Schwangerschaft/ Mutterschutz
Erweiterter Kündigungsschutz nach neuen Mutterschutzgesetz!
Das Mutterschutzgesetz wurde 2017 reformiert und zum 1.1.2018 sind die Änderungen in Kraft getreten. Eine Änderung hatte es bereits zum 30.5.2017 in Bezug auf den Sonderkündigungsschutz bei einer Fehlgeburt gegeben.

Sonderkündigungsschutz nun in § 17 Mutterschutzgesetz
Der Sonderkündigungsschutz („Kündigungsverbot“) findet sich seit dem 1. Januar 2018 nun in § 17 MuSchG.
Dieser lautet in Abs. 1:
§ 17 Kündigungsverbot
(1) Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig
1.
während ihrer Schwangerschaft,
2.
bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und
3.
bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung,
wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft.
Kündigungsverbot entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen
Eine der erhebliche Änderungen befindet sich in § 17 Abs. 1 Satz 3 MuSchG, nämlich die Ausweitung des Kündigungsschutzgesetzes auch „für Vorbereitungsmaßnahmen“ des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Arbeitnehmerin (Frau) trifft.
Solche Vorbereitungsmaßnahmen führen dazu, dass eine anschließende Kündigung des Arbeitgeber gem. § 134 BGB nichtig ist.
Vorbereitung eines dauerhaften Ersatzes der Arbeitnehmerin
Nun kann man sich nach dem ersten Blick ins Gesetz wenig unter solchen Vorbereitungsmaßnahmen vorstellen. Der Hintergrund ist der, dass der EuGH Urteil vom 11.10.2007 – 0-460/06, NZA2007, 1271) dem Gesetzgeber dazu angehalten hat, die Arbeitnehmerin vor solche Maßnahmen ebenfalls zu schützen.
Eine solche Vorbereitungsmaßnahme kann zum Beispiel die Suche nach einem neuen Arbeitnehmer sein, der dann die sich in Mutterschutz befindliche Arbeitnehmerin dauerhaft ersetzen soll.
Wenn also die Arbeitnehmerin später nachweisen kann, dass der Arbeitgeber bereits während des Mutterschutzgesetzes nach einer neuen Mitarbeiterin gesucht hat um die sich im Mutterschutz befindliche Arbeitnehmer zu ersetzen, dann ist eine spätere Kündigung – auch nach den Schutzfristen – nichtig! Dies kann den zeitlichen befristeten Sonderkündigungsschutz erheblich erweitern. Andererseits ist auch klar, dass ein solcher Nachweis nicht immer einfach ist.
Dauer des Sonderkündigungsschutzes
Die Dauer des Sonderkündigungsschutzes bestimmt sich gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MuSchG, wonach gilt, dass während der gesamten Schwangerschaft sowie 4 Monate nach der Entbindung keine Kündigung des Arbeitgebers erfolgen darf.
Neuregelung für Frühgeburten
Neu ist eine Sonderregelung, wonach Kündigungsschutz nach der
Entbindung in jedem Fall so lange anhält, wie ein Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG besteht. Ausgeweitet ist der Sonderkündigungsschutz damit für Frühgeburten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 MuSchG). In diesem Fall verlängert sich das Beschäftigungsverbot nämlich um die Differenz zwischen dem prognostizierten Geburtstermin und der tatsächlichen Entbindung (Frühgeburt). Eine Auswirkung hat dies nur dann, wenn das Kind etwas mehr als 2 Monate vor dem errechneten Geburtstermin geboren wird.
Neuregelung für Fehlgeburten
Neu eingeführt wurde der Kündigungsschutz von 4 Monaten (§17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MuSchG) für Frauen, die nach der zwölften Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden. Damit soll der besonderen Belastung einer Fehlgeburt Rechnung getragen werden, was nur zu begrüßen ist. Von daher besteht der Sonderkündigungsschutz auch, wenn das Kind im Sinne des § 31 Abs. 2 PStV (Personenstandsverordnung) tot geboren wird. Dies war zuvor nicht so.
Anforderungen an Kündigung während der Schutzfristen
Während der Schutzfristen besteht ein Kündigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Der Arbeitgeber braucht für die Kündigung die Zustimmung der obersten Landesbehörde. Die Kündigung muss darüber hinaus den formellen Anforderungen genügen. Sie muss schriftlich erfolgen (§ 17 Abs. 2, Satz 2 MuSchG; aber schon in § 623 BGB geregelt) und die Kündigung muss begründet werden, was normalerweise nicht Voraussetzung ist. Eine nicht begründete Kündigung ist nach § 134 BGB unwirksam.
Rechtsanwalt Andreas Martin- Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin Marzahn-Hellersdorf
Arbeitsgericht Berlin: Rechtsanwalt muss € 1.500 an Entschädigung wegen Kündigung seiner schwangeren Mitarbeiterin zahlen!
Ein Rechtsanwalt kündigte die bei ihm beschäftigte Arbeitnehmerin in der Probezeit. Nach der Kündigung legte die Arbeitnehmerin dem Kollegen den Mutterpass vor und zeigte die bestehende Schwangerschaft an und erhob sodann gegen die Kündigung die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Arbeitgebers / Anwalts beendet wurde.
Dies dahin entspricht der Fall der klassischen Kündigung durch den Arbeitgeber ohne Wissen der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin.
Und jetzt wird’s schrullig ….
Der Kollge – bestimmt kein Arbeitsrechtler – kam nun auf die glorreiche Idee nochmals zu kündigen und zwar wieder ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde. Die Arbeitnehmerin war natürlich immer noch schwanger. Wahrscheinlich hoffte er darauf, dass die Arbeitnehmerin keine Kündigungsschutzklage einreichen würde und dann die Wirksamkeitsfiktion nach § 7 KSchG eintritt.
Aber falsch gedacht. Es kam – was zu erwarten war – zur erneuten Kündigungsschutzklage der Mitarbeiterin und darüber hinaus wollte diese nun auch noch eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, denn der Arbeitgeber wusste nun ja von der Schwangerschaft und habe trotzdem gekündigt.
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 08.05.2015, Aktenzeichen 28 Ca 18485/14) verurteilte den Rechtsanwalt zur einer Entschädigungszahlung wegen der Diskriminierung seiner Arbeitnehmerin in Höhe von € 1.500.
Anmerkung:
Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin in Kenntnis der Schwangerschaft ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann teuer werden. Auch schon bei einer ersten Kündigung (hier wusste der Arbeitgeber aber nichts von der Schwangerschaft) kann ein Entschädigungsanspruch drohen, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist.
Wer erteilt einer schwangeren Arbeitnehmerin das Beschäftigungsverbot – Arzt oder Arbeitgeber?
Schwangere Arbeitnehmerinnen werden u.a. durch das Mutterschutzgesetz geschützt. Die Frage nach dem Beschäftigungsverbot taucht fast immer bei einer Kündigung während einer bestehenden Schwangerschaft auf.
Wenn sich die Arbeitnehmerin gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage wehrt und die Schwangerschaft dem Arbeitgeber bekannt war oder diese rechtzeitig nachträglich angezeigt wurde, dann wir das Arbeitsgericht feststellen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Meistens nimmt der Arbeitgeber schon zuvor die Kündigung „zurück“.
In dieser Situation möchte die Arbeitnehmerin meist nicht mehr beim Arbeitgeber arbeiten. Der Arbeitgeber wiederum möchte meistens auch nicht, dass die Arbeitnehmerin dort arbeitet und sucht nach einer „kostengünstigen Lösung“. Hier kommt dann das Beschäftigungsverbot oft ins Spiel.
Bekommt die Arbeitnehmerin nämlich ein Beschäftigungsverbot erhält sie vom Arbeitgeber den sog. Mutterschutzlohn. Dies ist faktisch nichts anderes als der durchschnittliche Arbeitslohn. Der Arbeitgeber zahlt also den Arbeitslohn für die Arbeitnehmerin weiter, bekommt aber -und dies ist sein Vorteil – im sog. Umlageverfahren (U2) eine Erstattung seine Entgeltfortzahlung von der zuständigen Krankenkasse. Von daher kann auch ein sog. Beschäftigungsverbot für den Arbeitgeber interessant sein, wenn er keinen Wert auf die Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin mehr legt.
Manchmal stellt sich die Frage, wer das Beschäftigungsverbot ausspricht. Hierzu ist auszuführen, dass dies nicht der Arbeitgeber machen kann, auch wenn dies in der Praxis nicht selten angenommen wird. Vielmehr muss das Beschäftigungsverbot vom Arzt erteilt werden. Dazu regelt § 3 Mutterschutzgesetz:
§ 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz
Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
Von daher ist ein ärztliches Zeugnis erforderlich, dass natürlich nicht der Arbeitgeber ausstellen kann.
Was der Arbeitgeber aber machen kann ist, den zuständigen Arzt über bestimmte Gefährdungen auf der Arbeit für die Mutter oder das werdende Kind zu informieren. Der Arzt (Frauenarzt) muss – um ein Beschäftigungsverbot auszusprechen – auch wissen, welche Arbeitsleistung die Arbeitnehmerin erbringen muss und welches Gefährdungspotential hier vorhanden ist. Darüber kann der Arbeitgeber informieren (z.B. Gefährdung durch bestimmte Arbeitsweisen, Substanzen etc).
RA A. Martin
BAG: Kündigung bei Schwangerschaft = Diskriminierung?
Kündigt der Arbeitgeber gegenüber einer Schwangeren (hier in der Probezeit) in Unkenntnis der Schwangerschaft soll stellt die Kündigung selbst keine Diskriminierung der Schwangeren aufgrund ihres Geschlechts dar. Dies ist nachvollziehbar, denn der Arbeitgeber wusste ja von der Schwangerschaft nichts.
Nichts anderes gilt nach dem Bundesarbeitsgericht, wenn die Schwangere dem Arbeitgeber nach der Kündigung die Schwangerschaft angezeigt und diesen unter Fristsetzung aufgefordert zu erklären, dass er „nicht mehr an der Kündigung festhalte“ und der Arbeitgeber daraufhin nicht sofort reagiert.
Die schwangere Arbeitnehmerin wollte darin (in der fehlenden Erklärung) eine Diskriminierung durch den Arbeitgeber aufgrund ihres Geschlechtes sehen und verlangte Entschädigung.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 17. Oktober 2013 – 8 AZR 742/13) sah hier keinen Entschädigungsanspruch mangels Diskriminierung und führt dazu in seiner Pressemitteilung aus:
Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Kündigung konnte schon deswegen keine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihres weiblichen Geschlechts sein, weil die Arbeitgeberin bei der Erklärung der Kündigung keine Information über die Schwangerschaft der Klägerin hatte. Die verlangte Rücknahme der Kündigung war rechtstechnisch nicht möglich, über die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Verständigung der Parteien zeigte sich die Klägerin nicht hinreichend informiert. Ein Streit darüber, ob die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 11 MuSchG auf Zahlung von Mutterschutzlohn vorliegen, ist für sich genommen nicht schon deswegen eine Diskriminierung, weil nur Frauen diesen besonderen Anspruch geltend machen können.
Anwalt A. Martin
Welche Behörde ist in Berlin für die Zustimmung/Genehmigung einer Kündigung gegenüber einer Schwangeren (Kündigung während der Schwangerschaft) zuständig?
Ich hatte bereits mehrfach über das gesetzliche Kündigungsverbot von Kündigungen während der Schwangerschaft gegenüber einer Schwangeren, zum Beispiel während der Probezeit und auch aus verhaltensbedingten Gründen, berichtet.
Kündigung gegenüber einer Schwangeren trotz Kündigungsverbot möglich?
§ 9 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes normiert ein gesetzliches Kündigungsverbot gegenüber einer Schwangeren mit Erlaubnisvorbehalt. Kündigung gegenüber einer Schwangeren sind grundsätzlich verbotswidrig, allerdings besteht die Möglichkeit für den Arbeitgeber, wenn zum Beispiel Kündigungsgründe vorliegen, die nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben und die schwerwiegend sind, eine so genannte Zustimmungserklärung einzuholen, also die Zustimmung von der zuständigen Landesbehörde zur Kündigung. Es wird häufig auch fälschlicherweise von einer Genehmigung gesprochen, dies ist deshalb nicht richtig, der eine Genehmigung grundsätzlich nachträglich erteilt wird. Dies ist hier nicht möglich, da die Zustimmungserklärung zur Kündigung vor bzw. bei Ausspruch der Kündigung vorliegen muss.
Kündigung mit Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gegenüber der Schwangeren möglich!
Wenn also der Arbeitgeber eine Kündigung gegenüber einer nach § 9 Abs. 1 Mutterschutzgesetz geschützten Person wirksam aussprechen möchte, muss er zuvor die so genannte Zustimmungserklärung von der zuständigen Landesbehörde einholen.
Welche Behörde gibt die Zustimmungserklärung im Land Berlin ab (Arbeitgebersitz in Berlin)?
In Berlin ist diese Behörde:
das Landesamt für Arbeitsschutz,
Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin – LAGetSi –
Turmstr. 21
10559 Berlin
Wo bekommt man in Berlin den Vordruck / das Muster für den Antrag zu Zustimmung zur Kündigung einer Schwangeren?
Hier oben bereits ausgeführt wurde, ist der Antrag beim Landesamt für Arbeitsschutz in Berlin zu stellen. Das entsprechende Formular für die Antragstellung kann man hier (auf der Seite des Landesamtes) bekommen.
Bitte beachten: Hohe Anforderungen an die Kündigungsgründe!
Wie bereits ausgeführt habe, sind die Anforderung an eine solche Zustimmung recht hoch. Es müssen erhebliche Gründe vorliegen und es muss dem Arbeitgeber dauerhaft unzumutbar sein die schwangere Arbeitnehmerin weiterzubeschäftigen.
Kündigungsausspruch erst nach Vorliegen der Zustimmungserklärung
Erteilt die Behörde dann doch ausnahmsweise eine solche Zustimmung, zum Beispiel bei sehr schweren Verstößen und Verletzungen des Vertrauens, wie zum Beispiel Diebstahl oder andere Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber ist dies denkbar, dann kann der Arbeitgeber grundsätzlich die Kündigung aussprechen, sofern die Erklärung vorliegt.
schriftliche Kündigung unter Angabe der Kündigungsgründe
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und der Arbeitgeber muss in der Kündigung den Kündigungsgrund/die Kündigungsgründe angeben. Dies ist zwingend erforderlich.
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Berlin durch die Schwangere nach der Kündigung möglich
Selbstständig kann sich die Arbeitnehmerin gegen diese Kündigung auch wehren mittels Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Berlin und das Arbeitsgericht Berlin überprüft dann, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Keinesfalls ist es so, dass durch die Zustimmung der Landesbehörde hier schon die Wirksamkeit der Kündigung feststeht. Es ist ja durchaus möglich, dass der Arbeitgeber zum Beispiel das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit in Berlin nicht ausreichend/oder vollständig oder nicht wahrheitsgemäß informiert hat oder dass das Arbeitsgericht Berlin bzw. der dort zuständige Richter der Meinung ist, dass sie Gründe für eine Kündigung nicht ausreichend sind.
Kündigung vom Rechtsanwalt überprüfen lassen
Dem Arbeitgeber es grundsätzlich zu raten nicht selbst hier tätig zu werden und die Zustimmungserklärung einzuholen und die Kündigung auszusprechen, sondern sich zumindest anwaltlich beraten zu lassen und am besten durch einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten zu lassen, da die formellen und inhaltlichen Anforderungen an eine Kündigung gegenüber einer Schwangeren sehr hoch sind.
RA A. Martin
Ist eine verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einer Schwangeren z.B. bei Diebstahl möglich?
Schwangere Arbeitnehmerinnen werden vom Gesetz stark geschützt. Es gilt hier der besondere Kündigungsschutz nach § 9 Mutterschutzgesetz.
Diese Vorschrift regelt in Abs. 1:
§ 9 Kündigungsverbot
(1) Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Vorschrift des Satzes 1 gilt für Frauen, die den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt sind, nur, wenn sich die Gleichstellung auch auf den Neunten Abschnitt – Kündigung – des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl. I S. 191) erstreckt.
absolutes Kündigungsverbot (mit Erlaubnisvorbehalt)
Es handelt sich dabei um ein so genanntes absolutes Kündigungsverbot. Dieses Kündigungsverbot gilt unabhängig vom Kündigungsschutzgesetz, von daher spricht man vom so genannten besonderen Kündigungsschutz. D.h., dass sich das Kündigungsverbot auch Kündigungen gegenüber der Schwangeren während der Probezeit und auch im Kleinbetriebe erstreckt.
Wichtig! Das beste Kündigungsverbot nützt nichts, wenn die Schwangere keine Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung einreicht (ggfs. nochmals Anzeige der Schwangerschaft). Macht die Schwangere dies nicht, dass wird die Wirksamkeit der Kündigung nach § 7 KSchG fingiert!
Für welche Kündigungsgründe gilt das Kündigungsverbot?
Das Kündigungsverbot gilt umfassend für alle Kündigungen des Arbeitgebers.
Beispielsweise:
- Kündigungen im Kleinbetrieb
- Kündigungen während der Probezeit
- Massenentlassungen
- Kündigungen während Insolvenz
- Änderungskündigungen
- betriebs-, personenbedingte- und verhaltensbedingte Kündigungen
Gilt das Kündigungsverbot auch für verhaltensbedingte Kündigungen, also zum Beispiel beim Diebstahl durch die Schwangere?
Auch hier gilt – also bei verhaltensbedingten Kündigungen – grundsätzlich das absolute Kündigungsverbot, allerdings ist dies durch ein so genannten Erlaubnisvorbehalt ausgestattet.
Dazu Folgendes:
Wie oben bereits ausgeführt, gilt das Kündigungsverbot nach § 9 Mutterschutzgesetz auch für verhaltensbedingte Kündigungen des Arbeitgebers. Die Vorschrift spricht nämlich hier von der „ Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung“ und unterscheidet nicht nach der Art der Kündigung. Von daher sind grundsätzlich alle Kündigung gegenüber der Schwangeren verboten. In § 9 Abs.3 des Mutterschutzgesetzes ist allerdings ein so genannter Erlaubnisvorbehalt geregelt.
§ 9 Abs. 3 MuSchG lautet:
(3) Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der schriftlichen Form und sie muss den zulässigen Kündigungsgrund angeben.
Zulässigkeit der Kündigung erforderlich
Von daher regelt der Paragraph neun des Mutterschutzgesetzes ein absolutes Kündigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Faktisch heißt dies, dass eine Kündigung grundsätzlich verboten ist, allerdings der Arbeitgeber die Möglichkeit hat die Erlaubnis eine Kündigung von der obersten Landesbehörde (in Berlin ist dies z.B. das Landesamt für Arbeitsschutz,Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin – Turmstrasse 21) zu bekommen und in diesem Fall wäre eine Kündigung möglich.
Diebstahl während der Schwangerschaft
Von daher wäre denkbar, wenn zum Beispiel die Schwangere während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und während der Schwangerschaft das Vertrauen des Arbeitgebers sehr stark schädigt, zum Beispiel durch den Diebstahl von Arbeitsmitteln von erheblichen Wert in einer Vertrauensstellung gegebenfalls dadurch noch eine erhebliche Schädigung des Arbeitgebers herbeiführt, dass der Arbeitgeber hier die Zustimmung der obersten Landesbehörde einholt und wenn diese erteilt wird, dann das Arbeitsverhältnis mit der Schwangeren durch Kündigung beendet.
Zulässigkeitserklärung („Genehmigung“ zur Kündigung) – Anforderungen
Die Anforderungen eine solche Zulässigkeitserklärung (häufig wir der Begriff „Genehmigung“ verwendet, was falsch ist, da eine Genehmigung eine nachträgliche Zustimmung darstellt) sind recht hoch.
Um beim Beispielsfall zu bleiben; selbst im“ normalen Arbeitsverhältnis“ ist ein Diebstahl oder eine Straftat gegenüber dem Arbeitgeber nicht automatisch immer eine Kündigung (zum Beispiel beim Bestehen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetzes) ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt. Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe. Von daher müssen erhebliche Gründe, die über den Normalfall hinaus eine Kündigung rechtfertigen würden, vorliegen, um eine Genehmigung zur Kündigung einer Schwangeren zu rechtfertigen.
Besonders gewichtiges Arbeitgeberinteresse ohne Zusammenhang zur Schwangerschaft erforderlich
Erforderlich ist generell ein besonders gewichtiges Arbeitgeberinteresse, dass nicht mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zusammenhängt. Weiter muss die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit der Schwangeren dem Arbeitgeber unzumutbar sein.
formale Anforderungen an die Kündigung des Arbeitgebers
Auch die formalen Anforderungen an die Kündigung gegenüber einer Schwangeren sind recht hoch.
Zulässigkeitserklärung muss zum Zeitpunkt der Kündigung vorliegen
Der Arbeitgeber muss die so genannte Zulässigkeitserklärung, also die „Einwilligung/Genehmigung“ der obersten Landesbehörde, vor dem Ausspruch der Kündigung einholen. Die Zulässigkeitserklärung muss zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegen, ansonsten ist die Kündigung nichtig, da diese gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 9 Mutterschutzgesetz) verstößt.
Kündigungsgrund / Kündigungsgründe sind in der Kündigung gegenüber der Schwangeren zwingend anzugeben
Weiter muss der Arbeitgeber in der Kündigung, die wie alle anderen Kündigungen im Arbeitsrecht aus schriftlich zu erfolgen hat, auch den Kündigungsgrund angeben. Dies ist zwingend. Bei einer „normalen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses“ ist dies nicht erforderlich. Nach § 9 Abs. 3 MuSchG ist dies aber notwendig.
Kündigungsschutzklage
Die Schwangere hat natürlich – weiterhin – die Möglichkeit sich gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage zu wehren und dann wäre vom Arbeitsgericht zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen oder nicht. Dies muss auch nicht – also z.B. auch beim Vorliegen der Zustimmungserklärung – aussichtslos sein, denn die Kündigung kann formale Mängel haben; die Kündigungsfrist kann falsch angegeben sein oder der Arbeitgeber hat z.B. unrichtige Kündigungsgründe geben über der Landesbehörde angegeben bzw. diese nicht ausreichend oder nicht vollständig informiert, was dann im Arbeitsgerichtsprozess zu klären wäre.
Rechtsanwalt A. Martin – Arbeitsrecht Berlin (Marzahn) – Zweigstelle