Arbeitsverhältnis
Kündigung bei nicht unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit möglich – LAG Baden-Württemberg.
Häufig entscheiden Arbeitsgericht über verhaltensbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und dessen Mitteilungspflichten. Auch wenn bei einer Verletzung dieser Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis in der Regel mit einer Abmahnung zu rechnen ist, so sollte man die Problematik für den Arbeitnehmer zu unterschätzen.
2 x abmahnen und 1 x kündigen?
Nach der nachfolgenden Entscheidung des LAG Baden-Württemberg reicht schon das zweimalige abmahnen des Arbeitnehmers aus, ob beim dritten Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 5 EFZG eine verhaltensbedingte Kündigung zu erhalten.
Welche Pflichten hat der Arbeitnehmer bei einer Erkrankung?
Wenn der Arbeitnehmer erkrankt, hatte grundsätzlich zwei Pflichten. Zum einen muss er unverzüglich den Arbeitgeber über seine Erkrankung und das Nichterscheinen auf der Arbeit informieren und zum anderen muss er dies auch nachweisen durch Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
> Es gibt also eine Informationspflicht und eine Pflicht der Übersendung der AU Bescheinigung (Nachweispflicht).
Wo sind die Pflichten des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit geregelt?
Die Anzeigepflicht und die Nachweispflicht des Arbeitnehmers im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sind im § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) geregelt.
> In § 5 EFZG steht: > > (1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muß die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, daß der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.
Der Fall des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg.
Ein 45-jährige Arbeitnehmer ist seit dem 1. Oktober 2007 bei der Arbeitgeberin, bei der ein Betriebsrat besteht, als Lagerist mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen in Höhe von 3.300,00 EUR beschäftigt. Der Arbeitnehmer war durchgängig seit Juli 2016 wegen eines Bandscheibenleidens arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Der Arbeitnehmer erhielt im Januar 2017 eine Abmahnung, weil er seine Arbeitsunfähigkeit nicht anzeigte und im März 2017 eine weitere da er die Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verspätet zugeleitet hatte.
Im August 2017 wurde eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder zu spät durch den Arbeitnehmer eingereicht. Nun hatte die Arbeitgeberin genug und hörte die Betriebsrat an und kündigte mit Schreiben vom 31. August 2017 dem Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2017, also mit ordentlicher Frist aus verhaltensbedingten Gründen.
Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Ulm und gewann dort das Kündigungsschutzverfahren.
Entscheidung des Arbeitsgericht Ulm
Im Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 18. Oktober 2018 (8 Ca 355/17) wurde ausgeführt, dass die Kündigung vom 31. August 2017 unwirksam sei. Das Gericht meinte, dazu, dass der Kläger zwar gegen seine Anzeigepflicht verstoßen habe und diesbezüglich auch wirksam abgemahnt worden sei, allerdings falle hier unter Berücksichtigung der Gesamtumstände die vorzunehmende Interessenabwägung noch zu Gunsten des Klägers aus.
Berufung zum LAG Baden-Württemberg
Die Arbeitgeberin legte daraufhin Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ein. Das LAG B-W (Urteil vom 25.11.2020 – 10 Sa 52/18) entschied hier – knapp – zu Gunsten des Arbeitnehmers und wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück.
Ausführungen des LAG Baden-Württemberg zur Anzeigepflicht des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit
Interessant sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Frage der Abmahnung und der Kündigungsmöglichkeiten bei Verletzung der Anzeigepflichten es Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit.
Das LAG führt zur Möglichkeit einer verhaltensbedingten Kündigung aus:
> Eine Kündigung aus im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht in der Regel schuldhaft erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Insofern ist ein Fehlverhalten ausreichend aber auch erforderlich, dass einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann. Auch die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht wie der Anzeige- und Nachweispflicht im Falle einer Erkrankung eines Arbeitnehmers gemäß § 5 Abs. 1 EFZG kann grundsätzlich nach vorheriger vergeblicher Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Zweck einer Kündigung nicht die Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung ist, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken.
Zur Möglichkeit einer verhaltensbedingten Kündigung nach vorheriger Abmahnung bei Verletzung der Anzeigepflichten bei Krankheit führt das LAG dann weiter aus:
> (a) Verletzungen der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG sind in der Regel nach vorheriger Abmahnung geeignet, eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen. Das gilt nicht nur für die im Gesetz allein geregelte unverzügliche Anzeige einer Ersterkrankung, sondern nach der Rechtsprechung – noch zu § 3 Lohnfortzahlungsgesetz – und der herrschenden Meinung auch für die unverzügliche Meldung einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit (BAG, 16. August 1991 – 2 AZR 604/90). Die soziale Rechtfertigung der Kündigung hängt auch nicht davon ab, ob es zu betrieblichen Störungen gekommen ist. Sind allerdings solche negativen Auswirkungen eingetreten, sind sie im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen (BAG, 16. August 1991 – 2 AZR 604/90, Rn. 36). § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gibt dem Arbeitnehmer auf, die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. > aa. Der Kläger hat in einem Zeitraum von weniger als einem halben Jahr insgesamt dreimal gegen seine Anzeigepflichten aus § 5 Abs. 1 EFZG verstoßen. Die Beklagte hat dieses Verhalten zweimal abgemahnt, bevor sie den dritten Vorfall zum Anlass des Kündigungsausspruchs nahm. Damit liegt ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich geeignet ist, eine verhaltensbedingte Kündigung sozial zurechtfertigen.
Der Arbeitnehmer hatte aber nochmals Glück, da das Gericht hier andere Faktoren zu seinen Gunsten berücksichtigte:
> bb. Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt hier jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an seiner Beendigung mit Ablauf der Kündigungsfrist.
> Zu Gunsten des Klägers ist zunächst seine zum Zeitpunkt der Kündigung vom 31. August 2017 fast zehnjährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich im Großen und Ganzen während der fast zehnjährigen Betriebszugehörigkeit Beanstandungen im Verhalten des Klägers auf seltene Ausnahmefälle beschränkten. > > Zugunsten des Klägers weiter zu berücksichtigen ist, dass sein Verschulden bei der verspäteten Anzeige seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit als gering anzusehen ist, wie das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat. Zwar hätte es nahegelegen und auch für den Kläger kaum einen nennenswerten zusätzlichen Aufwand bedeutet, seinen Vorgesetzten telefonisch zu erreichen. Dennoch hat der Kläger im Zusammenhang der Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit über den 4. August 2017 hinaus, seine Pflichten aus § 5 EFZG nicht gänzlich unbeachtet gelassen, sondern ist diesen Pflichten eben nur (erneut) mangelhaft nachgekommen.
Fazit
Auch schon bei zweimaliger Abmahnung kann die Verletzung der Anzeigepflicht bei Erkrankung zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung führen.
weiterführende Artikel
Nachfolgend sind noch einige Artikel zur Problematik Erkrankung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis aufgelistet:
- Krankenschein und Folgebescheinigung – was ist zu beachten?
- Der Arbeitgeber will die Krankheit wissen – was muss ich verraten?
- Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit kann zur außerordentlichen Kündigung führen.
- Arbeitsgericht Cottbus: Mindestlohn ist auch an Feiertagen und bei Krankheit zu zahlen
- LAG Berlin-Brandenburg: Ankündigung einer Erkrankung durch den Arbeitnehmer und außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung
- Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – die Auslandserkrankung (ausländischer Krankenschein)
- Arbeitnehmer reicht Krankenschein/ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ein – was machen?
- Krankheit während der Probezeit – was nun?
- Kündigung bei nicht rechtzeitiger Krankmeldung?
- Was ist eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eigentlich wert?
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Darf man einen schwerbehinderten Arbeitnehmer in der Probezeit kündigen?
Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen besonderen Kündigungsschutz. Dies ist geregelt ist den §§ 85 ff. des SGB IX . Eine Kündigung eines Schwerbehinderten oder einer gleichgestellten Personen bedarf grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Man spricht hier vom sogenannten Sonderkündigungsschutz, der außerhalb / bzw. neben dem Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht.
Wann beginnt der Sonderkündigungsschutz eines Schwerbehinderten?
Der Schutz vor einer Kündigung des Arbeitgebers beginnt bei einem schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht sofort mit Beginn des Arbeitsverhältnisses.
Dazu regelt § 90 SGB IX :
§ 90 Abs. 1, Satz 1 SGB IX – Ausnahmen
(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten nicht für schwerbehinderte Menschen,
1. deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder
………………..
Wartezeit/ Probezeit 6 Monate für Kündigungsschutz
Von daher muss zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung beim Schwerbehinderten das Arbeitsverhältnis ohne (rechtliche) Unterbrechung bereits 6 Monate bestanden haben.
Der besondere Kündigungsschutz beginnt also auch hier – wie z.B. bei Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz – nach einer bestimmten Wartezeit.
Probezeit = Wartezeit bei Kündigungen gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern
Der Begriff Probezeit ist hier etwas missverständlich. Mit Probezeit bezeichnet man allgemeinhin die Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist zu Beginn des Arbeitsverhältnisses (siehe § 622 I BGB). Die Probezeit kann – aber muss nicht -zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. In der Regel beträgt diese ebenfalls 6 Monate, so dass – zufällig – mit Ablauf der Probezeit auch der Kündigungsschutz des schwerbehinderten Arbeitnehmers eintritt.
Wartezeitkündigung nach § 90 SGB IX
Die Wartezeit nach § 90 SGB IX hat aber mit der Probezeit nichts zu tun, auch wenn oft diese beiden Zeitspannen zufällig übereinstimmen. Dies soll ein Beispiel verdeutlichen:
Beispiel: Der schwerbehinderte Arbeitnehmer wird am 1.1.2014 vom Arbeitgeber eingestellt. Es wird ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen und eine Probezeit von 3 Monaten,also bis zum 1.4.2014 vereinbart. Nach Ablauf der Probezeit ab 1.5.2014 kündigt der Arbeitgeber (Zugang gleicher Tag beim Arbeitnehmer) dem schwerbehinderten Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ordentlich.
Ergebnis: Die Kündigung ist wirksam. Diese erfolgte vor dem Ablauf der 6-monatigen Wartezeit nach § 90 Abs. 1, Satz 1 SGB IX. Dass die Kündigung nach dem Ablauf der Probezeit nach § 622 BGB erfolgte, ist unerheblich. Allein § 90 SGB IX regelt, wann der besondere Kündigungsschutz vor Schwerbehinderte eintritt. Im übrigen greift auch kein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, da auch dieser an eine Wartezeit von 6 Monaten gehüpft ist.
Rechtsprechung
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil v. 27.08.2010 – 13 Sa 988/10) hatte entschieden, dass der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte erst nach Ablauf der 6-monatigen Wartezeit entsteht. Weiter wurde entschieden, dass die Anzeigepflichtverletzung nach § 90 Abs. 3 SGB IX – wonach der Arbeitgeber die Kündigung dem Integrationssamt anzeigen muss – nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.
Zusammenfassung zum zeitlichen Eintritt des Sonderkündigungsschutzes nach §§ 84 ff. SGB IX
Ein Schwerbehinderter bekommt den besonderen Kündigungsschutz erst nach einer ununterbrochenen Wartezeit von 6 Monaten ab Arbeitsvertragsbeginn.
Anwalt A. Martin
Ist das Abwerben von Kunden durch ehemalige Mitarbeiter zulässig?
Während des bestehenden Arbeitsverhältnis es ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich untersagt sich im Wettbewerb mit seinen Arbeitgeber zu setzen. Von daher ist es unzulässig, wenn der Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses einer Konkurrenztätigkeit nachgeht. Dies gilt selbst dann, wenn sich im Arbeitsvertrag kein ausdrückliches Wettbewerbsverbot befindet.
Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Sofern das Arbeitsverhältnis beendet ist, besteht grundsätzlich auch kein Wettbewerbsverbot für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer mehr. Eine Ausnahme hiervon besteht dann, wenn ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart wurde. Diese Vereinbarung muss selbstverständlich wirksam sein. Daran fehlt es, wenn eine so genannte Karenzentschädigung vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer nicht gezahlt wird. Der Arbeitnehmer muss nicht ohne Entschädigung auf den Wettbewerb zum ehemaligen Arbeitgeber verzichten. In vielen Fällen sind entsprechende nachvertragliche Wettbewerbsabreden unwirksam. Ob dies der Fall ist, sollte letztendlich ein Rechtsanwalt überprüfen.
Zu beachten ist aber auch, dass während des bestehenden Kündigungsschutzverfahrens ein Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers besteht.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und fehlendes Konkurrenzverbot
Ist das Arbeitsverhältnis beendet und fehlt es an einer Vereinbarung über ein Wettbewerbsverbot, so kann sich der Arbeitnehmer grundsätzlich im Wettbewerb zum Arbeitgeber setzen. Er ist nicht an einer Konkurrenztätigkeit gehindert.
Abwerben von Kunden des ehemaligen Arbeitgebers
Das LAG Köln (Urteil vom 18.01.2012 – 9 Ta 407/11) führt dazu aus:
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet gleichzeitig die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung. Der Arbeitgeber kann sich vor einer nachvertraglichen konkurrierenden Tätigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Vereinbarung eines bezahlten und höchstens zwei Jahre befristeten Wettbewerbsverbots nach §§ 74 ff. HGB schützen. Fehlt es an einer rechtswirksamen Wettbewerbsabrede, kann der Arbeitnehmer wie jeder Dritte zu seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb treten. Hierbei kann er sein im Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen einsetzen und in den Kundenkreis des Arbeitgebers eindringen.
Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht sowie eine allgemeine nachvertragliche Treueplicht begründen deshalb für den Arbeitgeber regelmäßig keinen Anspruch gegen den ehemaligen Arbeitnehmer auf Unterlassung von Wettbewerb. Ein solcher Anspruch ergibt sich wegen der demArbeitnehmer gesetzlich gewährleisteten Wettbewerbsfreiheit – vom Fall des wirksamen Wettbewerbsverbots abgesehen – nur nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb,§ 1 UWG, §§ 823, 826 BGB.
Das heißt, dass im Normalfall der Arbeitnehmer auch Kunden des ehemaligen Arbeitgebers abwerben darf. Nur in Ausnahmefällen ist dies nicht zulässig.
Ausnahmen von der „Abwerbefreiheit“
Solche Ausnahmen können z.B. sein:
- Verwendung von rechtswidrig beschafften Kundenlisten
- Verleitung zum Vertragsbruch
In der Praxis für ein solches wettbewerbswidriges Verhalten des ehemaligen Mitarbeiters der Arbeitgeber – sofern er hier Ansprüche geltend machen möchte – darlegungs- und beweislastpflichtig. Dies ist häufig für den Arbeitgeber recht schwierig. Es muss z.B. im Fall rechtswidrig erlangter Kundenlisten neben der rechtswidrigen Erlangung auch nachweisen, dass der ehemalige Arbeitnehmer auch tatsächlich diese Kundendaten verwendet hat.
RA A. Martin
BAG: kein Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher bei ihm nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung
Über die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg zur Frage, ob eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung dazu führt, dass zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zu Stande kommen, wenn der Arbeitgeber (Verleiher) den Arbeitnehmern nicht nur vorübergehend überlässt, hatte ich bereits berichtet. Grundlegend hatte das LAG B-W dazu im Jahr 2012 entschieden (11 SA 24/12).
nicht nur vorübergehende Überlassung
Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass dies nicht dazu führt, dass der Leiharbeitnehmer faktisch zum Arbeitnehmer des Entleihers wird und zwischen beiden ein Arbeitsverhältnis zu Stande kommen. Diese Rechtsfolge sieht das Bundesarbeitsgericht nur, so wie dies das Gesetz auch vorgibt, wenn der Verleiher keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt.
In seiner Pressemitteilung für das BAG (Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 -) dazu folgendes aus:
Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. Das Unionsrecht gibt kein anderes Ergebnis vor. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) sieht keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie überlässt die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG den Mitgliedstaaten. Angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen obliegt deren Auswahl dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen.
Gerade bei der Zeitarbeit ist derzeit viel in Bewegung. Die Entscheidung des BAG schließt eine lang diskutierte Unsicherheit der Branche. Leider erfolgen viele Arbeitnehmerüberlassung eben nicht nur vorübergehend, sondern gezielt um einen tatsächlichen Bedarf dauerhaft zu bedienen. Es sind aber noch viele andere Rechtsfragen vom BAG zur Zeitarbeit zu entscheiden, so dass es auch in der Zukunft interessant bleibt.
RA A. Martin
Rückzahlung von Ausbildungskosten und Fortbildungskosten beim Abbruch der Ausbildung bzw. bei Kündigung
Fortbildung und Weiterbildung sind in unserer schnelllebigen Zeit unumgänglich, gerade auch für Arbeitnehmer. Arbeitgeber, gerade in hochspezialisierten Arbeitsbereichen, haben häufig ein Interesse an einer längerfristigen Bindung ihrer Arbeitnehmer und an der Weiterbildung und Spezialisierung derselben. Häufig steigen die Kosten für eine Weiterbildung / Fortbildung mit dem Grad der Spezialisierung auch proportional an. Da viele Arbeitnehmer diese Kosten nicht selbst tragen können, und der Arbeitgeber einen erheblichen Vorteil von der Weiterbildung bzw. Fortbildung hat, aber nur wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich im Betrieb bleibt, finanzieren viele Arbeitgeber die entsprechende Weiterbildung des Arbeitnehmers.
Das gleiche gilt auch für Ausbildung-über die normale (betriebliche) Berufsausbildung hinaus-im Ausbildungsverhältnis. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Möglichkeiten für den Arbeitgeber der Absicherung der Übernahme der Ausbildungskosten bestehen und wie die Arbeitsgerichte in Deutschland entsprechende Rückzahlungsklauseln (z.B. in Arbeitsverträgen) überprüfen.
Fortbildung / Weiterbildung des Arbeitnehmers – Ziel Bindung des Arbeitnehmers
Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind die Kosten für Fortbildungen meisten nicht unerheblich. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich bereit solche Kosten in die Spezialisierung/Weiterbildung des Arbeitnehmers zu finanzieren, allerdings möchte er im Gegenzug auch, dass er eine Absicherung der Aufwendung hat, z.b. dadurch dass der Arbeitnehmer in Betrieb über einen langen Zeitraum zur Verfügung steht, also dort arbeitet und sich von daher die investierten Kosten amortisieren. Zu beachten ist dabei, dass der Arbeitgeber – ohne eine entsprechende „Absicherung“ – nämlich schlecht beeinflussen kann, wie lange der Arbeitnehmer im Betrieb bleibt, da grundsätzlich ein dauerhafter Ausschluss einer ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nicht möglich ist.
Möglichkeiten des Arbeitgebers eine Bindung des Arbeitnehmers herbeizuführen
In der Praxis gibt es verschiedene Möglichkeiten, um eine Bindung des Arbeitnehmers -für den der Arbeitgeber in die Fortbildung bzw. Weiterbildung investiert hat – herbeizuführen.
Der Arbeitgeber hat grundsätzlich folgende (denkbare) Möglichkeiten sich entsprechend vor seiner Investitionen in die Ausbildung des Arbeitnehmers – mehr oder weniger gut – abzusichern:
- die Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit
- die Vereinbarung einer langen ordentlichen Kündigungsfrist
- die Gewährung eines Darlehens
- die Vereinbarung von Vertragsstrafe- und Rückzahlungsklauseln
sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses
Sofern der Arbeitgeber die Fortbildung des Arbeitnehmers finanzieren und sich absichern möchte, kommt z.B. die sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zur Dauer von zwei Jahren in Betracht. Zu beachten ist, dass es sich um eine erstmalige Befristung handeln muss ( bzw. nach dem BAG letztmalige Beschäftigung vor mehr als drei Jahren), der Arbeitgeber muss also bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses wissen, dass er entsprechende Ausbildungs- bzw. Weiterbildungskosten übernehmen möchte. Sofern keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit im befristeten Arbeitsverhältnis vereinbart ist (§ 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz), scheidet die ordentliche Kündigung für beide Seiten aus. Das Arbeitsverhältnis endet dann mit der Befristung. So kann der Arbeitgeber eine Bindung des Arbeitnehmers von zwei Jahren erreichen. Eine Befristung mit Sachgrund kann sich – wenn ein solcher Grund dann vorliegt – noch anschließen. Die Befristung muss zwingend schriftlich erfolgen.
Vereinbarung einer ordentlichen (langen) Kündigungsfrist
Eine andere Möglichkeit für den Arbeitgeber den Arbeitnehmer für eine lange Zeit zu binden und so die Kosten für Ausbildung und Fortbildung des Arbeitnehmers abzusichern, ist die Vereinbarung einer langen ordentlichen Kündigungsfrist im (unbefristeten) Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber kann sich in diesem Fall sicher sein, dass der Arbeitnehmer nicht mittels einer ordentlichen Kündigung kurzfristig den Betrieb verlassen kann. Das Arbeitsgericht Heilbronn hat vor kurzem entschieden, dass eine Kündigungsfrist, die für den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber gleich lang sein muss, von 18 Monaten grundsätzlich noch zulässig ist. So kann eine entsprechend lange Bindung des Arbeitnehmers erreicht werden. Der Nachteil einer solchen Regelung ist der, dass sich zum einen der Arbeitgeber bereits im Arbeitsvertrag über die Ausbildung des Arbeitnehmers und auch über die lange Kündigungsfrist Gedanken machen muss. Häufig ist dies aber zu diesem Zeitpunkt nicht der Fall ist, denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weiß der Arbeitgeber noch nicht, ob der Arbeitnehmer überhaupt für die Arbeit geeignet ist (der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer in der im Normalfall noch „erproben“ möchten). Auch bindet sich der Arbeitgeber entsprechend lang an den Arbeitnehmer. Er kann aber eine Probezeit vereinbaren; die aber auch nicht immer zur Erprobung ausreichend ist. Später besteht die lange Bindung, was sich als Fehler herausstellen kann. Evtl. stehen dem aber auch tarifliche Regelungen entgegen.
Gewährung eines Darlehens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Eine andere Möglichkeit für den Arbeitgeber sich entsprechend abzusichern, wenn dieser Ausbildungskosten für den Arbeitnehmer finanziert ist, dass zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart wird, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Ausbildung vorfinanziert, allerdings über einen Kredit und der Arbeitnehmer später diesen Kredit zurückzahlen muss. Auf den ersten Blick erscheint dies eine gute Möglichkeit für den Arbeitgeber zu sein sich entsprechend abzusichern, allerdings besteht der Nachteil darin, dass der Arbeitnehmer in der Regel eine große Hemmschwelle haben wird ein Darlehen für die eigene Ausbildung, deren Nutzen er wahrscheinlich gar nicht oder nicht im gleichen Umfang, wie der Arbeitgeber erkennt, aufzunehmen. Aber selbst wenn es zum Darlehensvertrag über die Finanzierung der Ausbildungskosten des Arbeitnehmers kommt, ist es häufig so, dass es dem Arbeitgeber nicht so sehr darauf ankommt, dass er vom Arbeitnehmer eine Entschädigung bzw. die Rückzahlung der Ausbildungskosten bekommt, sondern in erster Linie möchte er den Nutzen aus der Ausbildung ziehen, also erreichen, dass der besser qualifizierte Arbeitnehmer bei ihm weiter arbeitet. Auch sind solche Darlehen im Arbeitsverhältnis rechtlich nicht unproblematisch.
Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln in Bezug auf die Ausbildungskosten/Fortbildungskosten
Eine Bindung des Arbeitnehmers kann erreicht werden, zum Beispiel durch entsprechende Vertragsvereinbarungen. In der Praxis hat sich die so genannte Rückzahlungsklauseln im Arbeitsvertrag durchgesetzt. Hier kann der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer bei Kündigung beziehungsweise beim Abbruch der Ausbildung die entsprechenden Ausbildungs- beziehungsweise Weiterbildungskosten an den Arbeitgeber zurückzuzahlen muss. Dadurch soll der Arbeitnehmer motiviert bleiben beim Arbeitgeber weiterzuarbeiten.
Problematik der Ausbildungsrückzahlungsvereinbarungen
Zu beachten ist allerdings, dass in der Praxis häufig derartige Rückzahlungsklauseln problematisch sind, da diese vertraglich sorgfältig vereinbart werden müssen und dies bis heute in der Praxis nicht immer geschieht. Zu beachten ist auch, dass der Arbeitnehmer durch überlange Bindungen beim Arbeitgeber in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) eingeschränkt wird und dies entsprechend in der Rückzahlungsklausel zu berücksichtigen ist. Diesbezüglich gibt es schon diverse Entscheidung der Arbeitsgericht, auch bereits Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes. Wer solche Klauseln verwenden will, muss zwingend die Rechtsprechung des BAG dazu kennen; diese ist aber im Fluss und selbst bei Kenntnis bestehen – abhängig vom Einzelfall – immer noch Unsicherheiten.
Möglichkeit der Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln im Rahmen der Finanzierung von Fortbildungskosten durch den Arbeitgeber
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich so genannte Rückzahlungsklauseln zu seiner Absicherung, wenn er zum Beispiel die Ausbildung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis finanziert, vereinbaren kann. Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind hier aber diverse Einschränkungen zu beachten.
Berufsausbildungsverhältnis und Ausbildungskosten der betrieblichen Ausbildung
Eine Ausnahme besteht bei Ausbildungskosten und entsprechenden Rückzahlungsklauseln im Berufsausbildungsverhältnissen. Hier regelt § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BBiG, dass eine Rückforderung von Ausbildungskosten im Berufsausbildungsverhältnis, die im betrieblichen Bereich der Ausbildung angefallen sind, grundsätzlich nicht möglich ist. Damit will man verhindern, dass der Ausbildungsbetrieb dem Auszubildenden die Kosten der betrieblichen Berufsausbildung auferlegt. Dies ist nicht möglich.
AGB-Kontrolle der Rückzahlungsverpflichtung im Arbeitsvertrag durch die Arbeitsgerichte
Wenn eine Vereinbarung – wie im „normalen Arbeitsverhältnis“ grundsätzlich möglich ist, dann stellt sich die Frage, wie und ob die Rechtsprechung hier eine Überprüfung solcher Klauseln vornimmt. Vereinbart also der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer-dies geschieht fast immer im Arbeitsvertrag-so genannte Rückzahlungsklauseln für die Ausbildungskosten des Arbeitnehmers, sofern der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber innerhalb einer bestimmten Zeit kündigt, so werden diese Klauseln von der Rechtsprechung im Rahmen der AGB-Kontrolle auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft.
Überprüfung der Klauseln auch beim späterer Vereinbarung (also nach dem Arbeitsvertragsschluss)
Nichts anderes gilt auch dann, wenn zum Beispiel der Arbeitgeber nicht im Arbeitsvertrag eine entsprechende Regelung mit dem Arbeitnehmer getroffen hat, sondern erst später, also zum Beispiel nach Abschluss des Arbeitsvertrages also vor oder sogar nach Durchführung der Fortbildung. Erfolgt die Vereinbarung nach Beginn der Ausbildung muss dem Arbeitnehmer aber eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt werden (so das BAG).
Allgemeine Geschäftsbedingungen – Abgrenzung zur Individualvereinbarung
In der Regel wird es sich hier ebenfalls um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handeln, da der Arbeitgeber solche Vereinbarungen in der Regel nicht mit dem Arbeitnehmer aushandelt oder diese ernsthaft zur Disposition stellt. Der Arbeitnehmer hat im Normalfall hier nur die Möglichkeit zu unterschreiben oder das Angebot abzulehnen. Von daher legen auch in diesem Fall Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) vor, die von der Rechtsprechung-also von den Arbeitsgerichten-auf ihre Angemessenheit/ Rechtmäßigkeit unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechtes (§ 310 BGB) überprüft werden.
1. Stufe der Überprüfung der Rückzahlungsklauseln – angemessene Gegenleistung
In der ersten Stufe der Überprüfung der entsprechenden Rückzahlungsvorbehalte bzw. Rückzahlungsklauseln von Ausbildungs- bzw. Fortbildungskosten überprüft die Rechtsprechung, ob der Arbeitnehmer eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten hat (BAG, Urteil vom 14.1.2009 – 3 AZR 900/7). Denn auf der einen Seite verpflichtet sich der Arbeitnehmer ja die Ausbildungskosten zurückzuzahlen, wenn er vorzeitig das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber verlässt, so hält es die Rechtsprechung für angemessen, wenn der Arbeitnehmer, auf der anderen Seite, auch eine angemessene Gegenleistung für diese Behinderung/Verpflichtung des Arbeitnehmers erhält. Das Bundesarbeitsgericht stellt hier auf einen so genannten geldwerten Vorteil ab.
geldwerter Vorteil durch die Weiterbildung/ Fortbildung für den Arbeitnehmer
Faktisch heißt dies, dass für den Arbeitnehmer die Fortbildung bzw. Weiterbildung zu einer
- Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt,
- zur Schaffung von realistischen beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten oder zu einer
- Einstufung in eine höhere Vergütungsgruppe des Arbeitnehmers führt.
Nicht ausreichend ist, wenn lediglich bereits vorhandene Kenntnisse vertieft bzw. aufgefrischt werden, in diesem Fall liegt kein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer vor. Dies gilt auch ,wenn die Weiterbildung nur den betrieblichen Interessen dient. Also nur wenn ein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer durch die Weiterbildung vorliegt, sind entsprechende Rückzahlungsklauseln überhaupt zulässig. Liegt ein solcher geldwerter Vorteil nicht vor, sind solche Rückzahlungsvereinbarungen für den Arbeitnehmer ohne Gegenleistung und von daher unangemessen, mit der Folge dass diese unzulässig sind.
Zusammenfassung: Rückzahlungsklauseln sind von daher nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer als Gegenleistung für die Verpflichtung/Bindung durch die Klausel aufgrund der Weiterbildung auch einen geldwerten Vorteil, zum Beispiel bessere Chancen auf den Arbeitsmarkt erhält.
2. Stufe der Überprüfung von Rückzahlungsvereinbarungen – Angemessenheit der Vereinbarung
Erst, wenn die Voraussetzung der ersten Stufe vorliegen, prüft die Rechtsprechung weiter, ob die Rückzahlungsklauseln an sich zulässig ist. Von daher wird der Inhalt der entsprechenden Rückzahlungsklauseln von den Arbeitsgerichten überprüft. Dabei prüft die Rechtsprechung vor allem die Angemessenheit der Länge der Bindungsdauer für den Arbeitnehmer. Als Grundsatz kann man sagen, dass je länger die Ausbildungsdauer war, auch umso länger die Bindungsdauer für den Arbeitnehmer sein darf. Auch hier hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden.
Bindungsdauer für Arbeitnehmer im Verhältnis zur Fortbildungsdauer
Selbst, wenn die obigen Voraussetzungen – also für den Arbeitnehmer durch die Fortbildung/Ausbildung ein Vorteil entstanden ist (siehe Stufe 1)- vorliegen, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht “für immer” an sich binden und im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer “bis in alle Ewigkeit” eine Rückzahlung der Ausbildungskosten / Fortbildungskosten verlangen. Irgendwann hat sich ja für den Arbeitgeber die „Investition in den Arbeitnehmer“ ausgezahlt, da diese nach der Weiterbildung in der Regel ein bessere bzw. qualifiziertere Arbeitsleistung erbringt, welche sich dann für den Arbeitgeber auch letztendlich auszahlt. Von daher ist die Rückzahlung der Ausbildungskosten nur zulässig, wenn die Bindungsdauer in einem angemessenen Verhältnis zu Investitionen des Arbeitgebers (Ausbildungsdauer) steht. In der Regel wird man davon ausgehen, dass die mit Investitionen des Arbeitgebers / die Vorleistung des Arbeitgebers höher ist, je länger die Ausbildung/ Fortbildung des Arbeitnehmers gedauert hat.
Von daher macht das Bundesarbeitsgericht die Bindungsdauer in der Rückzahlungsklauseln abhängig von der (Ausbildungs-) Dauer der Fortbildung.
Hierzu hat das BAG folgende Grundsätze ausgeurteilt:
- o Fortbildungsdauer bis zu 1 Monat – Bindungsdauer bis zu 6 Monaten zulässig
- o Fortbildungsdauer bis zu 2 Monaten – Bindungsdauer bis zu 1 Jahr zulässig
- o Fortbildungsdauer von 3 bis 4 Monaten – Bindungsdauer bis zu 2 Jahren zulässig
- o Fortbildungsdauer von 6 bis 12 Monaten – Bindungsdauer bis zu 3 Jahren zulässig
- o Fortbildungsdauer von mehr als 2 Jahren – Bindungsdauer bis zu 5 Jahren zulässig
Anhand dieser Staffelung ist ein grober Überblick möglich. Je nach Einzelfall können hier auch Abweichungen denkbar sein, z.B. bei sehr hohen Fortbildungskosten und großen Vorteil für den Arbeitnehmer.
Insgesamt kommt es-wie so häufig-auf den Einzelfall an.
Angabe des Rückzahlungsgrundes in der Klausel
Der Arbeitgeber, der eine Rückzahlungsklauseln gegenüber dem Arbeitnehmer verwendet, muss noch eine weitere „Hürde“ nehmen.Die Klausel muss nachvollziehbar und verständlich sein. Aus der Klausel muss sich darüber hinaus eindeutig ergeben, wann der Arbeitnehmer geht einer Rückzahlung der Fortbildungskosten zu rechnen hat.Von daher muss in der Klausel der Rückzahlungsgrund angegeben sein.Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer immer die Möglichkeit haben der Rückzahlungsverpflichtung durch „eigene Betriebstreue“ zu entgehen.
Rückzahlungspflicht muss in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen
Dementsprechend darf die Rückzahlungspflicht nur an Gründer anknüpfen, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen.Es wäre ja unbillig, wenn der Arbeitgeber selbst die Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers schaffen könnte, indem er zum Beispiel selbst das Arbeitsverhältnis auflöst. Eine Klausel, wonach bei jeglicher Auflösung des Arbeitsverhältnis-egal ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber veranlasst-die Rückzahlung fällig wird, ist von daher unwirksam.Zulässig ist von daher aber eine Klausel, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung verpflichtet, sofern der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch eigene Kündigung beendet,sofern der Arbeitgeber seinerseits keinen Grund für die Vertragsauflösung-zum Beispiel durch eine Pflichtverletzung-geschaffen hat (Stichwort: außerordentliche Kündigungsgrund durch den Arbeitgeber geschaffen).kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ist die nach dem Kündigungsgrund zu differenzieren.
Rückzahlungspflicht und betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen, ist eine Verpflichtung der Rückzahlung durch den Arbeitnehmer der Ausbildungskosten unzulässig.Dies ist nachvollziehbar, denn der Kündigungsgrund liegt der nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann in der Regel nichts dafür, wenn betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung des Arbeitgebers vorliegen.
Rückzahlungspflicht und personenbedingte Kündigung des Arbeitgebers
Liegen personbedingte Gründe für eine Kündigung vor und kündigt der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis personenbedingten Gründen, so ist auch hier in der Regel eine Vereinbarung über die Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers unangemessen und daher unwirksam. Denn auch bei der bedingten Kündigung hat der Arbeitnehmer in der Regel keinen Einfluss auf den Kündigungsgrund, der Hauptfall der personenbedingten Kündigung, nämlich die krankheitsbedingte Kündigung liegt im Normalfall nicht am Verschulden und in der Sphäre des Arbeitnehmers.
Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers und verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers
Anders ist dies bei einer Kündigung des Arbeitgebers aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers. Diese Gründe liegen der gerade in der Sphäre des Arbeitnehmers und setzen eine Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus. Voraussetzung ist aber, dass die Kündigung auch wirksam ist und das verhaltensbedingte Gründe, die zur Kündigung berechtigen vorgelegen haben.
Höhe der Rückzahlungskosten/ Ausbildungskosten
Liegen dann letztendlich alle Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Klausel vor und hat zum Beispiel der Arbeitnehmer dann auch noch selbst das Arbeitsverhältnis-ohne außerordentlichen Kündigungsgrund-beendet, dann stellt sich die Frage, in welcher Höhe der Arbeitgeber die Fortbildungskosten/Ausbildungskosten vom Arbeitnehmer zurückverlangen kann.Maximal darf der Arbeitgeber die Kosten verlangen die er tatsächlich aufgewandt hat.Dies muss der Arbeitgeber-im Bestreitensfall-nachweisen.Von daher spielt es keine Rolle, wieviel die Ausbildung / Weiterbildung normalerweise gekostet hat, wenn der Arbeitgeber diesbezüglich einen Rabatt erhalten hat.Entscheidend ist, was der Arbeitgeber tatsächlich für die Weiterbildung gezahlt hat.
Verzinsung der Ausbildungskosten?
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber keine Verzinsung der aufgewandten Ausbildungs-/Weiterbildungskosten vom Arbeitnehmer im Falle der Rückzahlung verlangen. Auch dies wird häufig in der Praxis von Arbeitgebern anders dargestellt.
maximal Zahlung des vereinbarten Betrages
Eine weitere Begrenzung der Höhe des Rückzahlungsanspruches besteht darin, dass der Arbeitgeber maximal den vereinbarten Betrag (also den Betrag, den der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer in der Klausel vereinbart hat) verlangen.Dies gilt selbst dann, wenn der tatsächliche Betrag, den der Arbeitgeber für die Weiterbildung aufgewendet hat, höher liegt.
Zusammenfassung:
Die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln für Ausbildungskosten des Arbeitnehmers kommt in der Praxis häufig vor, wird aber sehr streng von der Rechtsprechung kontrolliert. Eine Vielzahl von Klauseln in Arbeitsverträgen dürften von daher problematisch sein. Die obigen Ausführungen sind Grundsätze, die es dem Arbeitnehmer erlauben eine grobe Einschätzung der Rechtslage im Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Fort-und Weiterbildungsklauseln vorzunehmen.Eine Beratung durch einen Spezialisten (Rechtsanwalt für Arbeitsrecht oder einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt) ist in jedem Fall erforderlich und anzuraten.
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neue Entscheidungen zum Thema:
Rechtsanwalt Andreas Martin (Berlin-Marzahn-Hellersdorf: Zweigstelle)
LAG Schleswig-Holstein: erweiterte Anhörung des Betriebsrates bei Diebstahlsverdacht
Eine Mitarbeiterin eines Schwimmbades wurde beschuldigt Fundsachen der Badegäste gestohlen zu haben. Der Arbeitgeber sprach eine fristlose Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus.
Nach der Anhörung der Arbeitnehmerin wurden noch zwei weitere Kündigungen und zwar Verdachtskündigungen (einmal fristlos und einmal ordentlich) durch den Arbeitgeber ausgesprochen.
Vor jeder Kündigung wurde der Betriebsrat angehört. Der Arbeitgeber informiert allerdings den Betriebsrat nicht über den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses, insbesondere nicht darüber, dass das bisherige Arbeitsverhältnis „störungsfrei“ verlaufen ist.
Ob der Diebstahl begangen wurde, war zwischen den Parteien streitig.
Die Arbeitnehmerin erhob gegen die Kündigungen Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht Neumünster. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes durch den Arbeitgeber blieb ohne Erfolg.
LAG Schleswig-Holstein
Das LAG (Aktenzeichen: 2 Sa 305/11 – Verkündet am 10.01.2012) führte dazu aus:
Keinem von beiden Schreiben kann entnommen werden, ob die Beklagte eine Interessenabwägung vorgenommen hat und welches Ergebnis diese hatte. Der Arbeitgeber ist gehalten, dem Betriebsrat den bei Einleitung des Anhörungsverfahrens vorhandenen Kenntnisstand mitzuteilen. Dazu gehören auch entlastende Umstände bei 10
Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers (Fitting, Rn. 24 zu § 102 BetrVG). Im Hinblick
auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.06.2010 (2 AZR 541/09 –
DB 2010,2395) ist auch im Fall einer strafbaren Handlung des Arbeitnehmers vom
Arbeitgeber eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Interessenabwägung dahingehend vorzunehmen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, lassen sich
nicht abschließend festlegen. Jedenfalls gehören hierzu die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen – störungsfreier – Verlauf. Hat das Arbeitsverhältnis über viele
Jahre hinweg ungestört bestanden, ist eine genaue Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob die sich dadurch verfestigte Vertrauensbeziehung durch eine erstmalige Enttäuschung des Vertrauens vollständig und unwiederbringlich zerstört werden konnte.
Hier war das Ziel der Arbeitnehmerin nicht die Abfindung, sondern der Arbeitsplatz.
Die Entscheidung ist deshalb interessant, da hier Bezug genommen wird auf die Emmely- Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes und wieder die Begriffe „Vertrauenskapital“ und „störungsfreier Verlauf“ eine Rolle spielen. Zukünftig sollte von daher der Arbeitgeber bei Straftaten oder bei Bestehen eines Verdachtes einer Straftat durch den Arbeitnehmer auch umfassend über den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses dem Betriebsrat informieren.
Aufhebungsvertrag in der Probezeit
Die Probezeit im Arbeitsverhältnis ermöglicht es dem Arbeitgeber einen Arbeitnehmer „zu testen“ und auch der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit sich bei Nichtgefallen schneller vom Arbeitgeber zu lösen. In der Regel beträgt die Probezeit maximal 6 Monate und kann nur in Ausnahmefällen verlängert werden (z.B. bei Erkrankung des Arbeitnehmer in der Probezeit).
Kündigung während der Probzeit
Die außerordentliche Kündigung ist während der Probezeit immer möglich, wie im gesamten Arbeitsverhältnis auch. Ordentlich kann der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ebenfalls kündigen, es sei denn es besteht besonderer Kündigungsschutz auf Seiten des Arbeitnehmers (z.B. Schwangerschaft).
Aufhebungsvertrag in der Probezeit – weshalb?
Für den Arbeitnehmer ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages im Arbeitsverhältnis in der Regel immer mit der Gefahr verbunden,dass er – bei anschließender Arbeitslosigkeit – eine Sperre vom Arbeitsamt bekommt, da er faktisch freiwillig seinen Arbeitsplatz aufgegeben hat. Dies gilt während der Probezeit auch auch – um so mehr – während des „normalen“ Arbeitsverhältnisses. Von daher sollte die Entscheidung gut überlegt sein. Es macht fast immer Sinn einen Rechtsanwalt vorher einzuschalten, zumindest für eine Beratung.
Aufhebungsvertrag zur Erweiterung / Verlängerung der Probezeit?
Sieht der Arbeitgeber die Probezeit als nicht bestanden an, so wird er in der Regel das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beenden. Der Arbeitnehmer hat in der Regel auch keine Chance sich gegen die formal wirksame Kündigung zu wehren, da der allgemeine Kündigungsschutz erst nach Ablauf von 6 Monaten eintritt (neben den weieren Voraussetzungen des KSchG); es sei denn es besteht besonderer Kündigungsschutz (z.B. Schwangerschaft).
Weitere Chance für den Arbeitnehmer durch Aufhebungsvertrag?
Will dem Arbeitnehmer aber den Arbeitnehmer eine weitere Bewährungschance einräumen, lässt sich eine faktische Verlängerung der Probezeit dadurch erreichen, dass der Arbeitsvertrag mit einer längeren Frist aufgehoben und dem Mitarbeiter für den Fall der Bewährung die Wiedereinstellung zugesagt wird. Eine Verlängerung der Probezeit – auch einvernehmlich – mit den Arbeitnehmer über 6 Monate hinaus, ist für den Arbeitgeber immer riskant, denn es kann gut sein, dass diese Vereinbarung später vom Arbeitsgericht für unwirksam gehalten wird. Die Chancen dafür stehen gut, denn die Verlängerung über 6 Monate hinaus ist eben der absolute Ausnahmefall.
Statt einer Probezeitkündigung kann der Arbeitgeber also mit dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist vereinbaren, die zu einem überschaubaren Zeitpunkt nach Ablauf der regulären Kündigungsfrist endet. Ganz risikolos ist dies auch nicht, denn wenn die Auslauffrist zu lang ist, wird man den Arbeitgeber unterstellen, dass er faktisch die Regelungen über die Probezeit /Befristungskontrolle umgehen will.
Anwalt – A. Martin
Woher weiß ich, dass auf mein Arbeitsverhältnis ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag Anwendung findet?
In Deutschland gibt es ungefähr 73.000 Tarifverträge. Von diesen 73.000 Tarifverträgen sind ungefähr 476 allgemeinverbindlich. Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass auf ihr Arbeitsverhältnis gegebennenfalls ein Tarifvertrag Anwendung findet. Dies ist allerdings sehr wichtig. Findet ein Tarifvertrag Anwendung, gibt es eine Vielzahl von Regelungen, welche Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zu beachten haben. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis ohne nähere Einbeziehung automatisch Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn weder der Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber in einer Gewerkschaft beziehungsweise Arbeitgebervereinigung sind.Für Arbeitnehmer stellt sich nun die Frage, wo man diese allgemein verbindlichen Tarifverträge finden kann.
Hinweis im Arbeitsvertrag?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet im Arbeitsvertrag auf bestehende Tarifverträge hinzuweisen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Nachweisgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Nachweisgesetz). Weistt der Arbeitgeber auf bestehende Tarifverträge, welche Anwendung finden, nicht hin, kann dies einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers auslösen, wenn dieser zum Beispiel Ausschlussfristen aus dem Tarifvertrag versäumt.
Suche nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag
Wird der Tarifvertrag im Arbeitsvertrag nicht bezeichnet, muss der Arbeitnehmer selbst nach den entsprechenden Tarifverträgen suchen. Eine Hilfe bietet hierbei das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an. Auf der Internetseite des Bundesministeriums kann man eine Liste -geordnet nach Branchen-der derzeit gültigen allgemein verbindlichen Tarifverträge in Deutschland finden.
Die Liste über die derzeit gültigen allgemeinverbindlichen Tarifverträge finden Sie hier.
Anwalt Martin – Rechtsanwalt Berlin
BAG: Wettbewerbsverbot im gekündigten – aber noch nicht beendeten – Arbeitsverhältnis
Es kommt häufiger vor, dass sich im Arbeitsverträgen diverse Klauseln befinden, die es dem Arbeitnehmer untersagen bei Konkurrenzfirmen tätig zu werden. Diese Klauseln sind aber manchmal unwirksam, da viele Arbeitgeber häufig über das Ziel hinausschießen und dem Arbeitnehmer – ohne Karenzentschädigung – zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot verpflichten wollen, was unzulässig ist. Aber selbst, wenn im Arbeitsvertrag nichts geregelt ist, so besteht in der Regel ein Verbot (aus Treu und Glauben) des Arbeitnehmers während des bestehenden Arbeitsverhältnis bei der Konkurrenz zu arbeiten (innervertragliches Wettbewerbsverbot). Dies leuchtet ein.
Gilt dies aber auch noch, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat und der Arbeitnehmer sich gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage wehrt?
Konkurrenztätigkeit im Kündigungsschutzverfahren
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich bereits mit mehreren solchen Fällen auseinandergesetzt. Das BAG geht auch im Kündigungsschutzverfahren – also, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Wirksamkeit einer Kündigung streiten – von einem innervertraglichen Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers aus.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 28.1.2010, 2 AZR 1008/08) führt dazu aus:
Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt(st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 – 2 AZR 190/07 – Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken.
Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen.
Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden(Senat 25. April 1991 – 2 AZR 624/90 – AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten (aA LAG Köln 4. Juli 1995 – 9 Sa 484/95 – zu II der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 9; APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (aA MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).
Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „S“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet.
Im Ergebnis bejaht das BAG das bestehende Wettbewerbsverbot auch im gekündigten Arbeitsverhältnis für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses. Trotzdem führt nicht ein jeder Verstoß zum Recht des Arbeitgebers auf außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses (welches dann im Kündigungsschutzprozess ausgeübt werden kann, z.B. durch eine Schriftsatzkündigung).
Im vorliegendem Fall hielt es das BAG aber für ausreichend, dass eine ehemalige Pflegedienstmitarbeiterin nach der Kündigung (und vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses) die Daten der ehemaligen Patienten an ein Konkurrenzunternehmen weitergeleitet hatte.
Bei einer außerordentlichen Kündigung ist auch immer (hier von Seiten des Arbeitgebers) an die 2-Wochenfrist des §626 II BGB zu denken!
Rechtsanwalt Martin
BAG: Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bei Leiharbeit im Verhältnis Entleiher – Arbeitnehmer?
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für einen Leiharbeiter eröffnet ist, der einen Anspruch gegen den Entleiher auf einer Entschädigung nach dem AGG hatte, also nicht zwischen dem Leiharbeiter und dem Verleiher!
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten – Leiharbeit
Der Rechtsweg ist zu den Arbeitsgerichten eröffnet, wenn es sich um eine Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis handelt. Das Bundesarbeitsgericht bejahte hier die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 1 a /b ArbGG und führte dazu aus:
„Das gilt in gleicher Weise für Streitigkeiten zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher, die ihren Ursprung in der Arbeitnehmerüberlassung haben. Werden dem Entleiher wesentliche Arbeitgeberfunktionen vom Verleiher übertragen, so muss dieser gespaltenen Arbeitgeberstellung bei der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen Rechnung getragen werden. Ergeben sich bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher aus dem Leiharbeitsverhältnis, ist nach Sinn und Zweck der Zuständigkeitsnorm des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet (hM: GMP/Matthes/Schlewing ArbGG 7. Aufl. § 2 Rn. 52; Schwab/Weth/Walker ArbGG 3. Aufl. § 2 Rn. 85; GK-ArbGG/Schütz Stand Dezember 2010 § 2 Rn. 72b; LAG Hamburg 24. Oktober 2007 – 4 Ta 11/07 – für einen Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG; LAG Hamm 4. August 2003 – 2 Ta 739/02 – EzAÜG BGB § 611 Haftung Nr. 11, für einen Schadensersatzanspruch des Entleihers; aA ErfK/Koch § 2 ArbGG Rn. 16). Ebenso sind die Arbeitsgerichte zuständig bei unerlaubten Handlungen zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, soweit sie mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG.“
Das BAG stellt also darauf ab, dass der Entleiher – wie fast immer – rein faktisch wesentliche Arbeitgeberfunktionen ausübt und sich von daher daran festhalten lassen muss.