Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Betriebsfest nur mit 2G+ und negativen Test

Betriebsfeier mit strengen Corona-Regelungen
Viele Arbeitgeber haben interne, betriebliche Regelungen getroffen, die die Voraussetzungen den Zugang zum Betrieb/ Arbeitsplatz festlegen. Es schon einige Entscheidungen von Arbeitsgerichten, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich bestimmte Corona-Zugangsregelungen (Testpflicht etc) am Arbeitsplatz treffen darf.
Gesundheitsberufung mit strengen Sonderregelungen
In den Gesundheitsberufen gibt es darüber hinaus ja nun auch eine Pflicht zum Nachweis der Impfung.
Sogar für Betriebsfeiern darf der Arbeitgeber bestimmte Zugangsbeschränkungen – Pandemiepläne – aufstellen.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
So jedenfalls nach einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Eine Klinik hatte für ihre Beschäftigte ein Betriebsfest an einem auswärtigen Veranstaltungsort ausgerichtet. Die Klinik verhängte aber strenge Zugangsregelung zur Betriebsfeier. Nach der Klinik war erforderlich, dass eine gültige, vollständige Impfung und/oder Genesung sowie eine auch Auffrischimpung und darüber hinaus ein tagesaktueller negativer Antigenschnelltest erforderlich waren (2 G+ und negativer Schnelltest).
einstweiliger Rechtschutz eines Arbeitnehmers
Dies sind schon sehr strenge Anforderungen und ein Arbeitnehmer wollte sich dies nicht gefallen lassen und wollte den Zugang zur Betriebsfeier erstreiten ohne dass er den entsprechenden strengen Zugangsregelung unterworfen wird.
Er versucht im Wege der einstweiligen Anordnung den Zugang zur Betriebsfeier zu erreichen.
Entscheidungen des Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin lehnte dies ab und in dem Verfahren der zweiten Instanz (Beschwerdeverfahren) bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das entsprechende Urteil.
Begründung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das LAG Berlin-Brandenburg (6 Ta 673/22) führte in seiner Pressemitteilung Nr. 14/22 vom 04.07.2022 dazu folgendes aus:
Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Teilnahme an dem Sommerfest ohne Einhaltung dieser Vorgaben. Eine besondere Rechtsgrundlage für die Zugangsbeschränkungen sei entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers nicht erforderlich. Die Klinik handle nicht hoheitlich. Vielmehr sei eine Anspruchsgrundlage für den begehrten Zutritt erforderlich. Ansprüche ergäben sich schon deshalb nicht aus dem Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin (LADG), weil dieses gemäß § 3 Absatz 1 LADG auf öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Klinik nur anwendbar sei, soweit diese Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Dies sei bei der Ausrichtung einer Betriebsfeier nicht der Fall. Aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) könnten sich keine Ansprüche ergeben, weil der Arbeitnehmer keine Benachteiligung aufgrund hier genannter Merkmale geltend mache. Er behaupte keine Behinderung und eine etwa aus diesem Grund nicht mögliche Impfung. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Hiernach müsse eine vorgenommene Gruppenbildung bei der Gewährung von Leistungen – hier dem Zutritt zum Betriebsfest – sachlich gerechtfertigt sein. Die sachliche Rechtfertigung sei hier schon angesichts der gesetzlichen Wertung in § 20a Infektionsschutzgesetz gegeben. Hiernach gebe es für Beschäftigte in Kliniken besonderen Anlass für Schutzmaßnahmen, insbesondere auch in Form eines Impf- oder Genesenennachweises. Für das Infektionsrisiko spiele es keine Rolle, ob es um Zusammenkünfte bei der Arbeit oder anlässlich einer Betriebsfeier gehe. Ferner sei für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ein besonderer Verfügungsgrund erforderlich, das heißt, dass dem Arbeitnehmer erhebliche Nachteile drohen, die außer Verhältnis zu einem möglichen Schaden der Klinik stünden. Solche Nachteile ergäben sich allein aufgrund einer unterbliebenen Teilnahme an einer Betriebsfeier nicht. Erst recht gelte dies in Abwägung mit möglichen Nachteilen des Klinikbetriebes im Hinblick auf Infektionsrisiken.
Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
LAG Berlin-Brandenburg (6 Ta 673/22) in der Pressemitteilung Nr. 14/22 vom 04.07.2022
Anmerkung:
Das LAG dreht hier den Spieß um. Nicht der Arbeitgeber muss eine Rechtsgrundlage für die strengen Zugangsvoraussetzungen nachweisen, sondern der Arbeitnehmer braucht eine solche für den begehrten Zugang zur Betriebsfeier ohne Einhaltung der strengen Corona-Vorgaben. Eine solche Rechtsgrundlage sah das LAG hier auf Seiten des Arbeitnehmers nicht, zumal es hier nicht um den Zugang zum Arbeitsplatz ging, sondern nur um eine Feier.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fristlose Kündigung – Lehrer mit Tätowierung „Meine Ehre heißt Treue“

Ein Lehrer (gelernter Lebensmittelchemiker – in der Schule seit 2016) im öffentlichem Dienst im Land Brandenburg zog bei einem Schulsportfest aufgrund großer Hitze sein T-Shirt aus. Die Schüler und auch die Kollegen konnten nun die Tätowierungen sehen.
Tätowierungen mit rechtsextremen Inhalt
Der Lehrer hatte u.a. folgende Tätowierungen: Am rechten Oberarm den Schriftzug „Legion Walhalla“ und auf dem linken Oberarm den Schriftzug „Odin statt Jesus“, jeweils in Frakturschrift. Im Bauchbereich stand „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift darunter – nur bei bei stark abgesenktem Hosenbund zu sehen – stand unter dem Wort Treue der Zusatz „Liebe Familie“.
Stellungnahme gegenüber der Schule
Der Lehrer wurde auf dem Sportfest von einem Kollegen fotografiert und später wurde diese vom Schulleiter zu Rede gestellt. Er gab an, dass er keine rechte Gesinnung und keine Bezug zum Rechtsextremismus habe und ließ teilweise auch die Tätowierungen übertätowieren.
Strafverfahren und Verurteilung
Der Lehrer erstattete bei der Polizei daraufhin Selbstanzeige. Es erging ein Strafbefehl zu 40 Tagessätzen zu je 50,00 € aufgrund des Tattoos „Meine Ehre heißt Treue“ wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Lehrer legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein und das Amtsgericht Oranienburg verurteilte den Kläger daraufhin zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Dagegen legte der Lehrer Berufung ein und wurde zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.
Stellungnahme des Verfassungsschutzes
Das Schulamt legte dem Verfassungsschutz das Foto vom Oberkörper des Lehrers mit der Bitte um Bewertung vor. Der Staatsschutz äußerte gegenüber dem Schulamt, dass die Zurschaustellung der Symbole auf einen „harten Rechtsextremismus“ hindeute und erhebliche Zweifel an der Treuepflicht sowie an dem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Lehrers bestünden.
fristlose Kündigung durch das Land
Das Land Brandenburg kündigte daraufhin dem Lehrer das Arbeitsverhältnis außerordentlich (und fristlos) und hilfsweise ordentlich.
Kündigungsschutzverfahren in Brandenburg und Berlin
Dagegen erhob der Lehrer Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht Neuruppin. Das Land legte Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg ein und gewann dort das Kündigungsschutzverfahren.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 11.5.2021 – 8 Sa 1655/20) entschied zu Gunsten des klagenden Landes führte dazu aus:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 20.11.2019 zum 22.11.2019 aufgelöst. Die fehlende Eignung des Klägers stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Dem beklagten Land ist die weitere Beschäftigung des Klägers unzumutbar.
Ein offenbar gewordener Mangel an der Eignung eines Arbeitnehmers kann „an sich“ einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen (BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197 Rn. 14 zur fehlenden Eignung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln).
Ein Eignungsmangel kann aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers folgen. Die Verfassungstreue ist Bestandteil des Begriffs „Eignung“ in Art. 33 Absatz 2 GG (BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 23 unter Hinweis auf BVerfG, 08.07.1997 – 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95 und 1 BvR 2189/95, NJW 1997, 2307). Ob entsprechende Zweifel zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen können, hängt entscheidend davon ab, ob diese die allgemeine Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers oder das konkrete Aufgabengebiet des Arbeitnehmers berühren. Das wiederum hängt maßgeblich davon ab, welche staatlichen Aufgaben der Arbeitgeber wahrzunehmen hat, welche Verhaltenspflichten dem Arbeitnehmer obliegen und welches Aufgabengebiet innerhalb der Verwaltung er zu bearbeiten hat (BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rn. 23; BAG, 20.07.1989 – 2 AZR 114/87, NZA 1990, 614).
Ein Lehrer muss den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte unserer Verfassung vermitteln. In öffentlichen Schulen sollen die Kinder und Jugendlichen erkennen, dass Freiheit, Demokratie und sozialer Rechtsstaat Werte sind, für die einzusetzen es sich lohnt. Hat der Lehrer selbst kein positives Verhältnis zu den Grundwerten und Grundprinzipien unserer Verfassung, kann er den ihm anvertrauten Schülern nicht das Wissen und die Überzeugung vermitteln, dass diese Demokratie ein verteidigungswertes und zu erhaltendes Gut ist. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ein solcher Lehrer die Schüler in seinem Sinne gegen die Grundwerte unserer Verfassung beeinflusst. Die Schüler sind diesen Einflüssen meist hilflos ausgeliefert. Die Lehrtätigkeit ist deshalb eine „Aufgabe von großer staatspolitischer Bedeutung“ (BAG, 31.03.1976 – 5 AZR 104/74, BAGE 28, 62 zu III. 1. e); BVerwG, 06.02.1975 – II C 68/73, NJW 1975, 1135 – zu II 2c der Gründe). Von dieser Erziehungsaufgabe ist der Kläger nicht deshalb entbunden, weil er in der Schule Naturwissenschaften unterrichtet. Die Vermittlung der Grundwerte der Verfassung liegt als allgemeines Erziehungs- und Unterrichtsprinzip der gesamten Tätigkeit eines Lehrers zu Grunde (BAG, 31.03.1976 – 5 AZR 104/74, BAGE 28, 62 zu III. 1. e).
Das Tragen einer Tätowierung stellt eine Pflichtverletzung dar, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere Pflichten verstößt. Das ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt – wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86 a Absatz 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht offenbart (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 54). Der Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht steht nicht entgegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen weder strafrechtlich zu beanstanden sind noch einen unmittelbaren Bezug zum Dritten Reich aufweisen (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn. 55; BVerfG, Beschluss vom 06.05.2008 – 2 BvR 337/08, NJW 2008, 2568 Rn. 31 und 34). Soweit durch Tätowierungen die Verfassungstreuepflicht berührt ist, betrifft dies ein unmittelbar kraft gesetzlicher Anordnung und Verfassungsrecht geltendes Eignungsmerkmal (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rn.56 unter Verweis auf VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.08.2017 – 2 L 3279/17, BeckRS 2017, 122612 Rn. 15).
aa. Die Tätowierung der unter Strafe stehenden Losung „Meine Ehre heißt Treue“ begründet den Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht.
Nach § 86 a StGB steht das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe. Bei dem Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ handelt es sich um die Losung der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) und geht auf Adolf Hitlers Satz „SS-Mann, deine Ehre heißt Treue!“ aus dem Jahr 1931 zurück (https://de.wikipedia.org/wiki/Meine_Ehre_hei%C3%9Ft_Treue). Die Verwendung der Losung steht gemäß § 86 a StGB unter Strafe (Bundesamt für Verfassungsschutz: Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und verbotene Organisationen, Oktober 2018, S. 65; https://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/die-extreme-rechte/lifestyle/gru%C3%9Fformen-und-losungen). Durch das Sichtbarmachen beim Sportfest hat der Kläger auch gezeigt, dass er sich mit dem Tattoo identifiziert.Die Verfassungstreuepflichtverletzung wird nicht dadurch relativiert oder gar negiert, dass der Kläger sich unter das Wort „Treue“ die Worte „Liebe Familie“ hat tätowieren lassen. Während sich der Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift über den gesamten Bauchbereich über dem Hosenbund zieht, sind die Worte „Liebe Familie“ nur bei stark abgesenktem Hosenbund sichtbar. D. h., wenn der Kläger sich mit unbedecktem Oberkörper zeigt, ist der Zusatz für Dritte nicht lesbar. Die Relativierung, die der Kläger durch den Zusatz glauben machen will, tritt daher nicht offen zutage. Hätte der Kläger eine aus Treue, Liebe und Familie zusammengehörende Botschaft transportieren wollen, hätte er eine andere Anordnung gewählt.
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE210010611
Anmerkung: Politische Tatoos bei Lehrern sind problematisch. Hier wurde durch die Tätowierung sogar eine Straftat begangen. Weshalb der Lehrer die „Selbstanzeige“ bei der Polizei gemacht hat, ist unverständlich.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Haftung des Bauherrn für Sozialversicherungsabgaben des Subunternehmers?

Nicht selten beauftragt ein Bauherr – bei größeren Bauvorhaben– einen Generalunternehmer, der dann wiederum Subunternehmer beauftragt. Kann der Subunternehmer die Sozialversicherungsabgaben / den Lohn für seine Arbeitnehmer nicht zahlen, haftet der Generalunternehmer nach § 14 des Arbeitnehmerentsendegesetzes für das Mindestentgelt wie ein Bürge.
§ 14 lautet:
Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt im Sinne des Satzes 1 umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt).
Keine Haftung der Bauherrin für ausstehende Lohnzahlungen von Subunternehmern
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über folgenden Fall zu entscheiden:
Die beklagte Bauherrin hatte auf einem ihr gehörenden Grundstück in Berlin ein Einkaufszentrum (Mall for Berlin) errichten lassen, das sie verwaltet und in dem sie Geschäftsräume an Dritte vermietet. Für den Bau des Gebäudes beauftragte die Beklagte einen Generalunternehmer, der mehrere Subunternehmer einschaltete. Bei einem dieser Subunternehmer war der Kläger (Arbeitnehmer) als Bauhelfer beschäftigt. Der Subunternehmer / Arbeitgeber des Klägers blieb diesem – trotz rechtskräftiger Verurteilung in einem Arbeitsgerichtsprozess – Lohn schuldig.
Über das Vermögen des Generalunternehmers wurde zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet, so dass auch bei diesem nicht mehr viel zu holen war.
Der Kläger hatte deshalb wegen des ihm für seine Arbeit auf der Baustelle des Einkaufszentrums noch zustehenden Nettolohns die beklagte Bauherrin in Anspruch genommen und vor dem Arbeitsgericht Berlin verklagt. Er trug im Prozess dazu vor, dass auch die beklagte Bauherrin hafte nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz als Unternehmerin für die Lohnschulden eines Subunternehmers.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 2018 – 21 Sa 1231/17 – hat die Berufung des klagenden Arbeitnehmers zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 5 AZR 241/18 -) keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Pressemitteilung 31/19 vom 16.10.2019 folgendes aus:
Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte unterliegt als bloße Bauherrin nicht der Bürgenhaftung des Unternehmers nach § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz* (AEntG). Der Begriff des Unternehmers ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vorgängerregelung in § 1a AEntG aF nach dem vom Gesetzgeber mit dieser Bestimmung verfolgten Sinn und Zweck einschränkend auszulegen. Erfasst wird nur der Unternehmer, der sich zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Gibt er auf diese Weise die Beachtung der zwingenden Mindestarbeitsbedingungen aus der Hand, ist es gerechtfertigt, ihm die Haftung für die Erfüllung der Mindestlohnansprüche der auch in seinem Interesse auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer aufzuerlegen. Dies trifft auf die Beklagte nicht zu. Sie hat lediglich als Bauherrin den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf an einen Generalunternehmer erteilt und damit nicht die Erfüllung eigener Verpflichtungen an Subunternehmer weitergegeben. Mit der Vergabe des Bauauftrags schaffte sie nur die Grundlage dafür, ihrem Geschäftszweck, der Vermietung und Verwaltung des Gebäudes, nachgehen zu können.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Teilzeitbeschäftigte müssen nicht im gleichen Umfang am Wochenende arbeiten, wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer
Eine mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit – teilzeitbeschäftigter – Arbeitnehmerin darf nicht im gleichen Umfang zu Wochenenddiensten herangezogen werden wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Betrieb. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden und verwies dabei auf das Verbot der Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer.
Sachverhalt
Eine Medizinisch-Technische Laborassistentin übte laut Arbeitsvertrag eine Teilzeitbeschäftigung mit 19,25 Wochenstun- den an regelmäßiger Arbeitszeit aus. Die regelmäßige Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer war im Betrieb rund 40 h pro Woche.
gleiche Wochenarbeitszeit für Teilzeitbeschäftigte
Für die Arbeit am Wochenende wurde die Arbeitnehmerin aber mit der gleichen Anzahl an Wochenenddiensten und Wochenendstunden eingeteilt wie Kollegen, die in Vollzeit beschäftigt waren.
Arbeitsgericht Berlin – wies Klage ab
Dagegen klagte die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht Berlin.
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sah dies aber anders.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg – Diskriminierung gegenüber Vollzeitbeschäftigten
Das LAG sah in der Praxis des Arbeitgebers eine sachlich nicht begründete Schlechterstellung der Arbeitnehmerin und damit eine unzulässige Diskriminierung.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 20.8.15, 26 Sa 2340/14) führte dazu aus:
Nach § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft. § 4 TzBfG schützt dabei vor einer unmittelbaren Benachteiligung ebenso wie vor einer mittelbaren. (vgl. BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 53/14 (F), Rn. 17).
Das BAG hat es in der Entscheidung vom 1. Dezember 1994 (6 AZR 501/94, zu II 3 b der Gründe) noch dahinstehen lassen, ob unzulässige Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit vorliegen könne, wenn durch eine Wochenendregelung die Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten nicht im gleichen Verhältnis wie bei den Vollzeitbeschäftigten auf den Wochenenddienst und den Dienst an den übrigen Wochentagen verteilt würde. Es hat sich in der Entscheidung darauf beschränkt, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine ungerechtfertigte Diskriminierung eines Teilzeitbeschäftigten vorliegt, wenn ein Teilzeitbeschäftigter an gleich vielen Wochenendtagen herangezogen wird wie ein Vollzeitbeschäftigter. Diese Rechtsprechung hat das BAG in seinem Urteil vom 24. April 1997 (2 AZR 352/96, zu II 2 b der Gründe) fortgeführt. Es hat darin klargestellt, dass das gesetzliche Benachteiligungsverbot alle Arbeitsbedingungen erfasst. Das gelte insbesondere auch für die Möglichkeit der Freizeitgestaltung an Wochenenden, weil die zusammenhängende Freizeit an den Wochentagen Samstag/Sonntag ganz allgemein als erstrebenswert und vorteilhaft angesehen werde.
Bei Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte benachteiligt die Beklagte die Klägerin wegen ihrer Teilzeit dadurch gegenüber Vollzeitbeschäftigten, dass sie sie – bezogen auf die jeweiligen Arbeitszeiten Teilzeitbeschäftigter und Vollzeitbeschäftigter innerhalb der Woche – in größerem Umfang zu Wochenenddiensten heranzieht als Vollzeitbeschäftigte, ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gibt, der geeignet wäre diese Praxis zu rechtfertigen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Können arbeitsvertragliche Fristen durch einen Tarifvertrag verlängert oder verkürzt werden?
In fast allen Arbeitsverträgen findet man Regelungen über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und die hierbei einzuhaltenden Fristen. Meistens wird hierbei auf die gesetzlichen Regelungen des § 622 BGB verwiesen oder im Arbeitsvertrag selbst werden diese Regelungen zitiert.
gesetzliche Regelungen über die Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag- § 622 BGB
So wird fast immer geregelt, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten und innerhalb dieser Probezeit das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen (taggenau) gekündigt werden kann (siehe dazu § 622 Abs. 3 BGB).
Abweichung von den gesetzlichen Kündigungsfristen durch Arbeitsvertrag einschränkt möglich
Eine Abweichung von diesen gesetzlichen Regelungen durch eine andere arbeitsvertragliche Regelung, ist nur eingeschränkt möglich. Der Arbeitgeber kann hier also nicht beliebig die Fristen im Arbeitsvertrag-abweichend von der gesetzlichen Regelung-anders festlegen (vgl. § 622 Abs. 5 BGB und § 622 Abs. 6 BGB). So ist eine Verkürzung der 4-wöchigen Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 1 BGB = Grundkündigungsfrist) nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig (Aushilfsarbeitsverhältnis/ Kleinbetrieb) und darüber hinaus darf auch die arbeitsvertraglich geänderte Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer nicht länger sein als für den Arbeitgeber.
Abweichung von den gesetzlichen Kündigungsfristen durch Tarifvertrag möglich
Anders ist dies allerdings, wenn hier tarifvertragliche Regelungen andere Kündigungsfristen als die gesetzlichen bestimmen. Gemäß § 622 Abs. 4, Satz 1 BGB sind alle Kündigungsfristen tarifdispositiv, d.h., dass aufgrund eines Tarifvertrages von diesen gesetzlichen Kündigungsfristen abgewichen werden darf.
§ 622 BGB regelt von daher im Abs. 4:
(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.
Mit dieser Regelung soll den Besonderheiten einzelner Wirtschaftsbereiche und Beschäftigungs Gruppenrechnung getragen werden.
Es ist sogar möglich, dass die (ordentliche) Kündigungsfrist zum Beispiel in der Probezeit durch Tarifvertrag auf einen Tag verkürzt wird (so das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 28.10.2005, Az.: 13 Sa 1555/05).
Denkbar wäre sogar eine entfristete Kündigung (sofortige ordentliche Kündigung).
In vielen Rahmentarifverträgen (z.B. BRTV-Bau) findet man solche – von den gesetzlichen Kündigungsfristen – abweichende Fristen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG München: Schadenersatz wegen nicht gewährten Urlaub besteht auch ohne Verzug des Arbeitgebers!
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte bereits im Jahr 2014 entschieden, dass – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG – der Arbeitgeber von sich aus verpflichtet ist dem Arbeitnehmer Urlaub zu gewähren mit der Konsequenz, dass bei Nichtgewährung ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers besteht, sofern der Arbeitgeber die nicht rechtzeitige Urlaubsgewährung nicht zu vertreten hat. Ein Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung ist nicht erforderlich für diesen Schadenersatzanspruch, so das LAG Berlin-Brandenburg.
Auch das Landesarbeitsgericht München hat sich dieser Auffassung angeschlossen.
Das LAG München (Urteil vom 6.5.2015 – 8 Sa 982/14) führte dazu aus:
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubes nach § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 BGB i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB, der sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs. 1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt, nicht nur dann, wenn sich der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Untergangs des originären Urlaubsanspruchs mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hat, sondern bereits dann, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, dem Arbeitnehmer von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren.
Es kommt also nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer Urlaub beantragt und dadurch
den Arbeitgeber nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verzug gesetzt hat. ………………Dem Anspruch des Klägers steht so nicht entgegen, dass er keinen Urlaub beantragt hat.Der Beklagte war verpflichtet, dem Kläger seinen gesetzlichen Urlaub auch ohne
vorherige Aufforderung rechtzeitig zu gewähren. Dies folgt aus der Auslegung des Bun-
desurlaubsgesetzes unter Berücksichtigung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Ra-
tes über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 04.11.2003 („Arbeitszeitrichtli-
nie“).
Anmerkung:
Die obigen Entscheidungen sind in der Praxis von erheblicher Bedeutung. Sowohl das LAG Berlin-Brandenburg als auch das LAG München haben die bisherige Rechtsprechung des BAG zur Urlaubsgewährung „auf den Kopf gestellt“. Nach dem BAG muss der Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag stellen und den Arbeitgeber zur Urlaubsgewährung auffordern, um später – bei Nichtgewährung – einen Schadenersatzanspruch zu haben, während nach den obigen Entscheidungen nun der Arbeitgeber für die Gewährung des Urlaubs von sich aus verantwortlich ist , ansonsten setzt er sich – wenn der Urlaub verfällt – Schadenersatzansprüchen aus. Besteht das Arbeitsverhältnis fort besteht der Schadenersatzanspruch auf Gewährung der Anzahl der Urlaubstage, die verfallen sind, ist das Arbeitsverhältnis beendet und kann von daher der Urlaub nicht mehr genommen werden, besteht ein Urlaubsabgeltungsanspruch. Die obigen Entscheidungen der LAG basieren auf Art. 7 der europarechtlichen Richtlinie 2003/88/EG (Urlaubsrichtlinie). Als das BAG seine Rechtsprechung zur Urlaubsgewährung begründete, gab es diese Richtlinie noch nicht und von daher bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht nun seine Rechtsprechung zur Urlaubsgewährung entsprechend ändert.
Rechtsanwalt Andreas Martin
- Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Unwahre Angaben im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich mit folgendem Fall zu beschäftigen:
Ein Berliner Rechtsanwalt erhob für seine Mandanten Klage gegen den Arbeitgeber und verlangte noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt. Zuvor hatte er gegen den Arbeitgeber für seine Mandantin Kündigungsschutzklage eingereicht und das Verfahren durch einen Vergleich beendet. In diesem Verfahren ( Kündigungsschutzverfahren) hatte der Anwalt für seine Mandantin Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt. Bereits hier gab es schon Unklarheiten, insbesondere wurden die Kontoauszüge unkenntlich gemacht. Die Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts wurde allerdings gewährt.
In den Verfahren auf Lohnklage beantragt Rechtsanwalt für seine Mandantin ebenfalls Prozesskostenhilfe, er reichte dazu aber keine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mandanten ein, sondern verwies auf die ursprüngliche Erklärung, dem Kündigungsschutzverfahren von seiner Mandantin abgegeben wurde. Er gab dazu an, dass keine Änderungen eingetreten seien.
Das Arbeitsgericht Berlin forderte die Arbeitnehmerin über ihren Rechtsanwalt auf nochmals die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. Dies machte dann die Klägerin und es ergab sich zunächst aus der Erklärung, dass die Klägerin mittlerweile ein Kind geboren hatte und sich in Elternzeit befand. Ein Beleg über den Kontostand der Klägerin war nicht beigefügt. Auch gab die Klägerin an, dass sie eine Riesterrente habe.
Das Arbeitsgericht Berlin forderte denRechtsanwalt aus, dass seine Mandantin hier den Kontostand nachweisen und nähere Angaben / Belege zur Riesterrente machen solle. Dies machte dann der Anwalt und es stellt sich heraus,dass ein Guthabenstand von 1.768,85 EUR vorlag, aber keine Riesterrente.
Das Arbeitsrecht Berlin wies den Antrag der Klägerin/Arbeitnehmerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für die Lohnklage mit der Begründung zurück, dass die Klägerin hier im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren wissentlich falsche Angaben gemacht habe.
Gegen den Beschluss legte der Rechtsanwalt sofortige Beschwerde ein und das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und leitete die Akte an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg weiter.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.2.2016 10 Ta 85/16) hielt die Beschwerde für zulässig und begründet und führte dazu aus:
In der Sache ist das Beschwerdegericht von einer Verwirkung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe auf Grundlage einer analogen Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ausgegangen. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Nachhinein u.a. aufheben, wenn die Antragstellerin im Überprüfungsverfahren absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hat vor allem Sanktionscharakter (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – IV ZB 16/12). Daher kann das Gericht die Prozesskostenhilfebewilligung bei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachten falschen Angaben des Antragstellers auch dann aufheben, wenn die Bewilligung nicht auf diesen Angaben beruht, sofern die falschen Angaben jedenfalls generell geeignet erscheinen, die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu beeinflussen. Wird eine bewilligte Prozesskostenhilfe in Anwendung dieser Vorschrift widerrufen, wirkt sich der Sanktionscharakter dahin aus, dass die staatliche Leistung nachträglich entzogen wird und die Antragstellerin zur Erstattung der Kosten und Auslagen herangezogen werden kann.
Würde man den Rechtsgedanken des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aber bereits im Bewilligungsverfahren anwenden und Verfahrenskostenhilfe wegen falscher Angaben versagen, ergäbe sich eine deutlich weiter reichende Folge, nämlich dass das beabsichtigte gerichtliche Verfahren überhaupt nicht geführt werden kann, letztendlich also der Zugang zum Rechtsschutz insgesamt versagt oder zumindest erheblich beeinträchtigt wird.
Anmerkung:
Das Landesarbeitsgericht hat hier für die Klägerin entschieden, da es schlichtweg keine Vorschrift gibt, die im PKH-Bewilligkeitverfahren normiert, dass keine Prozesskostenhilfe bei wissentlich unwahren Angaben gewährt wird. Eine solche Vorschrift gibt es nur innerhalb des PKH-Prüfungsverfahrens (also nach der Bewilligung der PKH – meist 1 Jahr später müssen nochmals Angaben gemacht werden).
LAG Berlin-Brandenburg: monatlich Sonderzahlungen können auf gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden
Eine Arbeitnehmerin bekam vor dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes einen Stundenlohn von unter 8,50 € brutto. Der Arbeitgeber zahlte darüber hinaus eine Sonderzahlung zweimal jährlich in Höhe eines halben Monatslohnes, abhängig nur von vorliegender Beschäftigung im jeweiligen Jahr an die Beschäftigten.
Ab Einführung des Mindestlohnes verlangte die Arbeitnehmerin neben dem Stundenlohn von 8,50 € brutto auch die Jahressonderzahlung. Der Arbeitgeber schloss eine Betriebsvereinbarung und verteilte die Jahressonderzahlung auf die einzelnen Monate und zahlte diese im Monat jeweils aus.
Der Arbeitgeber meint nun, dass die Sonderzahlung nicht gesondert zum Mindestlohn anfällt, sondern mit diesem zu verrechnen ist. Die Arbeitnehmerin ist der Auffassung, dass die Sonderzahlung-auch wenn diese monatlichen Lohn gezahlt wird-neben dem Stundenlohn anfällt.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.1.2016, Az. 19 Sa 1851/15) führt dazu in seiner Pressemitteilung (Nr. 6/16 vom 27.01.2016) aus:
Bei den Sonderzahlungen handle es sich im vorliegenden Fall um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung der Klägerin, weshalb eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich sei. Die Betriebsvereinbarung, die die Fälligkeit der Sonderleistungen zu einem Zwölftel auf jeden Monat verschiebe, sei wirksam und verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision zum Bundesarbeitsrecht wurde zugelassen.
Zu beachten ist, dass die Entscheidung nicht zu so zu verstehen ist, dass jede Sonderzahlung, die monatlich ausgezahlt wird, auf dem Mindestlohn anzurechnen ist. Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit darin, dass die Sonderzahlungen keine weiteren Voraussetzungen gebunden war. Wenn aber eine Sonderzahlung von weiteren Voraussetzungen abhängt, wie zum Beispiel von der Dauer der Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb ohne Erkrankung oder von der Leistung des Arbeitnehmers, wird in der Regel eine Sonderzahlung nicht auf dem Mindestlohn anzurechnen sein, da die Möglichkeit besteht das nicht jeder Arbeitnehmer diese Sonderzahlung dann regelmäßig erhält.
Hier ist aber noch vieles umstritten.
Es bleibt abzuwarten, wie das BAG entscheiden wird.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Richter am LAG Berlin-Brandenburg – erhält keine Honorarprofessur wegen Mitwirkung am„Emmely-Urteil“
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg teilt in der Pressemitteilung Nr. 34/15 vom 27.10.2015 mit, dass der Akademische Senat der Freien Universität Berlin nach Presseberichten die Ernennung eines Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg allein deswegen abgelehnt habe, weil der Richter im Jahr 2008 in erster Instanz an dem so genannten „Emmely-Urteil“ (Pfandbon-Urteil) mitgewirkt und dabei die Kündigungsschutzklage der betroffenen Arbeitnehmerin abgewiesen hatte.
Weiter führt das LAG in seiner Pressemitteilung aus:
Richterinnen und Richter haben sich als Vertreter der „Dritten Gewalt“ einer Diskussion ihrer Tätigkeit zu stellen. Eine Urteilskritik ist nicht nur zulässig, sondern wünschenswert. Die genannte Entscheidung des Akademischen Senats stellt jedoch nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg eine sachwidrige Maßregelung des betroffenen Richters dar, die weder durch die universitäre Selbstverwaltung noch durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt wird. Sie schadet nicht nur der Unabhängigkeit der Justiz, sondern auch der Qualität und Unabhängigkeit der universitären Lehre.
Anmerkung:
Sollte die Entscheidung des Akademischen Rates der FU Berlin tatsächlich wegen der Mitwirkung des Richters am Emmely-Urteil so gefallen sein, wäre dies nicht nachvollziehbar. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte im Einklag mit der Rechtsprechung des BAG entschieden. Anschließend „modifizierte“ (Stichwort: Vertrauenskapital) das BAG die eigene Rechtsprechung zur Bagatellkündigung ; gab diese aber nicht auf und entschied zu Gunsten der Arbeitnehmerin aufgrund des langen störungsfreien Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Dies hätten weder der LAG Berlin-Brandenburg, und schon gar nicht der Akademische Rat voraussehen können.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht