Betriebsrat

Fristlose Kündigung eines Betriebsrats wegen Veröffentlichung persönlicher Daten anderer Arbeitnehmer

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Fristlose Kündigung eines Betriebsrats wegen Veröffentlichung persönlicher Daten anderer Arbeitnehmer
fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes

Betriebsräte genießen einen besonderen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Geregelt ist dieser Sonderkündigungsschutz in § 15 des Kündigungsschutzgesetzes. Allerdings schützt dieser Kündigungsschutz nur vor einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers. Wenn der Arbeitgeber einen außerordentlichen Kündigungsgrund hat, dann kann er auch das Arbeitsverhältnis eines Betriebsrates durch fristlose Kündigung beenden. In der Praxis kommt es eher nicht so häufig vor, dass ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, sodass der Arbeitgeber außerordentlich aus wichtigem Grund das Arbeitsverhältnis eines Betriebsrates kündigen kann.

außerordentliche Kündigung und Betriebsrat

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte nun über einen solchen Fall zu entscheiden.

Sachverhalt des Landesarbeitsgerichts

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwischen dem Arbeitnehmer, der Betriebsrat war, und dem Arbeitgeber gab es ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht. Noch vor Rechtskraft der Entscheidung veröffentlichte der Betriebsrat die Prozessakten zu seinem Fall über eine Dropbox und gab so anderen Mitarbeitern die Möglichkeit dieser einzusehen. In den Prozessakten wurden persönliche Daten anderer Arbeitnehmer, insbesondere auch Gesundheitsdaten unter Nennung des vollen Namens, veröffentlicht.

fristlose Kündigung wegen Verletzung des Datenschutzes

Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er außerordentlich und fristlos das Arbeitsverhältnis des Betriebsrats.

Der Betriebsrat wehrte sich gegen diese außerordentliche Kündigung mittels einer Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.

Datenschutz im Arbeitsverhältnis

Der Betriebsrat argumentierte vor dem Arbeitsgericht, dass die Kündigung unwirksam ist. Nach Meinung des Betriebsrats bestehe keine Vorschrift, die es gebiete, Prozessakten geheim zu halten, im Übrigen sei ein Datenschutzverstoß schon deshalb abzulehnen, da er mit Blick auf Art. 2 Abs. 2c DS-GVO ausschließlich im Rahmen „persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ gehandelt habe.

Der als Betriebsrat tätige Arbeitnehmer verlor das Verfahren vor dem Arbeitsgericht und legte Berufung zum LAG ein.

Entscheidung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.03.2022, 7 Sa 63/21) entschied gegen den Arbeitnehmer.

In der Pressemitteilung vom 25. März 2022 führte das Landesarbeitsgericht dazu aus:

Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwen- dung eines zur Verfügung gestellten Links offenlegt und dadurch auch die Weiterverbreitungs- möglichkeit eröffnet, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Perso- nen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten gerechtfer- tigt ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers lag jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstel- lung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, ge- gen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen.

LAG BW Urteil vom 25.03.2022, 7 Sa 63/21

Anmerkung:

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erscheint hier recht hart. Es ist aber zu beachten, dass der Arbeitnehmer hier ohne nachvollziehbaren Grund-das Arbeitsgerichtsverfahren war noch nicht einmal rechtskräftig-die Schriftsätze veröffentlicht hat und in diesen Schriftsätzen die Gesundheitsdaten mehrerer anderer Arbeitnehmer, die nichts mit dem Verfahren zu tun haben, veröffentlicht waren. Gerade die Sensibilität dieser Daten war der Grund für die harte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

BAG: Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrats über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal

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Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin erbringt Zustelldienste, dabei sind im Rahmen von Werkverträgen auch Arbeitnehmer anderer Unternehmen auf ihren Betriebsgelände tätig.

Verletzung der Fremdarbeitnehmer

Zwei dieser Fremdarbeiter verletzten sich bei der Beladung von Paletten infolge wegrutschender Überladebleche.

Betriebsrat verlangt Unterrichtung und Kopien der Unfallanzeigen

Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin die Vorlage von Kopien der Unfallanzeigen der beiden Fremdarbeitnehmer. Weiter verlangte der Betriebsrat, dass er künftig über entsprechende Arbeitsunfälle des Fremdpersonals informiert werde und die Unfallanzeigen zur Gegenzeichnung vorgelegt und sodann in Kopie ausgehändigt werden.

Klage des Betriebsrats

Die Arbeitgeberin weigerte sich so vorzugehen und der Betriebsrat klagte von daher vor den Arbeitsgerichten und verlor sowohl beim Arbeitsgericht als auch beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Beschluss vom 19. Juli 2017 – 21 TaBV 15/16.

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 12. März 2019 – 1 ABR 48/17 ) teilweise Erfolg.

In seiner Pressemitteilung vom 12.3.2019 (Nr. 12/19) führte das BAG aus:

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, über Arbeitsunfälle unterrichtet zu werden, die Beschäftigte eines anderen Unternehmens im Zusammenhang mit der Nutzung der betrieblichen Infrastruktur des Arbeitgebers erleiden.

Nach § 89 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz muss der Betriebsrat vom Arbeitgeber bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzugezogen werden. Hiermit korrespondiert ein entsprechender Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Dieser umfasst im Streitfall auch Unfälle, die Arbeitnehmer erleiden, die weder bei der Arbeitgeberin angestellt noch deren Leiharbeitnehmer sind. Aus den Arbeitsunfällen des Fremdpersonals können arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse für die betriebszugehörigen Arbeitnehmer, für die der Betriebsrat zuständig ist, gewonnen werden. Die auf die Unfallanzeigen bezogenen Begehren des Betriebsrats waren dagegen nicht erfolgreich.

Rechtsanwalt Andreas Martin -Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin Marzahn-Hellersdorf

BAG: freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich an- und abmelden

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Die Arbeitgeberin verlangte mit Schreiben vom März 2012 von drei freigestellten Betriebsratsmitgliedern, dass diese sich bei Durchführung außerbetrieblicher Betriebsratstätigkeit künftig vor Verlassen des Betriebes innerhalb der Arbeitszeiten bei der Geschäftsführung abzumelden und dabei den Ort, sowie die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit anzugeben hätten. Dies sollte schriftlich geschehen.

Der Betriebsrat und die freigestellten Betriebsratsmitglieder vertraten die Auffassung, dass die Arbeitgeberin dies nicht verlangen könnte. Ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin würde nicht vorliegen. Die ständige Erreichbarkeit des Betriebsrats sei auch so – ohne An- und Abmeldung gewährleistet.

Der Betriebsrat  beantragte daher die Feststellung, dass eine solche Verpflichtung nicht bestehe. Das Arbeitsgericht gab dem Betriebsrat Recht, ebenso, wie das Landesarbeitsgericht.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin vor dem Bundesarbeitsgericht war überwiegend erfolgreich.

Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 24.2.2016, 7 ABR 20/14) führte dazu aus:

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen. Ein Betriebsratsmitglied, das seinen Arbeitsplatz verlässt, um Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen, hat sich aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beim Arbeitgeber abzumelden. Es ist auch verpflichtet, sich zurückzumelden, sobald es nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnimmt (BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09 – Rn. 19 mwN, BAGE 138, 233). Die Betriebsratsmitglieder treffen kollektivrechtliche Obliegenheiten zur Ab- und Rückmeldung aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Gleichermaßen handelt es sich um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht iSv. § 241 Abs. 2 BGB (vgl. BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09 – Rn. 20 mwN, aaO). Die Meldepflichten dienen bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern dem Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Arbeitnehmers zu überbrücken. Um diesen Zweck zu erfüllen, genügt es, wenn das Betriebsratsmitglied bei der Abmeldung den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit angibt. Aufgrund dieser Mindestangaben ist der Arbeitgeber imstande, die Arbeitsabläufe in geeigneter Weise zu organisieren und Störungen im Betriebsablauf zu vermeiden (BAG 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09 – Rn. 21, aaO).

Rechtsanwalt Andreas Martin

Eigenmächtiger Urlaubsantritt – fristlose Kündigung gegenüber Betriebsrat nicht wirksam!

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Ein Betriebsratsmitglied (Vorsitzender) beantragte für 2 Tage Urlaub. Er wollte an einer gewerkschaftlichen Schulungsmaßnahme teilnehmen. Der zuständige Personalleiter hatte die Bewilligung des Urlaubs mehrfach ausdrücklich wegen dringend zu erledigender Aufgaben und aufgrund der Kurzfristigkeit des Urlaubsbegehrens abgelehnt. Der Arbeitnehmer / der Betriebsratsvorsitzende trat den Urlaub trotzdem an.

Die Arbeitgeberin wollte das Arbeitsverhältnis daraufhin außerordentlich kündigen und ging von einem eigenmächtigen Urlaubsantritt aus.Hierzu brauchte diese aber die Zustimmung des Betriebsrates. Der Betriebsrat verweigerte aber die Zustimmung zur Kündigung.

Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung. Hilfsweise beantragte die Arbeitgeberin den Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 10.03.2016, 10 BV 253/15) wies sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag zurück. In der Pressemitteilung vom 10.3.2016 führte das Gericht aus:

Der eigenmächtige Urlaubsantritt sei allerdings eine Pflichtverletzung. Aufgrund der weiter erforderlichen Interessenabwägung genüge er aber ausnahmsweise nicht als Grund für eine fristlose Kündigung. Zu Gunsten des Betriebsratsvorsitzenden sei zu berücksichtigen, dass dieser seit 15 Jahren beschäftigt sei, es keine Abmahnung gegeben habe und die Anforderungen an die fristlose Kündigung sehr hoch seien, da der Vorwurf mit der besonders geschützten Betriebsratstätigkeit zusammenhänge. Der hilfsweise geltend gemachte Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat scheitere daran, dass die dargelegten Pflichtverletzungen, z. B. unzulässige Koppelungsgeschäfte, jeweils vom gesamten Betriebsrat beschlossen wurden.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Facebook-Seite des Arbeitgebers – Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht

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Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015 – 9 Ta BV 51/14) hat entschieden, dass der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Einrichtung einer Unternehmens-Facebook-Seite des Arbeitgebers habe.

Der Arbeitgeber richtete eine Facebook-Seite für sein Unternehmen ein, wobei der Betriebsrat hier nicht angehört und beteiligt wurde. Der Betriebsrat fühlte sich übergangen und meinte, dass hier eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit vorliegen würde, da eine die Seite eine „technische Einrichtung“ sei. Mit dieser könnte der Arbeitgeber auch Mitarbeiter des Betriebs überwachen. Auf der Seite können Kommentare und auch Beschwerden hinterlassen werden Anhand der Dienstpläne könne der Arbeitgeber die Kommentare / Beschwerden der Mitarbeiter bestimmten Personen zuordnen, so der Betriebsrat.

Der Arbeitgeber sieht die Seite als Marketinginstrument und als „Kummerkasten“(für die Beschwerden) und sieht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.

Das LAG Düsseldorf sah hier kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und führte aus, dass ein solches Mitbestimmungsrecht auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Seite  sei als solche keine technische Einrichtung, die dazu bestimmt sei, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen. Eine solche Einrichtung setzt nämlich voraus, dass sie – jedenfalls teilweise – aus sich heraus Aufzeichnungen über die Mitarbeiter automatisiert erstellt. Dies ist nicht der Fall.

Anwalt A. Martin

LAG Hamm: auch für ein Betriebsratsmitglied endet der Arbeitsvertrag bei Befristung

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Arbeitgeber schließen häufig befristete Arbeitsverträge, um Sicherheit über das Ende des Arbeitsverhältnisses zu haben. Eine Befristung ist ohne Sachgrund bis zu 2 Jahren (in Ausnahmefällen sogar länger) möglich. Auch während des befristeten Arbeitsverhältnisses kann man die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und damit auch schon eher das Arbeitsverhältnis beenden. Der entscheidende Vorteil für den Arbeitgeber besteht aber darin, dass jedenfalls das Arbeitsverhältnis mit dem Befristungsende endet -auch ohne Kündigung – und auch dann, wenn allgemeiner Kündigungsschutz und Sonderkündigungsschutz (Schwangerschaft/ Schwerbehinderung) bestehen. Die Beendigung tritt nämlich nicht aufgrund einer Kündigung ein, sondern aufgrund des vereinbarten Befristungsendes. Allein wenn der Arbeitgeber die Befristung unzulässig vereinbart hat oder bei der Verlängerung der Befristung ohne Sachgrund Fehler gemacht hat (was in der Praxis nicht selten vorkommt), kann sich der Arbeitnehmer mittels Entfristungsklage gegen das Befristungsende wehren.

Betriebsrat und Kündigungsschutz

Betriebsratsmitglieder sind vor der Kündigung geschützt, aber nicht vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der vereinbarten Befristung. Dies stellte das Landesarbeitsgericht Hamm (Entscheidung vom 5.11.2013, 7 Sa 1007/13) nochmals klar. Auch für das Betriebsratsmitglied gilt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung. Einen besonderen Schutz genießt der Betriebsrat hier nicht, auch wenn Sonderkündigungsschutz besteht, welcher hier aber nicht weiter hilft, da ja eben nicht durch eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet wurde.

Missbrauch und Beendigungsschutz

In sehr seltenen Fällen kann aber doch ein Betriebsratsmitglied vor der Beendigung aufgrund der Befristung geschützt sein. Wenn nämlich der Arbeitgeber missbräuchlich handelt und nur das Arbeitsverhältnis deshalb nicht verlängert, weil der betroffene Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied ist. Dies muss das Betriebsratsmitglied aber darlegen und beweisen, was in der Praxis meist sehr schwer sein dürfte. In diesem Fall könnte sich auch der Betriebsrat mittels Entfristungsklage mit Erfolg gegen die Beendigung wehren. Wie gesagt, dürften solche Fälle aber in der Praxis eher selten sein, da die Hürden für den betroffenen Arbeitnehmer/ Betriebsrat recht hoch sind.

RA A. Martin

LAG Köln: Betriebsrat bekommt Nachtzuschlag ohne Nachtarbeit

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Das LAG Köln ( Köln, Urteil vom 13.12.2013 – 12 SA 682/13) hat entschieden, dass ein Betriebsrat auch einen Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen hat, obwohl er gar nicht in der Nacht arbeitet. Dies hat das Landesarbeitsgericht so entschieden, da der Betriebsrat nicht schlechter bezahlt werden darf als vergleichbare Arbeitnehmer.

Zuvor hatte das Betriebsratsmitglied nämlich in einer Abteilung gearbeitet, in der häufig Nachtschichten gemacht wurden. Dies war nach Antritt seiner Tätigkeit im Betriebsrat weggefallen.

Das Landesarbeitsgericht führt dazu aus:

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Art und Umfang des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die Vorschrift konkretisiert hinsichtlich der Vergütung das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG (BAG, Urteil vom 05. April 2000 – 7 AZR 213/99, NZA 2000, 1174, juris-Rz. 15; Hess u.a./Glock, 8. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 99, 103).

Für die Bemessung des Entgelts gilt das Lohnausfallprinzip (BAG, Urteil vom 05. Mai 2010 – 7 AZR 728/08, BAGE 134, 233, Rz. 29; Richardi/Thüsing, 13. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 31, Moll/Roebers, NZA 2012, 57). Den Betriebsratsmitgliedern steht während der Arbeitsbefreiung dasjenige Arbeitsentgelt zu, das sie nach § 611 Abs. 1 BGB ohne Freistellung verdient hätten (BAG, Urteil vom 23. Juni 2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287, juris-Rz. 33). Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft der Arbeitnehmer zur Übernahme eines Betriebsratsmandats fördern. Ihnen soll die Befürchtung genommen werden, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung des Ehrenamts zu erleiden. Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn das Betriebsratsmitglied weiterhin alle Entgeltbestandteile erhält, die es ohne Arbeitsbefreiung erreicht hätte. Zum Arbeitsentgelt iSd. § 37 Abs. 2 BetrVG zählen neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen, die es ansonsten verdient hätte, insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Erschwernis- und Sozialzulagen (BAG, Urteil vom 23. Juni 2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287, juris-Rz. 33; Urteil vom 05. April 2000 – 7 AZR 213/99, NZA 2000, 1174, juris-Rz. 15; LAG Hamburg, Urteil vom 09. August 2007 – 7 Sa 27/07, juris-Rz. 56; Richardi/Thüsing, § 37 BetrVG Rz. 31; Wlotzke/Preis/Kreft, 4. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 21; GK/Weber, 9. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 60; Hess u.a./Glock, § 37 BetrVG Rz. 57; Rieble, NZA 2008, 276).

Gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden (BT-Drucksache VI/2729, S. 23; BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836, Rz. 15). Das Betriebsratsmitglied soll so gestellt werden, als ob es im Betrieb weitergearbeitet und keine Amtstätigkeit ausgeübt hätte (BAG, Beschluss vom 29. September 1999 – 7 AZR 378/98, juris-Rz. 6). Die Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG ist in erster Linie für freigestellte Betriebsratsmitglieder von Bedeutung, kann allerdings auch für nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder bedeutsam werden, wenn sie sich ihrer beruflichen Entwicklung nicht in gleicher Weise widmen können wie ihnen vergleichbare Arbeitnehmer (Fitting, § 37 Abs. 4 BetrVG Rz. 117).

LAG Berlin-Brandenburg: außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes, der ohne Berechtigung eine Personalakte eingesehen hat

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Am Betriebsrat Mitglied hatte von seinem Arbeitsplatz aus unberechtigterweise Zugriff auf elektronische Personalakten von Arbeitnehmern im Betrieb genommen, um so Informationen über diese Arbeitnehmer – im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit – zu bekommen. Der Arbeitgeber kündigte aussortiert fristlos das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsrat Mitglied und beantragte zudem den Ausschluss des Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat.

Das Landesarbeitsrecht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 12.11.2012, 17 TaBV 1318/12) gab dem Arbeitgeber insoweit recht, dass ein Ausschluss des Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat hier zulässig und begründet sei, da der Betriebsrat hiergegen im erheblichem Maße gegen die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer verstoßen habe.

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers hielt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg aber nicht für begründet.

Das LAG Berlin-Brandenburg führte aus, dass eine außerordentliche Kündigung hier nicht gerechtfertigt sei, da das Betriebsratsmitglied schon seit 1998 Betrieb des Arbeitgebers war und darüber hinaus die Daten der Arbeitnehmer ausschließlich für die Betriebsratstätigkeit verwendet wurden.

A. Martin

LAG Schleswig-Holstein: erweiterte Anhörung des Betriebsrates bei Diebstahlsverdacht

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Eine Mitarbeiterin eines Schwimmbades wurde beschuldigt Fundsachen der Badegäste gestohlen zu haben. Der Arbeitgeber sprach eine fristlose Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus.

Nach der Anhörung der Arbeitnehmerin wurden noch zwei weitere Kündigungen und zwar Verdachtskündigungen (einmal fristlos und einmal ordentlich) durch den Arbeitgeber ausgesprochen.

Vor jeder Kündigung wurde der Betriebsrat angehört. Der Arbeitgeber informiert allerdings den Betriebsrat nicht über den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses, insbesondere nicht darüber, dass das bisherige Arbeitsverhältnis „störungsfrei“ verlaufen ist.

Ob der Diebstahl begangen wurde, war zwischen den Parteien streitig.

Die Arbeitnehmerin erhob gegen die Kündigungen Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht Neumünster. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes durch den Arbeitgeber blieb ohne Erfolg.

LAG Schleswig-Holstein

Das LAG (Aktenzeichen: 2 Sa 305/11 – Verkündet am 10.01.2012) führte dazu aus:

Keinem von beiden Schreiben kann entnommen werden, ob die Beklagte eine Interessenabwägung vorgenommen hat und welches Ergebnis diese hatte. Der Arbeitgeber ist gehalten, dem Betriebsrat den bei Einleitung des Anhörungsverfahrens vorhandenen Kenntnisstand mitzuteilen. Dazu gehören auch entlastende Umstände bei 10

Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers (Fitting, Rn. 24 zu § 102 BetrVG). Im Hinblick

auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.06.2010 (2 AZR 541/09 –

DB 2010,2395) ist auch im Fall einer strafbaren Handlung des Arbeitnehmers vom

Arbeitgeber eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Interessenabwägung dahingehend vorzunehmen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, lassen sich

nicht abschließend festlegen. Jedenfalls gehören hierzu die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen – störungsfreier – Verlauf. Hat das Arbeitsverhältnis über viele

Jahre hinweg ungestört bestanden, ist eine genaue Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob die sich dadurch verfestigte Vertrauensbeziehung durch eine erstmalige Enttäuschung des Vertrauens vollständig und unwiederbringlich zerstört werden konnte.

Hier war das Ziel der Arbeitnehmerin nicht die Abfindung, sondern der Arbeitsplatz.

Die Entscheidung ist deshalb interessant, da hier Bezug genommen wird auf die Emmely-  Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes und wieder die Begriffe  „Vertrauenskapital“ und „störungsfreier Verlauf“ eine Rolle spielen. Zukünftig sollte von daher der Arbeitgeber bei Straftaten oder bei Bestehen eines Verdachtes einer Straftat durch den Arbeitnehmer auch umfassend über den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses dem Betriebsrat informieren.

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin