BAG
BAG: Corona-Kündigung im Krankenhaus

Kündigung wegen Weigerung einer Corona-Schutzimpfung
Die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber aufgrund der Weigerung sich eine Corona-Schutzimpfung geben zu lassen, ist ein emotionales Thema.
Corona-Kündigung und BAG
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit einer solchen Kündigung beschäftigt.
Wartezeitkündigung
Hierbei soll gleich ausgeführt werden, dass dieser Fall zwei Besonderheiten aufweist. Zum einen spielt der Fall noch vor der im Impfpflichtpflicht in der Gesundheits- und Pflegebranche. Es bestand also zum Zeitpunkt des hier vorliegenden Sachverhalts keine im Impfpflicht gegen Corona für Pflegepersonal bzw. Krankenhauspersonal. Darüber hinaus handelt es sich um eine Kündigung in der Wartezeit. Diese wird auch oft als Kündigung in der Probezeit bezeichnet, wobei dies nicht ganz richtig ist.
Unterschied zwischen Probezeit und Wartezeit
Wenn nämlich der Arbeitgeber innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer kündigt, dann findet das Kündigungsschutzgesetz auf den Arbeitsvertrag keine Anwendung. Der Arbeitgeber braucht dann keinen Kündigungsgrund. Dabei spielt es keine Rolle, wie lang die sogenannte Probezeit ist. Auch wenn diese nur 3 Monate beträgt und der Arbeitgeber kündigt im 4. Monat, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, da dieses voraussetzt, dass der Arbeitnehmer länger als 6 Monate im Betrieb des Arbeitgebers tätig ist und dort mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit abzüglich der Auszubildenden beschäftigt sind.
Beweislastumkehr bei Wartezeitkündigung
Bei der Kündigung in der Wartezeit/Probezeit durch den Arbeitgeber besteht die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer nachweisen muss-wenn er sich gegen diese Kündigung mittels Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehrt-dass die Kündigung unwirksam ist. Es kehrt sich die Beweislast um. Im Normalfall, also wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, muss nämlich der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung rechtmäßig ist.
Für den Arbeitnehmer liegt also eine Situation vor, in der es recht schwierig ist gegen die Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund benötigt.
Verstoß gegen das Maßregelungsverbot
Eine Möglichkeit besteht aber darin, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorwirft, dass er gegen das sogenannte Maßregelungsverbot verstoßen hat. Dieses ist in § 612a BGB geregelt und besagt, dass es verboten ist, dass der Arbeitnehmer zum Beispiel wegen einer berechtigten Weigerung bestraft wird. Klassische Fälle sind die, dass zum Beispiel der Arbeitnehmer berechtigt seinen Lohn einfordert und der Arbeitgeber dann als Strafe dafür den Arbeitnehmer kündigt. Es muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Weigerung/Forderung des Arbeitnehmers und der Kündigung bestehen.
§ 612a Maßregelungsverbot
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“
Nun zum Fall:
Im Fall des Bundesarbeitsgerichts arbeitete eine Arbeitnehmerin seit dem 1. Februar 2021 als medizinische Fachangestellte bei der Beklagten in einem Krankenhaus. Die Klägerin wurde dort auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Eine Impfpflicht gegen Corona gab es noch nicht. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Arbeitgeber war die Klägerin nicht bereit sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Sie schlug mehrere Impfangebote ihrer Arbeitgeberin aus. Daraufhin kündigte die Beklagte/Arbeitgeberin der Klägerin das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit ordentlich und fristgerecht.
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht
Die Arbeitnehmerin/Klägerin wehrte sich gegen die Kündigung mit der Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und machte geltend, dass sie wegen der nicht vorgenommenen Impfung zu Unrecht vom Arbeitgeber gemacht geregelt wurde und damit die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoßen würde.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 30.03.2023 Nr. 18/23 aus:
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt. Es fehlt an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung der Klägerin, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass die Kündigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht erklärt worden ist. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kündigung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22
Anmerkung:
Wie oben bereits ausgeführt, bestand die Besonderheit darin, dass eine Kündigung in der Wartezeit vorlag. In einer solchen Situation ist es schwierig für den Arbeitnehmer erfolgreich gegen diese Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund braucht. Das Maßregelungsverbot half der Arbeitnehmerin hier nicht weiter, da diese nicht nachweisen konnte, dass sie tatsächlich aufgrund der fehlenden Impfung gekündigt wurde und darüber hinaus-und dies ist das Entscheidende-hat das Bundesarbeitsgericht auch schon angedeutet, dass es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgeber ist, eine Arbeitnehmerin zu kündigen, die im Krankenhaus arbeitet und sich nicht impfen lässt, da die Möglichkeit besteht, dass diese Patienten und andere Mitarbeiter mit Corona ansteckt. Etwas spitzfindig meint das BAG hier, dass der Grund für die Kündigung nicht die verweigerte Impfung war, sondern der Schutz der Krankenhauspatienten.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber?

Arbeitszeit und Pflichten des Arbeitgebers
Es bestehen immer noch Unsicherheiten, ob der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer zu erfassen und aufzuzeichnen. Diese Frage soll hier beantwortet werden.
Was ist Arbeitszeit?
Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit abzüglich der Ruhepausen.
Wo ist die gesetzliche Grundlage geregelt?
Geregelt ist die Arbeitszeit und die entsprechenden Vorgaben zur Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz.
Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung
Ich hatte hier schon berichtet, dass der Europäische Gerichtshof deutlich gemacht hat, dass grundsätzlich nach der Arbeitszeitrichtlinie der EU die einzelnen Mitgliedstaaten verpflichtet sind dafür zu sorgen, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfassen. Eine entsprechende Umsetzung in das innerdeutsche Recht ist aber bis heute nicht erfolgt.
Entscheidung des BAG zur Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit
Ein Paukenschlag war von daher die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 13. September 2022 (Beschluss vom 13.9.2022, Aktenzeichen 1 ABR 22/21).
gesetzliche Grundlage = § § 3 Abs. 2 Nummer 1 des Arbeitsschutzgesetzes
Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass es schon lange eine gesetzliche Regelung gibt und zwar § 3 Abs. 2 Nummer 1 des Arbeitsschutzgesetzes, wonach Arbeitgeber verpflichtet sind die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Die Problematik daran war die, dass niemand davon ausgegangen ist, dass bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber bestand. Die Regelung, auf die das Bundesarbeitsgericht hier verwiesen hat, ist äußerst ungenau und aus dieser kann man zumindest durch einfaches Lesen ohne Auslegung nicht ohne weiteres die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ableiten.
Zitat
§ 3 Grundpflichten des Arbeitgebers – Arbeitsschutzgesetz
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.
(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten
für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie.
Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.
(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.
Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung besteht
Dies kann aber letztendlich alles dahinstehen. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dieser Norm abgeleitet und von daher sind Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Dies heißt, dass der Beginn und das Ende der Arbeitszeit-einschließlich der Pausen-zu erfassen sind.
keine Vorgabe, wie die Erfassung erfolgen soll
Das Bundesarbeitsgericht hat nicht geregelt, wie diese Erfassung auszusehen hat. Es hat insbesondere nicht den Arbeitgebern vorgeschrieben, dass diese besondere-zum Beispiel elektronische-Arbeitszeiterfassungsysteme einsetzen müssen. Dies heißt, dass es dem Arbeitgeber freisteht, wie er die Arbeitszeit letztendlich im Betrieb aufzeichnet.
per Hand oder elektronisch
Dies kann durch elektronische Arbeitszeiterfassungsysteme, wie zum Beispiel elektronische Steckkarten oder Login am Computer, erfolgen aber auch durch Aufzeichnungen zum Beispiel das Eintragen in einen entsprechenden Arbeitszeitkalender erfolgen.
Übertragung auf Arbeitnehmer möglich
Der Arbeitgeber ist sogar berechtigt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auf den Arbeitnehmer zu delegieren. Dies heißt, dass dann der Arbeitnehmer verpflichtet ist seine Arbeitszeiten zu erfassen. Damit ist der Arbeitgeber aber nicht komplett von seiner Verpflichtung befreit, sondern seine Aufzeichnungspflicht wandelt sich um in eine Überwachungspflicht. Der Arbeitgeber muss letztendlich auch überwachen, ob tatsächlich vom Arbeitnehmer die Aufzeichnung der Arbeitszeit korrekt erfolgt.
Vertrauensarbeitszeit in Home Office
Dies gilt auch für den Fall der sogenannten Vertrauensarbeitszeit, wie zum Beispiel im Home Office. Auch hier ist die Arbeitszeit grundsätzlich zu erfassen. Das Bundesarbeitsgericht differenziert hier nicht zwischen Arbeitnehmern, die im Betrieb anwesend sind und Arbeitnehmern, die zum Beispiel mobil arbeiten. Bei allen Arbeitnehmergruppen hat eine Arbeitszeiterfassung zu erfolgen.
hohe Bußgelder drohen
Arbeitgeber, die sich nicht an diese Vorgaben halten, riskieren, dass sie entsprechend von Arbeitsschutzbehörden ein hohes Bußgeld (§ 25 des Arbeitsschutzgesetzes) erhalten.
Beweislastumkehr in Arbeitsgerichtsprozessen?
Darüber hinaus können sich in Prozessen ergeben, dass eine Beweislastumkehr in Bezug auf erbrachte Arbeitszeiten von den Arbeitsgerichten angenommen wird. Dies ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher. Entscheidung dazu-zumindest von höchstrichterlicher Stelle-gibt es dazu noch nicht.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lohn und nicht im Arbeitsvertrag benannte tarifvertragliche Ausschlussfristen

tarifvertragliche Ausschlussfristen
Tarifvertragliche Ausschlussfristen führen dazu, dass Ansprüche innerhalb einer kurzen Zeitspanne verfallen, wenn diese nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Dies betrifft Ansprüche von Arbeitgebern, aber in der Praxis vor allem Ansprüche der Arbeitnehmer.
tarifvertragliche Rahmenverträge
In fast allen Rahmentarifverträgen (z.B. auch im BRTV-Bau) findet man solche Verfallsklauseln. Diese stehen oft am Ende des Rahmentarifvertrages. Die Klauseln beinhalten oft kurze Fristen, sogenanntes Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der anderen Seite geltend zu machen sind. Viele Arbeitnehmer wissen dies nicht, da die Unsitte herrscht, dass man die Tarifverträge zwar grob kennt, aber nicht komplett liest. Dass diese Lektüre nicht sehr spannend ist, mag hier durchaus bestätigt werden.
Ausschlussfristen
Ausschlussfristen bewirken, dass ein Recht nach Ablauf bestimmter Zeit erlischt, wenn es nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Ausschlussfristen für die Geltendmachung von tariflichen Rechten können nur im Tarifvertrag vereinbart werden, § 4 Abs. 4 S. 3 TVG.
Verfallsklauseln
Diese Verfallsklauseln können auch durchaus kürzer sein als drei Monate und sind für Arbeitnehmer von daher die wirkliche Gefahr nicht die Verjährung, die an drei Jahre beträgt. In Arbeitsverträgen müssen die Verfallsklauseln-sofern keine entsprechenden Klauseln in anwendbaren Tarifverträgen existieren-wenigstens drei Monate auf jeder Stufe betragen.
Arten von Ausschlussfristen
Es werden im Arbeitsrecht zwei Formen von Ausschlussfristen unterschieden:
einstufige Verfallsfristen
Bei einstufigen Ausschlussfristen muss der Anspruch innerhalb einer Frist geltend gemacht werden muss.
zweistufige Verfallfristen
bei zweistufige Ausschlussfristen muss innerhalb einer weiteren Frist Klage eingereicht werden.
Nachweisgesetz
Nach dem Nachweisgesetz-der alten Fassung-war der Arbeitgeber aber verpflichtet die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingung und dazu zählen auch die Anwendbarkeit von Tarifverträgen und die Geltung von Ausschlussklauseln in solchen Tarifverträgen dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen. Oft findet man dazu einen Hinweis im Arbeitsvertrag. Fehlt aber ein solcher Hinweis und verfällt dann der Anspruch des Arbeitnehmers aufgrund einer tarifvertraglichen Ausschlussklausel, dann könnte der Arbeitnehmer unter Umständen trotzdem noch seinen Anspruch geltend machen, wenn er darlegt und gegebenenfalls nachweist, dass er bei rechtzeitiger Information durch den Arbeitgeber den Anspruch auch rechtzeitig geltend gemacht hätte und dieser dann nicht verfallen wäre.
§ 2 Abs. 1 Nachweisgesetz alter Fassung
(1) Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
Nachweisgesetz alter Fassung
Bundesarbeitsgericht
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21) hat nun über einen solchen Fall entschieden.
Fall des BAG
Wichtig ist, dass es hierbei um das Nachweisgesetz in der alten Fassung ging. Ein Arbeitnehmer hatte über Jahre eine Höhergruppierung, die aufgrund eines Tarifvertrages eigentlich hätte greifen müssen, gegenüber seinem Arbeitgeber nicht geltend gemacht. Im Tarifvertrag waren auch Ausschlussklauseln vorhanden, nach denen die entsprechenden Höhergruppierung Ansprüche/Lohnansprüche schon längst verfallen waren. Im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers gab es aber-entgegen der Regelung im Nachweisgesetz-keinen Hinweis auf den Tarifvertrag.
Der Arbeitnehmer trug über seinen Rechtsanwalt vor, dass er bei rechtzeitigem Hinweis auf die Ausschlussfristen seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte und von daher der Anspruch zwar verfallen ist aber ihm ein gleich hoher Schadensersatzanspruch zusteht.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers besteht, wenn aufgrund eines nicht erfolgten Hinweises des Arbeitgebers auf anwendbare Ausschlussklauseln in einem Tarifvertrag nicht hingewiesen wurde und dadurch die Ansprüche des Arbeitnehmers verfallen sind. Voraussetzung ist aber, dass auch der fehlende Hinweis ursächlich für den Verfall ist. Der Arbeitnehmer muss also vortragen, dass er bei entsprechenden Hinweis die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte. Ein bloßer Vortrag reicht aber nicht aus, sondern es muss im Ergebnis auch schlüssig sein, was hier nicht der Fall war.
Das Bundesarbeitsgericht wies von daher die Klage des Arbeitnehmers ab und führte zu der Begründung folgendes aus:
Die Beklagte hat auch gegen ihre Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz verstoßen, indem sie den Kläger entgegen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF getroffenen Bestimmung in keiner der ihm überlassenen Niederschriften bzw. Vertragsexemplare iSv. § 2 Abs. 1 bzw. Abs. 4 NachwG aF ausdrücklich auf die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO hingewiesen hat. Die Ausschlussfrist ist eine wesentliche Vertragsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF. Auch insoweit wird wegen der Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 30. Oktober 2019 (- 6 AZR 465/18 – Rn. 46 ff., BAGE 168, 254) Bezug genommen. …
Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF in Verzug, ist er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 a der Gründe; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75).18
Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf sie hingewiesen worden wäre (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aF vgl. auch: BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 35; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75). Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der bis 31. Juli 2022 geltenden Nachweisrichtlinie 91/533/EWG vom 14. Oktober 1991, den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Der Arbeitnehmer könnte im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – aaO).19
Dabei ersetzt die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens als Beweisregel allerdings nicht den Parteivortrag. Die Tatsachen für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden hat der Arbeitnehmer darzutun (BAG 20. Juni 2018 – 4 AZR 235/15 – Rn. 23; 20. April 2011 – 5 AZR 171/10 – Rn. 27, BAGE 137, 375; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 c der Gründe).
Dass die Entgeltansprüche auch bei ordnungsgemäßem Nachweis der Ausschlussfrist verfallen wären, wird im Übrigen durch das eigene Verhalten des Klägers bestätigt. Der Kläger hat die Differenzvergütungsansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 auch nicht in unverjährter Zeit eingeklagt, sondern erst im Jahr 2016 klageweise geltend gemacht. Dies spricht dafür, dass er die Ansprüche auch in Kenntnis der Ausschlussfrist nicht rechtzeitig geltend gemacht hätte.
BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21
Anmerkung:
Das Bundesarbeitsgericht hat also nochmals bestätigt, dass bei fehlenden Hinweis des Arbeitgebers auf tarifvertragliche Ausschlussfristen (nach dem alten Nachweisgesetz) ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers entstehen kann. Der Arbeitnehmer muss aber nachweisen, dass er, wenn der Arbeitgeber auf die entsprechenden Ausschlussfristen hingewiesen hätte, er den Anspruch geltend gemacht hätte und zwar rechtzeitig. Dies war hier das Problem. Der Arbeitnehmer hatte nämlich vorgetragen, dass er gar nicht gewusst hat, dass er einen entsprechenden höheren Lohnanspruch hatte. Dies führt dazu, dass auch wenn er von der entsprechenden Ausschlussklausel gewusst hätte, er ohnehin die Lohnerhöhung gar nicht geltend gemacht hätte, da er davon ja nichts wusste. Dies war das Problem in der Sache. Die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Arbeitgebers, den fehlenden Hinweis auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist, und den Schaden des Arbeitnehmers, nämlich des Verfalls seiner Lohnerhöhung Ansprüche/Differenzlohnansprüche, konnte durch den Arbeitnehmer nicht ausreichend vorgetragen werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Verjährung von Urlaubsansprüchen

Urlaub und Verjährung
Mit der Frage von der Verjährung von Urlaubsansprüchen haben sich diverse Arbeitsgerichte bereits beschäftigt. Bis vor ein paar Monaten war klar, dass der Urlaubsanspruch der dreijährigen Verjährung unterfällt und das vor allem der Beginn der Verjährung das Ende des Jahres ist, in dem der Urlaubsanspruch fällig war.
Dazu wie folgt:
Was ist Urlaub?
Urlaub im arbeitsrechtlichen Sinne ist die bezahlte Arbeitsbefreiung des Arbeitnehmers unter Weiterzahlung seines Arbeitsentgelts.
Was ist Urlaubsentgelt?
Das Urlaubsentgelt ist der Lohn während des Urlaubs.
Was ist Urlaubsgeld?
Urlaubsgeld ist eine zusätzlich zum Urlaubslohn (Urlaubsentgelt) gezahlte Vergütung. Dies ist oft freiwillig und erfolgt von Seiten des Arbeitgebers meistens 1 x pro Jahr in Höhe einer festen Summe.
Wo ist der Urlaub gesetzlich geregelt?
Das Recht der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt.
Ab wann besteht der volle Urlaubsanspruch?
Der volle Urlaubsanspruch entsteht nach nach einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit.
Wie hoch ist der Mindesturlaubsanspruch?
Der Mindesturlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz beträgt jährlich 24 Werktagen bzw. 20 Arbeitstagen. Einfach ausgedrückt, hat jeder Arbeitnehmer nach der Wartezeit von 6 Monaten einen Anspruch auf 4 Wochen Erholungsurlaub pro Kalenderjahr.
Bis wann ist der Urlaub zu nehmen?
Der Urlaub ist grundsätzlich bis zum Ende des Kalenderjahres vollständig zu nehmen, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist.
Hat der Arbeitnehmer das Recht auf Selbstbeurlaubung?
Nein, ein solches Recht besteht nicht. Die Selbstbeurlaubung eines Arbeitnehmers gibt dem Arbeitgeber das Recht, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.
Wozu muss der Urlaub genutzt werden?
Der Urlaub muss zur Erholung genutzt werden. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der Urlaubstage ist nicht zulässig.
Unterliegt der Urlaub der Verjährung?
Ja, der Urlaub unterliegt grundsätzlich der Verjährung. Daran ändert auch die neueste Entscheidung des BAG nichts.
Kann Urlaub verfallen?
Ja, auch der Verfall des Urlaubs ist immer noch möglich. Allerdings sind daran bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Da der Verfall eher als die Verjährung – in der Regel stattfindet – hat das BAG auch hierüber entschieden und knüpft an einen Verfall die Voraussetzung, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Urlaubsanspruch belehrt und auch über den Verfall des Urlaubs bei Nichtnahme.
Was hat das BAG (Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20) zum Verfall und zur Verjährung von Urlaubsansprüchen entschieden?
Der europäische Gerichtshof hat die Regelungen über den Verfall und die Verjährung von Urlaub in Frage gestellt bzw. an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil des BAG vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20) hatte sich nun am 20.12.2022 sih mit der Problematik der Verjährung von Ansprüchen auf Urlaub auseinandergesetzt.
Nach dem BAG unterliegen Urlaubsansprüche grundsätzlich der gesetzlichen Verjährung von drei Jahren. Allerdings beginnt diese Verjährungsfrist erst dann ab dem Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Nach dem BAG kann also die Urlaubsverjährung erst dann beginnen – diese beginnt immer erst zum Ende des Kalenderjahres – wenn der Arbeitgeber:
- der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch
- über die Verfallsfristen belehrt hat und
- der Arbeitnehmer den Urlaub freiwillig nicht angetreten hat.
Das Bundesarbeitsgericht führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 20.12.2022 zur Nr. 48/22 -aus:
Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.
Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20
Rechtsanwalt Andreas Martin
Unpfändbarkeit der Corona-Prämie

Corona-Zulage und das Problem der Pfändung beim Arbeitnehmer
Die sog. Corona-Prämie wurde eingeführt mit dem Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020. Der Arbeitgeber diese Prämie seinen Arbeitnehmern steuerfrei aufgrund der Erschwernisse in der Corona-Pandemie zukommen lassen. Durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz wurde diese Regelung der Steuerfreiheit bis zum 31. März 2022 verlängert.
€ 1.500 sind steuerfrei
Der Arbeitgeber konnte im Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 insgesamt maximal 1.500 Euro steuerfrei an pro Arbeitnehmer auszahlen.
Die Corona-Sonderzahlungen (Prämien) sind nicht auf bestimmte Branchen beschränkt, sondern können branchenunabhängig gewährt werden. Allerdings soll dabei ein Bezug zur Pandemie bestehen.
nur für die Pflegebranche ist die Pfändung verboten
Für die Pflegebranche gilt die Besonderheit, dass dort ein Anspruch auf eine Corona-Prämie bestand und darüber hinaus auch gesetzlich ( § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI) die Unpfändbarkeit der Prämie angeordnet wurde.
Für alle anderen Branchen gibt es weder einen Rechtsanspruch, noch ein gesetzliche Regelung über die Unpfändbarkeit.
Entscheidung des Bundesarbeitsgericht
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. August 2022 – 8 AZR 14/22) hat nun entschieden, dass auch außerhalb der Pflegebranche die Corona-Prämie unpfändbar ist.
Pfändungsfreigrenzen beim Arbeitnehmer
Zur Berechnung der pfändbaren Summe beim Arbeitnehmer ist gemäß § 850c Abs. 5 ZPO das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers bei monatlicher Zahlung auf einen durch 10 teilbaren Betrag abzurunden. Der Pfändungsfreibetrag beträgt seit dem 01.07.2022 für den Arbeitnehmer wenigstens 1.330,16 EUR und erhöht sich bei Unterhaltspflichten.
Fall des BAG
Das Bundesarbeitsgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Eine Arbeitnehmerin, die in einer Gaststätte als Küchenhilfe beschäftigt war, bekam im September 2020 neben dem Monatslohn von 1.350,00 Euro brutto und Sonntagszuschlägen in Höhe von 66,80 Euro brutto eine Corona-Prämie von 400,00 Euro.
Über das Vermögen der Arbeitnehmerin war im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt worden.
Für den Monat September 2020 errechnete die Insolvenzverwalterin aus dem Monatslohn sowie der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag von 1.440,47 Euro und forderte den Arbeitgeber erfolglos zur Zahlung eines pfändbaren Betrags in Höhe von 182,99 Euro netto auf. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung, da er davon ausging, dass die Corona-Prämie unpfändbar sein und hier hätte nicht bei der Berechnung berücksichtigt werden dürfen.
Die Insolvenzverwalterin klagte daraufhin gegen den Arbeitgeber auf Zahlung vor den Arbeitsgericht.
Die Insolvenzverwalterin vertrat die Auffassung, dass die vom Arbeitgeber an die Schuldnerin gezahlte Corona-Prämie pfändbar sei und begründet dies damit, dass – anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe – es für eine Sonderzahlung außerhalb der Pflegebranche keine Regelung über eine Unpfändbarkeit gäbe.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.
BAG – Corona-Zulage auch außerhalb der Pflegebranche unpfändbar
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber ebenfalls Recht und führte dazu in seiner Pressemitteilung 31/22 vom 25.08.2022 folgendes aus:
Die Klägerin hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des von ihr geforderten Betrags. Die Corona-Prämie gehört nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin. Der Beklagte wollte mit der Leistung eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Höhergruppierung eines Lehrers

Höhergruppierung eines Lehrers
Das Bundesarbeitsgericht hat nun aktuell über die Voraussetzungen einer Höhergruppierung einer Lehrkraft entschieden.
Eingruppierung
Als Eingruppierung wird die Zuordnung des Angestellten des öffentlichen Dienstes zu einer Entgeltgruppe des entsprechenden Tarifvertrages bezeichnet. Grundlage der Eingruppierung ist die Stellenbewertung.
Umgruppierung und Höhergruppierung und Rückgruppierung
Als Umgruppierung hingegen wird allgemein die Änderung der Eingruppierung, nämlich in der Regel die Höhergruppierung in eine höhere Entgeltgruppe bezeichnet. Von einer Rückgruppierung spricht man hingegen, wenn die Änderung in eine niedrigere Entgeltgruppe erfolgt.
vorübergehende Übertragung von Aufgaben
Keine Eingruppierung ist vorzunehmen, wenn eine höherwertige Tätigkeit begrenzt für eine gewissen Zeitdauer zugewiesen wird.
Eingruppierung und Stellenausschreibung
Die Eingruppierung entspricht aufgrund der Tarifautomatik grundsätzlich dem Ergebnis der Stellenbewertung, d.h. der Bewertung der im Arbeitsvertrag vereinbarten, auszuübenden Tätigkeit.
Stellenbewertung
Die Eingruppierung ist von der Stellenbewertung zu unterscheiden. Mit der Stellenbewertung wird nur die Tätigkeit des Angestellten bewertet. Eine Zuordnung zu einer bestimmten Entgeltgruppe erfolgt dadurch nicht.
Klage auf Höhergruppierung
Was viele Arbeitnehmer nicht wissen ist, dass grundsätzlich ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht auf Zuordnung in eine höhe Gruppierung recht schwierig zu führen ist. Die Anforderungen sind die recht hoch.
umfangreiche Darlegungslast des Angestellten
Der Angestellte muss genau darlegen, weshalb er einen Anspruch auf Zahlung eine höheren Tarifgruppe hat. Dies wird oft unterschätzt. Die Anforderung hieran sind recht hoch und es muss ein genauer Vortrag erfolgen, dass der Kläger die entsprechenden Voraussetzungen der jeweiligen Tarifgruppe erfüllt.
aktueller Fall des Bundesarbeitsgerichts
Beim Fall des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 25.5.2022 – 4 AZR 331/20) ging es um eine Lehrkraft, die auf eine Höhergruppierung geklagt hatte. Die Lehrerin für Biologie und Sport war bereits beim Arbeitgeber auf einem Gymnasium seit geraumer Zeit tätig.
Auf ihre Bewerbung wurde die Lehrerin mit Wirkung zum 2. November 2015 zur ständigen Vertreterin des Schulleiters eines Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern – bestellt. Die Stelle ist mit Besoldungsgruppe A 15 des Besoldungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (Landesbesoldungsgesetz – LBesG LSA) bewertet und mit einer Amtszulage verbunden. Im Rahmen der Übertragung dieses Amts bestand Einigigkeit, dass der Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder vom 28. März 2015 (TV EntgO-L) die vertragliche Grundlage für die Eingruppierung der Klägerin bilden soll. Die Lehrerin hatte die Auffassung vertreten, sie könne seit Übertragung der Stelle der stellvertretenden Schulleiterin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 15 TV-L beanspruchen. Auf die beamtenrechtlichen Voraussetzungen komme es – nach Ansicht der Lehrerin – nicht an.
Urteil des BAG
Das Bundesarbeitsgericht wies darauf hin, dass die Höhergruppierung einer bereits in einem Arbeitsverhältnis beschäftigten Lehrkraft erfordert, dass nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags über die Eingruppierung neben der Erfüllung der in den Besoldungsgruppe genannten fachlichen und pädagogischen Anforderungen auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Beförderung einer vergleichbaren beamteten Lehrkraft vorliegen müssen.
Das BAG führt dazu in seinem Urteil aus:
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die beamtenrechtlichen Voraussetzungen bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf eine bereits beschäftigte Lehrkraft nicht ohne weitere Prüfung als erfüllt anzusehen. Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg auf die für die Eingruppierung einer neu eingestellten Lehrkraft außerhalb eines Eingangsamts entwickelten Grundsätze des Senats.
(1) Der beamtenrechtlichen Übertragung eines Amts auf Dauer und der Einweisung einer Beamtin in eine Planstelle entspricht bei einer angestellten Lehrkraft die – einseitig ohne Änderungskündigung nicht mehr änderbare – vertragliche Vereinbarung über die für die Amtsausübung erforderliche Tätigkeit. Deshalb ist bei der Neueinstellung einer Lehrkraft außerhalb eines Eingangsamts nicht eine neu eingestellte Beamtin zum Vergleich heranzuziehen, sondern eine Beamtin, die die – vertraglich vereinbarte – Tätigkeit und Funktion der angestellten Lehrerin unter Einhaltung aller hierfür maßgebenden Vorschriften nach der Übertragung des Amts und Einweisung in die entsprechende Planstelle als Beamtin ausübt. Die beamtenrechtlichen Voraussetzungen sind für die vertragliche Ausübung der konkret vereinbarten Tätigkeit, die dem übertragenen Amt entspricht, als erfüllt anzusehen. Die durch den Arbeitsvertrag und die endgültige und vorbehaltlose Übertragung der Aufgaben begründete Stellung dieser Lehrkraft entspricht dabei grundsätzlich der einer Beamtin, der rechtmäßig, dh. unter Wahrung aller für die Besetzung des Dienstpostens geltenden Regelungen, das entsprechende Amt übertragen worden ist (ausf. BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 304/10 – Rn. 29 ff.).
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Urteil vom 25.5.2022 – 4 AZR 331/20
(2) Diese Grundsätze gelten nicht bei der vorliegenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten auf eine bereits beschäftigte Lehrkraft. Ihre Stellung entspricht mangels vertraglicher Vereinbarung einer bestimmten Tätigkeit nicht der einer beamteten Lehrkraft, der unter Wahrung aller für die Besetzung des Dienstpostens geltenden Regelungen das entsprechende Amt übertragen worden ist. Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 2 der Anlage zum TV EntgO-L bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass die in einem Arbeitsverhältnis beschäftigte Lehrkraft, die sich aus einem vorher von ihr ausgeübten niedrigeren Amt bewirbt, die entsprechenden beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen muss (vgl. BAG 20. Juni 2012 – 4 AZR 304/10 – Rn. 27).
Anmerkung:
Einmal mehr zeigt die Entscheidung, dass die Klagen auf Eingruppierung – selbst wenn die sachlichen Voraussetzungen nachweisbar sind – kein Selbstläufer sind.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Wiedereinstellung in der Insolvenz

Bei dem Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers handelt es sich um den Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach einer rechtmäßigen Kündigung aufgrund veränderter Umstände.
Wiedereinstellungsanspruch ist kein Weiterbeschäftigungsanspruch
Der Wiedereinstellungsanspruch ist von dem Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzprozesses zu unterscheiden.
wirksame Kündigung ist Voraussetzung für Wiedereinstellung
Der Wiedereinstellungsanspruch setzt eine wirksame Kündigung voraus, der Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, wenn keine wirksame Kündigung vorliegt.
keine gesetzliche Regelung für Wiedereinstellung
Eine gesetzliche Regelung des Wiedereinstellungsanspruches gibt es nicht. Vielmehr wurde dieser von der Rechtsprechung entwickelt. Die Rechtsgrundlagen des Anspruchs auf Wiedereinstellung sind im Wesentlichen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Wiedereinstellung bei betriebsbedingter Kündigung
Der häufigste Fall des Anspruchs auf Wiedereinstellung ist die Wiedereinstellung nach einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers.
Die Voraussetzungen des Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung sind:
- Vorliegen einer rechtmäßigen, betriebsbedingten Kündigung
- Entfallen der Kündigungsgründe innerhalb der Kündigungsfrist
- Interessenabwägung zu Gusten des Arbeitnehmers.
Kurz: Der Kündigungsgrund fällt nachträglich weg.
Gründe für den nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes
- neue Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers
- Revidieren der Betriebsstilllegung
- plötzliche allgemeine Verbesserung der Geschäftslage
- unvorhersehbare Erteilung eines Großauftrags
- Übernahme des Betriebs durch einen Dritten (§ 613 a BGB)
Aufhebungsvertrag und Wiedereinstellung
Auch beim Aufhebungsvertrag kann aufgrund nachträglich geänderter Umstände ein Anspruch auf Wiedereinstellung des Arbeitnehmers entstehen.
Kündigungsschutzklage und Wiedereinstellungsanspruch
Nicht selten ergibt sich nur nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses gerade bei Arbeitnehmers mit einer sehr langen Kündigung ein Wiedereinstellungsanspruch, wenn nachträglich die Gründe für eine ursprünglich rechtmäßige Kündigung entfallen. Dies ist aber keine Voraussetzung des Anspruch (Erhebung der Kündigungsschutzklage).
Bundesarbeitsgerichtsentscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über ein Fall zu entscheiden, im welchen ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend gemacht hatte. Der Arbeitnehmer wurde entlassen wegen einer angeblichen Betriebsstilllegung seines Arbeitgeberbetriebs. Während das Verfahren stellte der Arbeitnehmer dann fest, dass wohl mehrere Arbeitnehmer bei einer dritten Firma weiter beschäftigt wurden. Der Arbeitnehmer ging davon aus, dass ein Betriebsübergang auf diese Firma stattgefunden hatte und klagte auf Wiedereinstellung gegenüber der Übernehmerin (Drittfirma). Die Übernehmerin, also die Firma die dann die Arbeitnehmer weiter beschäftigte, kündigte vorsorglich das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und dieser erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Später meldete die Drittfirma Insolvenz an.
Urteil des BAG
Der Fall landete vor den Bundesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmer nicht besteht, wenn ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde.
Das BAG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 224/21) führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 25.05.2022 mit der Nr. 19/22 aus:
Der richterrechtlich entwickelte Wiedereinstellungsanspruch kommt zum Tragen, wenn sich die bei Zugang der Kündigung noch zutreffende Prognose des Arbeitgebers, der Beschäftigungsbedarf werde bei Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, als fehlerhaft erweist, etwa weil es zu einem Betriebsübergang kommt. Zwar besteht ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht, so dass der Rechtsstreit an sich nicht nach § 240 ZPO unterbrochen wird. Wird jedoch mit dem Wiedereinstellungsanspruch – wie im vorliegenden Fall – zugleich die Wirksamkeit einer Kündigung angegriffen, führt das zur Unterbrechung auch bezüglich des Streits über die Wiedereinstellung. Umgekehrt hat die Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits, für die es nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO genügt, dass bei Obsiegen des Arbeitnehmers Masseverbindlichkeiten entstehen können, auch die Aufnahme des Streits über die Wiedereinstellung zur Folge.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 224/21 – PM – 25.05.2022 mit der Nr. 19/22
Fazit:
Nach dem BAG besteht in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Dies führt sogar dazu, dass wenn ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem Schuldner entstanden ist, dass dieser mit der Insolvenzeröffnung erlischt.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Arbeitgeber darf Corona-Testpflicht im Betrieb einführen!

Verweigerung der Corona-Testpflicht und Lohn
Ob der Arbeitgeber einseitig Corona-Tests im Betrieb anordnen darf und welche Konsequenzen dies hat, wenn der Arbeitnehmer sich weigert diesem Test nachzukommen, ist immer noch ein aktuelles Thema. Die meisten Arbeitsgerichte sehen grundsätzlich die Möglichkeit der Anordnung der Corona- Testspflicht durch den Arbeitgeber und meinen auch, dass der Arbeitnehmer, der dann aufgrund der Verweigerung der Coronatests zu Hause bleibt und nicht beschäftigt wird, keinen Anspruch auf Zahlung seines Lohnes hat. Die Juristen sprechen hier von sogenannten Annahmeverzugslohn.
Bundesarbeitsgericht und Entscheidung zur Anordnung von Corona-Tests
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der obigen Frage auseinanderzusetzen und insbesondere darüber zu entscheiden, ob eine Arbeitnehmerin einen Anspruch auf nachträgliche Zahlung ihres Lohnes hat für einen Zeitraum, in der sie sich weigerte Coronatests durchzuführen und von daher vom Arbeitgeber auch nicht beschäftigt wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat hier zugunsten des Arbeitgebers entschieden und ist der Meinung, dass der Arbeitgeber grundsätzlich einseitig Coronatest im Betrieb anordnen darf. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht beschäftigen und der Lohnanspruch des Arbeitnehmers entfällt.
Arbeitnehmerin verweigerte die Test und bekam keinen Arbeitslohn
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Fall zugrunde:
Eine in der bayerische Staatsoper beschäftigte Flötistin sollte nach der Anweisung ihres Arbeitgebers in unterschiedlichen Zeitabständen Coronatests durchführen. Die Arbeitnehmerin weigerte sich grundsätzlich und meinte, dass ein anlassloser Massentest grundsätzlich unzulässig sei und der Arbeitgeber generell kein Recht auf Durchführung dieser Tests habe. Auch sah diese einen unzulässigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit darin.
Arbeitgeber zahlte den Lohn nicht
Die Arbeitnehmern wurde aufgrund ihrer Weigerung im Zeitraum vom Ende August bis Oktober 2020 nicht beschäftigt und bekam auch keinen Lohn. Diese klagte die Vergütung nun arbeitsgerichtlich ein und verlor sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Im Revisionsverfahren vor den Bundesarbeitsgericht verlor die Arbeitnehmerin endgültig.
Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung 21/22 vom 1.06.2022 folgendes aus:
Der Arbeitgeber kann zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen.
Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisieren den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen kann der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen wird im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.
…
Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt wird. Da hiernach die arbeitgeberseitige Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts rechtmäßig war, hat der beklagte Freistaat zu Recht eingewandt (§ 297 BGB), dass Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls mit Blick auf den fehlenden Leistungswillen der Klägerin, die die Durchführung von PCR-Tests verweigert hat, nicht bestehen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22
Anmerkung:
Langsam kommen einige Corona-Fälle zum Bundesarbeitsgericht. Die Tendenz in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgericht ist aber klar. Die meisten Gerichten halten eine Testpflicht von Seiten der Arbeitgeber für zulässig. Auch scheint die Meinung bei den meisten Arbeitsgericht und LAG in Bezug auf Verstöße gegen betriebliche Corona-Auflagen dahingehend zu sein, dass diese im Einzelfall auch eine (außerordentliche) Kündigung rechtfertigen kann.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Rückzahlung von Weiterbildungskosten bei Kündigung durch den Arbeitnehmer

Rückzahlung von Fortbildungskosten bei Kündigung durch den Arbeitnehmer
Die Rückzahlung von Fortbildungskosten / Ausbildungskosten nach einer Kündigung durch den Arbeitnehmer ist ein häufiges Problem aus der Praxis. Zu der Rückzahlungspflicht in Bezug auf die vom Arbeitgeber ausgelegter Weiterbildungskosten gibt es eine Vielzahl von Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits mehrfach dazu entschieden und die Hürden für den Arbeitgeber eine solche Rückzahlung zu erreichen, sind recht hoch. Insbesondere muss eine Rückzahlungsklausel sorgsam formuliert sein, damit diese tatsächlich Bestand hat.
hohe Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers
Bereits im Jahr 2014 hatte das Bundesarbeitsgericht die Voraussetzungen für eine wirksame Klausel (Rückzahlung von Fortbildungskosten) dargelegt.
neue Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zur Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Nun gibt es eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022 zu der Frage, ob der Arbeitnehmer bei einer eigenen Kündigung die Fortbildungskosten zurückzahlen muss, wenn in einer Klausel dazu steht, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich bei jeder eigenen Kündigung, die nicht vom Arbeitgeber zu vertreten ist, zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet ist.
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Fall zugrunde:
Eine Arbeitnehmerin war in einer Reha-Klinik als Altenpflegerin beschäftigt. Die Parteien schlossen am 10. Februar 2019 einen Fortbildungsvertrag, dem zufolge die Beklagte in der Zeit vom 4. Juni bis zum 3. Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen an einer Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ teilnehmen sollte. Die Fortbildungskosten betrugen 4.090,00 Euro, welche von der Arbeitgeberin bezahlt wurden. Im Fortbildungsvertrag wurde folgende Klausel vereinbart:
„§ 3 Bindungsfrist und Rückzahlungsfrist
(1)
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.(2)
Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag.Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.
(3)
Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.…“
Bundesarbeitsgericht
Eigenkündigung der Arbeitnehmerin und Rückzahlung von Ausbildungskosten
Die Arbeitgeberin wollte nach der Eigenkündigung der Arbeitnehmerin die Rückzahlung der Weiterbildungskosten in Höhe von rund € 2.000. Die Arbeitnehmerin lehnte dies ab und der Arbeitgeber hob daraufhin Klage auf Rückzahlung der Fortbildungskosten vor dem Arbeitsgericht.
BAG – Klausel ist unzulässig
Das Bundesarbeitsgericht hielt die obige Klausel, obwohl diese schon-Im Gegensatz sich viele anderen Klauseln in der Praxis-recht sorgfältig formuliert ist, für unzulässig.
keine Differenzierung bei Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers
Der Grund für die Unzulässigkeit liegt darin, dass dort nur steht, dass bei allen Gründen bei der Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat, eine Rückzahlung zur Folge hat.
Kündigung aus gesundheitlichen Gründen durch den Arbeitnehmer
Vergessen ist vom Arbeitgeber worden, dass es ja auch Fälle geben kann, wo zum Beispiel der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen kann und kündigt. Die gesundheitliche Gründe hat der Arbeitgeber auch nicht zu vertreten, allerdings ist dies nicht die Schuld des Arbeitnehmers. Da die Klausel hier nicht entsprechend differenziert, ist diese grundsätzlich insgesamt unwirksam.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21) führte dazu folgendes aus:
§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des Fortbildungsvertrags knüpft die Rückzahlungspflicht an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers, die nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund beruhen (vgl. BAG 28. September 2017 – 8 AZR 67/15 – Rn. 62). Der Anwendungsbereich der Klausel erstreckt sich damit auch auf eine Kündigung, die der Arbeitnehmer ausspricht, weil er unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage ist, die Qualifikation, die er mit der vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildung erworben hat, im Rahmen der vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu nutzen.
§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des Fortbildungsvertrags ist nicht teilbar und deshalb einer einheitlichen Kontrolle nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu unterziehen. Sie erfasst in ihrem – den Fall der vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung ausnehmenden – Anwendungsbereich nicht verschiedene, nur äußerlich zusammengefasste Regelungen, sondern inhaltlich und sprachlich alle Fälle der Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Nähme man Streichungen vor, entfiele die Anspruchsgrundlage insgesamt (vgl. BAG 13. Dezember 2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 32 f.).
Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21
Anmerkung:
Wichtig, dass man versteht, dass die Klausel unwirksam ist, weil (theoretisch) der Arbeitnehmer, der aus krankheitsbedingten Gründen kündigt, unangemessen benachteiligt würde. Dabei ist es unerheblich, ob hier ein solcher Fall vorliegt oder nicht. Es reicht aus, dass dieser Fall nicht in der Klausel erfasst ist, obwohl die Arbeitnehmerin – wie hier – aus anderen Motiven kündigt.
Rechtsanwalt Andreas Martin