Arbeitszeit

Bereitschaftszeit bei Polizisten – Arbeitszeit?

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Bereitschaftszeit bei Polizisten - Arbeitszeit?
Bereithaltungszeit bei Polizisten

Bereithaltung im Polizeidienst und Arbeitszeit

Bereitschaftszeiten bei der Polizei kommen nicht selten vor. Wie auch beim normalen Arbeitnehmer stellt sich dann die Frage, ob solche Zeiten eine vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen oder als Freizeit gewertet werden.

Verwaltungsgerichte entscheiden beim Polizeibeamten

Bei Streitigkeiten zwischen Polizisten und ihren Dienstherrn entscheiden zwar nicht die Arbeitsgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte, allerdings ist die Rechtsgrundlage hier ebenfalls die Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) der Europäischen Union.

Rufbereitschaft und Bereitschaftszeit

Ob Bereitschaftszeiten bzw. Rufbereitschaft eine vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen, dazu gibt es bereits Entscheidungen-im arbeitsrechtlichen Bereich-des Bundesarbeitsgerichts. Entscheidend ist immer welche Einschränkungen für den Arbeitnehmer damit verbunden sind. In der Regel ist diese Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer an einen bestimmten Ort aufhalten muss.

Auslegung der Einschränkungen der Bereitschaftszeit

Oft gibt es Tarifverträge, die dann abgestuft eine Zahlung derartiger Zeiten vorsehen. Wenn es aber keinen Tarifvertrag gibt, dann kommt es darauf an, ob diese Zeiten tatsächlich den Arbeitnehmer so stark einschränken, dass vergütungspflichtige Arbeitszeit vorliegt. Dazu hatte ich bereits mehrere Artikel geschrieben.

vergütungspflichtige Arbeitszeit

Hier geht es nun um die Frage, ob die Bereithaltungszeiten bei der Polizei vergütungspflichtige Arbeitszeit sind oder nicht.

Bundesverwaltungsgericht

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun diesbezüglich eine Entscheidung getroffen.

Sachverhalt

Der Kläger-ein Polizist-wollte rückwirkend ab Juni 2012, die in Abzug gebrachten Pausenzeiten, als Arbeitszeit bezahlt bekommen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.05.2021 – Az 10 B 17.18) gab dem Kläger teilweise recht und verurteilte den Dienstherrn dazu eine finanzielle Abgeltung für nicht auf die Arbeitszeit angerechnet Pausen an 216 Tagen in der Zeit vom April 2015 bis Juni 2015 in Höhe von brutto 3124,34 € zu zahlen.

Oberverwaltungsgericht Berlin

Nach dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg stand dem Kläger ein beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit zu. Nach dem OVG hatte der Dienstherr den Kläger regelmäßig mehr als 41 Stunden pro Woche beschäftigt, also über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus. Das Oberverwaltungsgericht stellte klar, dass die Pausen unter Bereithaltungspflicht nach dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis Arbeitszeit darstellen, die zu vergüten ist.

Revision

Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes wehrte sich der Dienstherr zum Bundesverwaltungsgericht mit seiner Revision.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Revision des Dienstherrn unbegründet ist.

Nach dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 13.10.2022- 2 C 7.21) kann man nicht pauschal die Bereithaltungszeit als Arbeitszeit einstufen, sondern es kommt immer auf den Einzelfall an. Insbesondere kommt es darauf an ob mit der Bereithaltungszeit auch Einschränkungen verbunden sind, die den Arbeitnehmer in seinem Freizeitverhalten stark beschränken. Je stärker die Einschränkungen sind, umso mehr spricht für eine vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht folgendes ausgeführt:

Die zur Anerkennung des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs führende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, Pausen unter Bereithaltungspflicht stellten unionsrechtlich Arbeitszeit dar, steht in ihrer Absolutheit nicht mit Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG, Arbeitszeitrichtlinie – ABl. L 299 S. 9) in Einklang (1.). Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne einen Ausgleich für die Inanspruchnahme über die nationalrechtlichen Arbeitszeitvorgaben hinaus auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs verlangen, ist mit den unionsrechtlichen Haftungsgrundsätzen nicht vereinbar (2.). Das Berufungsurteil stellt sich aber aus anderen Gründen i. S. d. § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar (3.).

Das Berufungsgericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die Begriffe Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG und Ruhezeit i. S. d. Art. 2 Nr. 2 RL 2003/88/EG einander ausschließen; Zwischenkategorien wie „Bereitschaftszeit“ oder „Ruhepause“ sind in der Richtlinie nicht vorgesehen (EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2000 – C-303/98, Simap – NZA 2000, 1227 Rn. 47, vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – NJW 2018, 1073 Rn. 55 und vom 9. März 2021 – C-344/19, Radiotelevizija Slovenija – NZA 2021, 485 Rn. 29). Die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause bei gleichzeitig geforderter Bereitschaft ist entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ einzuordnen. Die „bloße“ Pflicht des Arbeitnehmers, sich während der Pausen zur Wiederaufnahme der Arbeit bereitzuhalten, führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht automatisch dazu, die Pausenzeit als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG zu qualifizieren.

Bereitschaftszeit ist grundsätzlich als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG einzuordnen, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 – C-151/02, Jaeger – Slg. 2003, I-8415 Rn. 63, vom 1. Dezember 2005 – C-14/04, Dellas – Slg. 2005, I-10279 Rn. 48 und vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – NJW 2018, 1073 Rn. 59). Fehlt es aber an einer Verpflichtung, am Arbeitsplatz als dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu bleiben, kann eine Bereitschaftszeit nicht automatisch als Arbeitszeit i. S. d. RL 2003/88/EG eingestuft werden. Die nationalen Gerichte haben in diesem Fall bei Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob sich eine solche Einstufung daraus ergibt, dass dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen (EuGH, Urteile vom 9. März 2021 – C-344/19, Radiotelevizija Slovenija – NZA 2021, 485 Rn. 37, 45 und – C-580/19, Stadt Offenbach am Main – NZA 2021, 489 Rn. 45). Dies ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit nur wenige Minuten beträgt und er deshalb in der Praxis weitgehend davon abgehalten wird, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen. Dabei ist die Auswirkung einer solchen Reaktionsfrist im Anschluss an eine konkrete Würdigung zu beurteilen, bei der gegebenenfalls die übrigen dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen sowie die ihm während seiner Bereitschaftszeit gewährten Erleichterungen zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 9. März 2021 – C-344/19, Radiotelevizija Slovenija – NZA 2021, 485 Rn. 48 f.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 – C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy – (NZA 2021, 1395 Rn. 37, 39 ff.) Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG in Bezug auf „Bereitschaft“ in Pausenzeiten dahin auszulegen, dass die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause als Arbeitszeit im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren ist, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, einsatzbereit zu sein, von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, sich in der Pause zu entspannen und Tätigkeiten nach Wahl zu widmen. Zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls gehören die Auswirkung der Reaktionsfrist, die Häufigkeit, aber auch die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen, die eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers haben kann, die Zeit frei zu gestalten. Die sich daraus ergebende Ungewissheit kann ihn in Daueralarmbereitschaft versetzen. Die den Ruhepausen immanenten Einschränkungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sind bei der Gesamtwürdigung dagegen außer Acht zu lassen.

Urteil vom 13.10.2022 –
BVerwG 2 C 7.21

Anmerkung:

Eine interessante Entscheidung. Es kommt demnach immer auf die Einzelfall und die konkreten Einschränkungen beim Beamten in der Bereitschaftszeit an.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Beamter bekommt Freizeitausgleich für „Pausen in Bereithaltung“

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Beamter bekommt Freizeitausgleich für "Pausen in Bereithaltung"
Pause oder Arbeit?

Abgrenzung zwischen Pause und Arbeitszeit

Die Abgrenzung zwischen Pause und Arbeitszeit ist ein häufiges Problem im Arbeitsrecht. Nicht nur Arbeitnehmer haben mit dieser Problematik zu kämpfen, sondern auch Beamte. Im Endeffekt geht es fast immer darum, inwieweit dem Beamten bzw. dem Arbeitnehmer die Pausenzeit zur freien Verfügung steht. Jegliche Einschränkung der Pausenzeit führen dazu, dass man dann prüfen muss, ob die Pause gegebenenfalls schon den Charakter von Arbeitszeit hat.

Pausenzeiten im Arbeitsrecht

Nach dem deutschen Arbeitsrecht sind Pausen im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann.

Bereitschaftszeiten und Rufbereitschaft beim Arbeitnehmer

Es gibt umfangreiche Rechtsprechung zur Frage, ob zum Beispiel Bereitschaftszeiten oder Rufbereitschaft eine Arbeitszeit darstellen, die zu vergüten ist oder nicht.


Beamte und Pausenzeiten in Bereithaltung

Wie oben bereits ausgeführt, stellt sich die Problematik auch bei Beamten. Dort gibt es zum Beispiel eine sogenannte „Pause zur Bereithaltung“. Hier ist die Frage, ob diese Pause tatsächlich Arbeitszeit ist und der Beamte gegebenfalls hier nachträglich einen Anspruch auf Freizeitausgleich hat oder nicht.


Entscheidung des Bundesverwaltunsgerichts

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2022- Aktenzeichen 2 C 24.21 hat ein Beamter einen Anspruch auf Freizeitausgleich, soweit die ihm gewährten Pausenzeiten in „Bereithaltung“ als Arbeitszeit zu qualifizieren sind und hieraus eine dienstliche Inanspruchnahme über die durchschnittlich zu erbringende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus resultiert.

Fall des Bundesverwaltungsgerichts

Ein Bundespolizist hatte auf Anrechnung von nicht „richtig“ gewährten Pausenzeiten auf seine Arbeitszeit geklagt. Er machte geltend, dass ihm im Jahr 2013 diverse Pausen als sog. Pausenzeiten in „Bereithaltung“ gewährt wurden und dies Arbeitszeit sei und keine Pausengewährung, da er die Pausen nicht komplett zur freien Verfügung hatte. Mit seiner Klage wollte der Bundespolizist ingesamt 1.020 Minuten, der nicht gewährten Pausenzeiten in Freizeitausgleich haben. Die einzelne Pausen beliefen sich damals auf jeweils 30 bis 45 Minuten.


Da es sich hier um einen Beamten handelte, war der Gang zu den Arbeitsgerichten nicht möglich, da ein Beamter kein Arbeitnehmer ist. Der Bundespolizist klagte vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Bauzen (Urteil vom 27. Dezember 2021, Az 2 A 960/19) und konnte immerhin rund die Hälfte seine Forderung (510 Minuten an Freizeitausgleich) durchsetzen.


Revisionsverfahren

Dies war ihm aber noch nicht genug und der Beamte ging in Revision zum Bundesverwaltungsgericht.

Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger weiteren Freizeitausgleich im Umfang von 105 Minuten zu gewähren.

Begründung durch das BVerwG

Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 63/2022 vom 13.10.2022 aus:

Der Kläger kann sein Begehren auf den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit stützen. Dessen Voraussetzungen sind bezogen auf die im Streit stehenden und dem Kläger ab August 2013 gewährten Pausenzeiten gegeben. Denn hierbei handelte es sich um Arbeitszeit und nicht um Ruhezeit. Für die insoweit vorzunehmende Abgrenzung ist maßgeblich, ob die im Rahmen einer Pausenzeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie die Möglichkeiten, sich zu entspannen und sich Tätigkeiten nach Wahl zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beschränken. Solche objektiv ganz erheblichen Beschränkungen liegen vor, wenn ein Bundespolizeibeamter anlässlich von Maßnahmen der präventiven oder repressiven Gefahrenabwehr (im vorliegenden Fall Durchsuchungsmaßnahmen und die Vollstreckung eines Haftbefehls) seine ständige Erreichbarkeit verbunden mit der Pflicht zur sofortigen Dienstaufnahme während der ihm gewährten Pausenzeiten sicherstellen muss. In diesem Fall sind die Pausenzeiten als Arbeitszeit zu qualifizieren. Auf den Umfang der tatsächlichen dienstlichen Inanspruchnahme kommt es nicht an. Die Verpflichtung zum Tragen von Einsatzkleidung sowie zum Mitführen von Dienstwaffe und Dienstfahrzeug genügen für sich betrachtet jedoch nicht.

BVerwG 2 C 24.21 – Urteil vom 13. Oktober 2022

Anmerkung:

Wie oben bereits ausgeführt wurde, muss die Pause dem Arbeitnehmer zur freien Verfügung stehen. Eine nicht ausreichende Pausengewährung liegt von daher auch nicht vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Pause am nur Arbeitsplatz gewährt ohne, dass dieser die Möglichkeit hat diesen zu verlassen.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitszeitgesetz – Wie lange darf man arbeiten?

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Arbeitszeitgesetz - Wie lange darf man arbeiten?
Arbeitszeitgesetz

Arbeitszeitgesetz – Wie lange darf man arbeiten?

Jeder Arbeitnehmer weiß, dass es zu seinen Gunsten Schutzvorschriften gibt, die u.a. auch die Arbeitszeit des Arbeitnehmers regeln. Diese Vorschriften regeln  u.a. auch, wie lange man maximal pro Tag/ Woche arbeiten darf und wann und wie lange Pausen gemacht werden müssen. Was aber genau geregelt ist, wissen meist weder Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Nachfolgend werden die wichtigsten Regeln zu den maximalen Arbeitszeiten dargestellt.

Erstaunlich ist immer wieder, dass in der Praxis massiv gegen diese Vorschriften verstoßen wird. Vor allem in Branchen, in denen ein starker Konkurrenzkampf herrscht. Hier wird seitens der Arbeitgeber erheblich Druck auf Arbeitnehmer ausgeübt. Häufig fehlt die Kenntnis der gesetzlichen Regelung, oft wird wohl auch bewusst gegen das Arbeitszeitgesetz (und um diese Vorschriften geht es hier) verstoßen. Arbeitgeber meinen oft, dass es in ihrer Branche schon immer so war und anders nicht geht und allein die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit als zulässige Arbeitszeit gilt.


das Arbeitszeitgesetz – wichtiges Schutzgesetz der Arbeitnehmer

Die wichtigsten Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer findet man im Arbeitszeitgesetz.

Der Arbeitgeber kann nicht vom Arbeitnehmer verlangen, dass dieser gegen (eigene) Schutzvorschriften verstößt. Er kann sich dabei auch nicht auf arbeitsvertragliche Regelungen berufen. Eine wichtige Schutzvorschrift zu Gunsten des Arbeitnehmers ist das sog. Arbeitszeitgesetz. In diesem Gesetz ist u.a. geregelt, wie lange der Arbeitnehmer arbeiten darf. Welche Regelungen des Arbeitszeitgesetz genau enthält und was der Arbeitnehmer machen kann, wenn die Vorschriften des Gesetzes vom Arbeitgeber nicht beachtet werden, erfahren sind in den folgenden Ausführungen.

Das deutsche Arbeitszeitgesetz wurde in den letzten Jahren mehrfach novelliert und u.a. an europäische Richtlinien (so z.B. die EGArbeitszeitrichtlinie 93/104/EG) angepasst. Gerade diese Richtlinie hat nochmals zu weitergehenden Regelungen und eine Erweiterung des Arbeitnehmerschutzes geführt.  Das Arbeitszeitgesetz (kurz ArbZG) setzt zugleich die RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung v. 4.11.2003 – ArbeitszeitRL um.


Was regelt das Arbeitszeitgesetz?

  • die tägliche Höchstarbeitszeit des Arbeitnehmers
  • das insgesamt zulässige Arbeitzeitvolumen des Arbeitnehmers
  • die zeitliche Lage der Arbeitszeit des Arbeitnehmers
  • die Pausen und Ruhezeiten
  • die Beschäftigung an Sonntagen und an Feiertagen
  • Konsequenzen / Rechtsfolgen falls sich der Arbeitgeber nicht an diese Vorschriften hält

tägliche Höchstarbeitszeit

Nach dem Arbeitszeitgesetz – nicht Zeitarbeitsgesetz – beträgt die tägliche Höchstarbeitszeit 8 Stunden. Diese Höchstarbeitszeit darf aber bis auf 10 Stunden – um 2 Stunden überschritten werden, wenn

  • innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen die durchschnittliche Arbeitszeit 8 Stunden täglich nicht überschritten wird

Diese gesetzliche normierte Zehn-Stunden-Grenze ist zwingend und darf in der werktäglichen Arbeitszeit in keinem Fall überschritten werden. 

Die werktägliche Arbeitszeit darf nach § 3 Satz 1 ArbZG die Höchstarbeitszeit von 8 Stunden nicht überschreiten. Zu beachten ist auch, dass nach dem Ende der täglichen Arbeitszeit die Mindestruhezeit zu beachten ist. 8 Stunden werktäglich bedeutet eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich. Die wöchentliche Arbeitszeit darf von daher diesen Stundenwert nicht überschreiten.

Wenn der Arbeitnehmer also nicht werktäglich (Montag bis Samstag), sondern nur an Arbeitstagen (Montag bis Freitag), also an 5 Tagen pro Woche arbeitet, darf er die 48 Stunden pro Wochen nicht überschreiten. Dies bedeutet zum Beispiel, dass der Arbeitnehmer maximal 5 x 9,6 Stunden Arbeitszeit pro Tag arbeiten könnte.

Wenn also die geleistete Arbeitszeit regelmäßig 48 Stunden pro Woche beträgt, scheidet Sonn- und Feiertagsarbeit regelmäßig aus, da ansonsten die wöchententliche Höchstarbeitszeitgrenze überschritten wird. Dasselbe gilt, wenn dann noch im erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft erfolgen soll.

Für die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit gilt der Samstag als Werktag (werktägliche Arbeitszeit).

Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, insbesondere für leitende Angestellte, geltend Sonderregelungen (TV-Länder). Dies gilt auch für bestimmte Branchen (Landwirtschaft/ Pflege von Tieren).


Was ist der Zweck des Arbeitszeitgesetzes?

Nach § 1 Nr. 1 ArbZG ist Zweck dieses Gesetzes, die Sicherheit und den Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern. Die Arbeitnehmer sollen vor zeitlicher Überbeanspruchung durch die Arbeit geschützt werden. Dem Arbeitnehmer soll von daher auch eine ununterbrochene Ruhezeit zustehen, um sich von der Arbeit erholen zu können.


Für wen gilt das Arbeitszeitgesetz?

Das Arbeitszeitgesetz gilt für alle Arbeitnehmer (also abhängige Beschäftigte) über 18 Jahre. Weiter gilt das Arbeitszeitgesetz auch für Praktikanten (sind juristisch den Auszubildenden ähnlich) und für Auszubildende! Gerade der Fall des deutschen Praktikanten, der in London bei einer großen Bank tätig war und angeblich 72 Stunden- Schichten gearbeitet hat, zeigt, dass auch hier die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten sind.


Für welche Arbeitnehmer gilt das Arbeitszeitgesetz nicht?

Das ArbZG gilt für folgende Arbeitnehmer nicht:

  • Chefärzte
  • teilweise Hausangestellte
  • Arbeitnehmer im Bereich der Kirchen
  • Bäckereien
  • Konditoreien
  • teilweise öffentlicher Dienst
  • Seeleute / Binnenschifffahrt
  • Luftfahrt

Von daher sich Beamte, Richter und Soldaten keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Für die vorstehenden Brachen/ Beamte gelten besondere Regelungen.


Für welche Personen, gibt es Sonderregelungen zur Arbeitszeit?

  • Jugendliche – §§ 4, 8 ff. JArbSchG,
  • Besatzungsmitglieder auf Kauffahrteischiffen – §§ 42–55 SeeArbG,
  • Arbeitnehmer als Besatzungsmitglieder in der Luftfahrt – 2. DVO zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät,
  • Arbeitnehmer in Verkaufsstellen – § 17 LSchlG,
  • Beamte – ArbeitszeitVO des Bundes und der Länder.

Was ist die Arbeitszeit?

Die Arbeitszeit ist die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Pausen. Die Regelung in § 2 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes hilft nicht viel weiter.

Zur geleisteten Arbeitszeit gehören in der Regel nicht:

Dazu im Einzelnen:

Die Anfahrt zur Arbeit ist keine Arbeitszeit. Die Arbeit beginnt am Arbeitsplatz. Das Umkleiden auf der Arbeit ist nur – nach dem BAG (Entscheidung vom 19.09.2012 – 5 AZR 678/11) vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn

  • der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung (Arbeitskleidung) vorschreibt
  • und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss.

Dies wird in den wenigsten Fällen tatsächlich beim normalen Arbeitnehmer vorliegen. Die obige Entscheidung des BAG darf man nicht dahingehend verstehen, dass die Umkleidezeit grundsätzlich reguläre Arbeitszeit ist. Dies ist nicht der Fall. Nur unter den strengen Voraussetzungen, dass der Arbeitnehmer eine bestimmte Kleidung für die Arbeit anziehen muss und diese im Betrieb anziehen muss, ist das Umkleiden auch Arbeitszeit.

Der Arbeitnehmer, der Arbeitskleidung im Betrieb wechselt, beginnt nicht mit seiner Arbeit, wenn er dies nicht machen muss.


Was ist Nachtzeit?

Als Nachtzeit ist nach dem Gesetz nach § 2 Abs. 3 die Zeit von 23 bis 6 Uhr und für Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr. Abweichungen durch Tarifvertrag sind innerhalb zeitlichen Grenzen möglich.


Wann liegt Nachtarbeit vor?

Nachtarbeit liegt nach § 2 Abs. 4 vor, wenn die Arbeit mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst. Maßgeblich ist die für den Betrieb gültige Definition der Nachtzeit, die gem. § 7 I Nr. 5 auch in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegt sein kann. Nachtarbeit umfasst nicht nur den Zeitraum innerhalb der festgelegten Nachtzeit, sondern die Zeit von Anfang bis Ende der Arbeit, auch wenn diese teilweise nicht in die Nachtzeit fällt!


Wer ist Nachtarbeitnehmer?

Ein Nachtarbeitnehmer ist § 2 Abs. 5, derjenige, wer aufgrund seiner Arbeitszeitgestaltung normalerweise Wechselschicht zu leisten hat, oder wer Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet. Nicht unter den Begriff „Nachtarbeitnehmer“ fällt derjenige Arbeitnehmer, welcher nur als Ersatzmann im Schichtdienst einspringt oder in gewissen Zeitabschnitten in geringfügigem Maße in den Schichtplan aufgenommen wird.


Was gilt für Bereitschaftsdienste?

Der EuGH (EuGH Urteil vom 09.09.2003 – C-151/02) hat entschieden, dass Bereitschaftsdienst Arbeitszeit ist. Entschieden wurde dies für einen Arzt im Krankenhaus. Dies gilt auch für die Arbeitsbereitschaft. Die Rufbereitschaft ist in der Regel keine Arbeitszeit.

Welche Ausnahmen gelten in Bezug auf die Überschreitung der Arbeitszeit?

Aufgrund von Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag kann eine Abweichende Regelung getroffen werden und die tägliche Arbeitszeit auch über 10 Stunden verlängert werden. Im Schnitt darf diese aber nicht 48 Wochenstunden überschreiten. Die Verlängerung ist nur möglich bei

  • im erheblichen Umfang Arbeitsbereitsschaft und Bereitschaftsdienst anfällt bzw.
  • ein anderer Ausgleichszeitraum festgelegt wird

Beispiele:

  • Landwirtschaft
  • Krankenhäuser/ Pflege
  • öffentlicher Dienst

Arbeitszeit und Pausen sowie zuständige Behörde
Arbeitszeitgesetz und Ruhepausen

Welche Ruhepausen sind einzuhalten?

Die Ruhepausen sind von vornherein festzulegen. Bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden müssen diese wenigstens 30 Minuten betragen, bei einer Arbeitszeit von 9 Stunden, sogar wenigstens 45 Minuten.

Pausen heißt aber nicht am Arbeitsplatz eine weniger anstrengende Arbeit zu leisten oder Überwachungstätigkeiten ausüben, sondern – um den Erholungszweck zu genügen – die freie Verfügung über diese Zeit ohne arbeitsvertragliche Verpflichtungen zu haben. Nur so ist eine Erholung möglich.


Muss der Arbeitgeber über die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes informieren?

Ja, der Arbeitgeber ist nach § 16 Abs. 1 ArbZG verpflichtet, einen Abdruck des Arbeitszeitgesetzes und der für den Betrieb geltenden (abweichenden) Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsichtnahme auszulegen oder auszuhängen. Dies wird in der Praxis häufig übersehen.


Muss der Arbeitgeber Überschreitungen des normalen Arbeitszeit dokumentieren?

Ja. Der Arbeitgeber hat die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeit­nehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der üblichen Arbeitszeit nach § 7 Abs. 7 ArbZG eingewilligt haben. Auch dies wird in der Praxis häufig übersehen.


Was ist, wenn der Arbeitnehmer „freiwillig“ länger arbeitet?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet sogar arbeitswillige Arbeitnehmer von der Überschreitung der Höchstarbeitszeitgrenzen abzuhalten, ansonsten drohen die Sanktionen nach § 22 Arbeitszeitgesetz. Es ist nachvollziehbar, dass es ansonsten die klassische Argumentation des Arbeitgebers wäre zu behaupten, dass das Arbeitnehmer freiwillig – um mehr Geld zu verdienen – länger arbeiten würde.


Was ist, wenn der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einvernehmlich im Arbeitsvertrag vereinbart hat, dass der Arbeitnehmer länger als erlaubt arbeitet?

Eine solche Vereinbarung ist nichtig, denn diese verstößt gegen eine gesetzliches Verbot, nämlich dem Arbeitszeitgesetz. Dies sind zwingende Schutzvorschriften, von denen zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden darf.


Was ist, wenn der Arbeitnehmer auf den Schutz nach dem Arbeitszeitgesetz freiwillig verzichtet?

Ein solcher Verzicht ist ebenfalls nicht möglich und damit unwirksam. Der Arbeitnehmer kann nicht auf die Einhaltung der Vorschriften des ArbZG verzichten, sodass Vereinbarungen, wonach der Arbeitnehmer zum Beispiel mehr als zehn Stunden oder länger als sechs Stunden ohne Ruhepausen zu arbeiten hat, nach § 134 BGB nichtig sind. Alle arbeitsvertraglichen Regelungen über die normale Arbeitszeit werden arbeitsgerichtlich geprüft.

Bezahlen muss der Arbeitgeber die in der betrieblichen Praxis geleistete Arbeit, auch wenn gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen wird.


Gilt das Arbeitszeitgesetz auch für Ausländer, die in Deutschland arbeiten?

Ja, das deutsche Arbeitszeitgesetz gilt unabhängig von der Staatsbürgerschaft für alle Arbeitnehmer mit dem Arbeitsort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.


Was kann der Arbeitnehmer bei Verstößen gegen des Arbeitszeitgesetzes machen?

1. Schadenersatz

Der Europäische Gerichtshof (EuGH Urteil vom 25.11.2010 – C-429/09) (Arbeitszeit Grundsatzurteil) hatte im Jahr 2010 einem Arbeitnehmer, der als Feuerwehrmann rund 54 Stunden pro Woche regelmäßig (inklusive des Bereitschaftsdienstes der normalen Arbeitszeit ist) arbeitete einen Schadenersatzanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland und seinem öffentliche rechtlichen Arbeitgeber (Stadt Halle)  aufgrund des Verstoßes gegen den Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 zugesprochen. Zur Höhe hat das Gericht nicht geurteilt; dies müsse den nationalen Gerichten /Vorschriften überlassen bleiben, da das Unionsrecht diesbezüglich keine Vorschriften enthalten. Ausdrücklich hat das Gericht betont, dass als Schadenersatz auch ein Freizeitausgleich in Betracht kommen kann, also nicht nur ein finanzieller Ausgleich.

2. Information an die zuständige Aufsichtsbehörde

Nach § 17 des Arbeitszeitgesetzes ist die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Überwachung der der Einhaltung der Vorschriften verpflichtet. In Berlin ist dies das LAGetSi – (Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin). Der Arbeitnehmer kann die zuständige Landesbehörde über die Nichteinhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes informieren, insbesondere, wenn die geleisteten Arbeitsstunden die Höchstarbeitszeit überschreiten. Diese Sanktionsmöglichkeit wird häufig übersehen; wirkt aber meist am besten. Ständige Arbeitszeitüberschreitungen (in bestimmten Branchen gehören diese häufig schon zur Normalität, wie z.B. in der Pflegebranche, sind aber trotzdem rechtswidrig) werden vom Landesamt für Arbeitsschutz gar nicht gern gesehen. Eine Anzeige kann hier sehr effektiv sein, da der Druck auf den Arbeitgeber weitaus stärker ist als wenn der Arbeitnehmer den Verstoß gegenüber dem Arbeitgeber anzeigt. Häufig nehmen Arbeitgeber dies nicht für „voll“ und meinen, dass sie in ihrem Betrieb schalten und walten können, wie sie wollen. Dass dies nicht richtig sein kann; liegt auf der Hand, da es sich hier um Schutzvorschriften zu Gunsten der Arbeitnehmer handelt. Eine entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit ist dann unumgänglich.


Straf- und Bußgeldvorschriften nach dem Arbeitszeitgesetz

Im Arbeitszeitgesetz sind in den Artikeln §§ 22 ff. Bußgeldvorschriften und sogar Strafvorschriften geregelt. Verstößt der Arbeitgeber durch Anordnung zusätzlicher Arbeitszeit gegen das Arbeitszeitgesetz, dann handelt er zumindest ordnungswidrig und muss mit einem Bußgeld rechnen. Dabei haftet der Arbeitgeber nicht nur für vorsätzlicher Verhalten, sondern auch für Fahrlässigkeit. In außergewöhnlichen Fällen macht sich der Arbeitgeber sogar strafbar.

§ 22

Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 7, 9 und 10 mit einer Geldbuße bis zu fünfzehntausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 mit einer Geldbuße bis zu zweitausendfünfhundert Euro geahndet werden.

§ 23 Strafvorschriften

(1) Wer eine der in § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 5 bis 7 bezeichneten Handlungen

1.

vorsätzlich begeht und dadurch Gesundheit oder Arbeitskraft eines Arbeitnehmers gefährdet oder

2.

beharrlich wiederholt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.


weiterführende Artikel:

1. Was ist Teilzeit, was ist Vollzeit?

2. Sonn-und Feiertagszuschlag – hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch darauf?

3. Arbeitszeit – was ist das?

4. Bereitschaftszeit gleich Arbeitszeit?

5.  Dauer der Arbeitszeit bei fehlender Angabe im Arbeitsvertrag

6. Wann verjähren Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz?

7. Neue COVID-19-Arbeitszeitverordnung

8. Arbeitszeitgesetz – wann verjähren Verstöße?

9. Zählen Pausen zur Arbeitszeit ?

10. EuGH: Urteil zu Überstunden und Arbeitszeiterfassung


spezielle landesrechtliche Vorschriften

Mecklenburg-Vorpommern (MV):

  • Arbeitszeitgesetz (dies ist Bundesrecht – ein Arbeitszeitgesetz MV gibt es nicht)
  • Landesverordnung über die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Feiertagen (Bedarfsgewerbeverordnung  – BedGewVO-MV)
  • Gesetz über Sonn- und Feiertage Mecklenburg-VorpommernFeiertagsgesetz MV)
  • Gesetz über die Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz MV)
  • Richtlinie über die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung von Ausnahmebewilligungen zur Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen gem. § 13 Abs. 4,5 und 15 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (Sonntagsarbeitsausnahmerichtlinie MV – SoArbARl MV)

Zusammenfassung

Die Höchstarbeitszeit von 8 h pro Tag ist zu beachten, welche bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. 


Wie können wir Ihnen helfen?

Sofern Sie meinen, dass Ihr Arbeitgeber gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt und eine gütliche Einigung nicht erfolgversprechend ist, beraten und vertreten wir Ihre Interessen vor den Arbeitsgerichten, insbesondere vor dem Arbeitsgericht Berlin. Rechtsanwalt Andreas Martin ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und vertritt vor allem Arbeitnehmer in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten.

Rechtsanwalt A. Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin

Ist Bereitschaftszeit zu vergütende Arbeitszeit?

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Ist Bereitschaftszeit zu vergütende Arbeitszeit?
Bereitschaftszeit = Arbeitszeit?

Ist der Bereitschaftsdienst vergütungspflichtige Arbeitszeit?

In medizinischen Berufen (Ärzte, Krankenpfleger) , bei der Feuerwehr und auch in anderen Berufen besteht das Problem, dass häufig Bereitschaftszeiten vom Arbeitnehmer in erheblichem Umfang geleistet werden müssen. Der Arbeitnehmer ist zwar während dieser Zeiten oft nicht am Arbeitsplatz, sondern überwiegend werden diese Zeiten zu Hause geleistet, allerdings kann der Arbeitnehmer in seiner „Freizeit“ nicht frei disponieren und muss immer erreichbar sein. Es stellt sich die Frage, ob diese Zeiten nun als reguläre Arbeitszeit zu werten sind, so dass der Arbeitgeber die Bereitschaftszeit zu vergüten hat.

Man muss grundsätzlich zwischen „echten“ Bereitschaftsdienst und der sog. „Rufbereitschaft“ unterscheiden. Es stellt sich auch die Frage, ob Rufbereitschaft unter bestimmten Bedingungen zu bezahlen ist.

Was ist Bereitschaftsdienst oder Bereitschaftszeit?

Im Unterschied zur Vollarbeit liegt ein Bereitschaftsdienst vor, wenn der Arbeitnehmer sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen, regulären Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Der Arbeitnehmer kann während des Bereitschaftsdienstes seine Zeit weitgehend frei gestalten und  sich ggfs. auch ausruhen. Der Arbeitnehmer muss jedoch stets in der Lage sein, unverzüglich seine Tätigkeit aufnehmen zu können. Er darf sich nicht vom Bereitschaftsort entfernen. Dies ist zusätzliche Arbeitszeit, welche zu bezahlen ist.

Was sind die vertraglichen Grundlagen eine vergütungspflichtige Bereitschaftszeit?

Als vertragliche Grundlage der Bereitschaftszeiten kommt vor allem ein Tarifvertrag aber auch der Arbeitsvertrag in Betracht.

Der geleistete Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit. Dies entspricht mittlerweile der ständigen Rechtsprechung. Sämtliche Zeiten des Bereitschaftsdienstes gehören zur Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ArbZG.

Mit der uneingeschränkten Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbZG hat der deutsche Gesetzgeber die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgenommene Auslegung des Begriffs der „Arbeitszeit“ in das deutsche Recht übernommen.

Den geleisteten Bereitschaftsdienst kann grundsätzlich als Arbeitszeit einordnen, was insbesondere für folgende Punkte Konsequenzen hat:

  • Höchstarbeitszeiten (Bereitschaftszeit =Arbeitszeit)
  • Ruhephasen (es gibt in der Regel keine Ruhezeitenwährend des Bereitschaftsdienstes)
  • Vergütung (der Bereitschaftsdienst ist zu bezahlen)

In Bezug auf die Vergütungspflicht ist aber auszuführen, dass die Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit nicht immer dazu führen muss, dass der Arbeitgeber den gleichen Lohn für die Bereitsschaftsstunden zahlen muss. Es können arbeitsvertraglich oder auch tarifvertraglich andere – also auch geringere – Stundensätze vereinbart werden.

Dabei darf aber der gesetzliche Mindestlohn nicht unterschritten werden.

Was ist der Unterschied zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst?

Vom Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft zu unterscheiden. Beide habe oft die Gemeinsamkeit der ständigen Erreichbarkeit des Mitarbeiters. Eine Rufbereitschaft liegt regelmäßig dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten hat, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Häufig wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer telefonisch (in der näheren Umgebung) erreichbar sein soll.

Der Arbeitnehmer ist bei der Wahl seines Aufenthaltsorts nur insoweit eingeschränkt, als er im Bedarfsfall die Arbeitsaufnahme gewährleisten muss.

Wichtig ist hier,dass eine Rufbereitschaft nicht zu einer unzulässigen Einschränkung des Arbeitnehmers führen darf, so dass ein bestimmter Aufenthaltsort vorgegeben wird oder eine sehr kurze Zeit für die Arbeitsaufnahme vorgeschrieben wird. In diesen Fällen liegt keine echte Rufbereitschaft vor, denn hier sind die Einschränkungen für den Arbeitnehmer vergleichbar mit dem echten Bereitschaftsdienst.

Die Rufbereitschaft ist keine Arbeitszeit. Es soll aber nochmals darauf hingewiesen werden, dass im Einzelfall sich die angebliche Rufbereitschaft als Bereitschaftsdienst herausstellen kann. Die Bezeichnung allein und die Tatsache, dass man nicht am Arbeitsort ist, sind nicht vollends ausschlaggebend für die Einordnung als Rufbereitschaft.

Im Fall des Abrufs ist die Zeit der tatsächlichen Inanspruchnahme einschließlich eventueller Wegezeiten dagegen als Arbeitszeit anzurechnen.

Achtung: Auf die Bezeichnung im Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber kommt es nicht an, sondern wie diese zusätzliche Arbeitszeit genau ausgestaltet ist. So kann eine als Rufbereitschaft bezeichnete Zeit dennoch zu vergütende Arbeitszeit sein, wenn der Arbeitnehmer hier sehr stark eingeschränkt ist.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Aktuell gibt es nun eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 11.11.2021 – Rs. C-214/20) zur Rufbereitschaft eines Feuerwehrmannes.

Der EuGH führt dazu aus, dass Art. 2 Nr. 1 der RL 2003/88/EG dahingehend auszulegen ist, dass Bereitschaftszeit, die ein Reserve-Feuerwehrmann in Form von Rufbereitschaft leistet und während deren dieser mit Genehmigung seines Arbeitgebers eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt, aber im Fall eines Notrufs innerhalb einer maximalen Frist von zehn Minuten seine Dienstwache erreichen muss, keine „Arbeitszeit“. Dabei spielte beim Fall des EuGH auch eine Rolle, dass der Feuerwehrmann noch eine anderen Tätigkeit während dieser Bereitschaftszeit ausüben durfte und auch nicht an allen von seiner Dienstwache aus durchgeführten Einsätzen teilzunehmen. Der Feuerwehrmann konnte also während der Rufbereitschaft die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen als Feuerwehrmann nicht in Anspruch genommen wurden, frei zu gestalten. Vom Ergebnis sah der Europäische Gerichtshof keine vergütungspflichte Arbeitszeit in der Rufbereitschaft.

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin – A. Martin

BAG: Umkleidezeiten von Polizisten – keine Arbeitszeit!

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BAG: Umkleidezeiten von Polizisten - keine Arbeitszeit!
Umkleidezeit = Arbeitszeit?

Bundesarbeitsgericht und vergütungspflichte Arbeitszeit

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich wieder mit der Problematik auseinanderzusetzen, was eigentlich alles zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört. Ich hatte im letzten Beitrag eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes bereits kommentiert, wobei es um die Vergütungspflicht des ärztlichen Hintergrunddienstes ging. Diese ist faktisch eine Rufbereitschaft und nach dem Bundesarbeitsgericht nicht zu vergüten.


Wegzeit und Umkleidezeit

Im jetzigen Fall des Bundesarbeitsgerichtes, der ebenfalls aktuell ist, geht es um die Frage, inwieweit Wegzeiten von Wachpolizisten zur Dienststelle, um sich dort eine eingeschlossene Pistole abzuholen und anderen Zeiten für das Anlegen von Polizeischutzausrüstung zu Hause, vergütungspflichtige Arbeitszeit ist.


> Zunächst sollen hier erst einmal einige Grundbegriffe geklärt werden.

Was ist Arbeitszeit?

Die Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Der Beginn und das Ende der Arbeitszeit richten sich jeweils nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag.


Wer bestimmt die genaue Lage der Arbeitszeit?

Der Arbeitgeber darf nach billigem Ermessen, § 315 BGB, die Verteilung bzw. die Lage der Arbeitszeit, dies heißt Beginn, Ende, Pausenzeiten, grundsätzlich aufgrund seines Direktionsrechtes einseitig bestimmen. Dieses Ermessen darf vom Gericht nur auf Mißbrauch kontrolliert werden.


Ist die Fahrzeit zur Arbeit Arbeitszeit?

Die Fahrtzeit zum Betrieb des Arbeitgebers ist grundsätzlich keine Arbeitszeit. Von daher ist diese Zeit auch nicht zu vergüten. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Betrieb, sondern zum Beispiel als Außendienstmitarbeiter direkt zu einem Kunden fährt.


Ist die Umkleidezeit Arbeitszeit die zu vergüten ist?

Die Zeit für das Umkleiden ist nur unter bestimmen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BAG eine vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Achtung: Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG 26.10.2016 – 5 AZR 168/16; BAG 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 ; BAG 06.09.2017 – 5 AZR 382/16 ) ist das Umkleiden zur Anlegung von Dienstkleidung vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn das Umkleiden fremdnützig ist.

Dies ist dann der Fall, wenn

  1. der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und
  2. das Umkleiden im Betrieb erfolgt.

Über welchen Fall hatte nun das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden?

Beim Fall des Bundesarbeitsgerichtes ging es um zwei Polizisten mit leicht unterschiedlichen Fällen. Beide Polizisten waren im Zentralen Objektschutz als Wachpolizisten in Berlin tätig.

Die beiden Wachpolizisten mussten ihren Dienst in angelegter Uniform mit dem Aufdruck POLIZEI sowie mit den persönlichen Ausrüstungsgegenständen und einer Dienstwaffe antreten. Dabei war es den Polizisten freigestellt, ob diese den Weg zur und von der Arbeit in Uniform zurücklegten und ob sie das in einer Dienststelle zur Verfügung gestellte Waffenschließfach nutzen. Einer der Wachpolizisten bewahrt die Dienstwaffe bei sich zu Hause auf und nahm dort auch das Umkleiden und Rüsten für den Dienst vor. Der andere Polizist nutzte das dienstliche Waffenschließfach, was beim Zurücklegen des Wegs von seiner Wohnung zum Einsatzort und zurück einen Umweg bedingte.

Die beiden Polizisten forderten die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide-, Rüst- und damit in Zusammenhang stehenden Wegzeiten vom Land Berlin und erhoben hier Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin.


Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte im Berufungsverfahren den Klagen der Polizisten zum Teil stattgegeben und Vergütung für die Umkleidezeiten zugesprochen.

Danach ging der Fall zum Bundesarbeitsgericht (Revision), da die Kläger/ Wachpolizisten nicht mit den Urteilen vor dem LAG Berlin-Brandenburg einverstanden waren.


Was hat das Bundesarbeitsgericht nun entschieden?

Das Bundesarbeitsgericht ist der Meinung, dass keinen der beiden Polizisten eine weitere Vergütung zusteht. Das BAG meint, dass die Wegzeit und auch die um Umkleidezeit keine vergütungspflichtige Arbeitszeit ist.


Dazu führt das Bundesarbeitsgericht in seiner Pressemitteilung 7/21 vom 31.03.2021 folgendes aus:

> Die Revisionen der Kläger hatten vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen, die Revisionen des beklagen Landes nur zum Teil Erfolg. Das Umkleiden und Rüsten mit einer besonders auffälligen Dienstkleidung, persönlichen Schutzausrüstung und Dienstwaffe ist keine zu vergütende Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer eine dienstlich zur Verfügung gestellte Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit nicht nutzt, sondern für die Verrichtung dieser Tätigkeiten seinen privaten Wohnbereich wählt. Ebenfalls nicht vergütungspflichtig ist die für das Zurücklegen des Wegs zur Arbeit von der Wohnung zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit, denn der Arbeitsweg zählt zur privaten Lebensführung. Dagegen ist die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten, es handelt sich um eine fremdnützige Zusammenhangstätigkeit. Der vom Landesarbeitsgericht geschätzte zeitliche Aufwand hierfür ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.


Anmerkung:

Bei dieser Entscheidung muss man beachten, dass die Umkleidezeit der Wachpolizisten nur deshalb keine vergütungspflichtige Arbeitszeit ist, da diese sich nicht im Betrieb umgezogen haben, sondern zu Hause. Dies ist der entscheidende Unterschied. Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes Umkleidezeiten dann als Arbeitszeit zu vergüten, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Dienstkleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgt. Der Weg zur Arbeit ist ebenfalls keine Arbeitszeit.


Weitere Artikel zur Arbeitszeit und zu deren Vergütung:

Nachfolgend finden Sie weitere Artikel zur Problematik Arbeitszeit und Vergütung der Arbeitszeit wie folgt:

  1. Arbeitszeitgesetz – wann verjähren Verstöße?
  2. Ist die Fahrtzeit zum Kunden vergütungspflichtige Arbeitszeit?
  3. Neue COVID-19-Arbeitszeitverordnung
  4. Zählen Pausen zur Arbeitszeit?
  5. Anfahrt zur Arbeitsstelle (Wegzeit) = Arbeitszeit?
  6. Anlegen der Pistole = 12 Minuten Arbeitszeit
  7. LAG Hessen: Umkleidezeit kann Arbeitszeit sein, wenn ein Umkleiden im Betrieb nicht vorgeschrieben ist.
  8. LAG Nürnberg: Arbeitgeber muss Raucherpausen nicht – wie bisher – als Arbeitszeit bezahlen!
  9. EuGH: Fahrzeit zur Arbeit kann Arbeitszeit sein
  10. Arbeitszeitgesetz – Wie lange darf man arbeiten?

Rechtsanwalt Andreas Martin – Arbeitsrecht Berlin

BAG: Keine Vergütung des ärztlichen Hintergrunddienstes!

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BAG: Keine Vergütung des ärztlichen Hintergrunddienstes!
BAG – Rufbereitschaft

ärztlicher Hintergrunddienst

Oberärzte leisten oft einen sogenannten Hintergrunddienst. Dabei sind sie örtlich nicht anwesend, sondern können sich Zuhause aufhalten, müssen aber im Notfall erreichbar sein und in bestimmten Fällen sogar dann ins Krankenhaus fahren. Dieser sogenannte Hintergrunddienst stellt die Frage danach, ob ein solcher Dienst, wie Arbeitszeit, zu vergüten ist.


Tarifverträge in Krankenhäusern regeln den Hintergrunddienst und dessen Vergütung

Eine Besonderheit besteht auch noch darin, dass für in Krankenhäusern beschäftigte Ärzte oft tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden. In vielen ärztlichen Tarifverträgen wird der Dienst als Hintergrund nicht oder nur sehr gering vergütet.


Entscheidung des BAG zur Vergütung des Hintergrundes

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun einen Fall zu entscheiden, wonach ein Oberarzt die Zeiten seines Hintergrunddienstes vergütet bekommen wollte.

> Ergebnis: > Um das Ergebnis vorwegzunehmen, das Bundesarbeitsgericht war der Meinung, dass die Hintergrunddienstzeiten des Arztes als Rufbereitschaftsdienste nicht zu vergüten sind.


> Dazu wie folgt:


Was ist Rufbereitschaft?

Rufbereitschaft ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und die Arbeit im Bedarfsfall aufzunehmen. In Tarifverträgen werden für die Rufbereitschaft teilweise andere Bezeichnungen verwandt.


Ist Rufbereitschaft zu vergüten?

Rufbereitschaft ist in der Regel nicht zu vergüten und zählt nicht zur Arbeitszeit, sondern ist Ruhezeit. Der Arbeitnehmer kann seinen Aufenthaltsort frei bestimmen und muss nur erreichbar sein.


Was ist Bereitschaftsdienst?

Bereitschaftsdienst ist eine Sonderform der Arbeitszeit und keine Ruhezeit. Der Bereitschaftsdienst ist das Verfügbarhalten des Arbeitnehmers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort mit der Pflicht zur unverzüglichen Aufnahme der Arbeit im Bedarfsfall.


Muss der Bereitschaftsdienst vergütet werden?

Da der Bereitschaftsdienst keine Ruhezeit, sondern Arbeitszeit ist, ist dieser zu vergüten.


Was ist der Unterschied zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft?

Grundsätzlich unterscheiden sich die Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst durch die unterschiedliche Bestimmung des Aufenthaltsortes. Bei der Rufbereitschaft bestimmt der Arbeitnehmer, bei der Arbeitsbereitschaft und dem Bereitschaftsdienst der Arbeitgeber den Aufenthaltsort. Die Rufbereitschaft ist Ruhezeit und von daher nicht zu vergüten. Der Bereitschaftsdienst ist vergütungspflichtige Arbeitszeit.


Ist der ärztliche Bereitschaftsdienst zu vergüten?

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist Bereitschaftsdienst von Ärzten, den diese in persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung zu leisten haben, als Arbeitszeit anzusehen (so Urteil des EuGH vom 03.10.2000 C 303/98).


Ist die ärztliche Rufbereitschaft zu vergüten?

In der Regel nicht, aber hier können Ausnahmeregelungen in Tarifverträgen vorgesehen werden.


Sachverhalt des Bundesarbeitsgerichts zur Hintergrundzeit

Der Kläger ist Oberarzt und leistet bei der Beklagten im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, auf das der TV-Ärzte/TdL Anwendung findet, außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit sog. Hintergrunddienste.

Während dieser Zeit ist der Kläger verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer er die Arbeit im Klinikum aufzunehmen hat, gibt es nicht. In der Regel wird er telefonisch in Anspruch genommen und berät dann die Ärzte im Klinikum. In seltenen Fällen muss er auch ins Klinikum fahren.

> Die Beklagte vergütet die Hintergrunddienste gemäß § 9 Abs. 1 TV-Ärzte/TdL als Rufbereitschaft iSd. § 7 Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL.

Der klagende Oberarzt möchte nun seine Hintergrunddienst bezahlt bekommen und forderte vor dem Arbeitsgericht insgesamt € 40.000 an Vergütung nach.

Das Landesarbeitsgericht sprach dem Kläger die geforderte Vergütung zu.

Die Beklagte ging daraufhin in Revision zum BAG und gewann dort den Rechtsstreit.

Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht sah in der ärztlichen Hintergrunddienstzeit nur eine Rufbereitschaft, da kein Aufenthaltsort vorgegeben war, so dass eine Vergütungspflicht nicht bestand.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. März 2021 – 6 AZR 264/20) führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 25.03.2021 (Nr. 6/21) folgendes aus:

> Bei dem vom Kläger geleisteten Hintergrunddienst handelt es sich um Rufbereitschaft. Ob ein vom Arbeitgeber im Anwendungsbereich des TV-Ärzte/TdL angeordneter (Hintergrund-)Dienst im vergütungsrechtlichen Sinn Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft ist, richtet sich ausschließlich nach nationalem Recht und nicht nach der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterscheiden sich nach den tariflichen Definitionen in § 7 Abs. 4 Satz 1 bzw. Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL dadurch, dass der Arbeitnehmer sich nach den Vorgaben des Arbeitgebers nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Maßgeblich ist also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung. Dabei ist der Arbeitnehmer allerdings auch bei der Rufbereitschaft in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei. Er darf sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur so weit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort alsbald aufnehmen kann. Das ist bei dem von der Beklagten angeordneten Hintergrunddienst noch der Fall. Mit der Verpflichtung, einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen, ist keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden. Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit im Übrigen bestehen nicht. Dass uU nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortgesetzt werden muss, steht im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft. > > Allerdings untersagt § 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Das trifft vorliegend zu. Der Kläger wird in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen und leistet zu 4 % aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeitseinsätze an, die in der Klinik fortzusetzen sind, was in mehr als einem Viertel der Rufbereitschaften vorkommt. In der Gesamtschau dieser Umstände hätte sie die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste daher nicht anordnen dürfen. Gleichwohl führt dies nicht zu der vom Kläger begehrten höheren Vergütung. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil ist nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent. Die Tarifvertragsparteien haben damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen hat der Senat respektiert.


Anmerkung: Die Unterscheidung zwischen der nicht Vergütungspflichten Rufbereitschaft und dem zu bezahlenden Bereitschaftsdienst bestimmt sich dem Grunde nach danach, ob der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort frei bestimmen kann.


Weitere Artikel zum Thema Rufbereitschaft und Arbeitszeit:

  1. Rufbereitschaft an Wochenenden ? Kündigung unzulässig bei Weigerung.
  2. Anlegen der Pistole = 12 Minuten Arbeitszeit
  3. Bereitschaftszeit = Arbeitszeit?
  4. Arbeitszeitgesetz – Wie lange darf man arbeiten?
  5. Arbeitszeitgesetz – wann verjähren Verstöße?
  6. Ist die Fahrtzeit zum Kunden vergütungspflichtige Arbeitszeit?
  7. Neue COVID-19-Arbeitszeitverordnung
  8. Zählen Pausen zur Arbeitszeit ?

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin

Arbeitszeitgesetz – wann verjähren Verstöße?

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Arbeitszeitgesetz - Verjährung von Verstößen
Verjährung

Das Wichtigste vorab:

Das Arbeitszeitgesetz sieht bei Verstößen sowohl Bußgelder als auch Straffan vor. Hier ist zu unterscheiden. Die Ordnungswidrigkeiten nach § 22 Abs. 1 Nr. 9 des Arbeitszeitgesetzes verjähren nach § 31 OWiG. Die Verjährungsfrist beträgt für alle Fälle des § 22 ArbZG zwei Jahre (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Die Verjährungsfrist für Straftaten nach § 23 ArbZG beträgt drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB).

Arbeitszeitgesetz – Verjährung

Das Arbeitszeitgesetz bezweckt den Schutz, vor allen der Gesundheit der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland. Auch soll das Gesetz die Schutz vor Sonntagsarbeit und Arbeit an Feiertagen realisieren. Dieser Zweck ergibt sich aus § 1 des Arbeitszeitgesetzes.

Die Frage ist nun, wann Verstöße des Arbeitgebers gegen das Arbeitszeitgesetz verjähren. Dabei ist zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu unterscheiden.

Ordnungswidrigkeiten und Straftaten – ArbZG

Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz drohen dem Arbeitgeber Geldbußen und Strafen. Im 7. Abschnitt sind die Straf- und Bußgeldvorschriften geregelt.

Bußgeldvorschriften – § 22 Arbeitszeitgesetz

Die Geldbußen bei Verstößen gegen das ArbZG sind in § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 10 geregelt. Nach dem Absatz 2 der Vorschrift können Geldbußen bis € 15.000 verhangen werden. Bei einen Verstoß gegen die Aushangpflicht des Gesetztes ist eine Geldbuße bis € 2.500 möglich.

Verjährung eines bußgeldrechtlichen Verstoßes des Arbeitgebers

Verstößt der Arbeitgeber gegen eine Vorgabe des § 22 Abs. 1 des ArbZG, dann handelt er ordnungswidrig und bekommt – sofern dies der Behörde bekannt wird – in der Regel eine Geldbuße. Verfolgungsbehörde ist die nach § 17 Abs. 1 ArbZG zuständige Aufsichtsbehörde. Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) ist die Aufsichtsbehörde über den Arbeitsschutz in Berliner Betrieben.

Ordnungswidrigkeiten nach dem ArbZG werden nach dem Opportunitätsprinzip verfolgt. Die Verfolgungsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob sie eine Verwarnung ausspricht oder ein Bußgeldverfahren einleitet und durchführt.

Verdichten sich allerdings die Umstände – nach Aufklärung des Verstoßes des Arbeitgebers – derart, dass möglicherweise ein Straftatbestand i.S.d. § 23 ArbZG verwirklicht ist, so hat die Aufsichtsbehörde das Verfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben. In Berlin ist die Staatsanwaltschaft Berlin bzw. die Amtsanwaltschaft Berlin hier tätig.

Ist die Ordnungswidrigkeit aber verjährt, dann kann der Arbeitgeber aber nicht mehr belangt werden.

Die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nach dem ArbZG  verjährt gem.  § 31 Ordnungswidrigkeitengesetz. Die Verjährungsfrist beträgt für die Fälle des § 22 ArbZG insgesamt zwei Jahre (siehe dazu § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Der Verjährungssbeginn liegt vor, sobald die Handlung beendet ist. Die Verjährung der Ordnungswidrigkeit kann gem. § 33 OWiG unterbrochen werden. Eine Unterbrechung erfolgt durch die erste Vernehmung des Betroffenen (Arbeitgebers) und die Bekanntgabe, dass gegen den Betroffenen das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Die Unterbrechung hat die Folge, dass die Verjährung von neuen beginnt.

Verjährung eine Straftat des Arbeitgebers

Verstößt der Arbeitgeber gegen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, so kann dieser Verstoß auch eine Straftat darstellen. Dies ist in § 23 ArbZG geregelt. Als Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorgesehen. In bestimmten Fällen der fahrlässigen Tatbegehung beträgt die Strafe bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.

Für die Verfolgung der Straftaten nach § 23 ArbZG ist nicht die Aufsichtsbehörde, sondern die Staatsanwaltschaft zuständig. Für die Verfolgung der Straftaten gilt das Legalitätsprinzip, dies heißt, dass die Staatsanwaltschaft wegen aller verfolgbaren Straftaten einschreiten muss, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO).

Die Verfolgung des Verstoßes gegen das ArbZG als Straftat kann ebenfalls verjähren. Die Verjährungsfrist dafür beträgt 3 Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Die Verjährung der Straftat beginnt, sobald die Tat beendet ist. Die Verjährung kann auch nach § 78c StGB unterbrochen werden. Wie bei der Ordnungswidrigkeit geschieht dies z.B. durch die erste Vernehmung des Beschuldigten oder die Bekanntgabe, dass gegen den Beschuldigten gerichteten Strafverfahren.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

Darf man Kurzarbeit für die Vergangenheit anordnen?

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Kurzarbeit für die Vergangenheit anordnen- darf man das?
Kurzarbeit

In vielen Firmen wird mittlerweile – aufgrund von Corona- in Kurzarbeit gearbeitet. Gerade bei der Anordnung der Kurzarbeit sind aber in der Vergangenheit viele Fehler von den Arbeitgebern gemacht worden. Diese waren oft in der Situation überfordert und haben sich vor der Anordnung der Kurzarbeit nicht anwaltlich beraten lassen, sondern hierfür Muster aus dem Internet verwendet.

Was ist Kurzarbeit?

Kurzarbeit ist zunächst nichts weiter als die Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Die regelmäßige Arbeitszeit kann dabei bis auf Null (sog. Kurzarbeit Null) abgesenkt werden.

Achtung:

Jede Änderung des Arbeitsvertrag bedarf in der Regel der Zustimmung des Arbeitnehmers.

Einseitige Anordnung der Kurzarbeit möglich?

Der Arbeitgeber kann in der Regel nicht einseitig Kurzarbeit anordnen. Eine solche Anordnung ist unzulässig. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO berechtigt zwar, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistungspflicht des Arbeitnehmers durch einseitige Anordnungen näher zu definieren bzw. auszugestalten, aber nicht zu einer Änderung des bestehenden Arbeitsvertrags und damit auch nicht zu einer vorübergehenden Verkürzung der Arbeitszeit. Die Kurzarbeit ist letztendlich eine Änderung der regelmäßigen Arbeitszeit, nämlich dessen vorübergehende Verkürzung (bis auf 0).

Kurzarbeit, wie wirksam anordnen?

Die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb ist möglich durch

  • einer einzelvertraglichen Regelung mit dem einzelnen Arbeitnehmer oder
  • durch eine Betriebsvereinbarung oder
  • durch einem Tarifvertrag oder
  • nach § 19 KSchG mit Zustimmung der Arbeitsagentur

Einseitig – ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, Betriebsrat, Tarifvertragspartei – kann der Arbeitgeber keine Kurzarbeit anordnen.

Vereinbarung über Kurzarbeit

Wie oben bereits ausgeführt wurde, muss der Arbeitgeber (falls es keine andere wirksame Kurzarbeitsregelung gibt) mit jedem Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Kurzarbeit treffen.

Eine solche Kurzarbeitsvereinbarung sollte in der Regel folgende Punkte enthalten:

  • den Umfang der Kurzarbeit,
  • den Beginn und
  • das voraussichtliche Ende der Kurzarbeit

Zu beachten ist dabei, dass das Ende der Kurzarbeit dabei auf einen Zeitpunkt gelegt werden sollte, der innerhalb der maximal geltenden Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld von grundsätzlich 12 Monaten liegt, (vgl. § 104 Absatz 1 Satz 1 SGB III).

Vereinbarung der Kurzarbeit für die Vergangenheit?

Eine solche Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich und rechtlich zulässig. Denn nach der Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 30.03.2020 ist es grundsätzlich zulässig, Kurzarbeit bei Vorliegen eines Arbeitsausfalls auch für die Vergangenheit zu vereinbaren.

Dies gilt nur dann nicht, wenn das Arbeitsentgelt bereits abgerechnet und ausbezahlt worden ist.

Änderungskündigung

Stimmt der Arbeitnehmer der Einführung der Kurzarbeit nicht zu, dann bleibt dem Arbeitgeber oft nur die Möglichkeit der sog. Änderungskündigung, um so eine vorübergehende Herabsetzung der Arbeitszeit zu erreichen.

betriebsbedingte Kündigung und Kurzarbeit

Die angeordnete Kurzarbeit beruht meist auf betriebsbedingten Gründen. Die Kurzarbeit soll betriebsbedingte Kündigungen vermeiden.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin

BAG und Auskunftsanspruch beim Annahmeverzugslohn

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Auskunftsanspruch des Arbeitgebers beim Annahmeverzugslohnanspruch des Arbeitnehmers
Annahmeverzug und Auskunft

Die Annahmeverzugslohn spielt im Arbeitsgerichtsverfahren vor allem bei Bestandsstreitigkeiten eine erhebliche Rolle. Zu sollenden Bestandsstreitigkeiten zählen vor allem Kündigungsschutzverfahren.

Annahmeverzugslohn bei Kündigung

Erhebt nämlich der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und wird das Verfahren nicht durch Vergleich beendet, sondern durch Entscheidung, dann hat der Arbeitgeber das Problem, dass er beim Verlieren des Verfahrens den rückständigen Lohn des Arbeitnehmers (Annahmeverzugslohn), vom Ablauf der Kündigungsfrist an, zu zahlen hat. Dieses Risiko nennt man Annahmeverzugslohnrisiko.

Arbeitnehmer muss sich um Arbeit bemühen

Andererseits ist es so, dass der Arbeitnehmer sich während dieses Zeitraumes um Arbeit bemühen soll. Wenn der Arbeitnehmer später den Annahmeverzugslohn einklagt, da wird der Arbeitgeber oft einwenden, dass der Arbeitnehmer sich nicht ausreichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat. Der Arbeitnehmer darf nicht nur, sondern er soll sogar während des Kündigungsschutzverfahrens woanders arbeiten. Wenn er trotz zumutbarer Arbeitsangebote ohne Grund nicht arbeitet, muss er sich den Lohn fiktiv anrechnen lassen.

Auskunftsanspruch des Arbeitgebers

Diesbezüglich hat der Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer. Wie weit dieser Anspruch geht ist umstritten.

Fall des Bundesarbeitsgerichts

Beim Fall des Bundesarbeitsgericht war streitig, ob der Arbeitnehmer Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge erteilen muss. 

Der Arbeitnehmer wollte Annahmeverzugslohn vom Arbeitgeber, nachdem er ein Kündigungsschutzverfahren gegen diesen gewonnen hatte. Der Kläger / Arbeitnehmer erhob in dem Verfahren Klage auf Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit ab Februar 2013 unter Anrechnung bezogenen Arbeitslosengeldes und Arbeitslosengeldes II. Der Arbeitgeber erhob den Einwand, der Kläger habe es böswillig unterlassen, anderweitig Verdienst zu erzielen und erhob Widerklage auf Auskunft.

Auskunft über Arbeitsplatzangebote

Danach sollte der Arbeitnehmer/ Kläger schriftlich Auskunft zu erteilen, welche Arbeitsplatzangebote dem Kläger durch die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter im Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 30. November 2015 unterbreitet wurden unter Nennung der Tätigkeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie der Vergütung in Euro.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Der Arbeitnehmer muss hier Auskunft erteilen. Das BAG (Urteil vom 27.5.2020, 5 AZR 387/19) führt dazu aus:

Die Widerklage ist begründet. Die Beklagte hat Anspruch auf schriftliche Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter dem Kläger unterbreiteten Vermittlungsvorschläge für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 30. November 2015 unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung. Grundlage des Auskunftsbegehrens ist eine Nebenpflicht des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 242 BGB.

….

b) Der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB setzt im Einzelnen voraus: (1) das Vorliegen einer besonderen rechtlichen Beziehung, (2) die dem Grunde nach feststehende oder (im vertraglichen Bereich) zumindest wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner, (3) die entschuldbare Ungewissheit des Auskunftsfordernden über Bestehen und Umfang seiner Rechte sowie (4) die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung durch den Anspruchsgegner (Staudinger/Looschelders/Olzen BGB [2019] § 242 Rn. 605). Schließlich dürfen (5) durch die Zuerkennung des Auskunftsanspruchs die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen werden (BGH 17. April 2018 – XI ZR 446/16 – Rn. 24). Der so verstandene Auskunftsanspruch dürfte inzwischen als Gewohnheitsrecht anerkannt sein (so etwa BGH 6. Mai 2004 – III ZR 248/03 – zu II 5 der Gründe; Staudinger/Bittner/Kolbe BGB [2019] § 260 Rn. 19; MüKoBGB/Krüger 8. Aufl. § 260 Rn. 12).

….

Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger der Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft verpflichtet.

a) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis und damit die erforderliche Sonderrechtsbeziehung. Die Beklagte erhebt gegen die vom Kläger geltend gemachten vertraglichen Entgeltansprüche nach unwirksamer Kündigung aus § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB (ab 1. April 2017 § 611a Abs. 2 BGB)Einwendungen nach § 11 Nr. 2 KSchG, für die sie darlegungs- und beweispflichtig ist (BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 917/06 – Rn. 56). Die Beklagte ist durch die vom Kläger erhobene Zahlungsklage in ihren vertraglichen Rechten betroffen, weil die Anrechnung anderweitig erzielten oder böswillig unterlassenen Verdienstes ipso iure erfolgt. Die Anrechnung hindert bereits die Entstehung des Annahmeverzugsanspruchs und führt nicht nur zu einer Aufrechnungslage (BAG 2. Oktober 2018 – 5 AZR 376/17 – Rn. 29 mwN, BAGE 163, 326). Die Beklagte ist hiervon ausgehend in einer Lage, in der sie die begehrten Auskünfte benötigt, um die ihr materiell-rechtlich durch § 11 Nr. 2 KSchG eröffnete Einwendung des böswilligen Unterlassens anderweitiger zumutbarer Arbeit in den Prozess einführen und so die Zahlungsansprüche des Klägers abwehren zu können.

b) Die geforderte Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung böswillig unterlassener anderweitiger Arbeit begründet ist, besteht. Der Kläger hatte sich nach der Kündigung bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet. Diese ist nach § 35 Abs. 1 SGB III verpflichtet, Arbeitsvermittlung anzubieten. Entsprechendes gilt für das Jobcenter (vgl. § 6d SGB II), das nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II Leistungen zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit erbringen soll. Zu seinen Leistungen gehört nach § 16 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Arbeitsvermittlung (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Mai 2020 § 16 Rn. 10). Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Behörden ihren gesetzlichen Aufgaben nicht nachgekommen sind und es in Bezug auf den Kläger als Bauhandwerker im Streitzeitraum keine Möglichkeit der Arbeitsvermittlung gab.

c) Die Beklagte ist in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang der Vermittlungsangebote im Ungewissen und kann sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare rechtmäßige Weise beschaffen.

aa) Der Arbeitgeber kann regelmäßig weder darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer überhaupt anderweitigen Verdienst hatte, noch kann er Angaben zur Höhe des anderweitigen Erwerbs machen (§ 11 Nr. 1 KSchG). Der Observation eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv sind rechtliche Grenzen gesetzt, denn hierbei handelt es sich um Datenverarbeitung, die nur in den Grenzen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig ist (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16 – Rn. 23, BAGE 159, 278; 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 – Rn. 23 jeweils noch zu § 32 Abs. 1 BDSG aF; Schaub ArbR-HdB/Linck 18. Aufl. § 53 Rn. 24 mwN). Erforderlich ist der konkrete Verdacht einer schweren Pflichtverletzung. Zudem muss die Überwachung einer Überprüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes standhalten. Der Detektiveinsatz muss das praktisch letzte Mittel zur Aufklärung darstellen (Byers NZA 2017, 1086, 1087). Diese Voraussetzungen liegen bei einer weitgehend „ins Blaue“ durchgeführten Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vor.

Zu dem böswilligen Unterlassen anderer zumutbarer Arbeit (§ 11 Nr. 2 KSchG) kann der Arbeitgeber jedenfalls in Bezug auf Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit und des Jobcenters erst recht keine Angaben machen. Im Hinblick auf das durch § 35 SGB I geschützte Sozialgeheimnis hat er keinen Anspruch gegen die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter auf Mitteilung der dem Arbeitnehmer unterbreiteten Vermittlungsvorschläge. Andere legale Informationsmöglichkeiten stehen ihm nicht zur Verfügung. Eine zufällige Kenntnis von Vermittlungsangeboten ist im Gegensatz zu anderweitigem tatsächlichen Verdienst nahezu ausgeschlossen. Auch aus dem Bekanntwerden der Verhängung einer Sperrzeit nach § 159 SGB III kann der Arbeitgeber nicht zuverlässig auf das Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen schließen, weil das zu einer solchen Sperrzeit führende versicherungswidrige Verhalten – wie § 159 Abs. 1 Satz 2 SGB III zeigt – ganz unterschiedliche Gründe haben kann. Ohne Auskunftsanspruch läuft damit die gesetzlich vorgesehene Anrechnungsmöglichkeit jedenfalls in Bezug auf anderweitig erzielten Verdienst und Arbeitsmöglichkeiten bei Dritten faktisch leer (vgl. APS/Biebl 5. Aufl. KSchG § 11 Rn. 28; Klein NZA 1998, 1208, 1210; Spirolke NZA 2001, 707, 712; aA offenbar ErfK/Preis 20. Aufl. BGB § 615 Rn. 111; MHdB ArbR/Tillmanns 4. Aufl. § 76 Rn. 70, die in der begehrten Auskunft einen unzulässigen Ausforschungsbeweis sehen).

bb) Hiervon ausgehend war die Beklagte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang der Vermittlungsangebote im Ungewissen. Sie hatte keine andere rechtmäßige Möglichkeit, sich die zur Begründung ihrer Einwendung nach § 11 Nr. 2 KSchG notwendigen Informationen zu beschaffen.

d) Der Kläger kann die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben. Er kennt die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter an ihn übermittelten Vermittlungsvorschläge. Der Auskunftserteilung stehen auch keine schützenswerten Interessen des Klägers entgegen, die dafür sprechen könnten, die Übermittlung von Vermittlungsvorschlägen geheim zu halten, um so der von Gesetzes wegen nach § 615 Satz 2 BGB und § 11 Nr. 2 KSchG eintretenden Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes zu entgehen (vgl. zu § 11 Nr. 1 KSchG Klein NZA 1998, 1208, 1210). Der Kläger hat solche Umstände nicht vorgetragen, sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Insbesondere begründet das die Agentur für Arbeit und das Jobcenter gegenüber dem Arbeitgeber nach § 35 SGB I bindende Sozialgeheimnis im Verhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber kein schützenswertes Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung der ihm übermittelten Vermittlungsvorschläge. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sowohl § 615 Satz 2 BGB als auch § 11 Nr. 2 KSchG eine Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes ausdrücklich vorsehen und somit im Gesetz bereits angelegt ist, dass der Arbeitgeber im Annahmeverzugsprozess von anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten Kenntnis erlangen kann.

e) Durch die Gewährung eines Auskunftsanspruchs über Vermittlungsvorschläge der staatlichen Arbeitsvermittlungsstellen wird die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess nicht unzulässig verändert. Denn allein durch die Information über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters ist nicht zwangsläufig der Einwand der Böswilligkeit des Unterlassens anderweitiger zumutbarer Arbeit begründet. Dieser Einwand ist auf den nach der Auskunft erfolgenden Vortrag des Arbeitgebers noch zu prüfen. Deshalb wird mit dem Auskunftsanspruch auch nicht der Ausnahmecharakter des § 11 Nr. 2 KSchG infrage gestellt (so aber Hessisches LAG 11. Mai 2018 – 10 Sa 1628/17 – Rn. 60). Vielmehr ist es nach Erteilung der Auskunft noch immer am Arbeitgeber, diese Einwendung so substanziell zu begründen, dass sich der Arbeitnehmer im Wege abgestufter Darlegungs- und Beweislast hierzu einlassen kann.

f) Soweit ein Auskunftsanspruch unter Berufung auf die Rechtsprechung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2000 abgelehnt wird, wonach nicht einmal das Unterlassen der Meldung des Arbeitnehmers beim Arbeitsamt [heute: Agentur für Arbeit] als arbeitssuchend das Merkmal des böswilligen Unterlassens erfülle und den Arbeitnehmer keine Obliegenheit treffe, die Vermittlung der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen (vgl. BAG 16. Mai 2000 – 9 AZR 203/99 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 94, 343), hält der nunmehr für Rechtsfragen des Annahmeverzugs zuständige Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Sie erging angesichts einer anderen Rechtslage. Der Arbeitnehmer ist nunmehr aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 5 SGB III zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten und daneben verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden, § 38 Abs. 1 SGB III. Dabei handelt es sich zwar zunächst um eine rein sozialversicherungsrechtliche Meldeobliegenheit, mit der vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke verfolgt werden, weshalb an eine verspätete Meldung sozialrechtliche Folgen geknüpft sind, wie zB die Minderung der Anspruchsdauer für den Bezug von Arbeitslosengeld, § 148 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Doch hat die Meldepflicht auch im Rahmen der Anrechnungsvorschriften beim Annahmeverzug Beachtung zu finden, weil dem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich das zugemutet werden kann, was ihm das Gesetz ohnehin abverlangt. Zudem können die sozialrechtlichen Handlungspflichten bei Auslegung des Begriffs des böswilligen Unterlassens am Maßstab der gemeinsamen Vertragsbeziehung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Bayreuther NZA 2003, 1365, 1366).

4. Inhaltlich hat der Kläger Auskunft über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung zu erteilen.

a) Entgegen der Revision ist der Tenor der Auskunftsverpflichtung unzweifelhaft in dieser Weise zu verstehen (zur Auslegung des Antrags oben Rn. 10 ff.). Zur Klärung des Verständnisses der Begriffe Arbeitsplatzangebot und Vermittlungsvorschlag ist der Gesamtzusammenhang des Streitfalls in den Blick zu nehmen. Das Begehr der Beklagten ist offensichtlich darauf gerichtet, vom Kläger Auskunft über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit sowie des Jobcenters zu erhalten. Dies korrespondiert mit den Begrifflichkeiten der gesetzlichen Regelungen im Sozialversicherungsrecht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Hinweispflicht rügt, hat der Senat die Verfahrensrüge geprüft. Sie ist unzulässig, von einer Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

b) Die Auskunft ist in Textform iSv. § 126b Satz 1 BGB zu erteilen. Sie hat sich auf die Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung zu erstrecken. Nur wenn der Arbeitgeber von diesen Arbeitsbedingungen der Vermittlungsvorschläge Kenntnis hat, ist er in der Lage, Indizien für die Zumutbarkeit der Arbeit und eine mögliche Böswilligkeit des Unterlassens anderweitigen Erwerbs vorzutragen. Sodann obliegt es im Wege abgestufter Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, diesen Indizien entgegenzutreten und darzulegen, weshalb es nicht zu einem Vertragsschluss gekommen ist bzw. ein solcher unzumutbar war.

5. Der Kläger hat den Auskunftsanspruch nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Von einer Erfüllung kann bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger neben dem im Verlauf des Verfahrens zugestandenen Vermittlungsvorschlag in Bezug auf die Z GmbH selbst vorgetragen hat, dass es weitere Vermittlungsvorschläge gegeben, hierzu jedoch keine inhaltlich tragfähige Auskunft erteilt hat.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Neue COVID-19-Arbeitszeitverordnung

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Änderungen im Arbeitszeitgesetz  wegen Corona

In bestimmten Branchen geltend nun – aufgrund der Corona-Krise – andere Höchstarbeitszeiten und Pausenzeiten. Diese Regelungen sind befristet bis zum 30.6.2020 und wurden am 7.4.2020 auf Grundlage von § 14 Abs. 4 ArbZG n.F. durch die Verordnung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der COVID-19-Epidemie (COVID-19-Arbeitszeitverordnung – COVID-19-ArbZV) erlassen

Änderungen der Arbeitszeit wegen Corona

neue Regelungen zur Arbeitszeit

werktägliche Arbeitszeit

Die werktägliche Arbeitszeit kann grundsätzlich auf bis zu 12 Stunden verlängert werden.

Allerdings muss Innerhalb von 6 Monaten muss ein Ausgleich auf 8 Stunden werktäglich (48 Stunden wöchentlich) erfolgen.

Eine wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden darf – von dringenden Ausnahmefällen abgesehen – nicht überschritten werden.

Achtung

Werktäglich bedeutet von Montag bis Samstag, also das Bestehen einer 6- Tage-Woche.

tägliche Ruhezeiten auf Arbeit

Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu 2 Stunden verkürzt werden.

Eine Mindestruhezeit von 9 Stunden darf nicht unterschritten werden. Jede Verkürzung der Ruhezeit ist innerhalb von 4 Wochen auszugleichen.

Hinweis

Die neuen Regelungen sind zeitlich befristet.

Arbeit an Sonn- und Feiertagen

Sonn- und Feiertagsarbeit ist dann zulässig, wenn die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können.

Der Ersatzruhetag für Sonntagsbeschäftigung kann innerhalb von 8 Wochen gewährt werden, spätestens aber bis 31.7.2020.

Hinweis

Die neuen Regelungen gelten nur für bestimmte Branchen.

Branchen

Die obigen Regelungen über die Ausweitung der Arbeitszeit gelten für folgende Branchen:

  • Herstellen, Verpacken und Liefern von wichtigen Waren (z.B. Medizin / Lebensmittel)
  • medizinische Behandlungen,
  • Pflege sowie Betreuung und Versorgung von Personen
  • Not- und Rettungsdienste
  • Feuerwehr und Zivilschutz
  • Gerichte, Behörden, Polizei
  • Energie- und Wasserversorgungsbetriebe
  • Abfall- und AbwasserentsorgungsbetriebeLandwirtschaft
  • Sicherheitsdienste
  • Informatikbetrieb
  • Apotheken und Sanitätshäuser.

Hinweis

Die Verordnung ist bis zum 31.7.2020 befristet; die Regelungen gelten aber nur bis zum 30.6.2020.

 

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin