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Droht eine Kündigung bei einem Nebenjob?

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Droht eine Kündigung bei einem Nebenjob?
Droht eine Kündigung bei einem Nebenjob?

Kündigung oder Abmahnung wegen Nebentätigkeit?

In den Medien wird oft behauptet, dass man als Arbeitnehmer sehr vorsichtig bei der Ausübung einer Nebentätigkeit sein soll, da hier eine Kündigung des Arbeitgebers droht.

Dies wird vor allem dann befürchtet, wenn zum Beispiel der Arbeitgeber diese Nebentätigkeit nicht bewilligt bzw. genehmigt hat.

Hier soll es darum gehen, welche Voraussetzungen tatsächlich in Bezug auf eine Nebentätigkeit erfüllt sein müssen und wann eine Kündigung durch den Arbeitgeber droht.

kein generelles Nebentätigkeitsverbot

Zunächst ist auszuführen, dass der Arbeitnehmer durchaus eine Nebentätigkeit neben seiner Haupttätigkeit ausüben darf. Nach dem deutschen Arbeitsrecht gibt es kein generelles Nebentätigkeitsverbot. Die Nebentätigkeit ist in der Regel auch nicht abhängig davon, dass der Arbeitgeber diese genehmigt. Es können aber durch entsprechende Klauseln im Arbeitsvertrag bestimmte Pflichten bestehen, insbesondere die Anzeige der Nebentätigkeit. Ein generelles Verbot einer Nebentätigkeit im Arbeitsvertrag ist unwirksam!

Zustimmung zur Nebentätigkeit?

Kurz gesagt kann der Arbeitgeber die Aufnahme einer Nebentätigkeit nicht von seiner Zustimmung abhängig machen. Darüber hinaus darf der Arbeitgeber auch nicht generell Nebentätigkeiten verbieten. Der Arbeitnehmer kann nämlich in seiner Freizeit (arbeitsfreien Zeit) grundsätzlich machen, was er möchte und ist nicht an Weisungen des Arbeitgebers gebunden.

Probleme vermeiden!

Einige Umstände sind aber trotzdem zu beachten:

nicht mehr als 48 h pro Woche arbeiten

Zum einen muss der Arbeitnehmer darauf achten, dass die Nebentätigkeit nicht dazu führt, dass die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes überschritten wird. Der Arbeitnehmer darf maximal pro Woche 48 Stunden arbeiten. Nimmt er eine Nebentätigkeit auf und kommt dann auf eine Arbeitszeit, die höher als 48 Stunden liegt, kann es sein, dass der Arbeitsvertrag in Bezug auf die Nebentätigkeit zumindest teilnichtig ist. Der erste Arbeitsvertrag, also bei der Haupttätigkeit, ist grundsätzlich weiterhin wirksam, denn nur durch den neuen Arbeitsvertrag, also den zweiten, wird die Grenze nach dem Arbeitszeitgesetz überschritten. Dies ist zu beachten.

kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot

Ein weiterer Punkt ist der, dass die Nebentätigkeit grundsätzlich nicht dazu führt, dass sich der Arbeitnehmer im Wettbewerb zum Arbeitgeber begibt. Der Arbeitnehmer muss also das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot beachten. Hier kann eine Kündigung drohen (siehe unten).

Erholung und Urlaub

Auch darf die Nebentätigkeit nicht dazu führen, dass die Arbeitsleistung in der Haupttätigkeit negativ beeinflusst wird. Zudem sollte die Nebentätigkeit auch nicht den Urlaubszweck beeinflussen, der Erholung des Arbeitnehmers dienen.

Kündigung und Nebentätigkeit

In Bezug auf eine Kündigung ist es so, dass grundsätzlich der Antritt einer Nebentätigkeit keine Kündigung durch den Arbeitgeber herbeiführt, denn die Nebentätigkeit darf der Arbeitnehmer neben der Haupttätigkeit im Allgemeinen ausüben. Dies gilt zumindest dann, wenn kein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz und auf jeden Fall kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorliegt.

das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot

Im bestehenden Arbeitsverhältnis besteht nämlich Wettbewerbsschutz und dabei spielt es keine Rolle, ob dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt ist oder nicht. Das Arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot besteht also während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und sogar im Kündigungsschutzverfahren. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht dies nur dann, wenn dies ausdrücklich wirksam im Arbeitsvertrag geregelt ist.

Wenn also der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit ausübt und hier ohne Genehmigung des Arbeitgebers (hier könnte die Genehmigung einmal sinnvoll sein) und dabei bei der unmittelbaren Konkurrenz des Arbeitgebers arbeitet, dann schafft er einen Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dieser seltene Fall muss auf jeden Fall von Arbeitnehmerseite beachtet werden.

FAQ – häufig gestellte Fragen

Nebentätigkeit: Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  1. Wie viele Stunden darf ich maximal in einer Nebentätigkeit arbeiten?

    Nach dem Arbeitszeitgesetz darf die wöchentliche Arbeitszeit inklusive der Nebentätigkeit 48 Stunden im Durchschnitt von sechs Monaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

  2. Muss ich meinen Arbeitgeber über eine Nebentätigkeit informieren?

    In der Regel müssen Arbeitnehmer ihren Hauptarbeitgeber über aufgenommene Nebentätigkeiten informieren, wenn im Arbeitsvertrag oder in einem einschlägigen Tarifvertrag eine wirksame Klausel existiert, die dies verlangt. Die Information dient dazu, potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Nebentätigkeit nicht die arbeitsvertraglichen Pflichten beeinträchtigt.

  3. Welche Auswirkungen hat eine Nebentätigkeit auf meinen Urlaubsanspruch beim Hauptarbeitgeber?

    Eine Nebentätigkeit hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch beim Hauptarbeitgeber. Der Urlaubsanspruch, der sich aus dem Hauptarbeitsverhältnis ergibt, bleibt unberührt, solange die Nebentätigkeit die Haupttätigkeit nicht beeinträchtigt.

  4. Kann mein Arbeitgeber die Nebentätigkeit verbieten?
    Nein, in der Regel nicht. Bei Verstößen gegen gesetzlichen Vorschriften, wie dem Arbeitszeitgesetz oder dem Konkurrenzsschutz ist dies aber möglich.
  5. Muss ich Einkünfte aus einer Nebentätigkeit versteuern?

    Ja, Einkünfte aus einer Nebentätigkeit müssen als Einkommen versteuert werden. Es ist wichtig, diese Einkünfte in der Einkommensteuererklärung anzugeben. Abhängig von der Höhe des Einkommens und der Art der Tätigkeit können auch Sozialversicherungsbeiträge fällig werden.

Zusammenfassung:

Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich im Arbeitsverhältnis auch eine Nebentätigkeit ausüben darf, insofern gesetzliche Bestimmungen, wie zum Beispiel über das Wettbewerbsverbot oder nach dem Arbeitszeitgesetz hier nicht verletzt werden.

Im Normalfall führt die Ausübung einer Nebentätigkeit nicht dazu, dass der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund hat.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ist mein Resturlaub aus dem Jahr 2023 zum 31. März 2024 verfallen?

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Ist mein Resturlaub aus dem Jahr 2023 zum 31. März 2024 verfallen?
Urlaub 2024

Ist mein Resturlaub aus dem Jahr 2023 zum 31. März 2024 verfallen?

Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass das Bundesurlaubsgesetz eigentlich vorschreibt, den Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Nur ausnahmsweise kann dieser dann in das nächste Kalenderjahr übertragen werden und muss dann bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden. Gilt dies auch für Ihren Resturlaub aus dem Jahr 2023? Dies erfahren Sie hier.

neue Rechtsprechung des BAG beachten

Allerdings gilt dies nicht mehr uneingeschränkt nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die durch den Europäischen Gerichtshof vorgeschrieben wurde.

Von daher ist es wichtig, die entsprechende Rechtsprechung zu kennen, um zu wissen, ob der Urlaubsanspruch im Jahr 2023 bereits zum 31. März 2024 verfallen ist oder nicht.

Der Verfall von Urlaubstagen zum 31. März 2024 – laut dem Bundesurlaubsgesetz

In der Arbeitswelt spielt der Urlaubsanspruch eine wesentliche Rolle für die Work-Life-Balance der Beschäftigten. Während der Urlaub eine Zeit der Erholung und Entspannung darstellt, können ungenutzte Urlaubstage am Ende des Urlaubsjahres für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen zu einer Herausforderung werden. Ein besonders kritisches Datum ist hierbei der 31. März, der in vielen Fällen als Stichtag für den Verfall von Urlaubstagen des Vorjahres gilt.

Gesetzliche Regelungen und Übertragungsfristen

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in Deutschland legt fest, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Ziel ist es, dass Arbeitnehmer sich regelmäßig erholen. Grundsätzlich verfallen daher nicht genommene Urlaubstage am Ende des Jahres. Eine Ausnahme von dieser Regel besteht, wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe die Inanspruchnahme des Urlaubs verhindert haben. In solchen Fällen kann der Urlaub bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres übertragen werden.

§ 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetz

Die gesetzliche Regelung ist eindeutig, spiegelt aber nicht mehr die aktuelle Rechtslage wieder:

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

§ 7 des Bundesurlaubsgesetz

Was passierte früher nach dem 31. März ?

Nicht genommener Urlaub, der bis zum 31. März nicht in Anspruch genommen wurde, verfällt grundsätzlich. Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer keinen Anspruch mehr auf diese Urlaubstage haben und sie auch nicht in finanzieller Form abgegolten bekommen, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, wie langfristige Krankheit, die eine Inanspruchnahme des Urlaubs unmöglich gemacht haben.

Wie ist die neue Rechtsprechung dazu?

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15) ) hat in den letzten Jahren neue Maßstäbe in Bezug auf die Handhabung des Urlaubsanspruchs von Arbeitnehmern gesetzt, insbesondere hinsichtlich der Verpflichtungen des Arbeitgebers.

Ein Verfall zum 31.03. des Folgejahres tritt nicht mehr automatisch ein:

Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten aktiv und in verständlicher Form über bestehende Urlaubsansprüche informieren und sie deutlich auffordern, ihren Urlaub im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen, mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Urlaub andernfalls verfallen kann.

Was bedeutet dies für Arbeitnehmer?

Arbeitnehmer müssen wissen, dass der Anspruch auf Urlaub aus den Jahren vor 2024 nicht verfällt, wenn der Arbeitgeber nicht zur Urlaubsnahme aufgefordert und über den Verfall wirksam belehrt hat. In der Praxis wissen dies viele Arbeitgeber nicht. Dies bedeutet der Urlaub besteht auch im Jahr 2024 fort.

Was bedeutet dies für Arbeitgeber?

Arbeitgeber müssen nun sicherstellen, dass sie ihre Mitarbeiter nicht nur über deren Urlaubsansprüche informieren, sondern auch aktiv zur Urlaubsnahme auffordern. Dies beinhaltet die schriftliche Mitteilung über den verbleibenden Urlaub und die Aufforderung, diesen zu nehmen, sowie den Hinweis auf den möglichen Verfall des Urlaubs bei Nichtinanspruchnahme. Kommt der Arbeitgeber diesen Informations- und Aufforderungspflichten nicht nach, führt dies dazu, dass der Urlaubsanspruch nicht mit dem Ende des Übertragungszeitraums verfällt.

Der Arbeitgeber muss also:

  • den AN zur Urlaubsaufnahme konkret aufgefordert hat und
  • darauf hingewiesen hat, dass ansonsten der Urlaub verfällt

Wenn er dies im Jahr 2023 gemacht hat, dann verfällt der Urlaub zum 31.03.2024

FAQs zum Thema Urlaubsverfall und Aufklärungspflicht des Arbeitgebers

1. Was besagt die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers in Bezug auf Urlaubsansprüche? Die Aufklärungspflicht verpflichtet den Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer aktiv über deren bestehende Urlaubsansprüche zu informieren und sie ausdrücklich dazu aufzufordern, ihren Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Zudem muss der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass der Urlaub bei Nichtinanspruchnahme verfallen kann.

2. Bis wann muss der Urlaub grundsätzlich genommen werden, damit er nicht verfällt? Laut Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in Deutschland muss der Urlaub in der Regel im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Eine Übertragung auf das nächste Jahr ist nur bis zum 31. März möglich, sofern dringende persönliche oder betriebliche Gründe vorliegen. Dies ist oft unproblematisch.

3. Was passiert, wenn der Arbeitgeber seine Aufklärungspflicht nicht erfüllt? Wenn der Arbeitgeber seine Aufklärungspflicht nicht erfüllt, indem er beispielsweise die Beschäftigten nicht aktiv zur Urlaubnahme auffordert, kann der Urlaub nicht einfach verfallen. In solchen Fällen haben die Arbeitnehmer auch nach dem 31. März des Folgejahres noch Anspruch auf den Urlaub.

4. Können Urlaubstage ausbezahlt werden, anstatt sie zu nehmen? Die Auszahlung von Urlaubstagen ist nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig. Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erholungsurlaub, der grundsätzlich durch Freistellung von der Arbeit und nicht durch eine finanzielle Entschädigung zu erfüllen ist.

Rechtsanwalt Andreas Martin- Fachanwalt für Arbeitsrecht

Klage auf Entfernung einer Abmahnung auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich?

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Klage auf Entfernung einer Abmahnung auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich?

Abmahnungen sind oft unwirksam

Oftmals neigen Arbeitnehmer, die eine Abmahnung vom Arbeitgeber erhalten haben, dazu, sofort mittels Klage oder einem Schreiben dagegen vorzugehen. Diese Reaktion ist aus taktischen Gründen jedoch nicht immer ratsam.

Viele Abmahnungen erweisen sich als unwirksam. Ein vorschnelles Handeln gegen eine Abmahnung kann dem Arbeitgeber unbeabsichtigt aufzeigen, wo Fehler gemacht wurden, und ihm die Möglichkeit geben, eine korrigierte Abmahnung zu erteilen.

Rat zum Nichtstun

In vielen Fällen ist daher der Rat zum vorübergehenden Nichtstun der klügere Weg.Dennoch gibt es Situationen, in denen das Einreichen einer Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte sinnvoll sein kann. Dies ist besonders der Fall, wenn ein Arbeitnehmer beabsichtigt, ein starkes Signal zu setzen, kurz bevor das Arbeitsverhältnis endet.

Die finanziellen Lasten einer solchen Klage trägt der Arbeitnehmer selbst. Eine Kostenerstattung erfolgt erst ab der zweiten Instanz.

Entfernungsanspruch auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Es stellt sich zudem die Frage, ob eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist.

Der Hintergrund hierzu ist, dass eine Abmahnung in der Personalakte eines ehemaligen Arbeitnehmers dessen berufliches Fortkommen in neuen Arbeitsverhältnissen normalerweise nicht beeinträchtigt.

Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg

In einem Beschluss vom 13. März 2024 hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (26. Kammer) entschieden, dass die Prozesskostenhilfe (PKH) für die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verwehrt werden kann. Dieser Beschluss (Aktenzeichen 26 Ta 223/24) beschäftigt sich mit der umstrittene Frage im Zusammenhang mit dem Recht auf Vergessenwerden gemäß Art. 17 DSGVO.

Hintergrund des Falls

Ein Kläger hatte gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage, die auf die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte zielte, Beschwerde eingelegt. Der ursprüngliche Antrag wurde vom Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung mehr bestehe. Der Kläger stützte seine Klage auf Art. 17 DSGVO, der das Recht auf Löschung personenbezogener Daten regelt.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hob den Beschluss des Arbeitsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Es stellte klar, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt werden darf, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Frage der Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte unter der Geltung des Art. 17 DSGVO umstritten ist.

Bedeutung des Urteils

Dieses Urteil ist von erheblicher Bedeutung, da es die Rechte von Arbeitnehmern stärkt und klarstellt, dass das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht automatisch das Ende des Rechtsschutzbedürfnisses, insbesondere im Kontext des Datenschutzrechts, bedeutet. Es betont die Notwendigkeit, das Recht auf Vergessenwerden ernst zu nehmen und gewährleistet, dass Arbeitnehmer auch nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ihre Rechte effektiv durchsetzen können.

FAQ

1. Kann eine Abmahnung aus der Personalakte auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfernt werden?

Ja, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte unter Berufung auf Art. 17 DSGVO auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen kann. Die Frage der Entfernung ist unter der Geltung des Art. 17 DSGVO umstritten, was bedeutet, dass im Einzelfall geprüft werden muss. Das BAG hat dazu noch nichts entschieden.


2. Unter welchen Umständen kann eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden?

Wenn die Abmahnung fehlerhaft ist (formelle oder materiell) muss der Arbeitgeber diese aus der Personalakte entfernen. Der Arbeitgeber kann aber eine neue Abmahnung (fehlerfrei) dann aussprechen.


3. Kann ein Arbeitgeber eine Abmahnung ohne Antrag des Arbeitnehmers entfernen?

Ja, der Arbeitgeber können eine Abmahnung aus der Personalakte entfernen, wenn sie dies für angebracht halten oder wenn sie erkennen, dass die Abmahnung nicht gerechtfertigt war. Ein Antrag des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich. In der Praxis kommt dies aber eher selten vor.

Meinung

Zu beachten ist, dass es wahrscheinlich in vielen Fällen nicht notwendig ist, eine Abmahnung aus einer Personalakte zu entfernen. Oft ist es so, dass nur im Rahmen von bestehenden Rechtsschutzversicherungen oder von Prozesskostenhilfe solche Ansprüche eingeklagt werden, solange man dies nicht selbst bezahlen muss. Was soll es im konkreten Fall denn bringen, wenn der alte Arbeitgeber – mit dem man in der Regel nichts mehr zu tun haben wird – eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt? Antwort: In den meisten Fällen eher nichts. Es geht dann oft um Revanche und dies ist keine gute Motivation. Im Übrigen ist die Prozesskostenhilfe eine Art Darlehen und es kann durchaus sein, dass der klagende Arbeitnehmer später seine Anwaltskosten selbst tragen muss; auch wenn er gewinnt.


Rechtsanwalt Andreas Martin

Inflationsausgleichsprämie (IAP) 2024 – was man wissen sollte

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Inflationsausgleichsprämie (IAP),
Inflationsausgleichsprämie (IAP),

Die Inflationsausgleichsprämie (IAP) ist eine Sonderzahlung des Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer. Die Bundesregierung hatte diese steuerfreie Prämie 2022 eingeführt als Reaktion auf die steigende Inflation. Arbeitnehmer sollen dadurch eine einmalige finanzielle Unterstützung erhalten. Ziel ist es, die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu stärken und sie für die gestiegenen Lebenshaltungskosten teilweise zu entschädigen. Viele Arbeitgeber haben bereits davon Gebraucht gemacht.

rechtliche Grundlagen

Die Inflationsausgleichsprämie wurde durch das Gesetz vom 19. Oktober 2022 eingeführt und ist in § 3 Nr. 11c des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie in entsprechenden Verordnungen der Sozialversicherungsgesetzgebung verankert. Diese Regelungen definieren die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte der Prämie. Die IAP kann seit dem 26.10.2022 in Anspruch genommen werden.

anspruchsberechtigte Arbeitnehmer der IAP

Eine Inflationsausgleichsprämie können, unabhängig von der Art ihrer Beschäftigung, nur Arbeitnehmer im steuerlichen Sinne erhalten. Hier ist eine Auflistung der Gruppen, die typischerweise anspruchsberechtigt sind:

  1. Arbeitnehmende in Voll- oder Teilzeit: Dies schließt die große Mehrheit der Beschäftigten ein, die auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags in einem Unternehmen tätig sind.
  2. Kurzfristig Beschäftigte: Personen, die nur für einen begrenzten Zeitraum im Jahr beschäftigt sind, ohne regelmäßige Beschäftigung.
  3. Minijobber: Arbeitnehmer, die auf geringfügiger Beschäftigungsbasis arbeiten und deren Verdienst eine bestimmte Grenze nicht überschreitet.
  4. Aushilfskräfte in der Land- und Forstwirtschaft: Spezifische Gruppe von Aushilfskräften, die saisonal oder zeitlich begrenzt in der Landwirtschaft tätig sind.
  5. Auszubildende: Personen, die sich in einem Ausbildungsverhältnis befinden und eine Berufsausbildung absolvieren.
  6. Arbeitnehmende im entgeltlichen Praktikum: Dazu gehören sowohl Pflichtpraktika im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums als auch freiwillige Praktika, sofern sie vergütet werden.
  7. Arbeitnehmende in Kurzarbeit: Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit vorübergehend reduziert wurde, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Entlassungen zu vermeiden.
  8. Arbeitnehmende in Elternzeit: Auch während der Elternzeit kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie bestehen.
  9. Arbeitnehmende mit Bezug von Krankengeld: Personen, die aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig sind und Krankengeld beziehen.
  10. Freiwillige: Dies umfasst Personen, die einen freiwilligen Dienst leisten, z.B. im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes, sofern der steuerliche Arbeitnehmerbegriff erfüllt ist.
  11. Menschen mit Behinderungen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig sind: Diese Gruppe umfasst Personen, die in spezialisierten Einrichtungen arbeiten, die ihre Integration in den Arbeitsmarkt fördern.
  12. Ehrenamtlich Tätige: Unter bestimmten Umständen können auch ehrenamtlich Tätige anspruchsberechtigt sein, sofern der steuerliche Arbeitnehmerbegriff erfüllt ist.
  13. Vorstände und Gesellschafter-Geschäftsführer/-innen: Auch leitende Angestellte und Geschäftsführer, die ein Anstellungsverhältnis mit dem Unternehmen haben, können unter bestimmten Voraussetzungen anspruchsberechtigt sein.
  14. Arbeitnehmende in der aktiven oder passiven Phase der Altersteilzeit sowie Beziehende von Vorruhestandsgeld und Versorgungsbeziehende.

Wer hat keinen Anspruch auf die IAP?

Auf die Inflationsausgleichsprämie (IAP) haben bestimmte Gruppen keinen Anspruch, insbesondere solche, die nicht unter die steuerliche Definition von „Arbeitnehmern“ fallen oder deren Beschäftigungsverhältnis bestimmte Kriterien nicht erfüllt. Hier sind einige Beispiele für Personen, die typischerweise keinen Anspruch auf die IAP haben:

  1. Selbstständige und Freiberufler: Da die IAP speziell für Arbeitnehmer konzipiert ist, sind Selbstständige und Freiberufler von dieser Regelung ausgeschlossen.
  2. Geschäftsführende Gesellschafter, die nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind: Geschäftsführer, die nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Unternehmen stehen, sondern dieses eigenverantwortlich leiten und keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben.
  3. Ehrenamtlich Tätige ohne steuerlichen Arbeitnehmerbegriff: Personen, die ehrenamtlich tätig sind und für die der steuerliche Arbeitnehmerbegriff nicht erfüllt ist, haben keinen Anspruch auf die IAP.
  4. Praktikanten ohne Entgeltzahlung: Praktikanten, die ein unbezahltes Praktikum absolvieren und somit kein Arbeitsentgelt erhalten, sind von der IAP ausgeschlossen.
  5. Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis vor dem Zeitraum der Gewährung der IAP beendet wurde: Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis beendet wurde, bevor die IAP eingeführt wurde oder bevor der Arbeitgeber die Prämie auszahlt, haben keinen Anspruch auf diese Sonderzahlung.
  6. Beamte und Personen im öffentlichen Dienst, die nicht unter die steuerliche Definition eines Arbeitnehmers fallen: Da Beamte und bestimmte Personen im öffentlichen Dienst nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts gelten, sind sie von der IAP ausgenommen.

Steuern und Sozialversicherungsabgaben und IAP

Die Inflationsausgleichsprämie ist bis zu einem Betrag von € 3.000 steuer- und sozialversicherungsfrei. Das bedeutet konkret, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern diese Prämie bis zu diesem Höchstbetrag auszahlen können, ohne dass darauf Einkommensteuer oder Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Von daher ist diese Sonderzahlung für viele Arbeitnehmer interessant, da der Bruttobetrag gleich der Nettobetrag bei der Zahlung ist. Ist gibt keine Abzüge.

Ist die Auszahlung in Teilbeträgen möglich?

Ja, die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie in Teilbeträgen durch den Arbeitgeber ist möglich. Die gesetzlichen Grundlagen zur Inflationsausgleichsprämie bieten Arbeitgebern Flexibilität in der Handhabung der Auszahlungen. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber die Prämie entweder als einmalige Zahlung oder in mehreren Teilbeträgen an die Arbeitnehmer auszahlen können, solange der Gesamtbetrag die Grenze von 3.000 Euro nicht überschreitet und die Auszahlung im festgelegten Zeitraum erfolgt.

Die Möglichkeit, die Prämie in Teilbeträgen zu gewähren, kann insbesondere für Arbeitgeber vorteilhaft sein, die die finanzielle Belastung über mehrere Monate verteilen möchten oder die ihren Mitarbeitern kontinuierliche Unterstützung in einem wirtschaftlich unsicheren Umfeld bieten wollen.

Bis wann kann die Inflationsausgleichsprämie noch gezahlt werden?

Die Inflationsausgleichsprämie kann von Arbeitgebern noch bis zum 31. Dezember 2024 an ihre Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden. Die ISP muss vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.

Muss die Zahlung als ISP auf der Lohnabrechnung bezeichnet sein?

Nein, es genügt, wenn der Arbeitgeber bei Gewährung der ISP deutlich macht, dass diese im Zusammenhang mit der Preissteigerung steht – zum Beispiel durch entsprechenden Hinweis auf dem Überweisungsträger im Rahmen der Lohnabrechnung oder auf der Lohnabrechnung selbst.

Gleichbehandlung und Inflationsausgleichsprämie

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber bei der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie nicht willkürlich vorgehen kann. Er muss grundsätzlich, wenn er die Prämie einzelnen Arbeitnehmern zukommen lassen will, im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes handeln. Er kann also nicht ohne Sachgrund nur bestimmten Arbeitnehmern die Prämie zukommen lassen. In der Regel ist die Prämie-bei der Einführung im Betrieb-an alle Arbeitnehmer zu zahlen. Wenn der Arbeitgeber aber nicht an alle Arbeitnehmer zahlt, dann muss er einen guten Grund dafür haben und diesen muss und notfalls gerichtlich dann auch darlegen und im Bestreitensfall beweisen.

Gibt es Urteile zur Prämie?

Ja, so zum Beispiel das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14. November 2023 (Aktenzeichen 3 Ca 2713/23) beschäftigt sich mit der Frage der Gleichbehandlung bei der Zahlung der Prämie.

Fallhintergrund

Der Kläger, ein befristet beschäftigter Steuerassistent, machte gegenüber seinem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000 Euro geltend. Der Arbeitgeber hatte im Dezember 2022 angekündigt, dass festangestellte Mitarbeiter im Januar 2023 unabhängig vom Beschäftigungsgrad oder der Betriebszugehörigkeit eine Inflationsausgleichsprämie erhalten würden, sofern sie im Dezember 2022 in einem aktiven und ungekündigten Beschäftigungsverhältnis standen und im Falle einer Befristung das Vertragsende am 31. Dezember 2023 oder später liege. Der Kläger erhielt diese Prämie nicht, da sein Vertrag nur bis zum 30. Juni 2023 lief.

Rechtliche Erwägungen und Urteil

Das Gericht stellte fest, dass die Ungleichbehandlung von befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern in Bezug auf die Gewährung der Inflationsausgleichsprämie nicht gerechtfertigt war. Es betonte, dass die Voraussetzung einer zukünftigen Betriebszugehörigkeit bis zum 31. Dezember 2023 für befristet Beschäftigte eine ungerechtfertigte Schlechterstellung darstellte, da dies eine längere Betriebstreue im Vergleich zu unbefristet Beschäftigten verlangte, die die Prämie auch bei einer Kündigung im Laufe des Jahres 2023 erhalten würden.

Das Gericht urteilte zugunsten des Klägers und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie zuzüglich Zinsen. Es argumentierte, dass eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Vertragsdauer (befristet vs. unbefristet) ohne sachliche Rechtfertigung gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verstößt. Denn danach ist eine (willkürliche) Benachteiligung von Teilzeitkräften nicht zulässig.


Fazit:

Sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber ist die Inflationsausgleichsprämie eine praktische Möglichkeit um einen Geldbetrag dem Arbeitnehmer zukommen zu lassen, der nicht versteuert wird und der darüber hinaus auch sozialversicherungsabgabenfrei ist. Bis Ende 2024 besteht diese Möglichkeit noch. Auch in Teilbeträgen ist eine Zahlung durch den Arbeitgeber möglich, maximal aber in Höhe von € 3000.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

Weshalb Sie eine SMS vom Arbeitgeber lieber lesen sollten!

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BAG: Arbeitnehmer haben kein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit in Freizeit
SMS vom Arbeitgeber

Recht auf Unerreichbarkeit in Freizeit

Muss man jede SMS vom Arbeitgeber lesen? Besteht nicht während der Freizeit ein Recht auf absolute Unerreichbarkeit? Diese Fragen sollen hier anhand der neuesten Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zur diesem Thema beantwortet werden.

Freizeit vs. Arbeitszeit

Freizeit und Arbeitszeit schließen sich aus. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet in seiner Freizeit eine Arbeitsleistung zur bringen. Die Abgrenzung ist aber manchmal nicht ganz so einfach.

keine Entgegennahme von Anrufen und SMS in Freizeit?

Einige Juristen vertreten die Auffassung vertreten, dass es ein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit des Arbeitnehmers in seiner Freizeit gibt. Dies heißt, dass der Arbeitnehmer in seiner Freizeit grundsätzlich für den Arbeitgeber unerreichbar sein kann. Er muss von daher-nach dieser Auffassung-auch keine Nachrichten des Arbeitgebers lesen und schon gar nicht Anrufe entgegennehmen.

Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein

In jüngster Zeit gab es dazu eine wegweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 27. September 2022 – 1 Sa 39 öD/22). Das LAG vertrat die Ansicht, dass ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, in ihrer Freizeit Weisungen des Arbeitgebers (hier per SMS) bezüglich des Dienstbeginns am nächsten Arbeitstag zur Kenntnis zu nehmen. Das LAG stellte fest, dass Arbeitnehmer ein „Recht auf Unerreichbarkeit“ hätten, und in ihrer Freizeit nicht Nachrichten des Arbeitgebers lesen müssten. Dazu müsste der Arbeitnehmer nämlich seine Freizeit unterbrechen, denn das Lesen einer dienstlichen SMS sei Arbeitszeit, denn der Arbeitnehmer wird hier fremdnützig tätig.

Bundesarbeitsgericht – Arbeitnehmer muss die SMS lesen

Diese Entscheidung hat das BAG nun aufgehoben und ist zum Ergebnis gekommen, dass der Arbeitnehmer – zumindest, wenn er mit einer Weisung zur Arbeitszeit rechnen muss – eine dienstliche SMS auch in seiner Freizeit lesen muss. Nach dem Bundesarbeitsgericht sei dies aber keine Arbeitszeit, sondern eine Verpflichtung zum Lesen des SMS ergäbe sich als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis.

Sachverhalt der Entscheidungen

Den Entscheidungen lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Ein Notfallsanitäter hatte gegen seinen Arbeitgeber, einen Rettungsdienstbetreiber, auf Entfernung einer Abmahnung und Gutschrift von Arbeitsstunden auf seinem Arbeitszeitkonto geklagt, da er an zwei Tagen nicht rechtzeitig zu einem Springerdienst erschienen war, dessen Beginn ihm am Vortag während seiner Freizeit per SMS mitgeteilt wurde.

Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass es eine Betriebsvereinbarung gab, wonach ein Springerdienst des Arbeitnehmers vereinbart war. Beim sog. unkonkreten Springerdienst – der hier am 8. April 2021 vorlag – durfte nach der Betriebsvereinbarung der Arbeitgeber dem Kläger den Dienstbeginn für den nächsten Tag bis 20:00 Uhr des Vortages mitteilen. Der Arbeitgeber teilte am 7. April 2021 um 13:20 Uhr dem Arbeitnehmer auf dessen Handy per SMS mit, dass sein Dienst am 8. April 2021 um 6:00 Uhr beginnt. Der Arbeitnehmer las die SMS aber nicht. Am 8. April 2021 zeigte der Kläger um 07:30 Uhr telefonisch seine Arbeitsbereitschaft beim Arbeitgeber an. Der Arbeitgeber setzte ihn an diesem Tag nicht mehr ein, nachdem er zwischenzeitlich einen Mitarbeiter aus der Rufbereitschaft herangezogen hatte. Der Arbeitgeber erteilte dem Kläger eine Ermahnung, und bewertete den Tag als unentschuldigtes Fehlen. Für das unentschuldigte Fehlen zog der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ingesamt 11 Stunden vom Arbeitszeitkonto ab.

Begründung der Entscheidung des BAG

Das BAG hob die vorherige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf und wies die Klage des Sanitäters gegenüber dem Arbeitgeber ab. Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass der Arbeitnehmer keine Korrektur des Arbeitszeitkontos verlangen kann, da er seine geschuldete Arbeitsleistung nicht wie angewiesen um 06:00 Uhr angeboten hatte. Die Weisung des Arbeitgebers per SMS zum Dienstbeginn war verbindlich, und der Arbeitnehmer war verpflichtet, diese auch außerhalb seiner Arbeitszeit zur Kenntnis zu nehmen.

Konkret führte das BAG dazu aus:

dd) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, von der wirksamen Konkretisierung des Dienstes keine Kenntnis gehabt zu haben. Die Weisung der Beklagten ist dem Kläger zugegangen. Für den Kläger bestand eine Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis, die Zuteilung des Dienstes zur Kenntnis zu nehmen.

(1) Die Beklagte hat dem Kläger die Weisung erteilt, den Dienst am 8. April 2021 in der Rettungswache P mit Dienstbeginn 06:00 Uhr aufzunehmen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte dies dem Kläger am 7. April 2021 um 13:27 Uhr per SMS mitgeteilt hat, die auf seinem Mobiltelefon eingegangen ist. Diese Feststellungen wurden in der Revision nicht – auch nicht mit einer Gegenrüge – angegriffen und sind somit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO).

(2) Der Kläger war verpflichtet, die Weisung in Bezug auf den zugeteilten Dienst für den 8. April 2021 zur Kenntnis zu nehmen. Es handelt sich um eine mit der Arbeitspflicht in unmittelbarem Zusammenhang stehende Nebenleistungspflicht, der der Kläger als Folge der Regelung in § 4f Abs. 8 Satz 1 BV unterliegt. Dieser Pflicht hat er auch außerhalb seiner eigentlichen Dienstzeit als Notfallsanitäter nachzukommen. Das Landesarbeitsgericht hat dagegen rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger müsse außerhalb der Dienstzeit nicht Kenntnis von der Zuteilung des Dienstes nehmen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann auf Grundlage der getroffenen Feststellungen in der Sache endentscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

(a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Im Arbeitsverhältnis können die Vertragsparteien deshalb zur Verwirklichung des Leistungsinteresses zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein. Dazu gehört auch die Pflicht, im Zusammenwirken mit dem anderen Teil die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrags zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen oder zu beseitigen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen (st. Rspr., vgl. BAG 25. Januar 2022 – 9 AZR 146/21 – Rn. 22; 21. Februar 2017 – 1 AZR 367/15 – Rn. 16, BAGE 158, 148; 2. November 2016 – 10 AZR 596/15 – Rn. 32, BAGE 157, 153; 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 26, BAGE 134, 296).

(b) Die leistungssichernde Nebenpflicht, Kenntnis von der Zuteilung von konkretisierten Tag- und Spätdiensten zu nehmen, kommt im Streitfall in der Regelung von § 4f Abs. 8 Satz 1 BV zum Ausdruck. Danach kann der unkonkret zugeteilte Springerdienst für den Tag- und Spätdienst noch bis 20:00 Uhr des Vortags vor Dienstbeginn im Dienstplan weiter konkretisiert werden. Dies beinhaltet zugleich, dass der jeweils betroffene Arbeitnehmer spätestens ab diesem Zeitpunkt damit rechnen muss, für den folgenden Dienstbeginn einer konkretisierten Weisung zu unterliegen. Daraus folgt die Pflicht, Mitteilungen von Seiten der Beklagten zur Kenntnis zu nehmen. Ohne Erfüllung dieser Nebenpflicht kann der Arbeitnehmer den angestrebten Leistungserfolg, nämlich den Dienstantritt wie zugewiesen, der Beklagten nicht zukommen lassen.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers musste er im Rahmen der geschuldeten Mitwirkungspflicht nicht ununterbrochen für die Beklagte erreichbar sein. Es blieb ihm überlassen, wann und wo er von der SMS Kenntnis nehmen wollte, mit der ihn die Beklagte über die Konkretisierung seines Springerdienstes informiert hat. Der Kläger war keineswegs verpflichtet, den gesamten Tag auf sein Mobiltelefon zu schauen und sich dienstbereit zu halten. Da die Beklagte die Konkretisierung des Dienstbeginns und Dienstortes bis 20:00 Uhr vornehmen konnte, war es ausreichend, dass er sich ab dieser Zeit informierte. Er hätte dies sogar erst am Morgen des Diensttages tun können. Aufgrund der Zuteilung eines unkonkreten Tagdienstes in dem ihm bekannten Dienstplan war er bereits informiert, dass der späteste Dienstbeginn zwischen 06:00 Uhr und 09:00 Uhr liegen würde (§ 4f Abs. 7 Satz 2 BV). Der Kläger war auch nicht verpflichtet, mit der Beklagten in Kommunikation zu treten. Er hatte lediglich die Nachricht der Beklagten über die Zuteilung eines bestimmten Dienstes für den folgenden Tag zur Kenntnis zu nehmen.

(d) Die Erfüllung dieser leistungssichernden Nebenpflicht führt nicht zu einer Kollision mit den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und der Richtlinie 2003/88/EG. Bei der Kenntnisnahme der Weisung zum konkretisierten Dienst handelt es sich nicht um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtliche Sinne.


(bb) Im Streitfall werden durch die Nebenpflicht zur Kenntnisnahme der Konkretisierung des Dienstes die Möglichkeiten des Klägers, seine Freizeit frei zu gestalten, nicht ganz erheblich im Sinne dieser Rechtsprechung beeinträchtigt. Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne liegt daher nicht vor. Die Ruhezeit wird durch die Kenntnisnahme nicht unterbrochen. Der Kläger kann frei wählen, zu welchem Zeitpunkt er die Weisung zur Kenntnis nimmt. Der eigentliche Moment der Kenntnisnahme der SMS stellt sich als zeitlich derart geringfügig dar, dass auch insoweit von einer ganz erheblichen Beeinträchtigung der Nutzung der freien Zeit nicht ausgegangen werden kann. Auch der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu den Fällen der Rufbereitschaft nicht thematisiert, dass der „Ruf“ zur Arbeitsleistung Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie sei.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2023 – 5 AZR 349/22 –

FAQ

Gilt die Entscheidung des BAG für alle Arbeitsverhältnisse?

Nein. Das BAG entscheidet immer nur Einzelfälle und stellt diesbezüglich aber manchmal Grundsätze auf, die für viele Arbeitsverhältnisse dann gelten. Hier bestand die Besonderheit darin, dass Arbeitnehmer nach der Betriebsvereinbarung auf die Mitteilung der konkreten Arbeitszeit warten muss. Er musste also mit einer Benachrichtigung rechnen.


Muss ich als Arbeitnehmer jede SMS des Arbeitgebers lesen?

Nein. Der Arbeitnehmer kann dem Arbeitgeber sogar untersagen, dass dieser die private Telefonnummer nutzt. Sofern kein besonderer Fall vorliegt, dass der Arbeitnehmer sich zur Entgegennahme von Weisungen in der Freizeit verpflichtet hat, muss der nicht jede SMS des Arbeitgeber lesen.


Muss ich als Arbeitnehmer immer einsatzbereit sein, auch in meiner Freizeit?

Nein, der Arbeitnehmer hat immer noch ein Recht auf Unerreichbarkeit in seiner Freizeit. Dies gilt jedoch nicht für alle Fälle. Wenn ich mich als Arbeitnehmer – wie im obigen Fall -wirksam verpflichte in meiner Freizeit über den Arbeitsbeginn informiert zu werden, dann muss ich auch in meiner Freizeit diese Information entgegennehmen.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kündigungsschutz: Die 5 wichtigsten Fakten, die Sie kennen sollten!

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Kündigungsschutz: Die 5 wichtigsten Fakten, die Sie kennen sollten!
Kündigungsschutz

Der Kündigungsschutz ist ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsrechts in Deutschland. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Schutz vor sachfremden Kündigungen durch den Arbeitgeber. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) regelt die Bedingungen und Voraussetzungen für eine rechtmäßige Kündigung nach dem allgemeinen Kündigungsschutz. Daneben gibt es auch noch den besonderen Kündigungsschutz (z.B. für schwangere Arbeitnehmerinnen) und sog. Mindestkündigungsschutz. Hier eine Übersicht.

1. Einleitung: Warum Kündigungsschutz wichtig ist

Der Kündigungsschutz ist ein wichtiges Thema für Arbeitnehmer, da so ein gewisser Schutz vor einer einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber besteht. .Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) regelt die Voraussetzungen für den allgemeinen Kündigungsschutz. Dieser Kündigungsschutz schütz vor einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers ohne soziale Rechtfertigung und ausreichenden Kündigungsgrund. Danach müssen Arbeitgeber bei einer ordentlichen Kündigung bestimmte Regeln beachten und nur unter Beachtung ist eine Kündigung dann wirksam. Der allgemeine Kündigungsschutz gilt für alle Arbeitnehmer und setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht und mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit im Betrieb beschäftigt sind.

2. allgemeiner Kündigungsschutz – Voraussetzungen

Der allgemeine Kündigungsschutz ist der häufigste Schutzmechanismus für Arbeitnehmer. Eine Vielzahl der Arbeitsverhältnisse fallen darunter. Die Voraussetzungen sind dabei nicht für den Betrieb insgesamt, sondern immer für jedes einzelne Arbeitsverhältnis zu prüfen.

Der allgemeine Kündigungsschutz gilt für alle Arbeitnehmer, die in einem Betrieb mit mehr als zehn in Volllzeit-Beschäftigten abzüglich der Auszubildenden arbeiten und bereits länger als sechs Monate im Betrieb tätig sind.

Nach dem Kündigungsschutzgesetz gibt es drei verschiedene Arten von Kündigungen. Genau genommen handelt es sich dabei um drei verschiedene Kündigungsgründe. Diese Gründe beziehen sich immer auf eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers. Für eine außerordentliche Kündigung gelten nach § 626 BGB besondere Regelungen.

Wenn das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, kann der Arbeitgeber nur aus betriebsbedingten Gründen, personenbedingten Gründen oder verhaltensbedingten Gründen das Arbeitsverhältnis ordentlich mittels Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer beenden.

In einem Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber diese Voraussetzungen darlegen und notfalls beweisen. Dies ist fast immer recht schwierig. Oft sind Kündigungen, die von Arbeitgeberseite ausgesprochen werden und welche auf das Kündigungsschutzgesetz beruhen, unwirksam.

Wichtig ist aber zu wissen, dass die Unwirksamkeit immer gerichtlich festgestellt werden muss. Erhebt der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung, wird diese gemäß § 7 des Kündigungsschutzgesetzes wirksam. Dies ist die sogenannte Wirksamkeitsfiktion.

3. besonderer Kündigungsschutz – Voraussetzungen

Im Arbeitsrecht gibt es verschiedene Arten von Kündigungsschutz, die Arbeitnehmern je nach Situation zugutekommen können. Neben dem allgemeinen und dem Mindestkündigungsschutz gibt es auch einen besonderen Kündigungsschutz. Die Voraussetzungen dafür sind in verschiedenen Gesetzen festgelegt und hängen oft mit bestimmten Eigenschaften / Tätigkeiten des Arbeitnehmers zusammen, wie zum Beispiel einer Schwangerschaft oder einer Schwerbehinderung. Der Sonderkündigungsschutz ist stark personenbezogen.

Folgende Arbeitnehmer (keine abschließende Aufzählung) genießen besonderen Kündigungsschutz:

  • Schwangere
  • Personen in Elternzeit
  • Mütter kurz nach der Geburt
  • Betriebsräte
  • Schwerbehinderte ab einen Grad der Behinderung von 50
  • den schwerbehinderten Personen gleichgestellte Personen
  • Personen, die sich in Pflegezeit befinden
  • Personen, die sich in Familienpflegezeit befinden

Wichtig ist auch hier, dass unbedingt eine Kündigungsschutzklage erhoben werden muss, ansonsten wird auch hier – von Ausnahmen abgesehen – innerhalb von 3 Wochen die Kündigung wirksam.

4. Mindestkündigungsschutz- Voraussetzungen

Der Mindestkündigungsschutz ist der schwächste Kündigungsschutz. Diesen gibt es nur für sittenwidriger und treuwidrig Kündigung. Solche Kündigung kommen in der Praxis selten vor. Auch besteht hier die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer die Voraussetzungen des Mindestkündigungsschutzes vor dem Arbeitsgericht nachweisen und notfalls beweisen muss.

Innerhalb dieser Fallgruppe sind am häufigsten die Fälle, bei denen durch die Kündigung eine Diskriminierung des Arbeitnehmers, zum Beispiel aufgrund seines Geschlechts oder Religion, erfolgt.

Darüber hinaus sind innerhalb dieser Fallgruppe auch Kündigungen recht häufig-obwohl diese genau genommen nicht zumindest Mindestkündigungsschutz zählen, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, so zum Beispiel gegen das Maßregelungsverbot.

Das Maßregelungsverbot (§ 612 a BGB) verbietet eine Kündigung, die aufgrund einer rechtsmissbräuchlichen oder sachfremden Motivation des Arbeitgebers erfolgt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Mitarbeiter sich gegenüber dem Arbeitgeber für seine Rechte eingesetzt hat und daraufhin gekündigt wird.

Ein klassischer Fall, den das Arbeitsgericht Berlin bereits entschieden hat, ist der, dass der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber rügt, dass er den gesetzlichen Mindestlohn nicht erhält und daraufhin der Arbeitgeber sofort das Arbeitsverhältnis mittels Kündigung beendet. Hier nimmt der Arbeitnehmer seine Rechte wahr und der Arbeitgeber verhält sich treuwidrig, da er den Arbeitnehmer dafür bestraft, dass dieser sich für seine Rechte einsetzt. Eine solche Kündigung ist unwirksam.

Aber der Arbeitnehmer muss hier Kündigungsschutzklage einreichen und auch nachweisen, dass letztendlich die Kündigung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Rechte steht. In der Regel wird man dann davon ausgehen, wenn zwischen der Wahrnehmung der Rechte, also hier die Forderung nach Zahlung des Mindestlohnes, und der Kündigung, ein sehr geringer Zeitraum besteht.

FAQ

Wann hat man einen Kündigungsschutz?

Kündigungsschutz – also den Schutz vor einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers – haben alle Arbeitnehmer, auf die das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Darüber hinaus haben auch besondere Personengruppen, wie Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsräte etc. einen besonderen Kündigungsschutz. In seltenen Fällen kann auch ein Mindestkündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes bestehen.


Wie lange hat ein Arbeitnehmer Kündigungsschutz?

 Der allgemeine Schutz ist zeitlich unbegrenzt, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Dies kann sich aber ändern, wenn der Arbeitgeber irgendwann nicht mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Der Sonderkündigungsschutz ist häufig zeitlich begrenzt, z.B. bei einer Schwangeren oder Personen, die sich in Elternzeit befinden.


Wer hat alles einen Kündigungsschutz?

Ein Arbeitnehmer hat in Deutschland allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dieser Schutz gilt jedoch nicht für alle Arbeitnehmer, sondern nur für solche, die in einem Betrieb beschäftigt sind, der regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt und bereits seit mindestens sechs Monaten im Unternehmen tätig sind. Besondere Personengruppen haben einen Sonderkündigungsschutz und in wenigen Fällen kann auch ein sog. Mindestkündigungsschutz vor einer Kündigung des Arbeitgebers schützen.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin Marzahn-Hellersdorf

Urlaubsplanung 2023: Verfällt Ihr Resturlaub zum Jahresende?

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Urlaubsplanung 2023: Verfällt Ihr Resturlaub zum Jahresende?
Urlaubsverfall zum Jahresende 2023

Urlaubsverfall zum Jahresende

Wer seinen Urlaub aus dem Jahr 2023 nicht rechtzeitig plant und nimmt, riskiert, dass dieser verfällt. Wann dies der Fall ist, erfahren Sie hier.

gesetzliche Regelung zum Jahresurlaub

Die gesetzliche Regelung für den Erholungsurlaub ist § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes. Diese Norm besagt, dass der Erholungsurlaub verfällt, wenn er nicht bis zum Jahresende genommen wird. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Urlaub z.B. aus nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenen Gründen nicht bis zum Jahresende genommen werden kann. Dann kann dies noch bis zum 31.03. des Folgejahres, also bis zum 31.03.2024 genommen werden.

§ 7 Abs. 3 BUrlG

Die Regelung lautet wie folgt:

Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

https://www.gesetze-im-internet.de/burlg/__7.html

Danach droht der Verfall von Jahresurlaub nicht erst zum 31.03. des nächsten Jahres, sondern bereits zum Jahresende. Dies wissen viele Arbeitnehmer nicht, denn sie gehen, wie selbstverständlich davon aus, dass der Jahresurlaub immer bis zum 31.03. des nächsten Jahres genommen werden kann, was falsch ist. In der Praxis legt die Rechtsprechung aber die obige Norm sehr arbeitnehmerfreundlich aus. In der Regel verfällt der Urlaub nach dem Gesetz erst zum 31.03. des Folgejahres, da in der Regel fast immer der Grund für die Nichtgewährung im laufenden Kalenderjahr betriebliche Gründe sind.

Bundesarbeitsgericht und Verfall des Urlaubs

Die gesetzliche Regelung entspricht aber nicht mehr der geltenden Rechtslage. Denn an den Verfall des Urlaubsanspruches sind nach dem BAG weitere Voraussetzungen geknüpft.

Hierbei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dazu verpflichtet ist, den Arbeitnehmer über seinen Resturlaubsanspruch aufzuklären und ihn auf die drohende Verfallsfrist hinzuweisen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierbei klargestellt, dass eine bloße Bereitstellung von Informationen durch den Arbeitgeber hierbei nicht ausreicht, sondern dieser aktiv tätig werden muss und den Arbeitnehmer deutlich darauf hinweisen muss, dass sein Resturlaub droht zu verfallen und er den Arbeitnehmer auffordert den Urlaub noch zu nehmen.

Der Arbeitgeber muss also:

  • den AN zur Urlaubsaufnahme konkret auffordern und
  • darauf hinweisen, dass ansonsten der Urlaub verfällt

fehlender Hinweis und Aufforderung – Rechtsfolge

Dieser Hinweis bzw. die Aufforderung muss der Arbeitgeber im Notfall darlegen und vor dem Arbeitsgericht auch beweisen.

kein Verfall des Urlaubs

Macht der Arbeitgeber dies nicht. Ausreichend dafür schon, dass der Arbeitgeber dies nicht nachweisen kann, dann führt das dazu, dass noch nicht einmal der Urlaubsanspruch zum 31. März des nächsten Jahres verfällt. Der Urlaub verfällt überhaupt nicht. Dies ist sehr erstaunlich, denn nach der Gesetzeslage (Bundesurlaubsgesetz) kann man selbst bei gutem Willen nicht auf diese Rechtsfolge kommen. Dort steht genau das Gegenteil. Der Urlaub verfällt nach der Gesetzeslage (BUrlG) allein durch bloßen Zeitablauf, ohne irgendwelche Mitwirkungshandlungen durch den Arbeitgeber. Wahrscheinlich wird der Gesetzgeber irgendwann einmal diese Regelung anpassen.

Urlaubsauszahlung als Alternative?

Man könnte sich nun fragen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht nehmen kann bzw. nicht nehmen möchte, ob nicht eine Alternative darin bestehen könnte, dass der Arbeitnehmer sich den Urlaub auszahlen lässt. Vielen Arbeitnehmern wäre die Auszahlung wahrscheinlich lieber als die Gewährung. Dies geht aber nicht. Nach dem Bundesurlaubsgesetz-und hier gilt tatsächlich die Gesetzeslage-kann ein Urlaub nur abgegolten werden, also ausgezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist eine Auszahlung von Urlaub grundsätzlich unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber hier einig sind.

Fazit

Ein Verfall des Urlaubsanspruches zum Ende des Kalenderjahres kommt recht selten vor. Ein Verfall des Urlaubs zum 31. März des Folgejahres liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über den Verfall vorher-also ausreichende Zeit vorher-informiert hat und diesen dazu aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Macht der Arbeitgeber dies nicht oder kann er dies nicht nachweisen, verfällt der Urlaub überhaupt nicht, also auch nicht zum 31. März des Folgejahres, sondern besteht fort.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

BAG: Arbeitnehmer muss bei Eigenkündigung keine Provision dem Arbeitgeber erstatten

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BAG: Arbeitnehmer muss bei Eigenkündigung keine Provision dem Arbeitgeber erstatten
Provisionszahlung und Kündigung

Provision als Schadenersatz bei Arbeitnehmerkündigung?

In der heutigen Zeit gibt es einen Fachkräftemangel. Dies betrifft vor allem bestimmte Branchen besonders stark, so zum Beispiel die Gesundheitsbranche.

Fachkräftevermittlung und Provisionen

Es ist mittlerweile üblich, dass für die Vermittlung von entsprechenden Fachkräften in der Gesundheitsbranche sog. Kopfprämien bzw. Provisionen gezahlt werden. Wer also erfolgreich als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vermittelt bekommt, muss dafür oft eine Zahlung im vierstelligen Bereich an den Vermittler vornehmen. Da der Arbeitgeber hier recht viel Geld investiert, stellt sich die Frage, ob er-sofern das Arbeitsverhältnis dann später durch den Arbeitnehmer beendet wird-vom Arbeitnehmer die Provisionszahlung erstattet bekommt?

Bundesarbeitsgerichtsfall und Provisionserstattung

Mit einem solchen Fall hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht zu beschäftigen. Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass keine Erstattungspflicht im zu entscheidenden Fall des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bestand.

Arbeitgeber wollte nach Kündigung die Provision vom Arbeitnehmer erstattet bekommen

Beim Fall des BAG war es so, dass der Arbeitgeber aufgrund einer Vermittlung eines Personaldienstleisters einen Arbeitnehmer vermittelt bekam. Er musste dafür eine Vermittlerprovision in Höhe von € 6.695,40 an den Personaldienstleister zahlen. Im Arbeitsvertrag wurde folgende Regelung getroffen:

Nun kam es, wie es kommen musste, der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis noch vor Ablauf der vereinbarten Probezeit fristgerecht zum 30. Juni 2021. Was genau der Grund dafür war, war zwischen den Parteien streitig und spielt für den Fall des Bundesarbeitsgericht keine große Rolle.

Lohnklage und Widerklage des Arbeitgebers

Nun verlangte der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Zahlung der entsprechenden Provision. Er kürzte den Lohn des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmer klagte daraufhin die ausstehenden Nettobeträge in Höhe von 809,21 € ein. Die Lohnklage begründete er damit, dass die Rückzahlungsvereinbarung im Arbeitsvertrag unwirksam sein.

Mit einer Widerklage machte der Arbeitgeber die restliche Provision in Höhe von 3.652,39 € gegenüber dem Arbeitnehmer im Verfahren gelten. Der Arbeitgeber hielt die Kürzung für zulässig mit der Begründung, dass er einen Anspruch auf Zahlung/Erstattung der Vermittler Provision habe, da ja Arbeitnehmer selbst gekündigt habe und genau für diesen Fall die Erstattung arbeitsvertraglich vereinbart wurde.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20. Juni 2023 – 1 AZR 265/22)

Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und wies die Widerklage ab. Die Berufung des Arbeitgebers vor dem Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg. Mit der Revision zum Bundesarbeitsgericht verlangte nun der Arbeitgeber die Abweisung der Lohnklage und die Stadtgabe seiner Widerklage.

Urteil des BAG

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20. Juni 2023 – 1 AZR 265/22) entschied ebenfalls zugunsten des Arbeitnehmers.

Klausel im Arbeitsvertrag ist AGB

Interessant ist das Urteil auch deswegen, da das Bundesarbeitsgericht nochmals im Rahmen des Urteils genau ausführte, wann eine arbeitsvertragliche Regelung eine allgemeine Geschäftsbedingung ist, die ja von den Gerichten besonders scharf geprüft werden kann. Dazu ist nach dem BAG es schon ausreichend, wenn der Arbeitnehmer keinen tatsächlichen Einfluss auf die entsprechende Regelung hat. Es spielt dabei allein keine Rolle, ob der Arbeitgeber nur für diesen Fall die entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag aufgenommen hat.

Dazu führt das Bundesarbeitsgericht aus:

Bei § 13 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift sind bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher § 305c Abs. 2 und §§ 306, 307 bis 309 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Dem Verbraucher ist es möglich, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen, wenn der Verwender die Vertragsbedingung im Kerninhalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit einräumt, damit dieser seine Interessen wahren kann. Das setzt zumindest voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dem Verwendungsgegner dies bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich dabei auf die konkrete Klausel beziehen, deren Anwendbarkeit oder Auslegung im Streit steht. Ist streitig, ob eine Einflussnahme möglich war, muss der Verwender nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten. Er hat konkret darzulegen, wie er die Klausel zur Disposition gestellt hat und aufgrund welcher Umstände darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe sie freiwillig akzeptiert (vgl. BAG 19. Dezember 2018 – 10 AZR 233/18 – Rn. 31 mwN, BAGE 165, 19).

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1-azr-265-22/

Klausel über Erstattung der Kopfprämie ist unwirksam

Wie oben bereits ausgeführt wurde , hatte das Bundesarbeitsgericht sich aber in diesem Fall hauptsächlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die entsprechende Klausel wirksam ist und ob dann der Arbeitnehmer verpflichtet war, die entsprechende Provision dem Arbeitgeber zu erstatten. Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst im Urteil ausgeführt, dass die Klausel eine allgemeine Geschäftsbedingungen ist und von daher im vollem Umfang durch das Arbeitsgericht/BAG hier zu überprüfen war.

Eigenkündigung war schuldlos

Die Klausel hielt das Bundesarbeitsgericht aber für unangemessen, da selbst bei der anlasslosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers dieser verpflichtet wäre die entsprechende Provision dem Arbeitgeber zu erstatten, also auch ohne Verschulden des Arbeitnehmers.

Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts

Im einzelnen führte das Bundesarbeitsgericht dazu folgendes aus:

Die Beklagte kann die Erstattung der von ihr gezahlten Vermittlungsprovision aber deswegen nicht verlangen, weil die Bedingung in § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrags jedenfalls insoweit unwirksam ist, als sie eine Zahlungspflicht des Klägers an eine von ihm aus „zu vertretenden Gründen“ erklärte Eigenkündigung knüpft. Dies benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

bb) Diese Vorgaben benachteiligen den Kläger unangemessen.

(1) Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. zB BAG 1. März 2022 – 9 AZR 260/21 – Rn. 20 mwN).

(2) Die Vertragsbedingung beeinträchtigt den Kläger in seinem durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Dazu gehört bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners (st. Rspr., vgl. zB BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – Rn. 69 mwN, BVerfGE 128, 157). Neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung ist daher auch der Wille des Einzelnen geschützt, die Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben. Diese Freiheit schränkt § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrags ein. Da der Kläger verpflichtet ist, im Fall einer vom ihm selbst veranlassten Kündigung mit Wirkung zu einem vor dem 1. Juli 2022 liegenden Zeitpunkt die von der Beklagten gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, löst die Regelung einen Bleibedruck aus.

(3) Entgegen der Ansicht der Beklagten wird diese Beeinträchtigung nicht durch ihr Interesse aufgewogen, die Arbeitsleistung des Klägers für eine bestimmte Dauer auch tatsächlich in Anspruch nehmen zu können, damit sich ihre im Hinblick auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses getätigte „Investition amortisiert“ oder sogar „rentiert“. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses hat grundsätzlich der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko zu tragen, dass sich von ihm – zumal aus eigenem Antrieb – getätigte finanzielle Aufwendungen zur Personalbeschaffung nachträglich nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis während oder nach der Probezeit beendet. Es besteht kein billigenswertes Interesse eines Arbeitgebers, solche Kosten auf einen Arbeitnehmer zu übertragen, der von seinem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch macht. Zwar hat die Beklagte an sich ein anerkennenswertes Interesse daran, dass ein Arbeitnehmer, für dessen Vermittlung sie einem von ihr beauftragten Personaldienstleister eine vertraglich vereinbarte Provision gezahlt hat, möglichst lange im Unternehmen bleibt und für sie tätig ist. Dieses Interesse kann sie aber nicht durch die Vereinbarung einer Pflicht zur Erstattung von Kosten durchsetzen, die sie selbst für die Vermittlung des Arbeitsverhältnisses aufgewendet hat. Ihrem Bedürfnis, einen solchen Arbeitnehmer zu einer längeren Betriebstreue anzuhalten, kann sie lediglich dadurch Rechnung tragen, dass sie im Rahmen des jeweils Zulässigen das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließt, die Kündigungsfrist für solche Kündigungen verlängert (vgl. zu den Grenzen der Verlängerung BAG 26. Oktober 2017 – 6 AZR 158/16 – Rn. 33 ff., BAGE 161, 9) oder einen befristeten Arbeitsvertrag abschließt, der nicht nach § 15 Abs. 4 TzBfG der ordentlichen Kündigung unterliegt. Um sicherzustellen, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis nicht vertragswidrig beendet, hat sie zudem die Möglichkeit, die Zahlung einer Vertragsstrafe zu vereinbaren (vgl. dazu BAG 20. Oktober 2022 – 8 AZR 332/21 – Rn. 31 ff.; 24. August 2017 – 8 AZR 378/16 – Rn. 16 ff.).

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1-azr-265-22/

Ergebnis

Ergebnis: Eine interessante Entscheidung, die einmal mehr zeigt, dass es fast immer der Fall ist, dass Klausel im Arbeitsvertrag allgemeine Geschäftsbedingungen sind. Darüber hinaus ist interessant, dass der Arbeitgeber äußerst sorgfältig eine entsprechende Provisionsklausel/Erstattungsklausel zu formulieren hat. Es ist nicht unmöglich, dass es eine Klausel geben kann, nach der der Arbeitnehmer zu Erstattung der Provision wirksam verpflichtet wird. Die obige Klausel war dies jedenfalls nicht, da sie unabhängig vom Verschulden des Arbeitnehmers eine Erstattungspflicht begründet hat. Dies war aber nicht zulässig.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ladung zum BEM-Gespräch – was muss enthalten sein?

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Ladung zum BEM-Gespräch - was muss enthalten sein?
BEM-Gespräch

Ladung zum BEM – was muss drinstehen?

Was ein BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement) ist, wissen die meisten Arbeitnehmer. Hier geht es darum, was in einer Ladung zum BEM-Gespräch stehen muss. Wenn der erkrankte Arbeitnehmer eine solche Einladung zum Gespräch über sein Erkrankung und die Wiedereingliederung im Betrieb (Krankenrückführung) bekommt, stellt sich die Frage, ob diese Ladung vielleicht unwirksam ist, da der Arbeitnehmer nicht richtig informiert wurde. Darum soll es hier gehen.

Was ist ein BEM?

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM oder bEM) ist ein wichtiges Instrument der Arbeitgeber, um die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von erkrankten Arbeitnehmern zu fördern.

Wo findet man die gesetzliche Regelung?

Die gesetzliche Regelung des BEM findet man in § 167 Abs. 2 SGB IX.

Was steht im Gesetz?


In § 167 Abs. 2 SGB IX steht:

(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

Was ist der Sinn des Gesprächs?


Die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements stehen im Gesetz.

Mit dem BEM sollen folgende Ziele erreicht werden.

  • Erhaltung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers
  • Überwindung der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters
  • Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

Was muss in der BEM-Ladung stehen?

Das BEM-Verfahren ist grundsätzlich von dem Arbeitgeber einzuleiten. Dies geschieht in der Regel durch ein Anschreiben des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer. In diesem Schreiben wird der Arbeitnehmer zum Gespräch über seine Erkrankungen geladen.

Das Einladungsschreiben muss einen bestimmten Inhalt haben und den Arbeitnehmer auf die Ziele des Gesprächs sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweisen.

Das Aufforderungsschreiben zum BEM an den Arbeitnehmer muss folgenden Inhalt haben:

  • Hinweis auf beabsichtigtes BEM-Verfahren
  • Hinweis auf Ziele des Verfahrens
  • Information über Teilnehmer des Gesprächs
  • Hinweisen zum Datenschutz
  • Hinweis, dass Gesundheitsdaten erhoben und verwendet werden, aber gesondert aufbewahrt werden
  • Hinweis, dass der Arbeitnehmer seine Krankheit nicht offenlegen muss
  • Hinweis auf Freiwilligkeit der Durchführung
  • Aufforderung zur Teilnahmen

Besteht ein Anspruch auf die Durchführung des BEM?

Nein, ein solcher individueller Anspruch besteht nicht (BAG 07.09.2021 – 9 AZR 571/20). Der Arbeitgeber hat aber bei einer möglichen Kündigung erhebliche Nachteile, wenn er zuvor kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführt.

Dürfen die Informationen über die Erkrankung des Arbeitnehmers aus dem Gespräch für die Kündigung benutzt werden?

Nein, alle Informationen über die Erkrankung des Arbeitnehmers aus den BEM-Gespräch dürfen nicht für eine spätere personenbedingte, krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitgebers verwendet werden. Dies ist vielen Arbeitgebern nicht bekannt.

Muss der Arbeitnehmer zum Gespräch erscheinen?


Eine Pflicht des Arbeitnehmers an ein BEM-Gespräch teilzunehmen, besteht nicht. Die Teilnahme ist aber sinnvoll (etwas anderes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer immer noch krank ist),um dem Arbeitgeber aufzuzeigen, welche Maßnahmen notwendig sind, um eine Besserung des Gesundheitszustandes zu erreichen.

Was ist wenn der Arbeitnehmer krank ist?

Der kranke Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet ein Gespräch mit dem Arbeitgeber während seiner Erkrankung durchzuführen. Es ist dann so, dass rechtlich gesehen kein betriebliches Eingliederungsmanagement durch den Arbeitgeber erfolgt ist, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Gespräch erscheint.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Berlin

Lohnfortzahlung bei Corona und Quarantäne

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Lohnfortzahlung bei Corona und Quarantäne
Lohnfortzahlung

Mit der Frage der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beim Vorliegen einer Corona-Infektion beschäftigen sich nun mittlerweile immer mehr Landesarbeitsgerichte. Es geht um die Frage, ob jemand der mit Corona infiziert ist und keine Arbeitsleistung erbringt, da er in Quarantäne gehen muss, vom Arbeitgeber die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verlangen kann.

Ohne Arbeit kein Lohn

Grundsätzlich gilt „ohne Arbeit kein Lohn“.

§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz

Eine Ausnahme davon ist zum Beispiel die Entgeltfortzahlung Krankheitsfall nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Diese geregelt, dass wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, der Arbeitgeber nach Ablauf der Wartezeit von vier Wochen, die Entgeltfortzahlung auch für den Fall der Arbeitsunfähigkeit leisten muss.

Corona und Quarantäne und Lohnfortzahlung

Die Frage, die sich stellt ist die, ob tatsächlich jemand, der mit Corona (SARS-CoV-2-Virus) infiziert ist, aber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bekommen hat, auch rechtlich arbeitsunfähig ist und seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

aktuelle Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte

Dazu gibt es zwei aktuelle Entscheidung der Landesarbeitsgerichte.

Urteil des LAG Thüringen

Das das Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 8.8.2023 – 1 Sa 41/23) hatte sich damit zu beschäftigen, ob eine symptomlose Infektion mit Corona eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes darstellt. Der Arbeitnehmer war im Quarantäne und konnte nicht arbeiten. Das Landesarbeitsgericht Thüringen kam zum Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist. Ein Anspruch nach § 3 des EntGFG besteht nicht. Der Arbeitgeber muss keine Lohnfortzahlung leisten.

Auch ein Anspruch nach § 616 BGB besteht nicht. Eine Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus stellt ein persönliches, nicht ein objektives Leistungshindernis im Sinne des § 616 BGB dar, allerdings ist dies allenfalls für eine Tage (maximal 5 Tage) der Fall.

Das LAG Thüringen führte dazu aus:

Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nur im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin war vorliegend jedoch symptomlos mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert. Eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit lag nicht vor.

Zwar wird vereinzelt vertreten, bereits die Infektion an sich stelle auch im Falle eines symptomlosen Verlaufs einen regelwidrigen Körper- und Geisteszustand dar und habe damit Krankheitswert im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG (siehe etwa Noack NZA 2021, 251, 252). In der Infektion liege auch der Grund für die Arbeitsunfähigkeit. Zwar könne der Arbeitnehmer in einem solchen Fall die geschuldete Arbeitsleistung erbringen. Es sei ihm objektiv jedoch nicht zumutbar, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, weil er andere in Gefahr bringe, ebenfalls zu erkranken.

Von der wohl herrschenden Meinung wird demgegenüber angenommen, dass im Falle einer symptomlosen Infektion eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes ausscheidet (LAG Köln 13.12.2021 – 2 Sa 488/21; ErfK-Preis, 23. Auflage 2023, § 611a BGB Rn. 779; MüKoBGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG Rn. 5; Preis/Mazurek/Schmid NZA 2020, 1137, 1138). Auch die erkennende Kammer schließt sich dieser Auffassung an. 

Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 8.8.2023 – 1 Sa 41/23)

Urteil des LAG Hamm

Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 24.8.2023 – 15 Sa 1033/22) hatte einen ähnlichen Fall einer Corona-Infektion zu entscheiden und argumentierte hier anders. Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer muss sich in Quarantäne begeben und konnte nicht arbeiten. Das LAG ging hier von einem Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes aus.

Das LAG führte dazu aus:

Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum krank.

aa)              Krankheit i.S.v. § 3 EFZG setzt einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand voraus (vgl. BAG vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 167/16 – Rn. 14). Was regelwidrig ist, bestimmt sich nach dem Stand der (medizinischen) Wissenschaft. Ob der regelwidrige Zustand einer Heilbehandlung bedarf, ist nicht maßgebend (vgl. BAG vom 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 18 f.; HWK-Vogelsang, 10. Auflage 2022, § 3 EFZG; Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rn. 50; a.A. zum Erfordernis der Behandlungsbedürftigkeit: Schaub-Linck, ARHB, 19. Auflage 2021, § 98, Rn. 9; MüKoBGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 4). Danach sind auch Infektionen, die – wie solche mit dem Corona-Virus – unter das IfSG fallen, Krankheiten i.S.d. EFZG, für die der Arbeitgeber zeitlich begrenzt das Risiko trägt, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Krankheit seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann (vgl. BeckOK ArbR-Ricken, 67. Ed, 01. März 2023, § 3 EFZG, Rn. 26; Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Stand Februar 2022, § 3 EFZG, Rn. 58).35

bb)              Nach diesen Grundsätzen stellt die unstreitige SARS-CoV-2-Infektion des Klägers einen regelwidrigen körperlichen Zustand und damit eine Krankheit i.S.v. § 3 EFZG dar. Inwieweit der Zustand des Klägers einer Heilbehandlung bedurfte, ist nicht maßgeblich. Unstreitig wies der Kläger außerdem – zumindest zu Beginn – Krankheitssymptome auf, wegen der er seinen behandelnden Arzt aufsuchte.36

b)              Der Kläger war infolge der Krankheit arbeitsunfähig.

aa)              Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn ein Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde (vgl. BAG vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 167/16 – Rn. 14). Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer ist infolge Krankheit objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert und kann aufgrund der Erkrankung nicht mehr arbeiten, wenn er sich – wie der Kläger – in Quarantäne begeben muss. Die Krankheit macht ihm damit die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Dies gilt grundsätzlich auch für symptomlos Erkrankte, es sei denn, der Arbeitgeber kann von ihnen verlangen, im Homeoffice zu arbeiten (vgl. Schaub-Linck, 19. Auflage 2021, § 98, Rn. 14; MüKoBGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 10, 11; EfK-Reinhard, 23. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 10; ArbG Kiel vom 27. Juni 2022 – 5 Ca 229f/22 – Rn. 16; a.A. in Bezug auf symptomlos Erkrankte: Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rn. 67; Preis/ Mazurek/ Schmid, NZA 2020, 1137).

Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 24.8.2023 – 15 Sa 1033/22)

Anmerkung:

Richtig ist, dass man zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit unterscheiden muss, so macht dies recht genau das LAG Hamm. Nach dem LAG Hamm wäre der Fall des LAG Thüringen anders zu entscheiden. Beide Gerichte haben hier unterschiedliche Rechtsauffassungen in Bezug auf das hiesige Problem der Corona-Infektion mit Quarantäne (ohne Symptome). Das LAG Hamm hat die Revision zugelassen. Auch das LAG Thüringen hat die Revision zugelassen, so dass wohl (zum Glück) das BAG diese Rechtsfrage klären wird. Bis dahin kann man nicht sicher sagen, ob ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht oder nicht.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Marzahn-Hellersdorf von Berlin