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BAG: Corona-Kündigung im Krankenhaus

Kündigung wegen Weigerung einer Corona-Schutzimpfung
Die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber aufgrund der Weigerung sich eine Corona-Schutzimpfung geben zu lassen, ist ein emotionales Thema.
Corona-Kündigung und BAG
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit einer solchen Kündigung beschäftigt.
Wartezeitkündigung
Hierbei soll gleich ausgeführt werden, dass dieser Fall zwei Besonderheiten aufweist. Zum einen spielt der Fall noch vor der im Impfpflichtpflicht in der Gesundheits- und Pflegebranche. Es bestand also zum Zeitpunkt des hier vorliegenden Sachverhalts keine im Impfpflicht gegen Corona für Pflegepersonal bzw. Krankenhauspersonal. Darüber hinaus handelt es sich um eine Kündigung in der Wartezeit. Diese wird auch oft als Kündigung in der Probezeit bezeichnet, wobei dies nicht ganz richtig ist.
Unterschied zwischen Probezeit und Wartezeit
Wenn nämlich der Arbeitgeber innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer kündigt, dann findet das Kündigungsschutzgesetz auf den Arbeitsvertrag keine Anwendung. Der Arbeitgeber braucht dann keinen Kündigungsgrund. Dabei spielt es keine Rolle, wie lang die sogenannte Probezeit ist. Auch wenn diese nur 3 Monate beträgt und der Arbeitgeber kündigt im 4. Monat, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, da dieses voraussetzt, dass der Arbeitnehmer länger als 6 Monate im Betrieb des Arbeitgebers tätig ist und dort mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit abzüglich der Auszubildenden beschäftigt sind.
Beweislastumkehr bei Wartezeitkündigung
Bei der Kündigung in der Wartezeit/Probezeit durch den Arbeitgeber besteht die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer nachweisen muss-wenn er sich gegen diese Kündigung mittels Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehrt-dass die Kündigung unwirksam ist. Es kehrt sich die Beweislast um. Im Normalfall, also wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, muss nämlich der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung rechtmäßig ist.
Für den Arbeitnehmer liegt also eine Situation vor, in der es recht schwierig ist gegen die Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund benötigt.
Verstoß gegen das Maßregelungsverbot
Eine Möglichkeit besteht aber darin, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorwirft, dass er gegen das sogenannte Maßregelungsverbot verstoßen hat. Dieses ist in § 612a BGB geregelt und besagt, dass es verboten ist, dass der Arbeitnehmer zum Beispiel wegen einer berechtigten Weigerung bestraft wird. Klassische Fälle sind die, dass zum Beispiel der Arbeitnehmer berechtigt seinen Lohn einfordert und der Arbeitgeber dann als Strafe dafür den Arbeitnehmer kündigt. Es muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Weigerung/Forderung des Arbeitnehmers und der Kündigung bestehen.
§ 612a Maßregelungsverbot
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“
Nun zum Fall:
Im Fall des Bundesarbeitsgerichts arbeitete eine Arbeitnehmerin seit dem 1. Februar 2021 als medizinische Fachangestellte bei der Beklagten in einem Krankenhaus. Die Klägerin wurde dort auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Eine Impfpflicht gegen Corona gab es noch nicht. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Arbeitgeber war die Klägerin nicht bereit sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Sie schlug mehrere Impfangebote ihrer Arbeitgeberin aus. Daraufhin kündigte die Beklagte/Arbeitgeberin der Klägerin das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit ordentlich und fristgerecht.
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht
Die Arbeitnehmerin/Klägerin wehrte sich gegen die Kündigung mit der Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und machte geltend, dass sie wegen der nicht vorgenommenen Impfung zu Unrecht vom Arbeitgeber gemacht geregelt wurde und damit die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoßen würde.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 30.03.2023 Nr. 18/23 aus:
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt. Es fehlt an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung der Klägerin, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass die Kündigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht erklärt worden ist. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kündigung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22
Anmerkung:
Wie oben bereits ausgeführt, bestand die Besonderheit darin, dass eine Kündigung in der Wartezeit vorlag. In einer solchen Situation ist es schwierig für den Arbeitnehmer erfolgreich gegen diese Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund braucht. Das Maßregelungsverbot half der Arbeitnehmerin hier nicht weiter, da diese nicht nachweisen konnte, dass sie tatsächlich aufgrund der fehlenden Impfung gekündigt wurde und darüber hinaus-und dies ist das Entscheidende-hat das Bundesarbeitsgericht auch schon angedeutet, dass es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgeber ist, eine Arbeitnehmerin zu kündigen, die im Krankenhaus arbeitet und sich nicht impfen lässt, da die Möglichkeit besteht, dass diese Patienten und andere Mitarbeiter mit Corona ansteckt. Etwas spitzfindig meint das BAG hier, dass der Grund für die Kündigung nicht die verweigerte Impfung war, sondern der Schutz der Krankenhauspatienten.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Frohe und erholsame Weihnachten 2022!

Ich wünsche allen Mandanten und Geschäftspartnern ein frohes Weihnachtsfest 2022 und schöne und erholsame Feiertage!
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schweigepflicht über Höhe der Vergütung?

Muss man über die Höhe des Lohnes schweigen?
Wieviel ein Arbeitnehmer monatlich verdient, ist gerade auch für Arbeitskollegen eine interessante Information. Arbeitgeber, die zum Beispiel ihre Mitarbeiter in Bezug auf die Lohnzahlung nicht gleich behandeln, haben ein Interesse daran, dass diese Information eben nicht im Betrieb kundgetan wird.
Geheimhaltung im Betrieb und Vergütung
Es stellt sich dann die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Geheimhaltung verpflichten kann.
Lohn ist kein Geschäftsgeheimnis
Die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers ist Teil seiner Treuepflicht und eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Bei einer Verletzung dieser Pflicht kann der Arbeitgeber Schadensersatzansprüche geltend machen. Der Schutz des Arbeitgeber ist im Geschäftsgeheimnisgesetz gereglt. Daran sieht man schon, dass es vor allem hierbei um Geschäftsgeheimnisse und nicht für über die Arbeitsvertragsbedingungen des Arbeitnehmers geht.
Ein Geschäftsgeheimnis ist eine Information,die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist (§ 2 GeschGehG).
Die Höhe des Lohnes des Arbeitnehmers fällt von daher nicht unter dem Geschäftsgeheimnisbegriff.
Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag in Bezug auf Arbeitslohn
Nicht selten versuchen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer aber trotzdem, zum Beispiel durch Geheimhaltungsklauseln im Arbeitsvertrag, zu verpflichten, dass diese zur Verschwiegenheit im Hinblick auf die Vergütungshöhe verpflichtet sind.
Es stellt sich dann die Frage, ob eine solche im Arbeitsvertrag vereinbarte Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf die Vergütung des Arbeitnehmers grundsätzlich zulässig ist oder nicht.
aktuelles Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 21.10.2009 – 2 Sa 183/09) hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob ein eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist ein Stillschweigen über Höhe seines Lohnes, insbesondere gegenüber Arbeitskollegen, zu wahren, wirksam ist.
Der Entscheidung des Landesarbeitsgericht lag folgender Fall zugrunde:
Der Arbeitnehmer war seit dem 1. September 2007 aufgrund eines Anstellungsvertrages beim der Arbeitgeberin beschäftigt. In Anstellungsvertrag hießt es es unter § 4 Nr. 4:
„Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln, im Interesse des Arbeitsfriedens auch gegenüber anderen Firmenangehörigen.“
Arbeitsvertrag
Der Arbeitnehmer/ Kläger gab an einen Arbeitskollegen die Information weiter, dass die Beklagte sein Nettogehalt in den Monaten Januar und Februar 2009 um insgesamt 2.995,00 EUR gekürzt und ihm im Januar lediglich 435,00 EUR netto ausgezahlt habe.
Der Arbeitnehmer / Kläger erhielt deshalb eine Abmahnung von seiner Arbeitgeberin, da er gegen die Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag verstoßen habe, da er einem Kollegen seinem Monatslohn mitteilte.
Der Arbeitnehmer klagte gegen die Abmahnung und gewann sowohl vor dem Arbeitsgericht (Schwerin) als auch vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern.
Urteil des LAG MV
Das Landesarbeitsgericht führte in der Entscheidung dazu aus:
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Urteil vom 21.10.2009 – 2 Sa 183/09Die Abmahnung vom 11.03.2009 ist aus der Personalakte zu entfernen, da sie nicht gerechtfertigt ist. Eine Pflichtverletzung des Klägers liegt nicht vor.
Die Klausel in § 4 Nr. 4 des Anstellungsvertrages, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln und auch gegenüber anderen Firmenangehörigen Stillschweigen darüber zu bewahren, ist unwirksam. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 BGB dar.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt: Urteil vom 15.07.2009, 5 AZR 486/08) ist der Arbeitgeber auch bei der Lohngestaltung dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Die einzige Möglichkeit für den Arbeitnehmer festzustellen, ob er Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich seiner Lohnhöhe hat, ist das Gespräch mit Arbeitskollegen. Ein solches Gespräch ist nur erfolgreich, wenn der Arbeitnehmer selbst auch bereit ist, über seine eigene Lohngestaltung Auskunft zu geben. Könnte man ihm derartige Gespräche wirksam verbieten, hätte der Arbeitnehmer kein erfolgversprechendes Mittel, Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Lohngestaltung gerichtlich geltend zu machen.
Darüber hinaus wird das Verbot auch gegen die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen, da sie auch Mitteilungen über die Lohnhöhe gegenüber einer Gewerkschaft verbietet, deren Mitglied der betroffene Arbeitnehmer sein könnte. Sinnvolle Arbeitskämpfe gegen ein Unternehmen wären so nicht möglich, da die Gewerkschaft die Lohnstruktur nicht in Erfahrung bringen kann.
Anmerkung:
Wie das LAG schon ausführt, ist eine solche Verschwiegenheitsklausel allein schon deshalb unzulässig, da fast immer der Sinn der Klausel darin besteht, dass der Arbeitgeber verhindern möchte, dass eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer im Betrieb – die verboten ist – ans Licht kommt.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Arbeitslosengeld II für Wohnen im Zelt

Zum Arbeitslosengeld II gehört auch die Übernahme der Kosten der Unterkunft für den Bedürftigen. In der Regel sind dies die Wohnkosten. Was ist, wenn nun aber der Bedürftigen nicht in einer Wohnung lebt, sondern in einem Zelt. Damit mussten sich nun das Landessozialgericht NRW und das Sozialgericht Köln beschäftigen.
Miete für Zelt auf Zeltplatz als Kosten der Unterkunft
Folgender Fall war zu entscheiden:
Ein ALG-II-Empfänger bezog während eines Klinikaufenthaltes Arbeitslosengeld II in Höhe des Regelbedarfs. Als aus dem Krankenhaus entlassen wurde, mietete er u.a. von Juni bis September 2019 auf einem Campingplatz ein Zelt an und wohnte dort. Dort musste der Kläger einen Betrag – für die Zeltplatzmiete von insgesamt 1.100 € bezahlen. Diesen Betrag wollte der Kläger von der Agentur für Arbeit als Wohnkosten erstattet bekommen.
Das beklagte Jobcenter lehnte die Übernahme dieser Kosten ab. Das Jobcenter führte dazu aus, dass es sich nicht um Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 SGB II handeln würde, da Zelte keine Unterkunft darstellten.
Klage vor dem Sozialgericht auf Übernahme der Zeltkosten
Das Sozialgericht Köln gab der hiergegen gerichteten Klage statt und verurteilte das beklagte Jobcenter zur Übernahme der für die Monate Juni bis September jeweils berechneten Miete des Klägers.
Berufung des Jobcenters vor dem LSG NRW
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers änderte das Landessozialgericht (LSG NRW vom 10.2.2022 – L 19 AS 1201-21) das Urteil ab und verurteilte die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die Monate August und September 2019.
Ausführungen des Landessozialgerichts
Der Bedarf des Klägers bestand aufgrund der Rechnungstellung nur in den Monaten August und September 2019. Im Übrigen ist dem SG der Sache nach zuzustimmen.
Bei der Miete für den Zeltplatz handelt es sich um von der Beklagten zu übernehmende Kosten einer Unterkunft. Entscheidend ist, dass eine bauliche Anlage nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die beiden Grundvoraussetzungen Witterungsschutz und „gewisse Privatsphäre“ (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) erfüllt.
Diese Voraussetzungen dürfen zur Gewährleistung des Grundrechts auf eine menschenwürdige Existenz und aus sozialstaatlichen Erwägungen nicht überspannt werden, da andernfalls die Qualität des Obdachs in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit steht, hierfür Grundsicherungsleistungen zu erhalten. Je niedriger der Standard des „Dachs über dem Kopf“, desto wahrscheinlicher würde ihm der Charakter einer Unterkunft abgesprochen. Hierdurch würden aber gerade Menschen benachteiligt, die aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen kein qualitativ besseres Obdach erlangen könnten.
Die Aufstellung eines Zelts auf einem umzäunten, bauordnungsrechtlich zugelassenen Campingplatz, verbunden mit der Möglichkeit der Nutzung von Sanitäranlagen und Stromanschlüssen, für einen vorübergehenden Zeitraum erfüllt daher beide Mindestvoraussetzungen.
LSG NRW vom 10.2.2022 – L 19 AS 1201-21
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Klage und unzulässiger Verweis auf Anlagen
Klage und Anlagen
Wer rückständigen Lohn einklagt oder zum Beispiel eine Kündigungsschutzklage erhebt erhebt, muss grundsätzlich alle Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs darlegen und notfalls beweisen.
Klage muss von sich aus schlüssig sein
Der entscheidende Punkt ist dabei, dass das Gericht im Schriftsatz selbst die entsprechenden Informationen erhält. Dies Klage muss in sich schlüssig sein. Das Beifügen von Anlagen, zur näheren Substantiierung, also Darlegung, ist oft sinnvoll, auch um gegebenfalls ein Beweisangebot zu machen.
> Achtung: > Zu beachten ist aber, dass Anlagen nicht den Vortrag des Klägers ersetzen. Das Gericht muss alle wichtigen Informationen aus dem Schriftsatz selbst entnehmen können.
umfangreiche Anlagen zum Schriftsatz
Es kommt in der Praxis oft vor, dass Anwälte den Schriftsätzen umfangreiche Anlagen beifügen und dieser entsprechend nicht oder nur wenig erläutern. Dies darf aber nicht dazu führen, dass sich dann das Gericht aus diesen Anlagen die entsprechende Informationen herauszusuchen muss. Gerade dies ist grundsätzlich nicht zulässig.
selbsterklärende Anlagen
Es kommt auch immer auf den Umfang und der Art der Anlagen an. Oft sind Anlagen auch "selbsterklärend". Wenn der Kündigungsschutzklage zum Beispiel die Kündigungserklärung des Arbeitgebers beigefügt ist, dann muss diese Anlage nicht näher erläutert werden. Hier ist auf den ersten Blick erkennbar, um was es sich handelt und in welchem Zusammenhang es zur Klage steht.
Darlegung und Verweis auf Anlagen
Etwas anderes ist es jedoch, wenn der Kläger zum Beispiel im Rahmen einer Lohnklage umfangreiche Lohnansprüche geltend macht und in Bezug auf die entsprechenden Arbeitszeiten auf diverse Arbeitszeitprotokolle ohne jegliche Erläuterung verweist. Dies wäre nicht zulässig. Das Gericht ist nicht gehalten sich aus den Anlagen dann herauszusuchen, wie die Arbeitszeit tatsächlich verteilt war. Die beigefügten Anlagen sich nicht "selbsterklärend" und ersetzen nicht den Vortrag des Klägers.
Fall des LAG Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte über einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Ein Arbeitnehmer machte Vergütungsansprüche für 33 Kalendertage gelten. Der Kläger war hier überwiegend als Fahrer unterwegs und der Klageschrift war eine dreiseitige Tabelle als Anlage beigefügt mit den Fahrzeiten des Klägers. Es handelte sich dabei um die Aufzeichnungen eines Fahrtenschreibers. Nähere Erläuterungen wurden nicht vom Kläger dazu gemacht.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Für die Klage beantragte der Kläger Prozesskostenhilfe. Das Arbeitsgericht Berlin wies den Prozesskostenhilfeantrag ab mit dem Hinweis, dass die Klage insgesamt nicht schlüssig sei.
Gegen diese Ablehnung legte der Kläger und Antragsteller sofortige Beschwerde zum Arbeitsgericht ein, welches aber nicht abhalf und die sofortige Beschwerde dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vorlegte.
Auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 3.3.21 – 10 Ta 320/21) entschied gegen den Kläger.
Es führte dazu aus:
> Nach § 11a Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bedarf auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Rechtsverfolgung einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg, wenn für diese Prozesskostenhilfe bewilligt werden soll. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat eine Klage, wenn sie schlüssig den geltend gemachten Anspruch begründet. > Eine solche hat das Arbeitsgericht zu recht im Ergebnis als nicht gegeben angenommen. Zu einer schlüssigen Klage auf Arbeitsvergütung gehört, dass der Kläger darlegt, wann er welche konkreten Arbeitszeiten geleistet hat. Eine Klage ist zwar nicht bereits unschlüssig, wenn für ihre Beurteilung auch beigefügte Anlagen erforderlich sind. Es genügt aber nicht eine pauschale Bezugnahme auf (umfangreiche) Anlagen ohne Spezifizierung (BVerfG vom 29.2.2012 – 2 BvR 368/10). Nur wenn es sich um verständliche Anlagen handelt, die ohne besonderen Aufwand zu erfassen sind, steht deren prozessualer Verwertung nichts entgegen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 5. Dezember 2019 – 10 Sa 705/19). > Der Hinweis auf einen Fahrtenschreiber ist nicht aus sich heraus bereits verständlich. Solange der Kläger sich nicht die Mühe macht, den Inhalt der Fahrerkarte für die einzelnen Tage schriftsätzlich näher darzulegen, verbleibt es bei der fehlenden Erfolgsaussicht der Klage. Hinzu kommt, dass der Kläger eine Nettovergütung geltend gemacht hat, obwohl es sich bei dem gesetzlichen Mindestlohn um eine Bruttovergütung handelt. Auch insoweit ist die Klage unschlüssig.
Anmerkung: Gerade bei umfangreichen Anlagen sollten diese ausreichend in der Klage erläutert werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Frohes und gesundes Jahr 2021!

Ich wünsche allen Lesern dieses Blogs sowie allen Mandanten und Geschäftspartnern auf diesem Weg ein frohes, erfolgreiches und gesundes Jahr 2021!
Insbesondere hoffe ich, dass die Angelegenheit Corona im Jahr 2021 endlich ihren Abschluss findet.
Weiter wünsche ich vor allem gute Gesundheit!
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Anwalt Arbeitsrecht Berlin – Blog

Anwalt Arbeitsrecht Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin
Auf meinen diesen Blog (Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin Blog) erhalten Sie Informationen zum Arbeitsrecht, insbesondere aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte.
Den ersten Artikel zum Arbeitsrecht habe ich im März 2009 hier veröffentlicht.
Als Author – Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin – bin ich seit dem Jahr 2003 als Anwalt zugelassen und bin vor allem am Standort in Berlin (Marzahn-Hellersdorf) im Arbeitsrecht tätig.
Überwiegend beschäftige ich mich mit Kündigungsschutz (Kündigungsschutzklagen) und berate und vertrete vor allen in der Problematik „Kündigung und Abfindung„. Ein Großteil meiner arbeitsrechtlichen Verfahren habe ich vor dem Arbeitsgericht Berlin.
Der Blog beschäftigt sich mit arbeitsrechtlichen Problemen und vor allen aktuellen Entscheidung der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgericht sowie der Rechtsprechung des EuGH, soweit diese Bezug zum Arbeitsrecht hat.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Bereich Berlin-Brandenburg.
Innerhalb des Arbeitsrechtes geht es vor allem dann um Artikel und Entscheidungen zur Thematik Kündigung, Abfindung, Kündigungsschutz, Lohn, Urlaub, Überstundenvergütung, Haftung des Arbeitnehmers und anderen Bereichen des Arbeitsrechts.
Viel Spaß beim Lesen!
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
BAG: Arbeitsvertrag mit Bademeister nur für Saison

Saisonbeschäftigung im Schwimmbad
Der Arbeitnehmer/ Kläger war seit Juli 2000 bei der beklagten Gemeinde als Badeaufsicht im Schwimmbad in Vollzeit tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 1. April 2006 wird der Kläger jeweils für die Saison vom 1. April bis zum 31. Oktober eines Kalenderjahres (Saisonarbeitsvertrag) eingestellt. Der Arbeitnehmer/ Kläger war seitdem in den Monaten April bis Oktober eines jeden Jahres beschäftigt und vergütet. Die Beschäftigung des Arbeitnehmers/ Klägers erfolgte nahezu ausschließlich im gemeindlichen Freibad als Badeaufsicht sowie mit der Reinigung und Pflege des Schwimmbads.
Entfristungsklage gegen Saisonbeschäftigung
Im Jahr 2016 erhob der Arbeitnehmer dann eine sog. Entfristungsklage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch Befristungsabrede vom 1. April 2006 am 31. Oktober 2016 aufgelöst wurde und dass das Arbeitsverhältnis über den 31. Oktober 2016 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
kein Erfolg vor den Arbeitsgerichten
Die Vorinstanzen hatten die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen. Die Revision wurde vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen, (Urteil vom 5. Oktober 2017 – 15 Sa 184/17)zugelassen.
Bundesarbeitsgericht – Revision unbegründet
Allerdings hatte die Revision des Klägers vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19. November 2019 – 7 AZR 582/17) gab der Gemeinde Recht und führte in seiner Pressemitteilung vom 19.11.2019 – 39/19 dazu aus:
Die Vereinbarung einer auf die Badesaison begrenzten Beschäftigung im unbefristeten Arbeitsvertrag eines in einem Freibad beschäftigten Arbeitnehmers kann jedenfalls dann wirksam sein, wenn für den Arbeitnehmer außerhalb der Badesaison kein Beschäftigungsbedarf besteht.
Die Parteien haben in dem Vertrag vom 1. April 2006 nicht eine Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse für die künftigen Jahre vereinbart. Vielmehr ist das Arbeitverhältnis unbefristet, lediglich die Arbeits- und Vergütungspflicht ist auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt. Diese Vereinbarung ist wirksam. Der Kläger wird dadurch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, da die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrags davon ausgehen durfte, nur während der Badesaison Beschäftigungsbedarf für den Kläger zu haben.
Anmerkung:
Wie das BAG schon anführt, geht es hier nicht um eine Befristung des Arbeitsvertrags. Dieser war unbefristet geschlossen worden. Allein die Hauptleistungspflichten der Parteien (Arbeitsleistung/ Zahlung) sollte nur während de Saison erbracht werden. Eine solche Klausel im Arbeitsvertrag verstößt nach dem BAG nicht gegen die gesetzlichen Bestimmungen (AGB-Recht). Die obige Fall dürfte für viele Gemeinden interessant sein, die Saisonarbeiter beschäftigen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Haftung des Bauherrn für Sozialversicherungsabgaben des Subunternehmers?

Nicht selten beauftragt ein Bauherr – bei größeren Bauvorhaben– einen Generalunternehmer, der dann wiederum Subunternehmer beauftragt. Kann der Subunternehmer die Sozialversicherungsabgaben / den Lohn für seine Arbeitnehmer nicht zahlen, haftet der Generalunternehmer nach § 14 des Arbeitnehmerentsendegesetzes für das Mindestentgelt wie ein Bürge.
§ 14 lautet:
Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt im Sinne des Satzes 1 umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt).
Keine Haftung der Bauherrin für ausstehende Lohnzahlungen von Subunternehmern
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über folgenden Fall zu entscheiden:
Die beklagte Bauherrin hatte auf einem ihr gehörenden Grundstück in Berlin ein Einkaufszentrum (Mall for Berlin) errichten lassen, das sie verwaltet und in dem sie Geschäftsräume an Dritte vermietet. Für den Bau des Gebäudes beauftragte die Beklagte einen Generalunternehmer, der mehrere Subunternehmer einschaltete. Bei einem dieser Subunternehmer war der Kläger (Arbeitnehmer) als Bauhelfer beschäftigt. Der Subunternehmer / Arbeitgeber des Klägers blieb diesem – trotz rechtskräftiger Verurteilung in einem Arbeitsgerichtsprozess – Lohn schuldig.
Über das Vermögen des Generalunternehmers wurde zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet, so dass auch bei diesem nicht mehr viel zu holen war.
Der Kläger hatte deshalb wegen des ihm für seine Arbeit auf der Baustelle des Einkaufszentrums noch zustehenden Nettolohns die beklagte Bauherrin in Anspruch genommen und vor dem Arbeitsgericht Berlin verklagt. Er trug im Prozess dazu vor, dass auch die beklagte Bauherrin hafte nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz als Unternehmerin für die Lohnschulden eines Subunternehmers.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 2018 – 21 Sa 1231/17 – hat die Berufung des klagenden Arbeitnehmers zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 5 AZR 241/18 -) keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Pressemitteilung 31/19 vom 16.10.2019 folgendes aus:
Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte unterliegt als bloße Bauherrin nicht der Bürgenhaftung des Unternehmers nach § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz* (AEntG). Der Begriff des Unternehmers ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vorgängerregelung in § 1a AEntG aF nach dem vom Gesetzgeber mit dieser Bestimmung verfolgten Sinn und Zweck einschränkend auszulegen. Erfasst wird nur der Unternehmer, der sich zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Gibt er auf diese Weise die Beachtung der zwingenden Mindestarbeitsbedingungen aus der Hand, ist es gerechtfertigt, ihm die Haftung für die Erfüllung der Mindestlohnansprüche der auch in seinem Interesse auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer aufzuerlegen. Dies trifft auf die Beklagte nicht zu. Sie hat lediglich als Bauherrin den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf an einen Generalunternehmer erteilt und damit nicht die Erfüllung eigener Verpflichtungen an Subunternehmer weitergegeben. Mit der Vergabe des Bauauftrags schaffte sie nur die Grundlage dafür, ihrem Geschäftszweck, der Vermietung und Verwaltung des Gebäudes, nachgehen zu können.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
BAG: Haftungsfalle elektronische Signatur!
Obwohl das elektronische Anwaltspostfach (beA) gerade erst wieder vor Kurzem aktiviert wurde, gibt es schon einen (Alt-) Fall hierzu; entschieden vom Bundesarbeitsgericht. Problematisch war hier das Signieren eines Schriftsatzes (Revision/ Revisionsbegründung).
Der Fall des BAG:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen des Arbeitgebers/ Beklagten.
Die Vorinstanzen hatte die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem am 9. November 2017 verkündeten Urteil (Berufung) die Revision zum BAG nicht zugelassen.
Das Berufungsurteil ist dem Kläger/Arbeitnehmer am 29. März 2018 zugestellt worden.
Der Prozessbevollmächtigte des Arbeitnehmers erhob nun die Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG und begründete diese. Beide Schriftsätze wurden innerhalb der gesetzlichen Fristen vom Prozessbevollmächtigten an das Bundesarbeitsgericht übermittelt.
Allerdings erfolgte die Übersendung mittels eines elektronischen Dokuments über das EGVP des Gerichts (über das beA). Dies wäre unproblematisch gewesen, wenn beide Schriftsatz mit einer elektronischen Signatur versehen gewesen wären. Dies war aber nicht der Fall. Signiert wurde nur der „Nachrichtencontainer“ (sog. Container-Signatur). Faktisch heißt dies, dass der Kollege über das beA nur die „Nachricht/ E-Mail“ signiert hatte, nicht aber nochmals gesondert den darin enthaltenen Schriftsatz.
Dies ist aber nicht ausreichend.
Das BAG (Beschluss vom 15.8.2018, 2 AZN 269/18) führt dazu aus:
Nach § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist die Beschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils schriftlich einzulegen. Sie kann auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 555 Abs. 1 Satz 1, § 130a Abs. 1 ZPO), wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist (§ 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen sind in der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (§ 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803) idF der Verordnung zur Änderung der ERVV vom 9. Februar 2018 (BGBl. I S. 200) geregelt. Das elektronische Dokument muss mit einer qeS der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 und Abs. 4 ZPO). Ein elektronisches Dokument, das mit einer qeS der verantwortenden Person versehen ist, darf nur auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 ERVV) oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 ERVV). Mehrere elektronische Dokumente dürfen hingegen nicht mit einer gemeinsamen qeS übermittelt werden (§ 4 Abs. 2 ERVV). Durch diese Einschränkung soll verhindert werden, dass nach der Trennung eines elektronischen Dokuments vom sog. Nachrichtencontainer die Container-Signatur nicht mehr überprüft werden kann (BR-Drs. 645/17 S. 15 zu § 4; zu § 65a SGG BSG 9. Mai 2018 – B 12 KR 26/18 B – Rn. 4).
…..
Über das EGVP des Bundesarbeitsgerichts kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann eingereicht werden, wenn die als elektronisches Dokument übermittelte Beschwerdeschrift mit einer qeS versehen ist. Die Form des § 130a Abs. 3 ZPO ist nicht mehr gewahrt, wenn die qeS nur an dem an das EGVP übermittelten Nachrichtencontainer angebracht ist. Diese umfasst dann nicht das einzelne elektronische Dokument, sondern die elektronische Sendung. Diese Übermittlungsform genügt seit dem 1. Januar 2018 nicht (mehr) den Anforderungen des § 130a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 2 ERVV. Dies gilt auch dann, wenn dem Gericht lediglich ein einziges Dokument übermittelt wird. Ob die Container-Signatur ein Dokument oder mehrere Dokumente signieren soll, ist aus dem beim Gericht erstellten Transfervermerk nicht zu ersehen. Genau diese Erschwerung bei der Bearbeitung elektronischer Dokumente durch das Gericht soll der neu gefasste § 4 Abs. 2 ERVV verhindern. Nach der Verordnungsbegründung zu § 4 Abs. 2 ERVV schließt die Bestimmung „es künftig aus, mehrere elektronische Dokumente mit einer einzigen qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen“ (BR-Drs. 645/17 S. 15). Nach der Begründung zu § 5 Abs. 1 Nr. 5 ERVV kann „die qualifizierte elektronische Signatur … entweder in die jeweilige Datei eingebettet (‚Inline-Signatur‘) oder … der Datei beigefügt werden (‚Detached-Signatur‘)“. „Würde hingegen die Datei mit der qualifizierten elektronischen Signatur umhüllt (‚Container-‘ oder ‚Envelope-Signatur‘), könnte dies die Verarbeitung durch das Gericht erheblich erschweren“ (vgl. BR-Drs. 645/17 S. 17). Dies spricht dafür, dass nach der Vorstellung des Verordnungsgebers die Container-Signatur ab dem 1. Januar 2018 für die Übermittlung von Schriftsätzen generell nicht mehr verwandt werden kann. Das gilt auch dann, wenn sich die Container-Signatur nur auf elektronische Dokumente bezieht, die sämtlich ein Verfahren betreffen und bei nicht elektronisch geführten Akten mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt würden (aA Brandenburgisches OLG 6. März 2018 – 13 WF 45/18 – Rn. 18 ff.; offengelassen zu § 65a SGG von BSG 9. Mai 2018 – B 12 KR 26/18 B – Rn. 6).
Anmerkung:
Bei der Übermittlung mittels beA ist darauf zu achten, dass nach dem Hochladen des Schriftsatzes (Web-Interface) dieser signiert wird. Dies hat nichts mit dem Signieren der Nachricht (zweites Feld oben „Nachrichtenentwurf signieren“) zu tun.
Den zu übermittelnden Schriftsatz kann man entweder vor dem Hochladen (unpraktisch) oder nach dem Hochladen im Webinterface direkt signieren. Dies geht so, dass man (ganz) rechts neben dem Schriftsatz (dieser wird unten im Webinterface angezeigt)
Sodann wird nach dem Sicherheitstoken gefragt, den man auswählen muss (Karte) und die PIN abgefragt und der Schriftsatz wird nach richtiger Eingabe der PIN signiert. Danach erscheint der Schriftsatz 2 x in den Anlagen. Einmal davon mit der Endung .p7s. Dies ist die Signatur.
Danach kann man die Nachricht signieren („Nachrichtenentwurf signieren“) und sodann versenden.
Anmerkung:
Wie unsicher man noch beim Versenden über das beA ist, zeigt auch mein letztes Bild zum Artikel (siehe einige Zeilen höher). Die dort bezeichnete Schriftsätze haben die Endung .docx , was bei der Übersendung an die Gerichte nicht zulässig ist. Die Schriftsätze müssen zuvor in das PDF-Format umgewandelt werden. Auch dies ist beachten!
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Marzahn Hellersdorf