtig ist dabei zu wissen, dass bei der damaligen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes von nahezu 1,5 Monatsverdiensten die Rede war. Tatsächlich standen 1,3 Monatsverdienste aus. Auf jeden Fall sollte aber der Rückstand mehr als nur ein Monatsgehalt betragen, da ansonsten damit zu rechnen ist, dass gegebenenfalls das zuständige Arbeitsgericht den Rückstand nicht für ausreichend hält, um ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers anzunehmen.
weitere Treuwidrigkeitsgründe
Grundsätzlich darf der Arbeitnehmer keine anderen alternativen Handlungsmöglichkeiten haben, um den Lohnanspruch kurzfristig unzumutbar durchzusetzen (denkbar wäre hier das zum Beispiel ein bereits vollstreckbarer Titel vorhanden ist). Auch bei kurzfristigen Verzögerungen kann eine Treuwidrigkeit des Arbeitnehmers bestehen. Der Arbeitnehmer darf das Zurückbehaltungsrecht auch nicht zur Unzeit ausüben.
Ganz wichtig, dies wird in der Praxis sehr häufig falsch gemacht, ist, dass der Arbeitgeber genau dem Arbeitgeber mitteilen muss,
- dass er sein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt und
- aufgrund welcher Gegenforderung (also die genaue Bezeichnung des Lohnrückstandes)
So dass der Arbeitgeber in der Lage ist von seiner Abwendungsbefugnis nach § 273 Abs. 3 BGB Gebrauch zu machen, also wissen kann, was er genau an den Arbeitnehmer zu zahlen hat und machen muss, um das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers abzuwenden.
Die faktische Einstellung der Arbeitsleistung ohne diese obigen Erklärungen, wird in der Regel dazu führen, dass der Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht in der Regel nicht wirksam ausgeübt hat und damit auch keine Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht.
RA A. Martin
erste betriebsbedingte Kündigungen des Insolvenzverwalters erreichen Schleckermitarbeiterinnen
Der Insolvenzverwalter Gleiwitz kündigte ja bereits an, dass betriebsbedingte Kündigungen bereits in der letzten Woche an die Arbeitnehmer von Schlecker übersandt worden sind. Die Kündigungserklärungen sind nun bei den Mitarbeitern angekommen.
ordentliche betriebsbedingte Kündigung
Der Insolvenzverwalter kündigt die Arbeitsverhältnisses ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Dabei führt er aus, dass zirka 2.200 Filialen in Deutschland betriebsbedingt geschlossen werden müssen. Die Verfahren sind mittlerweile abgeschlossen.
Kündigungsfrist nach § 113 InsO
Die Kündigungen wurden mit der Kündigungsfrist (3 Monate) des § 113 InsO zum 30.06.2012 ausgesprochen. Die Kündigungserklärung ist datiert auf den 28.03.2012. Wer die Kündigung erst im April erhalten hat (Zugang), der sollte schon allein wegen der dann nicht eingehaltenen 3-Monatsfrist (unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Sozialauswahl) Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen; zuvor den Sachverhalt aber von einem Anwalt überprüfen lassen.
Sozialplan/ Interessenausgleich
Vom Interessenausgleich und Sozialplan ist ebenfalls in der Kündigung die Rede. Auch von einem „aus dem Sozialplan ergebene Abfindungsanspruch“. Auch soll die Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG erfolgt sein.
Dies alles sollte – vor der Entscheidung, ob man vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung klagt – von einem Rechtsanwalt überprüft werden.
Schlecker – Insolvenzverwalter schickt wohl 10.000 betriebsbedingte Kündigungen an Mitarbeiter raus – was kann man dagegen tun?
Nach den neuesten Pressemitteilungen in Sachen Schlecker ist die Finanzierung der Auffanggesellschaft (Transfergesellschaft) gescheitert. Die FDP meint wohl, dass der Staat sich aus der Insolvenz raushalten soll. Angeblich sollen – laut Presse – bereits vom Insolvenzwalter 10.000 betriebsbedingte Kündigungen an die Mitarbeiter verschickt worden sein.
Die Transfergesellschaft hätte ohnehin nicht für eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter gesorgt, sondern nur für eine Übergangszeit Vermittlungsversuche der dann ehemaligen Schlecker-Mitarbeiter bei Zahlung eines geringeren Gehaltes unternommen.
Was können die Mitarbeiter nun machen?
Gegen die betriebsbedingten Kündigungen können die Mitarbeiter der Drogeriekette Schlecker innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen (in Berlin wäre dies das Arbeitsgericht Berlin, Magdeburger Platz 1). Die Rechtswirksamkeit der Kündigung wir dann vom Arbeitsgericht überprüft. Insbesondere Mitarbeiter, die bereits langjährig bei Schlecker beschäftigt waren und gute Sozialdaten haben (Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) könnten mit der Kündigungsschutzklage Erfolg haben.
Sicher ist dies natürlich nicht, da man zum jetzigen Zeitpunkt eben nicht sagen kann, ob überhaupt noch später Arbeitsplätze zur Verfügung stehen (z.B. bei Weiterführung eines Teils des Betriebs oder bei Veräußerung desselben – also beim Betriebsübergang). Dies weiß wohl derzeit allein der Insolvenzverwalter.
Sofern eine Rechtsschutzversicherung besteht, wird man als Anwalt in der Regel zur Klage raten. Gegebenenfalls kann auch eine Finanzierung des Kündigungsschutzprozesses über Prozesskostenhilfe realisiert werden. Dies sollte der beauftragte Rechtsanwalt vor Ort prüfen.
Update:
Die Verfahren sind mittlerweile abgeschlossen.