Kleinbetrieb

Was bedeutet „Treu und Glauben“ im Arbeitsrecht?

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Was bedeutet "Treu und Glauben" im Arbeitsrecht?
Treu und Glauben

Durch den Grundsatz von Treu und Glauben sollen die in der Gemeinschaft sowie durch die Grundrechte herrschenden Wertvorstellungen bei der Anwendung der Rechtsvorschriften im jeweiligen Einzelfall berücksichtigt werden. Geregelt ist der Grundsatz ausdrücklich in § 242 BGB.

Dort heißt es:

§ 242 BGB – Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Über den Wortlaut und den Wortsinn der Bestimmung des § 242 BGB hinaus, ist anerkannt, dass § 242 BGB einen für das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz bildet, an dem sich alle Rechtsunterworfenen in ihrem Handeln im Blick auf sozialethische Schranken zu richten haben.

Diesen Grundsatz gilt für das gesamte deutsche Recht und man findet diesem auch im deutschen Arbeitsrecht. So ist eine Kündigung, die gegen Treu und Glauben verstößt, unwirksam (BVerfG 27.1.1998 EzA § 23 KSchG Nr. 17). Treuwidrigkeit und Sittenwidrigkeit überschneiden sich oft und sind manchmal schwer abgrenzbar.

Auch ein zu niedriger Arbeitslohn (€ 3,40 pro Stunde) kann sittenwidrig und damit nichtig sein, aber auch ein Aufhebungsvertrag.

Der Grundsatz von Treu und Glauben erfordert immer eine Interessenabwägung und wird in der Praxis manchmal zur Korrektur eines dogmatisch nicht haltbaren rechtlichen Ergebnisses herangezogen, wobei es dabei meist um die Verhinderung von Rechtsmissbrauch geht.

Zugegeben, so richtig „griffig“ ist der Grundsatz nicht. Man versteht auch nicht auf den „zweiten Blick“, was Treu und Glauben genau bedeuten soll. Im Enddefekt dient dieses Rechtsinstitut dazu, um Rechtsmissbrauch zu verhindern und (dies sagt Ihnen aber kein Richter) um ein – nach aktuellen Vorschriften richtiges, aber unhaltbares Ergebnis eines juristischen Sachverhalts/ Falles zu korrigieren.

Treu und Glauben ist von daher – in seltenen Fällen- u.a. auch der Notanker der Gerichte, um ein unhaltbares Ergebnis eines Rechtsstreits doch noch zu verhindern.

Grundsätze von Treu und Glauben

Der Grundsatz von Treu und Glauben wird u.a. bei den nachfolgenden Rechtssätzen verwendet:

  • unzulässige Rechtsausübung (Hauptanwendungsfall)
  • Lehre von der Geschäftsgrundlage
  • Nebenpflichtverletzung eines Vertrags/ Arbeitsvertrags

unzulässige Rechtsausübung

Der Hauptandwendungsfall von Treu und Glauben ist die unzulässige Rechtsausübung.

Die Ausübung eines Rechts ist dann unzulässig, wenn das ihm zugrunde liegende Interesse im Einzelfall aus besonderen Gründen nicht schutzwürdig erscheint. Dies ist der sog. Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, den man im Prozess erheben kann. Dabei findet immer eine umfassende Interessenabwägung statt. Die Anforderungen daran sind aber hoch. Dabei macht nicht schon jedes Ungleichgewicht und nicht jede übermäßige wirtschaftliche Benachteiligung der Gegenseite eine Rechsausübung unzulässig, sondern es muss sich um Ausnahmefälle einer grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Benachteiligung handeln.

Kurzum, die unzulässige Rechtsausübung ist die rechtsmißbräuchliche Ausübung eines Rechts.

Unterfälle der unzulässigen Rechtsausübung

Unterfälle der unzulässigen Rechtsausübung sind u.a.:

  • Verwirkung
  • Rechtsmißbrauch
  • widersprüchliches Verhalten (mdl. Kündigung)

Kündigung und § 242 BGB

Eine Kündigung kann treuwidrig sein und damit gegen Treu und Glauben verstoßen.

Eine treuwidrige Kündigung liegt insbesondere dann vor, wenn sie auf einer Auswahlentscheidung des Arbeitgebers beruht, die jede soziale Rücksichtnahme vermissen lässt (so das Bundesarbeitsgericht, Urteil vom  16.1.2003 in EzA § 23 KSchG Nr. 25). Hier geht es insoweit in erster Linie um betriebsbedingte Kündigungen im Kleinbetrieb, in welchem ja das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Dabei – Kündigung im Kleinbetrieb – spielt auch manchmal die Frage nach Altersdiskriminierung eine Rolle, wenn der Arbeitgeber eine langjährig beschäftigte Arbeitnehmerin kündigt und eine junge – erst seit kurzem eingestellt Mitarbeiterin, aber behält.

Aber auch bei einer Kündigung in der Probezeit kann diese treuwidrig sein und damit der Notanker des Arbeitnehmers doch noch etwas mit seiner Kündigungsschutzklage zu erreichen.

Die treuwidrige Kündigung kommt in der Praxis selten vor. Im Kleinbetrieb und während der Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz kann der Arbeitgeber in der Regel ohne Kündigungsgrund und Rechtfertigung das Arbeitsverhältnis kündigen.

Zu beachten ist aber, dass es vor den Arbeitsgerichten sehr schwierig ist eine solche treuwidrige (oder sittenwidrige) Kündigung nachzuweisen. Wer sich gegen eine Kündigung wehrt, auf welche weder der allgemeine Kündigungsschutz, noch Sonderkündigungsschutz Anwendung findet, hat vor dem Arbeitsgericht in der Regel schlechte Karten. Dies zeigt auch, dass die treuwidrige Kündigung in der Praxis selten nachzuweisen ist und eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Beispiele für sittenwidrige Arbeitgeberkündigungen finden Sie hier.

Kündigung während Erkrankung zulässig

Interessant ist dabei, dass eine Kündigung während der Erkrankung des Arbeitnehmers unproblematisch zulässig ist. Eine solche Kündigung ist nicht treuwidrig. Hier herrscht in der Bevölkerung immer noch der Irrglaube, dass man während der Erkrankung nicht gekündigt werden darf.

Ob die Kündigung aber aus anderen Gründen unwirksam ist und/ oder ob der Arbeitgeber für die Kündigung einen ausreichenden Grund nach dem KSchG hat, ist eine andere Frage.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin – Berlin

BAG: Wiedereinstellungsanspruch nach Kündigung besteht nicht im Kleinbetrieb!

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Ein Kleinbetrieb ist ein Betrieb mit regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit abzüglich der Auszubildenden. Im Kleinbetrieb gibt es für die Arbeitnehmer keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Der Arbeitgeber kann also ohne Kündigungsgrund ordentlich das Arbeitsverhältnis beenden. Nur in Ausnahmefällen gibt es eine Möglichkeit die Kündigung erfolgreich anzugreifen, nämlich ,wenn ein Sonderkündigungsschutz oder ein Mindestkündigungsschutz greift. Dies ist selten der Fall.

Nun zum Fall des Bundesarbeitsgericht:

Der Arbeitnehmer/ Kläger war seit 1987 bei seiner Arbeitgeberin in einer Apotheke beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. November 2013 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer/ Kläger sowie mit allen übrigen Beschäftigten zum 30. Juni 2014 (wahrscheinlich sollte der Betrieb angeblich aufgegeben werden).Beim Betrieb handelte es sich um einen Kleinbetrieb.

Der Arbeitnehmer / Kläger, der keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genoss (da Kleinbetrieb) , hat die Kündigung Der Arbeitgeberin nicht mittels Kündigungsschutzklage angegriffen.

Anders als mitgeteilt, führte dann aber die Arbeitgeberin über den 30. Juni 2014 hinaus mit verringerter Beschäftigtenzahl den Betrieb weiter und veräußerte diesen sogar einschließlich des Warenlagers an eine andere Apothekerin. In dem Kaufvertrag über die Veräußerung der Apotheke hatte die „neue Inhaberin“ sich zudem zur Übernahme und Weiterbeschäftigung von drei Arbeitnehmern verpflichtet.

Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst sowohl die vormalige Arbeitgeberin  als auch die neue Inhaberin auf Wiedereinstellung in Anspruch genommen und vor dem Arbeitsgericht geklagt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat das arbeitsgerichtliche Urteil der 1. Instanz  mit der Berufung zum LAG Düsseldorf nur insoweit angegriffen, als seine gegen neue Betriebsinhaberin gerichtete Klage abgewiesen wurde.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zum BAG hatte keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19. Oktober 2017 – 8 AZR 845/15) führt in seiner Pressemitteilung vom 19.102017 mit der Nr. 46/17 folgendes aus:

Ein Wiedereinstellungsanspruch kann grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen. Ob sich in Kleinbetrieben im Einzelfall ausnahmsweise aus § 242 BGB ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben kann, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Der Kläger hätte einen solchen Anspruch erfolgreich nur gegenüber der vormaligen Beklagten zu 1., die den Betrieb nach Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers zunächst weitergeführt hatte, verfolgen können. Seine gegen die vormalige Beklagte zu 1. gerichtete Klage war aber rechtskräftig abgewiesen worden.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitsgericht Düsseldorf: Kündigung einer langjährigen Mitarbeiterin im Kleinbetrieb.

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Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 31.08.2015 – 6 Ca 751/15) hat sich mit der Frage des sog. Mindestkündigungsschutz auseinandergesetzt.

Eine langjährig bei einer Partei im Kleinbetrieb (unter 10 Arbeitnehmer) beschäftigte Sachbearbeiterin wurde entlassen und wehrte sich mittels Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung. Sie war der Auffassung, dass sie aufgrund ihrer langjährigen Betriebszugehörigkeit ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme vom Arbeitgeber erwarten kann und dass von daher der Arbeitgeber in einer Art Sozialauswahl zunächst einen Arbeitnehmer mit geringerer Betriebszugehörigkeit und ohne Unterhaltspflichten hätte entlassen müssen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf sah dies nicht so. Ein Mindestkündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gewährleistet nur einen Schutz vor sittenwidrigen oder treuwidrigen Kündigungen des Arbeitgebers. Im Kleinbetrieb kann der Arbeitgeber grundsätzlich eine Kündigung aussprechen, wenn aus seiner Sicht ein Vertrauensverlust eingetreten und diese Einschätzung nicht erkennbar aus der Luft gegriffen sei.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Kündigungsschutzgesetz – Kleinbetriebsklausel – zählen hier auch ausländische Betriebe / Betriebsteile

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Bei Kündigung durch den Arbeitgeber macht es meist für den Arbeitnehmer einen erheblichen Unterschied, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet oder nicht. Im Kleinbetrieb findet das KSchG selbst nach erfüllter Wartezeit von 6 Monaten keine Anwendung.

Kleinbetrieb, § 23 Abs. 1 KSchG

Die  Vorschrift des § 23 des KSchG regelt u.a.:

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

Betriebsteil oder Betrieb im Ausland

Interessant wird die Berechnung des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 KSchG dann, wenn der Betrieb in Deutschland weniger als 10 Arbeitnehmer hat, aber im Ausland noch eine Zweigstelle vorhanden ist, mit der Zusammen über 10 Arbeitnehmer beim Arbeitgeber beschäftigt sind. Auch stellt sich die Frage bei einer deutschen (unselbstständigen) Zweigstelle eines ausländischen Betriebes. Die Frage ist, ob die Arbeitnehmer im Ausland mitzählen oder ob die Anzahl der Arbeitnehmer des Betriebes nur in Deutschland zu ermitteln ist.

Rechtsprechung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der räumliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetz auf die Bundesrepublik beschränkt ist und das Arbeitnehmer im Ausland nicht bei der Ermittlung des Schwellenwertes nach § 23 Abs. 1 KSchG mitzählen. Bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl werden die im Ausland tätigen Arbeitnehmer nicht berücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn die ausländische Betriebsstätte mit dem deutschen Betrieb einen Gemeinschaftsbetrieb bildet ((BAG, Urteil v. 26.3.2009, 2 AZR 883/07, so auch LAG Hamburg).

RA A. Martin

 

Kündigungsschutzklage – gilt die 3-Wochen-Frist dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet?

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Wenn sich der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wenden will, dann erhebt er eine Kündigungsschutzklage; dies ist allgemein bekannt. Die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage beträgt 3 Wochen.

§ 4 Kündigungsschutzgesetz regelt dazu:

„Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.“

Nun stellt sich die Frage, ob diese Vorschrift/ Klagefrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage nur für den Fall der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis gilt, denn schließlich befindet sich die Regelung des § 4 KSchG, ja genau in diesem Gesetz (Kündigungsschutzgesetz)?

Geltungsbereich der Klagefrist nach dem Kündigungsschutzgesetz

Die obige Klagefrist gilt aber nicht nur für Kündigungen, auf die das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Dafür spricht schon der obige Wortlaut „oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist“ und vor allem die Regelung in § 23 Abs. 1, S 1/2 KSchG, wonach die Regelung in § 4 des KSchG (Klagefrist) auch für Kündigungen von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben, für die das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, gelten.

Ausnahme: nicht schriftliche Kündigung

Da nach § 4 KSchG auf eine schriftliche Kündigung abgestellt wird, gilt für eine mündliche Kündigung die obige Klagefrist nicht. Der Arbeitnehmer kann hier allgemeine Feststellungsklage oder sogar Leistungsklage auf den Annahmeverzugslohn erheben.

Rechtsanwalt A. Martin – Arbeitsrecht Berlin