kündigungsschutz
Was ist ein Inkardinationsverhältnis?

Für die Kirche in der Bundesrepublik Deutschland gilt ein besonderes Arbeitsrecht (Arbeitsrecht der Kirchen).
Gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV regeln die Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich. Dies nennt man das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Dieses Selbstbestimmungsrecht bedeutet, dass das bundesdeutsche staatliche Recht keine Anwendung findet, wenn die Kirche in ihren geistigen oder religiösen Grundsätzen betroffen ist.
Inkardinationsverhältnis
Das Inkardinationsverhältnis ist das Dienstverhältnis eines katholischen Geistlichen.
Dieses Rechtsverhältnis des katholischen Geistlichen zur katholischen Kirche nennt man Inkardinationsverhältnis.
Das Inkardinationsverhältnis wird mit der Weihe begründet. Dessen Beendigung ist die Exkardination.
In der römisch-katholischen Kirche muss jeder Kleriker inkardiniert sein. Dies in can. 265 CIC (Codex des Kanonischen Rechtes) geregelt.
Dort heißt es:
Jeder Kleriker muß entweder einer Teilkirche oder einer Personalprälatur oder einem Institut des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft, die diese Befugnis haben, inkardiniert sein, so daß es Kleriker ohne Inkardination in keiner Weise geben darf.
Die Inkardination verpflichtet beide Seiten. So ist der inkardinierten Geistliche zum Dienst in der jeweiligen Organisation der Kirche verpflichtet und andererseits Kirche dazu, ihn in ihrem Dienst zu beschäftigen und existenziell abzusichern. Aufgrund des Inkardinationsverhältnisses hat der Geistliche nämlich gegen seinen Diözesanbischof einen Anspruch auf angemessenen Lebensunterhalt.
Arbeitsrecht anwendbar?
Das staatliche Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland ist nicht anwendbar. Der katholische Geistliche unterliegt gänzlich dem (besonderen) Kirchenrecht.
Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten?
Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 27.02.2014 – 2 C 19/12) ist nunmehr aber auch in dienstrechtlichen Streitigkeiten zwischen Geistlichen und Kirchenbeamten und ihrer Religionsgesellschaft aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten staatlichen Justizgewährungsanspruchs der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet. Voraussetzung ist, dass die Verletzung staatlichen Rechts geltend gemacht wird.
Nach der obigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts können auch Geistliche oder Beamte einer Religionsgesellschaft, staatliche Gerichte anrufen, wenn und soweit sie geltend machen, ein Akt ihrer Religionsgesellschaft habe sie in ihren Rechten verletzt.
kirchliche Arbeitnehmer
Anders als die Kirchenbeamten, unterliegen die kirchlichen Arbeitnehmer dem staatlichen Arbeitsrecht. Damit kann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, auf deren Arbeitsverhältnisse das Kündigungsschutzgesetz und Sonderkündigungsschutz Anwendung finden. Allerdings werden die Voraussetzungen, die zu einer Kündigung führen können, aber grundsätzlich durch die Kirchengesetze festgelegt.
Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin – Berlin
Anwalt Arbeitsrecht Berlin – Blog
Anwalt Arbeitsrecht Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin
Auf meinen diesen Blog (Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin Blog) erhalten Sie Informationen zum Arbeitsrecht, insbesondere aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte.
Den ersten Artikel zum Arbeitsrecht habe ich im März 2009 hier veröffentlicht.
Als Author – Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin – bin ich seit dem Jahr 2003 als Anwalt zugelassen und bin vor allem am Standort in Berlin (Marzahn-Hellersdorf) im Arbeitsrecht tätig.
Überwiegend beschäftige ich mich mit Kündigungsschutz (Kündigungsschutzklagen) und berate und vertrete vor allen in der Problematik „Kündigung und Abfindung„. Ein Großteil meiner arbeitsrechtlichen Verfahren habe ich vor dem Arbeitsgericht Berlin.
Der Blog beschäftigt sich mit arbeitsrechtlichen Problemen und vor allen aktuellen Entscheidung der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgericht.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Bereich Berlin-Brandenburg.
Innerhalb des Arbeitsrechtes geht es vor allem dann um Artikel und Entscheidungen zur Thematik Kündigung, Abfindung, Kündigungsschutz, Lohn, Urlaub, Überstundenvergütung, Haftung des Arbeitnehmers und anderen Bereichen des Arbeitsrechts.
Viel Spaß beim Lesen!
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Erweiterter Kündigungsschutz nach neuen Mutterschutzgesetz!
Das Mutterschutzgesetz wurde 2017 reformiert und zum 1.1.2018 sind die Änderungen in Kraft getreten. Eine Änderung hatte es bereits zum 30.5.2017 in Bezug auf den Sonderkündigungsschutz bei einer Fehlgeburt gegeben.

Sonderkündigungsschutz nun in § 17 Mutterschutzgesetz
Der Sonderkündigungsschutz („Kündigungsverbot“) findet sich seit dem 1. Januar 2018 nun in § 17 MuSchG.
Dieser lautet in Abs. 1:
§ 17 Kündigungsverbot
(1) Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig
1.
während ihrer Schwangerschaft,
2.
bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und
3.
bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung,
wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft.
Kündigungsverbot entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen
Eine der erhebliche Änderungen befindet sich in § 17 Abs. 1 Satz 3 MuSchG, nämlich die Ausweitung des Kündigungsschutzgesetzes auch „für Vorbereitungsmaßnahmen“ des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Arbeitnehmerin (Frau) trifft.
Solche Vorbereitungsmaßnahmen führen dazu, dass eine anschließende Kündigung des Arbeitgeber gem. § 134 BGB nichtig ist.
Vorbereitung eines dauerhaften Ersatzes der Arbeitnehmerin
Nun kann man sich nach dem ersten Blick ins Gesetz wenig unter solchen Vorbereitungsmaßnahmen vorstellen. Der Hintergrund ist der, dass der EuGH Urteil vom 11.10.2007 – 0-460/06, NZA2007, 1271) dem Gesetzgeber dazu angehalten hat, die Arbeitnehmerin vor solche Maßnahmen ebenfalls zu schützen.
Eine solche Vorbereitungsmaßnahme kann zum Beispiel die Suche nach einem neuen Arbeitnehmer sein, der dann die sich in Mutterschutz befindliche Arbeitnehmerin dauerhaft ersetzen soll.
Wenn also die Arbeitnehmerin später nachweisen kann, dass der Arbeitgeber bereits während des Mutterschutzgesetzes nach einer neuen Mitarbeiterin gesucht hat um die sich im Mutterschutz befindliche Arbeitnehmer zu ersetzen, dann ist eine spätere Kündigung – auch nach den Schutzfristen – nichtig! Dies kann den zeitlichen befristeten Sonderkündigungsschutz erheblich erweitern. Andererseits ist auch klar, dass ein solcher Nachweis nicht immer einfach ist.
Dauer des Sonderkündigungsschutzes
Die Dauer des Sonderkündigungsschutzes bestimmt sich gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MuSchG, wonach gilt, dass während der gesamten Schwangerschaft sowie 4 Monate nach der Entbindung keine Kündigung des Arbeitgebers erfolgen darf.
Neuregelung für Frühgeburten
Neu ist eine Sonderregelung, wonach Kündigungsschutz nach der
Entbindung in jedem Fall so lange anhält, wie ein Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG besteht. Ausgeweitet ist der Sonderkündigungsschutz damit für Frühgeburten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 MuSchG). In diesem Fall verlängert sich das Beschäftigungsverbot nämlich um die Differenz zwischen dem prognostizierten Geburtstermin und der tatsächlichen Entbindung (Frühgeburt). Eine Auswirkung hat dies nur dann, wenn das Kind etwas mehr als 2 Monate vor dem errechneten Geburtstermin geboren wird.
Neuregelung für Fehlgeburten
Neu eingeführt wurde der Kündigungsschutz von 4 Monaten (§17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MuSchG) für Frauen, die nach der zwölften Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden. Damit soll der besonderen Belastung einer Fehlgeburt Rechnung getragen werden, was nur zu begrüßen ist. Von daher besteht der Sonderkündigungsschutz auch, wenn das Kind im Sinne des § 31 Abs. 2 PStV (Personenstandsverordnung) tot geboren wird. Dies war zuvor nicht so.
Anforderungen an Kündigung während der Schutzfristen
Während der Schutzfristen besteht ein Kündigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Der Arbeitgeber braucht für die Kündigung die Zustimmung der obersten Landesbehörde. Die Kündigung muss darüber hinaus den formellen Anforderungen genügen. Sie muss schriftlich erfolgen (§ 17 Abs. 2, Satz 2 MuSchG; aber schon in § 623 BGB geregelt) und die Kündigung muss begründet werden, was normalerweise nicht Voraussetzung ist. Eine nicht begründete Kündigung ist nach § 134 BGB unwirksam.
Rechtsanwalt Andreas Martin- Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin Marzahn-Hellersdorf
BAG: Wiedereinstellungsanspruch nach Kündigung besteht nicht im Kleinbetrieb!
Ein Kleinbetrieb ist ein Betrieb mit regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit abzüglich der Auszubildenden. Im Kleinbetrieb gibt es für die Arbeitnehmer keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Der Arbeitgeber kann also ohne Kündigungsgrund ordentlich das Arbeitsverhältnis beenden. Nur in Ausnahmefällen gibt es eine Möglichkeit die Kündigung erfolgreich anzugreifen, nämlich ,wenn ein Sonderkündigungsschutz oder ein Mindestkündigungsschutz greift. Dies ist selten der Fall.
Nun zum Fall des Bundesarbeitsgericht:
Der Arbeitnehmer/ Kläger war seit 1987 bei seiner Arbeitgeberin in einer Apotheke beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. November 2013 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer/ Kläger sowie mit allen übrigen Beschäftigten zum 30. Juni 2014 (wahrscheinlich sollte der Betrieb angeblich aufgegeben werden).Beim Betrieb handelte es sich um einen Kleinbetrieb.
Der Arbeitnehmer / Kläger, der keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genoss (da Kleinbetrieb) , hat die Kündigung Der Arbeitgeberin nicht mittels Kündigungsschutzklage angegriffen.
Anders als mitgeteilt, führte dann aber die Arbeitgeberin über den 30. Juni 2014 hinaus mit verringerter Beschäftigtenzahl den Betrieb weiter und veräußerte diesen sogar einschließlich des Warenlagers an eine andere Apothekerin. In dem Kaufvertrag über die Veräußerung der Apotheke hatte die „neue Inhaberin“ sich zudem zur Übernahme und Weiterbeschäftigung von drei Arbeitnehmern verpflichtet.
Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst sowohl die vormalige Arbeitgeberin als auch die neue Inhaberin auf Wiedereinstellung in Anspruch genommen und vor dem Arbeitsgericht geklagt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat das arbeitsgerichtliche Urteil der 1. Instanz mit der Berufung zum LAG Düsseldorf nur insoweit angegriffen, als seine gegen neue Betriebsinhaberin gerichtete Klage abgewiesen wurde.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zum BAG hatte keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19. Oktober 2017 – 8 AZR 845/15) führt in seiner Pressemitteilung vom 19.102017 mit der Nr. 46/17 folgendes aus:
Ein Wiedereinstellungsanspruch kann grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen. Ob sich in Kleinbetrieben im Einzelfall ausnahmsweise aus § 242 BGB ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben kann, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Der Kläger hätte einen solchen Anspruch erfolgreich nur gegenüber der vormaligen Beklagten zu 1., die den Betrieb nach Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers zunächst weitergeführt hatte, verfolgen können. Seine gegen die vormalige Beklagte zu 1. gerichtete Klage war aber rechtskräftig abgewiesen worden.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitsgericht Berlin: Rechtsanwalt muss € 1.500 an Entschädigung wegen Kündigung seiner schwangeren Mitarbeiterin zahlen!
Ein Rechtsanwalt kündigte die bei ihm beschäftigte Arbeitnehmerin in der Probezeit. Nach der Kündigung legte die Arbeitnehmerin dem Kollegen den Mutterpass vor und zeigte die bestehende Schwangerschaft an und erhob sodann gegen die Kündigung die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Arbeitgebers / Anwalts beendet wurde.
Dies dahin entspricht der Fall der klassischen Kündigung durch den Arbeitgeber ohne Wissen der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin.
Und jetzt wird’s schrullig ….
Der Kollge – bestimmt kein Arbeitsrechtler – kam nun auf die glorreiche Idee nochmals zu kündigen und zwar wieder ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde. Die Arbeitnehmerin war natürlich immer noch schwanger. Wahrscheinlich hoffte er darauf, dass die Arbeitnehmerin keine Kündigungsschutzklage einreichen würde und dann die Wirksamkeitsfiktion nach § 7 KSchG eintritt.
Aber falsch gedacht. Es kam – was zu erwarten war – zur erneuten Kündigungsschutzklage der Mitarbeiterin und darüber hinaus wollte diese nun auch noch eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, denn der Arbeitgeber wusste nun ja von der Schwangerschaft und habe trotzdem gekündigt.
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 08.05.2015, Aktenzeichen 28 Ca 18485/14) verurteilte den Rechtsanwalt zur einer Entschädigungszahlung wegen der Diskriminierung seiner Arbeitnehmerin in Höhe von € 1.500.
Anmerkung:
Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin in Kenntnis der Schwangerschaft ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann teuer werden. Auch schon bei einer ersten Kündigung (hier wusste der Arbeitgeber aber nichts von der Schwangerschaft) kann ein Entschädigungsanspruch drohen, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist.
Bezahlte Pflegezeit von 10 Tagen für Arbeitnehmer ab 2015
Ab dem 1.1.2015 soll es für Arbeitnehmer möglich sein insgesamt 10 Tage an Pflegzeit zur Pflege naher Angehöriger zu nehmen. Diese Zeit soll auch bezahlt werden und zwar in Höhe von bis zu 90 % des leztzten Nettoeinkommens durch sog. Pflegeunterstützungsgeld.
Eine Regelung über die Pflegezeit für Arbeitnehmer von 10 Tagen gibt es bereits (Pflegezeitgesetz). Der Arbeitgeber musste hier freistellen, zudem bestand ein Kündigungsschutz nach § 5 des Gesetzes über die Pflegezeit. Neu ist der Anspruch auf Lohnfortzahlung durch das Pflegeunterstützungsgeld.
Weitere Informationen findet auf der Seite des Bundesministeriums.
Darf man einen schwerbehinderten Arbeitnehmer in der Probezeit kündigen?
Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen besonderen Kündigungsschutz. Dies ist geregelt ist den §§ 85 ff. des SGB IX . Eine Kündigung eines Schwerbehinderten oder einer gleichgestellten Personen bedarf grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Man spricht hier vom sogenannten Sonderkündigungsschutz, der außerhalb / bzw. neben dem Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht.
Wann beginnt der Sonderkündigungsschutz eines Schwerbehinderten?
Der Schutz vor einer Kündigung des Arbeitgebers beginnt bei einem schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht sofort mit Beginn des Arbeitsverhältnisses.
Dazu regelt § 90 SGB IX :
§ 90 Abs. 1, Satz 1 SGB IX – Ausnahmen
(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten nicht für schwerbehinderte Menschen,
1. deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder
………………..
Wartezeit/ Probezeit 6 Monate für Kündigungsschutz
Von daher muss zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung beim Schwerbehinderten das Arbeitsverhältnis ohne (rechtliche) Unterbrechung bereits 6 Monate bestanden haben.
Der besondere Kündigungsschutz beginnt also auch hier – wie z.B. bei Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz – nach einer bestimmten Wartezeit.
Probezeit = Wartezeit bei Kündigungen gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern
Der Begriff Probezeit ist hier etwas missverständlich. Mit Probezeit bezeichnet man allgemeinhin die Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist zu Beginn des Arbeitsverhältnisses (siehe § 622 I BGB). Die Probezeit kann – aber muss nicht -zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. In der Regel beträgt diese ebenfalls 6 Monate, so dass – zufällig – mit Ablauf der Probezeit auch der Kündigungsschutz des schwerbehinderten Arbeitnehmers eintritt.
Wartezeitkündigung nach § 90 SGB IX
Die Wartezeit nach § 90 SGB IX hat aber mit der Probezeit nichts zu tun, auch wenn oft diese beiden Zeitspannen zufällig übereinstimmen. Dies soll ein Beispiel verdeutlichen:
Beispiel: Der schwerbehinderte Arbeitnehmer wird am 1.1.2014 vom Arbeitgeber eingestellt. Es wird ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen und eine Probezeit von 3 Monaten,also bis zum 1.4.2014 vereinbart. Nach Ablauf der Probezeit ab 1.5.2014 kündigt der Arbeitgeber (Zugang gleicher Tag beim Arbeitnehmer) dem schwerbehinderten Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ordentlich.
Ergebnis: Die Kündigung ist wirksam. Diese erfolgte vor dem Ablauf der 6-monatigen Wartezeit nach § 90 Abs. 1, Satz 1 SGB IX. Dass die Kündigung nach dem Ablauf der Probezeit nach § 622 BGB erfolgte, ist unerheblich. Allein § 90 SGB IX regelt, wann der besondere Kündigungsschutz vor Schwerbehinderte eintritt. Im übrigen greift auch kein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, da auch dieser an eine Wartezeit von 6 Monaten gehüpft ist.
Rechtsprechung
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil v. 27.08.2010 – 13 Sa 988/10) hatte entschieden, dass der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte erst nach Ablauf der 6-monatigen Wartezeit entsteht. Weiter wurde entschieden, dass die Anzeigepflichtverletzung nach § 90 Abs. 3 SGB IX – wonach der Arbeitgeber die Kündigung dem Integrationssamt anzeigen muss – nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.
Zusammenfassung zum zeitlichen Eintritt des Sonderkündigungsschutzes nach §§ 84 ff. SGB IX
Ein Schwerbehinderter bekommt den besonderen Kündigungsschutz erst nach einer ununterbrochenen Wartezeit von 6 Monaten ab Arbeitsvertragsbeginn.
Anwalt A. Martin
LAG Hessen: Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung von Lohnzahlungsansprüchen
Wer sich mittels Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehrt, wahrt auch eventuell bestehende tarifvertragliche Ausschlussfristen im Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche. dies gilt nun nicht nur für die erste Stufe der Ausschlussfristen, sondern auch bei zweistufigen Ausschlussfristen für die zweite Stufe ( gerichtliche Geltendmachung), so nun jüngst das BAG (Urteil vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07).
Verjährung
Die Ausschlussfrist ist streng von der Verjährung zu unterscheiden. Die Verjährung ist eine Einrede und muss erhoben werden. Die Ausschlussfrist prüft das Gericht – auch ohne Erhebung – von Amts wegen. Auch ist die Verjährung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten selten ein Problem. Da die Ausschlussfristen meist viel kürzer sind als die Verjährungsfristen, stellen diese häufig eine Hürde für die Geltendmachung zum Beispiel von Lohnansprüchen des Arbeitnehmers dar.
Hemmung der Verjährung durch Kündigungsschutzklage
Es stellt sich nun die Frage, wenn nun doch ein Fall vorliegt, bei dem die Durchsetzung von Lohnansprüchen von der Verjährung abhängt, ob die Erhebung der Kündigungschutzklage die Verjährung gehemmt, also eine ähnliche Wirkung hat, wie in Bezug auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hessen
Das hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 9.4.2013 – 8 Sa 1389/12) entschied, dass eine Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung der Annahmeverzugslohn Ansprüche des Arbeitnehmers hemmt und führt dazu aus:
2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn ist verjährt.
a) Die dreijährige Verjährungsfrist begann für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2003 und für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2004.
aa) Für den streitgegenständlichen Annahmeverzugslohnanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). ………………….
b) Die Verjährungsfrist lief für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2006 und für die Annahmeverzugslohnansprüche für das Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2007 ab. Sie war weder gehemmt noch hat ihr Lauf neu begonnen.
aa) Die Verjährung war weder durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch gemäß § 206 BGB durch höhere Gewalt gehemmt. …………
(a) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Die Hemmung tritt nur für den geltend gemachten Anspruch, also den Streitgegenstand der erhobenen Klage ein (BAG 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 –, Rn. 26, AP BGB § 280 Nr. 10 = NZA 2012, 377). Eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Aus diesem Grund hemmt die Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 –, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4; BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5).
(b) Daran ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197 = NZA 2011, 354) und der sich anschließenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Ausschlussfristen (19. September 2012 – 5 AZR 627/11 -, Rn. 13, NZA 2013, 101 = ZTR 2013, 153, 19. September 2012 – 5 AZR 924/11 -, Rn. 17, NZA 2013, 156) festzuhalten (von Medem NZA 2013, 345, 348; zweifelnd: ErfK-Preis § 194 – 218, Rn. 18). § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nicht dahingehend auszulegen, dass in der Erhebung einer Bestandsschutzklage zugleich eine Erhebung der Klage auf Leistung der davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs zu sehen ist.
(aa) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche im Sinne des Tarifvertrags „gerichtlich geltend“ macht und damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist wahrt.
(bb) Diese für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht auf die Verjährungsvorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu übertragen.
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist – anders als tarifliche Regelung zu Ausschlussfristen – nicht dahingehend auszulegen, dass bereits eine die Durchsetzung des Anspruchs lediglich vorbereitende Klage die Verjährung unterbricht. Nach dem Wortlaut bedarf es einer Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Damit ist der Anspruch selbst gemeint, eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. Allen in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgeführten prozessualen Handlungen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar den Anspruch zum Gegenstand haben müssen, dessen Verjährung unterbrochen werden soll. Das entspricht dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu bewahren. Das Gesetz hat an die gerichtliche Geltendmachung die Unterbrechung der Verjährung angeknüpft, weil der Berechtigte durch positive Betätigung seines Rechts unmissverständlich zu erkennen gibt, dass und in welchem Umfang er sein Recht durchsetzen will (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).
Für eine analoge Anwendung ist mangels Regelungslücke kein Raum (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 -, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4). Eine Analogie kann nicht daraus hergeleitet werden, dass den Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO, § 17 TzBfG nach dem Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dieselbe Wirkung wie einer den Anspruch unmittelbar betreffenden Klage beizumessen ist. Die Kündigungsschutzklage ist wie auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO oder eine Befristungskontrollklage nicht auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).
Eine andere Auslegung ist aus Verfassungsgründen nicht zwingend geboten. Der Arbeitnehmer wird nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt, wenn das gesetzliche Erfordernis, eine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage zu erheben, nicht durch die Bestandsschutzklage gewahrt wird. Darin liegt keine übersteigerte Obliegenheit, da eine solche Klage dem Arbeitnehmer möglich und auch unter Berücksichtigung des Kostenrisikos zumutbar ist. Angesichts der erheblich längeren Dauer der Verjährungsfristen gibt es nur wenige Fälle, in denen der Kündigungsrechtsstreit bei Ablauf der Verjährungsfrist noch nicht beendet ist (von Medem NZA 2013, 345, 348). Die weit überwiegende Zahl der Kündigungsschutzverfahren wird vor Ablauf von drei Jahren abgeschlossen. In den wenigen anderen Fällen können die Arbeitnehmer ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie die Vergütungsansprüche im Wege uneigentlicher Hilfsanträge verfolgen. Werden vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche im Rahmen von Hilfsanträgen geltend gemacht, wirken sich diese nicht streitwerterhöhend aus, wenn die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages abgewiesen wird. Ein unechter Hilfsantrag ist bei der Berechnung der Gerichtskosten und der Anwaltskosten nur dann streitwerterhöhend zu bewerten, wenn über ihn entschieden wurde oder er Gegenstand eines Vergleichs der Parteien ist (LAG Berlin-Brandenburg 20. April 2012 – 26 Ta 535/12 – zitiert nach Juris).
Von daher sollten für den Fall, dass die Verjährung droht, gleich als uneigentlichen Hilfsantrag mit der Kündigungschutzklage geltend gemacht werden.
Rechtsanwalt A.Martin
LAG Hessen: Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung von Lohnzahlungsansprüchen
Wer sich mittels Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehrt, wahrt auch eventuell bestehende tarifvertragliche Ausschlussfristen im Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche. dies gilt nun nicht nur für die erste Stufe der Ausschlussfristen, sondern auch bei zweistufigen Ausschlussfristen für die zweite Stufe ( gerichtliche Geltendmachung), so nun jüngst das BAG (Urteil vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07).
Verjährung
Die Ausschlussfrist ist streng von der Verjährung zu unterscheiden. Die Verjährung ist eine Einrede und muss erhoben werden. Die Ausschlussfrist prüft das Gericht – auch ohne Erhebung – von Amts wegen. Auch ist die Verjährung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten selten ein Problem. Da die Ausschlussfristen meist viel kürzer sind als die Verjährungsfristen, stellen diese häufig eine Hürde für die Geltendmachung zum Beispiel von Lohnansprüchen des Arbeitnehmers dar.
Hemmung der Verjährung durch Kündigungsschutzklage
Es stellt sich nun die Frage, wenn nun doch ein Fall vorliegt, bei dem die Durchsetzung von Lohnansprüchen von der Verjährung abhängt, ob die Erhebung der Kündigungschutzklage die Verjährung gehemmt, also eine ähnliche Wirkung hat, wie in Bezug auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hessen
Das hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 9.4.2013 – 8 Sa 1389/12) entschied, dass eine Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung der Annahmeverzugslohn Ansprüche des Arbeitnehmers hemmt und führt dazu aus:
2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn ist verjährt.
a) Die dreijährige Verjährungsfrist begann für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2003 und für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2004.
aa) Für den streitgegenständlichen Annahmeverzugslohnanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). ………………….
b) Die Verjährungsfrist lief für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2006 und für die Annahmeverzugslohnansprüche für das Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2007 ab. Sie war weder gehemmt noch hat ihr Lauf neu begonnen.
aa) Die Verjährung war weder durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch gemäß § 206 BGB durch höhere Gewalt gehemmt. …………
(a) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Die Hemmung tritt nur für den geltend gemachten Anspruch, also den Streitgegenstand der erhobenen Klage ein (BAG 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 –, Rn. 26, AP BGB § 280 Nr. 10 = NZA 2012, 377). Eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Aus diesem Grund hemmt die Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 –, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4; BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5).
(b) Daran ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197 = NZA 2011, 354) und der sich anschließenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Ausschlussfristen (19. September 2012 – 5 AZR 627/11 -, Rn. 13, NZA 2013, 101 = ZTR 2013, 153, 19. September 2012 – 5 AZR 924/11 -, Rn. 17, NZA 2013, 156) festzuhalten (von Medem NZA 2013, 345, 348; zweifelnd: ErfK-Preis § 194 – 218, Rn. 18). § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nicht dahingehend auszulegen, dass in der Erhebung einer Bestandsschutzklage zugleich eine Erhebung der Klage auf Leistung der davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs zu sehen ist.
(aa) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche im Sinne des Tarifvertrags „gerichtlich geltend“ macht und damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist wahrt.
(bb) Diese für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht auf die Verjährungsvorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu übertragen.
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist – anders als tarifliche Regelung zu Ausschlussfristen – nicht dahingehend auszulegen, dass bereits eine die Durchsetzung des Anspruchs lediglich vorbereitende Klage die Verjährung unterbricht. Nach dem Wortlaut bedarf es einer Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Damit ist der Anspruch selbst gemeint, eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. Allen in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgeführten prozessualen Handlungen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar den Anspruch zum Gegenstand haben müssen, dessen Verjährung unterbrochen werden soll. Das entspricht dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu bewahren. Das Gesetz hat an die gerichtliche Geltendmachung die Unterbrechung der Verjährung angeknüpft, weil der Berechtigte durch positive Betätigung seines Rechts unmissverständlich zu erkennen gibt, dass und in welchem Umfang er sein Recht durchsetzen will (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).
Für eine analoge Anwendung ist mangels Regelungslücke kein Raum (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 -, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4). Eine Analogie kann nicht daraus hergeleitet werden, dass den Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO, § 17 TzBfG nach dem Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dieselbe Wirkung wie einer den Anspruch unmittelbar betreffenden Klage beizumessen ist. Die Kündigungsschutzklage ist wie auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO oder eine Befristungskontrollklage nicht auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).
Eine andere Auslegung ist aus Verfassungsgründen nicht zwingend geboten. Der Arbeitnehmer wird nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt, wenn das gesetzliche Erfordernis, eine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage zu erheben, nicht durch die Bestandsschutzklage gewahrt wird. Darin liegt keine übersteigerte Obliegenheit, da eine solche Klage dem Arbeitnehmer möglich und auch unter Berücksichtigung des Kostenrisikos zumutbar ist. Angesichts der erheblich längeren Dauer der Verjährungsfristen gibt es nur wenige Fälle, in denen der Kündigungsrechtsstreit bei Ablauf der Verjährungsfrist noch nicht beendet ist (von Medem NZA 2013, 345, 348). Die weit überwiegende Zahl der Kündigungsschutzverfahren wird vor Ablauf von drei Jahren abgeschlossen. In den wenigen anderen Fällen können die Arbeitnehmer ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie die Vergütungsansprüche im Wege uneigentlicher Hilfsanträge verfolgen. Werden vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche im Rahmen von Hilfsanträgen geltend gemacht, wirken sich diese nicht streitwerterhöhend aus, wenn die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages abgewiesen wird. Ein unechter Hilfsantrag ist bei der Berechnung der Gerichtskosten und der Anwaltskosten nur dann streitwerterhöhend zu bewerten, wenn über ihn entschieden wurde oder er Gegenstand eines Vergleichs der Parteien ist (LAG Berlin-Brandenburg 20. April 2012 – 26 Ta 535/12 – zitiert nach Juris).
Von daher sollten für den Fall, dass die Verjährung droht, gleich als uneigentlichen Hilfsantrag mit der Kündigungschutzklage geltend gemacht werden.
Rechtsanwalt A.Martin