Bundesarbeitsgericht

BAG: Corona-Kündigung im Krankenhaus

Gepostet am


Corona-Kündigung im Krankenhaus
Corona-Kündigung

Kündigung wegen Weigerung einer Corona-Schutzimpfung

Die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber aufgrund der Weigerung sich eine Corona-Schutzimpfung geben zu lassen, ist ein emotionales Thema.

Corona-Kündigung und BAG

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit einer solchen Kündigung beschäftigt.

Wartezeitkündigung

Hierbei soll gleich ausgeführt werden, dass dieser Fall zwei Besonderheiten aufweist. Zum einen spielt der Fall noch vor der im Impfpflichtpflicht in der Gesundheits- und Pflegebranche. Es bestand also zum Zeitpunkt des hier vorliegenden Sachverhalts keine im Impfpflicht gegen Corona für Pflegepersonal bzw. Krankenhauspersonal. Darüber hinaus handelt es sich um eine Kündigung in der Wartezeit. Diese wird auch oft als Kündigung in der Probezeit bezeichnet, wobei dies nicht ganz richtig ist.

Unterschied zwischen Probezeit und Wartezeit

Wenn nämlich der Arbeitgeber innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer kündigt, dann findet das Kündigungsschutzgesetz auf den Arbeitsvertrag keine Anwendung. Der Arbeitgeber braucht dann keinen Kündigungsgrund. Dabei spielt es keine Rolle, wie lang die sogenannte Probezeit ist. Auch wenn diese nur 3 Monate beträgt und der Arbeitgeber kündigt im 4. Monat, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, da dieses voraussetzt, dass der Arbeitnehmer länger als 6 Monate im Betrieb des Arbeitgebers tätig ist und dort mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit abzüglich der Auszubildenden beschäftigt sind.

Beweislastumkehr bei Wartezeitkündigung

Bei der Kündigung in der Wartezeit/Probezeit durch den Arbeitgeber besteht die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer nachweisen muss-wenn er sich gegen diese Kündigung mittels Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehrt-dass die Kündigung unwirksam ist. Es kehrt sich die Beweislast um. Im Normalfall, also wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, muss nämlich der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung rechtmäßig ist.

Für den Arbeitnehmer liegt also eine Situation vor, in der es recht schwierig ist gegen die Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund benötigt.

Verstoß gegen das Maßregelungsverbot

Eine Möglichkeit besteht aber darin, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorwirft, dass er gegen das sogenannte Maßregelungsverbot verstoßen hat. Dieses ist in § 612a BGB geregelt und besagt, dass es verboten ist, dass der Arbeitnehmer zum Beispiel wegen einer berechtigten Weigerung bestraft wird. Klassische Fälle sind die, dass zum Beispiel der Arbeitnehmer berechtigt seinen Lohn einfordert und der Arbeitgeber dann als Strafe dafür den Arbeitnehmer kündigt. Es muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Weigerung/Forderung des Arbeitnehmers und der Kündigung bestehen.

§ 612a Maßregelungsverbot
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“

Nun zum Fall:

Im Fall des Bundesarbeitsgerichts arbeitete eine Arbeitnehmerin seit dem 1. Februar 2021 als medizinische Fachangestellte bei der Beklagten in einem Krankenhaus. Die Klägerin wurde dort auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Eine Impfpflicht gegen Corona gab es noch nicht. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Arbeitgeber war die Klägerin nicht bereit sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Sie schlug mehrere Impfangebote ihrer Arbeitgeberin aus. Daraufhin kündigte die Beklagte/Arbeitgeberin der Klägerin das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit ordentlich und fristgerecht.

Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht

Die Arbeitnehmerin/Klägerin wehrte sich gegen die Kündigung mit der Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und machte geltend, dass sie wegen der nicht vorgenommenen Impfung zu Unrecht vom Arbeitgeber gemacht geregelt wurde und damit die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoßen würde.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 30.03.2023 Nr. 18/23 aus:

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt. Es fehlt an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung der Klägerin, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass die Kündigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht erklärt worden ist. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kündigung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22

Anmerkung:

Wie oben bereits ausgeführt, bestand die Besonderheit darin, dass eine Kündigung in der Wartezeit vorlag. In einer solchen Situation ist es schwierig für den Arbeitnehmer erfolgreich gegen diese Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund braucht. Das Maßregelungsverbot half der Arbeitnehmerin hier nicht weiter, da diese nicht nachweisen konnte, dass sie tatsächlich aufgrund der fehlenden Impfung gekündigt wurde und darüber hinaus-und dies ist das Entscheidende-hat das Bundesarbeitsgericht auch schon angedeutet, dass es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgeber ist, eine Arbeitnehmerin zu kündigen, die im Krankenhaus arbeitet und sich nicht impfen lässt, da die Möglichkeit besteht, dass diese Patienten und andere Mitarbeiter mit Corona ansteckt. Etwas spitzfindig meint das BAG hier, dass der Grund für die Kündigung nicht die verweigerte Impfung war, sondern der Schutz der Krankenhauspatienten.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Lohn und nicht im Arbeitsvertrag benannte tarifvertragliche Ausschlussfristen

Gepostet am Aktualisiert am


Lohn und nicht im Arbeitsvertrag benannte tarifvertragliche Ausschlussfristen
Schadenersatz

tarifvertragliche Ausschlussfristen

Tarifvertragliche Ausschlussfristen führen dazu, dass Ansprüche innerhalb einer kurzen Zeitspanne verfallen, wenn diese nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Dies betrifft Ansprüche von Arbeitgebern, aber in der Praxis vor allem Ansprüche der Arbeitnehmer.

tarifvertragliche Rahmenverträge

In fast allen Rahmentarifverträgen (z.B. auch im BRTV-Bau) findet man solche Verfallsklauseln. Diese stehen oft am Ende des Rahmentarifvertrages. Die Klauseln beinhalten oft kurze Fristen, sogenanntes Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der anderen Seite geltend zu machen sind. Viele Arbeitnehmer wissen dies nicht, da die Unsitte herrscht, dass man die Tarifverträge zwar grob kennt, aber nicht komplett liest. Dass diese Lektüre nicht sehr spannend ist, mag hier durchaus bestätigt werden.

Ausschlussfristen

Ausschlussfristen bewirken, dass ein Recht nach Ablauf bestimmter Zeit erlischt, wenn es nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Ausschlussfristen für die Geltendmachung von tariflichen Rechten können nur im Tarifvertrag vereinbart werden, § 4 Abs. 4 S. 3 TVG.

Verfallsklauseln

Diese Verfallsklauseln können auch durchaus kürzer sein als drei Monate und sind für Arbeitnehmer von daher die wirkliche Gefahr nicht die Verjährung, die an drei Jahre beträgt. In Arbeitsverträgen müssen die Verfallsklauseln-sofern keine entsprechenden Klauseln in anwendbaren Tarifverträgen existieren-wenigstens drei Monate auf jeder Stufe betragen.

Arten von Ausschlussfristen

Es werden im Arbeitsrecht zwei Formen von Ausschlussfristen unterschieden:

einstufige Verfallsfristen
Bei einstufigen Ausschlussfristen muss der Anspruch innerhalb einer Frist geltend gemacht werden muss.

zweistufige Verfallfristen
bei zweistufige Ausschlussfristen muss innerhalb einer weiteren Frist Klage eingereicht werden.

Nachweisgesetz

Nach dem Nachweisgesetz-der alten Fassung-war der Arbeitgeber aber verpflichtet die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingung und dazu zählen auch die Anwendbarkeit von Tarifverträgen und die Geltung von Ausschlussklauseln in solchen Tarifverträgen dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen. Oft findet man dazu einen Hinweis im Arbeitsvertrag. Fehlt aber ein solcher Hinweis und verfällt dann der Anspruch des Arbeitnehmers aufgrund einer tarifvertraglichen Ausschlussklausel, dann könnte der Arbeitnehmer unter Umständen trotzdem noch seinen Anspruch geltend machen, wenn er darlegt und gegebenenfalls nachweist, dass er bei rechtzeitiger Information durch den Arbeitgeber den Anspruch auch rechtzeitig geltend gemacht hätte und dieser dann nicht verfallen wäre.

§ 2 Abs. 1 Nachweisgesetz alter Fassung

(1)  Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.

Nachweisgesetz alter Fassung

Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21) hat nun über einen solchen Fall entschieden.

Fall des BAG

Wichtig ist, dass es hierbei um das Nachweisgesetz in der alten Fassung ging. Ein Arbeitnehmer hatte über Jahre eine Höhergruppierung, die aufgrund eines Tarifvertrages eigentlich hätte greifen müssen, gegenüber seinem Arbeitgeber nicht geltend gemacht. Im Tarifvertrag waren auch Ausschlussklauseln vorhanden, nach denen die entsprechenden Höhergruppierung Ansprüche/Lohnansprüche schon längst verfallen waren. Im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers gab es aber-entgegen der Regelung im Nachweisgesetz-keinen Hinweis auf den Tarifvertrag.

Der Arbeitnehmer trug über seinen Rechtsanwalt vor, dass er bei rechtzeitigem Hinweis auf die Ausschlussfristen seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte und von daher der Anspruch zwar verfallen ist aber ihm ein gleich hoher Schadensersatzanspruch zusteht.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers besteht, wenn aufgrund eines nicht erfolgten Hinweises des Arbeitgebers auf anwendbare Ausschlussklauseln in einem Tarifvertrag nicht hingewiesen wurde und dadurch die Ansprüche des Arbeitnehmers verfallen sind. Voraussetzung ist aber, dass auch der fehlende Hinweis ursächlich für den Verfall ist. Der Arbeitnehmer muss also vortragen, dass er bei entsprechenden Hinweis die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte. Ein bloßer Vortrag reicht aber nicht aus, sondern es muss im Ergebnis auch schlüssig sein, was hier nicht der Fall war.

Das Bundesarbeitsgericht wies von daher die Klage des Arbeitnehmers ab und führte zu der Begründung folgendes aus:


Die Beklagte hat auch gegen ihre Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz verstoßen, indem sie den Kläger entgegen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF getroffenen Bestimmung in keiner der ihm überlassenen Niederschriften bzw. Vertragsexemplare iSv. § 2 Abs. 1 bzw. Abs. 4 NachwG aF ausdrücklich auf die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO hingewiesen hat. Die Ausschlussfrist ist eine wesentliche Vertragsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF. Auch insoweit wird wegen der Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 30. Oktober 2019 (- 6 AZR 465/18 – Rn. 46 ff., BAGE 168, 254) Bezug genommen. …

Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF in Verzug, ist er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 a der Gründe; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75).18

Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf sie hingewiesen worden wäre (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aF vgl. auch: BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 35; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75). Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der bis 31. Juli 2022 geltenden Nachweisrichtlinie 91/533/EWG vom 14. Oktober 1991, den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Der Arbeitnehmer könnte im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – aaO).19

Dabei ersetzt die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens als Beweisregel allerdings nicht den Parteivortrag. Die Tatsachen für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden hat der Arbeitnehmer darzutun (BAG 20. Juni 2018 – 4 AZR 235/15 – Rn. 23; 20. April 2011 – 5 AZR 171/10 – Rn. 27, BAGE 137, 375; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 c der Gründe).

 Dass die Entgeltansprüche auch bei ordnungsgemäßem Nachweis der Ausschlussfrist verfallen wären, wird im Übrigen durch das eigene Verhalten des Klägers bestätigt. Der Kläger hat die Differenzvergütungsansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 auch nicht in unverjährter Zeit eingeklagt, sondern erst im Jahr 2016 klageweise geltend gemacht. Dies spricht dafür, dass er die Ansprüche auch in Kenntnis der Ausschlussfrist nicht rechtzeitig geltend gemacht hätte.

BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21

Anmerkung:

Das Bundesarbeitsgericht hat also nochmals bestätigt, dass bei fehlenden Hinweis des Arbeitgebers auf tarifvertragliche Ausschlussfristen (nach dem alten Nachweisgesetz) ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers entstehen kann. Der Arbeitnehmer muss aber nachweisen, dass er, wenn der Arbeitgeber auf die entsprechenden Ausschlussfristen hingewiesen hätte, er den Anspruch geltend gemacht hätte und zwar rechtzeitig. Dies war hier das Problem. Der Arbeitnehmer hatte nämlich vorgetragen, dass er gar nicht gewusst hat, dass er einen entsprechenden höheren Lohnanspruch hatte. Dies führt dazu, dass auch wenn er von der entsprechenden Ausschlussklausel gewusst hätte, er ohnehin die Lohnerhöhung gar nicht geltend gemacht hätte, da er davon ja nichts wusste. Dies war das Problem in der Sache. Die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Arbeitgebers, den fehlenden Hinweis auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist, und den Schaden des Arbeitnehmers, nämlich des Verfalls seiner Lohnerhöhung Ansprüche/Differenzlohnansprüche, konnte durch den Arbeitnehmer nicht ausreichend vorgetragen werden.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Unpfändbarkeit der Corona-Prämie

Gepostet am


Unpfändbarkeit der Corona-Prämie
keine Pfändbarkeit der Corona-Prämie

Corona-Zulage und das Problem der Pfändung beim Arbeitnehmer

Die sog. Corona-Prämie wurde eingeführt mit dem Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020. Der Arbeitgeber diese Prämie seinen Arbeitnehmern steuerfrei aufgrund der Erschwernisse in der Corona-Pandemie zukommen lassen. Durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz wurde diese Regelung der Steuerfreiheit bis zum 31. März 2022 verlängert.

€ 1.500 sind steuerfrei

Der Arbeitgeber konnte im Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 insgesamt maximal 1.500 Euro steuerfrei an pro Arbeitnehmer auszahlen.

Die Corona-Sonderzahlungen (Prämien) sind nicht auf bestimmte Branchen beschränkt, sondern können branchenunabhängig gewährt werden. Allerdings soll dabei ein Bezug zur Pandemie bestehen.

nur für die Pflegebranche ist die Pfändung verboten

Für die Pflegebranche gilt die Besonderheit, dass dort ein Anspruch auf eine Corona-Prämie bestand und darüber hinaus auch gesetzlich ( § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI) die Unpfändbarkeit der Prämie angeordnet wurde.

Für alle anderen Branchen gibt es weder einen Rechtsanspruch, noch ein gesetzliche Regelung über die Unpfändbarkeit.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. August 2022 – 8 AZR 14/22) hat nun entschieden, dass auch außerhalb der Pflegebranche die Corona-Prämie unpfändbar ist.

Pfändungsfreigrenzen beim Arbeitnehmer

Zur Berechnung der pfändbaren Summe beim Arbeitnehmer ist gemäß § 850c Abs. 5 ZPO das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers bei monatlicher Zahlung auf einen durch 10 teilbaren Betrag abzurunden. Der Pfändungsfreibetrag beträgt seit dem 01.07.2022 für den Arbeitnehmer wenigstens 1.330,16 EUR und erhöht sich bei Unterhaltspflichten.

Fall des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden:

Eine Arbeitnehmerin, die in einer Gaststätte als Küchenhilfe beschäftigt war, bekam im September 2020 neben dem Monatslohn von 1.350,00 Euro brutto und Sonntagszuschlägen in Höhe von 66,80 Euro brutto eine Corona-Prämie von 400,00 Euro.

Über das Vermögen der Arbeitnehmerin war im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt worden.

Für den Monat September 2020 errechnete die Insolvenzverwalterin aus dem Monatslohn sowie der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag von 1.440,47 Euro und forderte den Arbeitgeber erfolglos zur Zahlung eines pfändbaren Betrags in Höhe von 182,99 Euro netto auf. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung, da er davon ausging, dass die Corona-Prämie unpfändbar sein und hier hätte nicht bei der Berechnung berücksichtigt werden dürfen.

Die Insolvenzverwalterin klagte daraufhin gegen den Arbeitgeber auf Zahlung vor den Arbeitsgericht.

Die Insolvenzverwalterin vertrat die Auffassung, dass die vom Arbeitgeber an die Schuldnerin gezahlte Corona-Prämie pfändbar sei und begründet dies damit, dass – anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe – es für eine Sonderzahlung außerhalb der Pflegebranche keine Regelung über eine Unpfändbarkeit gäbe.

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

BAG – Corona-Zulage auch außerhalb der Pflegebranche unpfändbar

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber ebenfalls Recht und führte dazu in seiner Pressemitteilung 31/22 vom 25.08.2022 folgendes aus:

Die Klägerin hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des von ihr geforderten Betrags. Die Corona-Prämie gehört nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin. Der Beklagte wollte mit der Leistung eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO.


Rechtsanwalt Andreas Martin

Höhergruppierung eines Lehrers

Gepostet am


Höhergruppierung eines Lehrers
Höhergruppierung eines Lehrers

Höhergruppierung eines Lehrers

Das Bundesarbeitsgericht hat nun aktuell über die Voraussetzungen einer Höhergruppierung einer Lehrkraft entschieden.

Eingruppierung

Als Eingruppierung wird die Zuordnung des Angestellten des öffentlichen Dienstes zu einer Entgeltgruppe des entsprechenden Tarifvertrages bezeichnet. Grundlage der Eingruppierung ist die Stellenbewertung.

Umgruppierung und Höhergruppierung und Rückgruppierung

Als Umgruppierung hingegen wird allgemein die Änderung der Eingruppierung, nämlich in der Regel die Höhergruppierung in eine höhere Entgeltgruppe bezeichnet. Von einer Rückgruppierung spricht man hingegen, wenn die Änderung in eine niedrigere Entgeltgruppe erfolgt.

vorübergehende Übertragung von Aufgaben

Keine Eingruppierung ist vorzunehmen, wenn eine höherwertige Tätigkeit begrenzt für eine gewissen Zeitdauer zugewiesen wird.

Eingruppierung und Stellenausschreibung

Die Eingruppierung entspricht aufgrund der Tarifautomatik grundsätzlich dem Ergebnis der Stellenbewertung, d.h. der Bewertung der im Arbeitsvertrag vereinbarten, auszuübenden Tätigkeit.

Stellenbewertung

Die Eingruppierung ist von der Stellenbewertung zu unterscheiden. Mit der Stellenbewertung wird nur die Tätigkeit des Angestellten bewertet. Eine Zuordnung zu einer bestimmten Entgeltgruppe erfolgt dadurch nicht.

Klage auf Höhergruppierung

Was viele Arbeitnehmer nicht wissen ist, dass grundsätzlich ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht auf Zuordnung in eine höhe Gruppierung recht schwierig zu führen ist. Die Anforderungen sind die recht hoch.

umfangreiche Darlegungslast des Angestellten

Der Angestellte muss genau darlegen, weshalb er einen Anspruch auf Zahlung eine höheren Tarifgruppe hat. Dies wird oft unterschätzt. Die Anforderung hieran sind recht hoch und es muss ein genauer Vortrag erfolgen, dass der Kläger die entsprechenden Voraussetzungen der jeweiligen Tarifgruppe erfüllt.

aktueller Fall des Bundesarbeitsgerichts

Beim Fall des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 25.5.2022 – 4 AZR 331/20) ging es um eine Lehrkraft, die auf eine Höhergruppierung geklagt hatte. Die Lehrerin für Biologie und Sport war bereits beim Arbeitgeber auf einem Gymnasium seit geraumer Zeit tätig.

Auf ihre Bewerbung wurde die Lehrerin mit Wirkung zum 2. November 2015 zur ständigen Vertreterin des Schulleiters eines Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern – bestellt. Die Stelle ist mit Besoldungsgruppe A 15 des Besoldungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (Landesbesoldungsgesetz – LBesG LSA) bewertet und mit einer Amtszulage verbunden. Im Rahmen der Übertragung dieses Amts bestand Einigigkeit, dass der Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder vom 28. März 2015 (TV EntgO-L) die vertragliche Grundlage für die Eingruppierung der Klägerin bilden soll. Die Lehrerin hatte die Auffassung vertreten, sie könne seit Übertragung der Stelle der stellvertretenden Schulleiterin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 15 TV-L beanspruchen. Auf die beamtenrechtlichen Voraussetzungen komme es – nach Ansicht der Lehrerin – nicht an.

Urteil des BAG

Das Bundesarbeitsgericht wies darauf hin, dass die Höhergruppierung einer bereits in einem Arbeitsverhältnis beschäftigten Lehrkraft erfordert, dass nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags über die Eingruppierung neben der Erfüllung der in den Besoldungsgruppe genannten fachlichen und pädagogischen Anforderungen auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Beförderung einer vergleichbaren beamteten Lehrkraft vorliegen müssen.

Das BAG führt dazu in seinem Urteil aus:

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die beamtenrechtlichen Voraussetzungen bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf eine bereits beschäftigte Lehrkraft nicht ohne weitere Prüfung als erfüllt anzusehen. Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg auf die für die Eingruppierung einer neu eingestellten Lehrkraft außerhalb eines Eingangsamts entwickelten Grundsätze des Senats.

(1) Der beamtenrechtlichen Übertragung eines Amts auf Dauer und der Einweisung einer Beamtin in eine Planstelle entspricht bei einer angestellten Lehrkraft die – einseitig ohne Änderungskündigung nicht mehr änderbare – vertragliche Vereinbarung über die für die Amtsausübung erforderliche Tätigkeit. Deshalb ist bei der Neueinstellung einer Lehrkraft außerhalb eines Eingangsamts nicht eine neu eingestellte Beamtin zum Vergleich heranzuziehen, sondern eine Beamtin, die die – vertraglich vereinbarte – Tätigkeit und Funktion der angestellten Lehrerin unter Einhaltung aller hierfür maßgebenden Vorschriften nach der Übertragung des Amts und Einweisung in die entsprechende Planstelle als Beamtin ausübt. Die beamtenrechtlichen Voraussetzungen sind für die vertragliche Ausübung der konkret vereinbarten Tätigkeit, die dem übertragenen Amt entspricht, als erfüllt anzusehen. Die durch den Arbeitsvertrag und die endgültige und vorbehaltlose Übertragung der Aufgaben begründete Stellung dieser Lehrkraft entspricht dabei grundsätzlich der einer Beamtin, der rechtmäßig, dh. unter Wahrung aller für die Besetzung des Dienstpostens geltenden Regelungen, das entsprechende Amt übertragen worden ist (ausf. BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 304/10 – Rn. 29 ff.).

33
(2) Diese Grundsätze gelten nicht bei der vorliegenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten auf eine bereits beschäftigte Lehrkraft. Ihre Stellung entspricht mangels vertraglicher Vereinbarung einer bestimmten Tätigkeit nicht der einer beamteten Lehrkraft, der unter Wahrung aller für die Besetzung des Dienstpostens geltenden Regelungen das entsprechende Amt übertragen worden ist. Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 2 der Anlage zum TV EntgO-L bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass die in einem Arbeitsverhältnis beschäftigte Lehrkraft, die sich aus einem vorher von ihr ausgeübten niedrigeren Amt bewirbt, die entsprechenden beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen muss (vgl. BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 304/10 – Rn. 27).

Urteil vom 25.5.2022 – 4 AZR 331/20

Anmerkung:

Einmal mehr zeigt die Entscheidung, dass die Klagen auf Eingruppierung – selbst wenn die sachlichen Voraussetzungen nachweisbar sind – kein Selbstläufer sind.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Wiedereinstellung in der Insolvenz

Gepostet am


Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Wiedereinstellung in der Insolvenz
Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Wiedereinstellung in der Insolvenz

Bei dem Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers handelt es sich um den Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach einer rechtmäßigen Kündigung aufgrund veränderter Umstände.

Wiedereinstellungsanspruch ist kein Weiterbeschäftigungsanspruch

Der Wiedereinstellungsanspruch ist von dem Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzprozesses zu unterscheiden.

wirksame Kündigung ist Voraussetzung für Wiedereinstellung

Der Wiedereinstellungsanspruch setzt eine wirksame Kündigung voraus, der Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, wenn keine wirksame Kündigung vorliegt.

keine gesetzliche Regelung für Wiedereinstellung

Eine gesetzliche Regelung des Wiedereinstellungsanspruches gibt es nicht. Vielmehr wurde dieser von der Rechtsprechung entwickelt. Die Rechtsgrundlagen des Anspruchs auf Wiedereinstellung sind im Wesentlichen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Wiedereinstellung bei betriebsbedingter Kündigung

Der häufigste Fall des Anspruchs auf Wiedereinstellung ist die Wiedereinstellung nach einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers.

Die Voraussetzungen des Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung sind:

  • Vorliegen einer rechtmäßigen, betriebsbedingten Kündigung
  • Entfallen der Kündigungsgründe innerhalb der Kündigungsfrist
  • Interessenabwägung zu Gusten des Arbeitnehmers.

Kurz: Der Kündigungsgrund fällt nachträglich weg.

Gründe für den nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes

  • neue Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers
  • Revidieren der Betriebsstilllegung
  • plötzliche allgemeine Verbesserung der Geschäftslage
  • unvorhersehbare Erteilung eines Großauftrags
  • Übernahme des Betriebs durch einen Dritten (§ 613 a BGB)

Aufhebungsvertrag und Wiedereinstellung

Auch beim Aufhebungsvertrag kann aufgrund nachträglich geänderter Umstände ein Anspruch auf Wiedereinstellung des Arbeitnehmers entstehen.

Kündigungsschutzklage und Wiedereinstellungsanspruch

Nicht selten ergibt sich nur nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses gerade bei Arbeitnehmers mit einer sehr langen Kündigung ein Wiedereinstellungsanspruch, wenn nachträglich die Gründe für eine ursprünglich rechtmäßige Kündigung entfallen. Dies ist aber keine Voraussetzung des Anspruch (Erhebung der Kündigungsschutzklage).

Bundesarbeitsgerichtsentscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über ein Fall zu entscheiden, im welchen ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend gemacht hatte. Der Arbeitnehmer wurde entlassen wegen einer angeblichen Betriebsstilllegung seines Arbeitgeberbetriebs. Während das Verfahren stellte der Arbeitnehmer dann fest, dass wohl mehrere Arbeitnehmer bei einer dritten Firma weiter beschäftigt wurden. Der Arbeitnehmer ging davon aus, dass ein Betriebsübergang auf diese Firma stattgefunden hatte und klagte auf Wiedereinstellung gegenüber der Übernehmerin (Drittfirma). Die Übernehmerin, also die Firma die dann die Arbeitnehmer weiter beschäftigte, kündigte vorsorglich das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und dieser erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Später meldete die Drittfirma Insolvenz an.

Urteil des BAG

Der Fall landete vor den Bundesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmer nicht besteht, wenn ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde.

Das BAG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 224/21) führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 25.05.2022 mit der Nr. 19/22 aus:

Der richterrechtlich entwickelte Wiedereinstellungsanspruch kommt zum Tragen, wenn sich die bei Zugang der Kündigung noch zutreffende Prognose des Arbeitgebers, der Beschäftigungsbedarf werde bei Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, als fehlerhaft erweist, etwa weil es zu einem Betriebsübergang kommt. Zwar besteht ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht, so dass der Rechtsstreit an sich nicht nach § 240 ZPO unterbrochen wird. Wird jedoch mit dem Wiedereinstellungsanspruch – wie im vorliegenden Fall – zugleich die Wirksamkeit einer Kündigung angegriffen, führt das zur Unterbrechung auch bezüglich des Streits über die Wiedereinstellung. Umgekehrt hat die Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits, für die es nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO genügt, dass bei Obsiegen des Arbeitnehmers Masseverbindlichkeiten entstehen können, auch die Aufnahme des Streits über die Wiedereinstellung zur Folge.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 224/21 – PM – 25.05.2022 mit der Nr. 19/22

Fazit:

Nach dem BAG besteht in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Dies führt sogar dazu, dass wenn ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem Schuldner entstanden ist, dass dieser mit der Insolvenzeröffnung erlischt. 


Rechtsanwalt Andreas Martin

Bundesarbeitsgericht: Wer muss was im Überstundenprozess beweisen?

Gepostet am Aktualisiert am


Bundesarbeitsgericht: Wer muss was im Überstundenprozess beweisen?
Überstundenprozess

Überstunden vor dem Arbeitsgericht

In Deutschland werden viele Überstunden geleistet. Entsprechend gibt es viele Überstundenprozesse vor den Arbeitsgerichten.

Einklagen von Überstunden und Fachkräftemangel

Aufgrund des Fachkräftemangels hat sich die Problematik sogar noch weiter verschärft. Arbeitnehmer gehen immer noch wie selbstverständlich davon aus, dass sie die geleisteten Überstunden immmer bezahlt bekommen und diese notfalls einfach vor dem Arbeitsgericht durchsetzen können. Dies stimmt so aber nicht. Ein Prozess auf Zahlung von Überstunden ist schwierig zu führen.

Überstundenprozesse sind schwierig

Kommt es nämlich zum Streit zwischen Arbeitnehmern Arbeitgeber und zahlt der Arbeitgeber die Überstunden nicht, dann bleibt dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit die absolvierten Überstunden vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. In Berlin ist dafür das Arbeitsgericht Berlin örtlich zuständig. Der Arbeitnehmer muss dann notgedrungen – auch oft wegen bestehender Ausschlussfristen – einen Überstundenprozess vor dem Arbeitsgericht führen.

Lohnklage ist nicht vergleichbar

Was viele Arbeitnehmer nicht wissen ist, dass diese Prozesse auf Zahlung von Überstunden recht schwierig zu führen und zu gewinnen sind. Während man den „normalen“ Arbeitslohn recht einfach vor dem Arbeitsgericht einklagen kann und dazu auch nicht allzu viel vor dem Gericht dazu vorzutragen hat, ist dies im Überstundenprozess anders. Der Arbeitnehmer muss hier bestimmte Umstände vortragen und notfalls auch beweisen. Dies macht den Prozess schwierig und den Ausgang des Prozesses von daher auch schwer vorhersagbar.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21 ) hat sich nun nochmals mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess beschäftigt. Der Hintergrund ist der, dass es eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gibt, wonach der deutsche Gesetzgeber verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, um zu verhindern dass das Arbeitszeitgesetz bzw. die Richtlinie zur Arbeitszeit umgangen werden, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung gibt es aber in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht.

Urteil des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hat hier seine alte Rechtsprechung im Wesentlichen bestätigt und nochmals genau festgesetzt, was der Arbeitnehmer im Überstundenprozess genau vorzutragen und beweisen hat.

In der Pressemitteilung des BAG vom 04.05.2022 zur Nr. 16/22 führt das Bundesarbeitsgericht Folgendes aus:

Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.

BAG, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21

Anmerkung:

Der Arbeitnehmer muss danach darlegen und notfalls beweisen:

  1. Wann und welchem Umfang er Überstunden geleistet hat.
  2. Der Arbeitgeber muss die Überstunden angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt haben.

Überstunden sind dabei die Stunden, welche die regelmäßige Arbeitszeit übersteigen.

Beispiel:

Im Arbeitsvertrag beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 40 h pro Woche. Hier wäre die 41 Stunde, die erste Überstunden. Dabei ist unerheblich, wie sich die Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt!


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kein Mindestlohn für Pflichtpraktika!

Gepostet am


Kein Mindestlohn für Pflichtpraktika!
Mindestlohn und Praktikum

Was ist der gesetzliche Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn garantiert Arbeitnehmern ein Mindestentgelt. Alle Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland haben von daher Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser darf nicht unterschritten werden. Geregelt ist ein "Mindeststundenlohn" in Form eines Bruttolohns.


Wo ist der Mindestlohn geregelt?

Der Mindestlohn ist im Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG) geregelt, welches im Jahr 2015 erlassen wurde.


Muss der Mindestlohn gezahlt werden?

Ja, zur Zahlung (wenigstens) des gesetzlichen Mindestlohnes ist der Arbeitgeber verpflichtet. Er darf den Arbeitnehmer auch nicht unter Druck setzen, so dass dieser für weniger als für den gesetzlichen Mindestlohn arbeitet. Eine Kündigung, da sich der Arbeitnehmer weigert, für ein geringeres Entgelt als den Mindestlohn zu arbeiten, ist unwirksam.


Gilt der gesetzliche Mindestlohn auch für Praktikanten?

Ja, der Mindestlohn gilt nicht ausschließlich für Arbeitnehmer. Was viele Arbeitnehmer eben nicht wissen ist, dass der Mindestlohn grundsätzlich auch für Praktikanten gilt. Allerdings ist je nach der Art des Praktikums zu unterscheiden. Nicht für jeden Praktikanten besteht ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einer jüngsten Entscheidung nun nochmals klargestellt. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, welches Voraussetzung für die Zulassung zum Studium ist, keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben.


Dazu wie folgt:

Das Mindestlohngesetz regelt seit dem Jahr 2015 die Mindestanspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslohn. Nach dem Mindestlohngesetz ist genau geregelt, welchen gesetzlichen Stundenlohn Arbeitnehmer und Praktikanten wenigstens erhalten müssen. Ursprünglich betrug der Mindestlohn 7,50 €. In diesem Jahr soll der Mindestlohn-so die Bundesregierung-auf 12,00 Euro brutto die Stunde angehoben werden. Vermutlich geschieht dies in der zweiten Jahreshälfte 2022. Ansonsten "entscheidet" eine Mindestlohnkommission darüber, in welcher Höhe der Mindestlohn angepasst werden soll. Genau formuliert unterbreitet die Mindestlohnkommission einen Vorschlag und sodann wird durch Rechtsverordnung die kommende Höhe des Mindestlohnes festgesetzt. Vorgesehen ist, dass der Mindestlohn sich an den tatsächlich geänderten Verhältnissen anpasst. Der Mindestlohn ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.


Was regelt das Mindestlohngesetz in Bezug auf Praktikanten?

In § 22 des Mindestlohngesetzes hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, für welche Fälle Praktikanten keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Allerdings ist es so, wie so oft, dass der Gesetzgeber nicht alle Einzelheiten regeln kann und auch nicht will. Die Rechtsprechung ist gehalten entsprechende Lücken zu schließen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht nun getan.


Wie lautet die gesetzliche Regelung des § 22 MiLoG?

Die gesetzliche Regelung zu den Praktikanten im Mindestlohngesetz lautet wie folgt:

§ 22 MiLoG Persönlicher Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie 1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten, 2. ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten, 3. ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder 4. an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnehmen. Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. (2) Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. (3) Von diesem Gesetz nicht geregelt wird die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie ehrenamtlich Tätigen. (4) Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, gilt der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht. Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll.


Was steckt hinter der Einschränkung des Mindestlohn für bestimmte Praktika?

Der Gesetzgeber hat im MiLoG entschieden, dass Praktikanten im Sinne von § 26 BBiG gem. § 22 II 2 Hs. 1 für Zwecke des Mindestlohngesetzes dem Grunde nach als Arbeitnehmer gelten. Daher haben sie auch einen Anspruch auf den Mindestlohn.

Der § 22 II 2 Hs. 2 des Mindestlohngesetzes enthält allerdings die Ausnahmen von der Regel, wonach Praktikanten unter das MiLoG fallen. Der Gesetzgeber hat bewusst ein Regel-Ausnahme-Verhältnis gewählt, damit die Darlegungs- und Beweislast, ob ein mindestlohnfreies Praktikum iSd. § 22 I 2 Hs. 1 MiLoG vorliegt, beim Arbeitgeber liegt. Dieser muss im Zweifel darlegen und beweisen, dass er keinen Mindestlohn zahlen muss.


Muss der Arbeitgeber für Pflichtpraktika den Mindestlohn zahlen?

Nein, nach der gesetzlichen Regelung nicht. Danach fallen verpflichtende Praktika aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie nicht unter die Mindestlohnzahlungspflicht. Nach dem Mindestlohngesetz sind diese von dessen Anwendungsbereich ausgenommen. Durch die vom Gesetzgeber bewusst offene und umfassende Formulierung hat dieser deutlich gemacht, dass durch die Regelung alle ausbildungsbegleitenden Pflichtpraktika erfasst werden sollen.


Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes besteht für Praktikanten dann kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn diese ein Pflichtpraktikum absolvieren, welches Voraussetzung für das spätere Studium ist.


Sachverhalt des Falles beim BAG

Beim Fall des Bundesarbeitsgericht ging es darum, dass sich die Klägerin an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin bewerben wollte. Nach der Studienordnung ist ua. die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes ein Zugangsvoraussetzung für diesen Studiengang. Die Klägerin bekam hier weniger bezahlt als nach dem Mindestlohngesetz und klage die Differenzvergütung ein und trug im Arbeitsgerichtsverfahren dazu vor, dass diese nach dem Mindestlohn hätte bezahlt werden müssen.


Entscheidung des Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19. Januar 2022 – 5 AZR 217/21) hat dazu folgendes ausgeführt:

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG* verpflichtet ist. Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG* erfasst nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn diese Universität ist staatlich anerkannt. Hierdurch ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen wird.


interessante Urteile zum Thema Mindestlohn

Nachfolgend finden Sie einige interessante Urteile und Artikel, welche sich mit dem gesetzlichen Mindestlohn beschäftigen.

  1. Der Mindestlohn beim monatlichen Gehalt und einer 40-Stunden- Woche.
  2. Neuer und höherer Mindestlohn ab 1.01.2022!
  3. Neue Mindestlöhne und Zusatzurlaub für Pflegefachkräfte und -hilfskräfte ab 2021.
  4. BAG: Ausschlussklausel ohne Ausnahme von Mindestlohnansprüchen unwirksam
  5. BAG: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann in Höhe des Mindestlohns nicht verfallen!
  6. BAG: Orientierungspraktika über 3 Monate muss nicht immer bezahlt werden!

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin

Personalgespräch während Krankheit – muss der Arbeitnehmer teilnehmen?

Gepostet am Aktualisiert am


Personalgespräch während Krankheit - muss der Arbeitnehmer teilnehmen?
BEM

Wenn der Arbeitnehmer erkrankt, kommt es nicht selten dazu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Personalgespräch lädt und dieses noch während der Erkrankung des Arbeitnehmers stattfinden soll. Dieses Personalgespräch nennt man auch BEM oder Krankenrückführungsgespräch.

Arbeitsunfähigkeit und Erscheinen im Betrieb zum Gespräch?

Nicht selten versucht der Arbeitgeber auch ein sog. BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement) durchzuführen, was für eine personenbedingte (krankheitsbedingte) Kündigung notwendig ist.

Arbeitgeber will wegen Krankheit des Arbeitnehmers kündigen

Oft hat das Gespräch für den Arbeitgeber auch nur den Sinn um eine Kündigung aus personenbedingten Gründen – also wegen häufiger Krankheit des Arbeitnehmers – vorzubereiten.

Für den Arbeitnehmer stellt sich dann die Frage, ob er an einem solchen Gespräch – trotz Krankheit – teilnehmen muss oder nicht.

Personalgespräch – trotz Krankheit?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 2.11.2016, 10 AZR 596/15) hat nun entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, er nicht auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb erscheinen muss, um dort an einem Gespräch zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen (Personalgespräch).

Kontaktaufnahme ja, Pflicht zum Personalgespräch nein

Nach dem Bundesarbeitsgericht darf der Arbeitgeber zwar auch während der Arbeitsunfähigkeit im angemessenen Umfang Kontakt zum Arbeitnehmer aufnehmen; zur Teilnahme am Personalgespräch ist der Arbeitnehmer jedoch nicht verpflichtet. Dies wird oft von Arbeitgeberseite übersehen. Oft bauen auch Arbeitgeber einen entsprechenden Druck auf, um den Arbeitnehmer zum Gespräch zu drängen. 

keine Informationen über Krankheit selbst

Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf Informationen über die Krankheit des Arbeitnehmers. Auch wenn manche Arbeitgeber dies gern erfahren würden, muss der Arbeitnehmer hier nichts mitteilen.

BEM und Sinn und Zweck

Der Sinn und Zweck des BEM besteht eigentlich darin, dass der Arbeitnehmer mitteilen soll, wie er wieder – trotz gesundheitlicher Einschränkungen – in den Betrieb  eingegliedert werden kann. Oft dient das BEM aber dazu, um deine personenbedingte Kündigung vorzubereiten.

Kündigung ohne BEM

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.01.2021 – 6 Sa 124/20) hat zur Kündigung ohne BEM ausgeführt:

aa) Die Beklagte war gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM durchzuführen, da der Kläger vor Ausspruch der Kündigung unstreitig innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig war.

bb) Die Beklagte hat ein bEM vor Ausspruch der Kündigung nicht durchgeführt. Sie kann sich nicht darauf berufen, der Kläger habe einem bEM nicht zugestimmt. Der Arbeitgeber ist nur dann berechtigt, ein betriebliches Eingliederungsmanagement wegen der fehlenden Zustimmung des Arbeitnehmers zu unterlassen, wenn er den betroffenen Arbeitnehmer zuvor regelkonform um Zustimmung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ersucht hat (BAG 17. April 2019 – 7 AZR 292/17 – Rn. 38, zitiert nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung hat die Beklagte den Kläger nicht mehr eingeladen, an einem bEM teilzunehmen, obwohl er nach dem letzten von ihr veranlassten Anschreiben vom 10. September 2019 erneut länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig war. Selbst wenn man zu ihren Gunsten eine Einladung am 20. August 2018 als grundsätzlich ausreichend erachten wollte, hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass diese Einladung der Beklagten den Anforderungen an die ordnungsgemäße Einleitung eines bEM-Verfahrens nicht erfüllt, da weder darauf hingewiesen wurde, welche Art und welcher Umfang von Daten erhoben werden sollten, noch der Hinweis enthalten war, dass die Zustimmung zum bEM könne auch ohne Einverständnis zur Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung erteilt werden. Die Berufungskammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts unter B IV 2. B bb (S. 10 des Urteils = Bl. 128 d. A.) Bezug, macht sie sich zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Beklagte erhebt in der Berufungsinstanz Einwendungen gegen diese Wertung nicht.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Rechtsanwalt für Arbeitsrecht

Lieferdienst – Fahrer („Rider“) haben Anspruch auf Fahrrad und Smartphone oder Entschädigung

Gepostet am



Lieferdienst - Fahrer ("Ridern") haben Anspruch auf Fahrrad und Smartphone oder Entschädigung
Biker bei der Auslieferung

Zur Zeit (Corona-Pandemie) bestellen viele Kunden ihr Essen bei sogenannten Lieferdiensten. Oft liefern die Dienstleister, gerade bei starken Verkehr, wie zum Beispiel in Berlin, per Fahrradkurier aus. Wie selbstverständlich würde man davon ausgehen, dass die entsprechenden Biker über ein verkehrstüchtiges Fahrrad verfügen, dass der Arbeitgeber als notwendiges Arbeitsmittel gestellt hat, ebenso wie ein Smartphone für die Navigation zum Kunden. Dies ist aber nicht immer der Fall.

Arbeitsmittel für Fahrradkuriere und Essenausfahrer

Es gibt einige Lieferdienste, die ihren Fahrern nicht alle notwendigen Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, sondern erwarten, dass die Fahrer von sich aus diese essentiellen Arbeitsmittel selbst mitbringen, wie zum Beispiel für die Auslieferung notwendige Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon.

laut Arbeitsvertrag stellt der Arbeitnehmer die notwendigen Arbeitsmittel

Vielmehr sehen oft die Arbeitsverträge vor,  dass der Fahrer selbst sein eigenes Fahrrad zum Dienst stellt und auch sein eigenes Mobiltelefon für die Arbeit benutzt. Allerdings dürfen die Arbeitsgerichte entsprechende Arbeitsverträge auch sehr genau prüfen, da deren Regelungen in der Regel sog. allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen.

keine Kompensation für eigenes Fahrrad und Smartphone

Eine Entschädigung bzw. ein finanzieller Ausgleich ist in diesen Arbeitsverträge meist nicht vorgesehen.

Arbeitsrecht und Lieferdienste

Unabhängig davon besteht hier eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Problemen in Bezug auf Lieferdienste. Es gibt Lieferdienste, die infrage stellen, dass ihre Mitarbeiter tatsächlich Arbeitnehmer sind und meinen, dass diese als Selbstständige das Essen ausliefern. Dies ist in der Regel problematisch, da letztendlich die Fahrer fast nur für einen Auslieferer tätig ist und seine Arbeitszeit hier auch nicht nach Belieben einteilen kann. Unabhängig davon stelle sich oft die Frage nach dem Pausenzeiten und den Druck der Arbeit bzw. der ordnungsgemäßen Bezahlung.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht – Lieferdienst muss die notwendigen Arbeitsmittel stellen

Zumindest mit einem Thema hat sich das Bundesarbeitsgericht nun beschäftigt und zwar mit der Frage, ob der Arbeitgeber als essentielle Arbeitsmittel ein verkehrstüchtiges Fahrrad dem Biker/Fahrer zur Verfügung stellen muss und was passiert, wenn dies nicht geschieht, kann dann der Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich gegenüber dem Arbeitgeber verlangen?

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10. November 2021 – 5 AZR 334/21) hatte hier folgenden Fall zu entscheiden:

Dazu führt das BAG in seiner Pressemitteilung vom 10.11.2021 (Nr. 38/21) aus:

Der Kläger ist bei der Beklagten als Fahrradlieferant beschäftigt. Er liefert Speisen und Getränke aus, die Kunden über das Internet bei verschiedenen Restaurants bestellen. Er benutzt für seine Lieferfahrten sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die Beklagte gewährt den bei ihr tätigen Fahrradlieferanten eine Reparaturgutschrift von 0,25 Euro pro gearbeiteter Stunde, die ausschließlich bei einem von ihr bestimmten Unternehmen eingelöst werden kann.

Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, dass die Beklagte ihm ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon für seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit zur Verfügung stellt. Er hat gemeint, die Beklagte sei hierzu verpflichtet, weil es in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers falle, die notwendigen Arbeitsmittel bereitzustellen. Dieser Grundsatz sei vertraglich nicht wirksam abbedungen worden.

Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Regelung sei wirksam. Da die bei ihr als Fahrradlieferanten beschäftigten Arbeitnehmer ohnehin über ein Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon verfügten, würden sie durch die Verwendung ihrer eigenen Geräte nicht bzw. nicht erheblich belastet. Darüber hinaus seien etwaige Nachteile durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, Aufwendungsersatz geltend machen zu können, und – bezüglich des Fahrrads – durch das von ihr gewährte Reparaturbudget ausgeglichen.

BAG – Urteil vom 10. November 2021 – 5 AZR 334/21  – Pressemitteilung 38/21

LAG Hessen als Berufungsinstanz

Das Landesarbeitsgericht Hessen (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 12. März 2021 – 14 Sa 306/20) hat der Klage stattgegeben.


Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die von ihm zugelassene Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons benachteiligt den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm Abs. 1 Satz 1 BGB und ist daher unwirksam.

Die Beklagte wird durch diese Regelung von entsprechenden Anschaffungs- und Betriebskosten entlastet und trägt nicht das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der essentiellen Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Dieses liegt vielmehr beim Kläger.

Das widerspricht dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen hat. Eine ausreichende Kompensation dieses Nachteils ist nicht erfolgt. Die von Gesetzes wegen bestehende Möglichkeit, über § 670 BGB Aufwendungsersatz verlangen zu können, stellt keine angemessene Kompensation dar.

Es fehlt insoweit an einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Zudem würde auch eine Klausel, die nur die ohnehin geltende Rechtslage wiederholt, keinen angemessenen Ausgleich schaffen. Die Höhe des dem Kläger zur Verfügung gestellten Reparaturbudgets orientiert sich nicht an der Fahrleistung, sondern an der damit nur mittelbar zusammenhängenden Arbeitszeit. Der Kläger kann über das Budget auch nicht frei verfügen, sondern es nur bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Unternehmen einlösen. In der Wahl der Werkstatt ist er nicht frei.

Für die Nutzung des Mobiltelefons ist überhaupt kein finanzieller Ausgleich vorgesehen. Der Kläger kann deshalb von der Beklagten nach § 611a Abs. 1 BGB verlangen, dass diese ihm die für die vereinbarte Tätigkeit als „Rider“ notwendigen essentiellen Arbeitsmittel – ein geeignetes verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon, auf das die Lieferaufträge und -adressen mit der hierfür verwendeten App übermittelt werden – bereitstellt. Er kann nicht auf nachgelagerte Ansprüche wie Aufwendungsersatz oder Annahmeverzugslohn verwiesen werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. November 2021 – 5 AZR 334/21  – Pressemitteilung 38/21

Anmerkung:

Die Begründung der Entscheidung ist nachvollziehbar. Ein Lieferdienst muss die erforderlichen Arbeitsmittel seinen Arbeitnehmers zur Verfügung stellen. Diese haben einen Anspruch auf Überlassung solcher essenziellen Arbeitsmittel ohne die, diese gar nicht ihre Arbeit verrichten könnten.

Falls der Arbeitgeber nicht die Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, dann muss er eine finanzielle Kompensationsleistung erbringen und den Arbeitnehmer für die Benutzung des eigenen Fahrrads/ Smartphones entschädigen.

Der Arbeitgeber ist nämlich zur Verfügungstellung aller essentieller Arbeitsmittel verpflichtet. Die Entscheidung zeigt aber auch wieder – was Arbeitsrechtler wissen – dass man im Arbeitsvertrag eben nicht alles so regeln kann, wie man es gerne hätte. Die Regelungen im Arbeitsvertrag sind in der Regel allgemeine Geschäftsbedingungen und werden von daher von den Arbeitsgerichten streng geprüft.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Keinen Lohn bei Corona-Lockdown?

Gepostet am Aktualisiert am


Kein Lohn bei Corona-Lockdown?
Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht hat im Oktober 2021 durch seine neueste Entscheidung zum Corona-Lockdown viele Juristen überrascht, in dem es entschieden hat, dass Arbeitnehmer, die lockdownbedingt nicht arbeiten können, keinen Lohnanspruch haben. Das LAG Düsseldorf hatte dies im April 2021 noch anders entschieden und gemeint, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung auf Vergütung hat.

Corona und Betriebsschließung

Dazu wie folgt:

Beim Corona -Lockdown ist der Arbeitgeber aufgrund behördlicher Regelungen in der Regel zur Betriebschließung-abhängig von der Branche und dem Betrieb-verpflichtet. Die Ausbreitung des Corona-Virus mit der Folge der Einschränkungen des öffentlichen Lebens trifft auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dies hat zur Folge, dass die Unternehmen die Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen dürfen und können.

Betriebsrisiko und Annahmeverzugslohn

In der Regel trifft den Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko, also das Risiko, dass er aufgrund wirtschaftlicher Lage seine Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann. Wenn dies der Fall ist, dann muss an den Arbeitnehmern sogenannten Annahmeverzugslohn zahlen.

voller Lohnanspruch bei „normaler“ Schließung des Betriebs

Dies ist also faktisch der volle Lohn den er hätte zahlen müssen, wenn der Arbeitnehmer ordnungsgemäß beschäftigt worden wäre. Der Arbeitnehmer bekommt also faktisch ohne Arbeit seinen vollen Lohn. Dies ist nur dann der Fall, wenn dies gesetzlich so vorgesehen ist. Dies ist hier der Fall in § 615 BGB. Hier hat dern Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung, obwohl er gar nicht gearbeitet hat. Gibt es keine solche Regelung, dann bekommt der Arbeitnehmer ohne Arbeit auch keinen Lohn.

bei Conona-Arbeitsausfall gibt es keinen Lohn

Wie selbstverständlich sind die meisten Juristen davon ausgegangen, dass dies auch dann gilt, wenn ein sogenannter Corona-Lockdown vorliegt. D. h., dass der Arbeitgeber aufgrund der Corona-Pandemie und aufgrund behördlicher Anordnung zu Betrieb Schließung verpflichtet ist. Erstaunlich ist, dass das Bundesarbeitsgericht dies anders sieht. Die Vorinstanzen gaben dem Arbeitnehmer nämlich recht.

der Fall des Bundesarbeitsgerichts

Dem Fall des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die beklagte Arbeitgeberin betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör und unterhält in Bremen eine Filiale. Dort ist die klagende Arbeitnehmerin seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergütung von 432,00 Euro im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Stadt Bremen vom 23. März 2020 geschlossen worden. Deshalb konnte die klagende Arbeitnehmerin auch nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung.

Klage auf Lohnfortzahlung während Ladenschließung

Mit ihrer Klage hat die klagende Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Fortzahlung ihres Lohnes für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt. Sie hat gemeint, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos und von daher müsse dieser dann den vollen Lohn zahlen. Dagegen hat die beklagte Arbeitgeberin Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die von der Freien Hansestadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei und von daher besteht.

 Entscheidung der Vorinstanzen im Verfahren

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Diesen standen auf dem Standpunkt der Arbeitnehmerin und sahen hier einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gegen die Arbeitgeberin. Die Berufungsinstanz war das LAG Niedersachsen  (Urteil vom 23. März 2021 – 11 Sa 1062/20).

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Die vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen zugelassene Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21) entschied hier zu Gunsten der Arbeitnehmerin.

Begründung des BAG (Pressemitteilung)

Zur Begründung führten die höchsten deutschen Arbeitsrichter des BAG in der Pressemitteilung 31/21 vom 13.10.2021 aus.

Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des AnnahmeverzugsDer Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile – wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt ist – zu sorgen. Soweit ein solcher – wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigter – nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Anmerkung zum Urteil:

Das Urteil ist von der Begründung her nachvollziehbar, allerdings vom Ergebnis her überraschend.

Nach dem Bundesarbeitsgericht hat der Arbeitgeber nicht das Risiko für den Arbeitsausfall infolge der behördlichen Betriebsschließung  zu tragen. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung.

Zur Konsequenz hat das Urteil, das faktisch Arbeitnehmer, die weder in Kurzarbeit sind oder Mini-Jobber bei einer behördlich angeordneten Quarantäne keinen Anspruch auf Lohn haben. Das Bundesarbeitsgericht hatte ausdrücklich gesehen, dass für den entscheidenden Fall einer geringfügig beschäftigten Person, ausdrücklich überhaupt keine Chance auf Zahlung besteht, da Kurzarbeitergeld hier gar nicht möglich ist.

Allerdings hat dieses Urteil auch Auswirkungen auf Arbeitnehmer, die in Normalzeit (Vollzeit) beschäftigt sind, denn auch die Einführung der Kurzarbeit erfolgt nicht automatisch, sondern der Arbeitgeber muss diese beantragen, allerdings kann der Arbeitgeber diese nicht einseitig anordnen, es sei denn, es gibt bereits eine Regelung im Arbeitsvertrag, die dies zulässt.

Man könnte sich allerdings fragen, wenn der Arbeitgeber schuldhaft Kurzarbeit nicht einführt, ob der Arbeitnehmer gegebenenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber hat. Dies auch deshalb, da der Arbeitgeber das KUG zahlt, aber dieses von der zuständigen Behörde (Agentur für Arbeit) erstattet bekommt.

Erstaunlich ist auch, dass auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 30.03.3021 – 8 Sa 674/20) dies noch im April 2021 anders gesehen hat und meinte, dass der Arbeitgeber hier das Betriebsrisiko hätte. 

Weitere Fragen:

Haben Minijobber einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld?

Nein, Mini-Jobber haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Arbeitgeber, die ja das Kurzarbeitergeld beantragen müssen, können die Kurzarbeit nur dann anordnen und das Kurzarbeitergeld beantragen, wenn es sich um Arbeitnehmer handelt die versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung sind. Geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer (450 € Job) sind versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung und für diese kann man von daher kein Kurzarbeitergeld beantragen. Dies ist, wie im obigen Fall, das Problem. Bei einer Betriebsschließung wegen eine behördlichen Quarantäne/ Lockdown bekommen diese keinen Lohn und auch kein KUG. Sie haben von daher keinen Anspruch auf Zahlung gegenüber dem Arbeitgeber.

In der Praxis ist vorstellbar, dass die Minijobber in größeren Betrieben auch noch andere Arbeiten zugewiesen bekommen. In kleinen Firmen dürfte dies aber nicht möglich sein. 

Ansonsten dürfte dann die Geringverdiener einen zusätzlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben.

Mein Arbeitgeber hat freiwillig den Betrieb wegen der Corona-Pandemie geschlossen, muss dieser nun meinen Lohn weiterzahlen?

Ja, der Arbeitgeber muss den Lohn weiterzahlen. Der Unterschied zum obigen Fall des Bundesarbeitsgerichts besteht darin, dass hier keine behördliche Anordnung eines Lockdowns also einer Betriebschließung vorliegt und der Arbeitgeber stattdessen den Betrieb freiwillig geschlossen hat. Auch wenn sicherlich Auswirkungen der Corona-Pandemie hier eine Rolle spielen, liegt hier das Betriebsrisiko auf Seiten des Arbeitgebers, welches er auch beeinflussen kann. Der Arbeitgeber ist von daher nach § 615 BGB verpflichtet den Lohn fortzuzahlen. Der Arbeitnehmer hat also einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Was ist, wenn mein Betrieb aufgrund von Lockdown-Maßnahmen geschlossen wird?

Wenn der Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung, also eines behördlichen Lockdowns, geschlossen wird, gilt der Grundsatz der obigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Mini-Jobber haben keinen Anspruch auf eine Lohnzahlung. Arbeitnehmer, die eben nicht Mini-Jobber sind, haben dann ein Anspruch, wenn Kurzarbeit besteht. Dann besteht ein Anspruch Kurzarbeitergeld. Ist keine Vereinbarung über eine Kurzarbeit geschlossen worden, dann sieht es derzeit nicht besonders gut aus. Nach dem Bundesarbeitsgericht besteht dann kein Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Arbeitgeber. Ein Anspruch auf Zahlung könnte sich nur – dies ist nicht geklärt – aus den Grundsätzen des Schadenersatzrechts ergeben, wenn der Arbeitgeber zur Beantragung von Kurzarbeit verpflichtet wäre und dies schuldhaft unterlassen hat.

Was ist, wenn ich mich weigere einen Corona-Test vor Arbeitsantritt vorzulegen?

Wenn sich der Arbeitnehmer weigert vor Arbeitsantritt einen PCR-Test (Corona-Test) vorzulegen, dann darf der Arbeitgeber nach der aktuellen Version des § 28b des Infektionsschutzgesetzes den Arbeitnehmer nicht mehr im Betrieb beschäftigen, sofern dieser Kontakt zu anderen Arbeitnehmern hat. Von daher bekommt der Arbeitnehmer bei verweigerten Corona-Test auch keinen Lohn.

Zur betriebsbedingten Kündigung wegen Corona lesen Sie bitte diesen Artikel.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht