Verjährung

Lohn und nicht im Arbeitsvertrag benannte tarifvertragliche Ausschlussfristen

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Lohn und nicht im Arbeitsvertrag benannte tarifvertragliche Ausschlussfristen
Schadenersatz

tarifvertragliche Ausschlussfristen

Tarifvertragliche Ausschlussfristen führen dazu, dass Ansprüche innerhalb einer kurzen Zeitspanne verfallen, wenn diese nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Dies betrifft Ansprüche von Arbeitgebern, aber in der Praxis vor allem Ansprüche der Arbeitnehmer.

tarifvertragliche Rahmenverträge

In fast allen Rahmentarifverträgen (z.B. auch im BRTV-Bau) findet man solche Verfallsklauseln. Diese stehen oft am Ende des Rahmentarifvertrages. Die Klauseln beinhalten oft kurze Fristen, sogenanntes Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der anderen Seite geltend zu machen sind. Viele Arbeitnehmer wissen dies nicht, da die Unsitte herrscht, dass man die Tarifverträge zwar grob kennt, aber nicht komplett liest. Dass diese Lektüre nicht sehr spannend ist, mag hier durchaus bestätigt werden.

Ausschlussfristen

Ausschlussfristen bewirken, dass ein Recht nach Ablauf bestimmter Zeit erlischt, wenn es nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Ausschlussfristen für die Geltendmachung von tariflichen Rechten können nur im Tarifvertrag vereinbart werden, § 4 Abs. 4 S. 3 TVG.

Verfallsklauseln

Diese Verfallsklauseln können auch durchaus kürzer sein als drei Monate und sind für Arbeitnehmer von daher die wirkliche Gefahr nicht die Verjährung, die an drei Jahre beträgt. In Arbeitsverträgen müssen die Verfallsklauseln-sofern keine entsprechenden Klauseln in anwendbaren Tarifverträgen existieren-wenigstens drei Monate auf jeder Stufe betragen.

Arten von Ausschlussfristen

Es werden im Arbeitsrecht zwei Formen von Ausschlussfristen unterschieden:

einstufige Verfallsfristen
Bei einstufigen Ausschlussfristen muss der Anspruch innerhalb einer Frist geltend gemacht werden muss.

zweistufige Verfallfristen
bei zweistufige Ausschlussfristen muss innerhalb einer weiteren Frist Klage eingereicht werden.

Nachweisgesetz

Nach dem Nachweisgesetz-der alten Fassung-war der Arbeitgeber aber verpflichtet die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingung und dazu zählen auch die Anwendbarkeit von Tarifverträgen und die Geltung von Ausschlussklauseln in solchen Tarifverträgen dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen. Oft findet man dazu einen Hinweis im Arbeitsvertrag. Fehlt aber ein solcher Hinweis und verfällt dann der Anspruch des Arbeitnehmers aufgrund einer tarifvertraglichen Ausschlussklausel, dann könnte der Arbeitnehmer unter Umständen trotzdem noch seinen Anspruch geltend machen, wenn er darlegt und gegebenenfalls nachweist, dass er bei rechtzeitiger Information durch den Arbeitgeber den Anspruch auch rechtzeitig geltend gemacht hätte und dieser dann nicht verfallen wäre.

§ 2 Abs. 1 Nachweisgesetz alter Fassung

(1)  Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.

Nachweisgesetz alter Fassung

Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21) hat nun über einen solchen Fall entschieden.

Fall des BAG

Wichtig ist, dass es hierbei um das Nachweisgesetz in der alten Fassung ging. Ein Arbeitnehmer hatte über Jahre eine Höhergruppierung, die aufgrund eines Tarifvertrages eigentlich hätte greifen müssen, gegenüber seinem Arbeitgeber nicht geltend gemacht. Im Tarifvertrag waren auch Ausschlussklauseln vorhanden, nach denen die entsprechenden Höhergruppierung Ansprüche/Lohnansprüche schon längst verfallen waren. Im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers gab es aber-entgegen der Regelung im Nachweisgesetz-keinen Hinweis auf den Tarifvertrag.

Der Arbeitnehmer trug über seinen Rechtsanwalt vor, dass er bei rechtzeitigem Hinweis auf die Ausschlussfristen seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte und von daher der Anspruch zwar verfallen ist aber ihm ein gleich hoher Schadensersatzanspruch zusteht.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers besteht, wenn aufgrund eines nicht erfolgten Hinweises des Arbeitgebers auf anwendbare Ausschlussklauseln in einem Tarifvertrag nicht hingewiesen wurde und dadurch die Ansprüche des Arbeitnehmers verfallen sind. Voraussetzung ist aber, dass auch der fehlende Hinweis ursächlich für den Verfall ist. Der Arbeitnehmer muss also vortragen, dass er bei entsprechenden Hinweis die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte. Ein bloßer Vortrag reicht aber nicht aus, sondern es muss im Ergebnis auch schlüssig sein, was hier nicht der Fall war.

Das Bundesarbeitsgericht wies von daher die Klage des Arbeitnehmers ab und führte zu der Begründung folgendes aus:


Die Beklagte hat auch gegen ihre Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz verstoßen, indem sie den Kläger entgegen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF getroffenen Bestimmung in keiner der ihm überlassenen Niederschriften bzw. Vertragsexemplare iSv. § 2 Abs. 1 bzw. Abs. 4 NachwG aF ausdrücklich auf die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO hingewiesen hat. Die Ausschlussfrist ist eine wesentliche Vertragsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF. Auch insoweit wird wegen der Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 30. Oktober 2019 (- 6 AZR 465/18 – Rn. 46 ff., BAGE 168, 254) Bezug genommen. …

Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF in Verzug, ist er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 a der Gründe; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75).18

Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf sie hingewiesen worden wäre (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 47, BAGE 168, 254; für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aF vgl. auch: BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 35; 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75). Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der bis 31. Juli 2022 geltenden Nachweisrichtlinie 91/533/EWG vom 14. Oktober 1991, den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Der Arbeitnehmer könnte im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – aaO).19

Dabei ersetzt die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens als Beweisregel allerdings nicht den Parteivortrag. Die Tatsachen für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden hat der Arbeitnehmer darzutun (BAG 20. Juni 2018 – 4 AZR 235/15 – Rn. 23; 20. April 2011 – 5 AZR 171/10 – Rn. 27, BAGE 137, 375; 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 3 c der Gründe).

 Dass die Entgeltansprüche auch bei ordnungsgemäßem Nachweis der Ausschlussfrist verfallen wären, wird im Übrigen durch das eigene Verhalten des Klägers bestätigt. Der Kläger hat die Differenzvergütungsansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 auch nicht in unverjährter Zeit eingeklagt, sondern erst im Jahr 2016 klageweise geltend gemacht. Dies spricht dafür, dass er die Ansprüche auch in Kenntnis der Ausschlussfrist nicht rechtzeitig geltend gemacht hätte.

BAG, Urt. v. 22.9.2022 – 8 AZR 4/21

Anmerkung:

Das Bundesarbeitsgericht hat also nochmals bestätigt, dass bei fehlenden Hinweis des Arbeitgebers auf tarifvertragliche Ausschlussfristen (nach dem alten Nachweisgesetz) ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers entstehen kann. Der Arbeitnehmer muss aber nachweisen, dass er, wenn der Arbeitgeber auf die entsprechenden Ausschlussfristen hingewiesen hätte, er den Anspruch geltend gemacht hätte und zwar rechtzeitig. Dies war hier das Problem. Der Arbeitnehmer hatte nämlich vorgetragen, dass er gar nicht gewusst hat, dass er einen entsprechenden höheren Lohnanspruch hatte. Dies führt dazu, dass auch wenn er von der entsprechenden Ausschlussklausel gewusst hätte, er ohnehin die Lohnerhöhung gar nicht geltend gemacht hätte, da er davon ja nichts wusste. Dies war das Problem in der Sache. Die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Arbeitgebers, den fehlenden Hinweis auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist, und den Schaden des Arbeitnehmers, nämlich des Verfalls seiner Lohnerhöhung Ansprüche/Differenzlohnansprüche, konnte durch den Arbeitnehmer nicht ausreichend vorgetragen werden.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Verjährung von Urlaubsansprüchen

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Urlaub und Verjährung

Mit der Frage von der Verjährung von Urlaubsansprüchen haben sich diverse Arbeitsgerichte bereits beschäftigt. Bis vor ein paar Monaten war klar, dass der Urlaubsanspruch der dreijährigen Verjährung unterfällt und das vor allem der Beginn der Verjährung das Ende des Jahres ist, in dem der Urlaubsanspruch fällig war.

Dazu wie folgt:

Was ist Urlaub?

Urlaub im arbeitsrechtlichen Sinne ist die bezahlte Arbeitsbefreiung des Arbeitnehmers unter Weiterzahlung seines Arbeitsentgelts.

Was ist Urlaubsentgelt?

Das Urlaubsentgelt ist der Lohn während des Urlaubs.

Was ist Urlaubsgeld?

Urlaubsgeld ist eine zusätzlich zum Urlaubslohn (Urlaubsentgelt) gezahlte Vergütung. Dies ist oft freiwillig und erfolgt von Seiten des Arbeitgebers meistens 1 x pro Jahr in Höhe einer festen Summe.

Wo ist der Urlaub gesetzlich geregelt?

Das Recht der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt.

Ab wann besteht der volle Urlaubsanspruch?

Der volle Urlaubsanspruch entsteht nach nach einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit.

Wie hoch ist der Mindesturlaubsanspruch?

Der Mindesturlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz beträgt jährlich 24 Werktagen bzw. 20 Arbeitstagen. Einfach ausgedrückt, hat jeder Arbeitnehmer nach der Wartezeit von 6 Monaten einen Anspruch auf 4 Wochen Erholungsurlaub pro Kalenderjahr.

Bis wann ist der Urlaub zu nehmen?

Der Urlaub ist grundsätzlich bis zum Ende des Kalenderjahres vollständig zu nehmen, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist.

Hat der Arbeitnehmer das Recht auf Selbstbeurlaubung?

Nein, ein solches Recht besteht nicht. Die Selbstbeurlaubung eines Arbeitnehmers gibt dem Arbeitgeber das Recht, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.

Wozu muss der Urlaub genutzt werden?

Der Urlaub muss zur Erholung genutzt werden. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der Urlaubstage ist nicht zulässig.

Unterliegt der Urlaub der Verjährung?

Ja, der Urlaub unterliegt grundsätzlich der Verjährung. Daran ändert auch die neueste Entscheidung des BAG nichts.

Kann Urlaub verfallen?

Ja, auch der Verfall des Urlaubs ist immer noch möglich. Allerdings sind daran bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Da der Verfall eher als die Verjährung – in der Regel stattfindet – hat das BAG auch hierüber entschieden und knüpft an einen Verfall die Voraussetzung, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Urlaubsanspruch belehrt und auch über den Verfall des Urlaubs bei Nichtnahme.

Was hat das BAG (Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20) zum Verfall und zur Verjährung von Urlaubsansprüchen entschieden?

Der europäische Gerichtshof hat die Regelungen über den Verfall und die Verjährung von Urlaub in Frage gestellt bzw. an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil des BAG vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20) hatte sich nun am 20.12.2022 sih mit der Problematik der Verjährung von Ansprüchen auf Urlaub auseinandergesetzt.

Nach dem BAG unterliegen Urlaubsansprüche grundsätzlich der gesetzlichen Verjährung von drei Jahren. Allerdings beginnt diese Verjährungsfrist erst dann ab dem Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Nach dem BAG kann also die Urlaubsverjährung erst dann beginnen – diese beginnt immer erst zum Ende des Kalenderjahres – wenn der Arbeitgeber:

  • der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch
  • über die Verfallsfristen belehrt hat und
  • der Arbeitnehmer den Urlaub freiwillig nicht angetreten hat.

Das Bundesarbeitsgericht führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 20.12.2022 zur Nr. 48/22 -aus:

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20

Rechtsanwalt Andreas Martin

Arbeitszeitgesetz – wann verjähren Verstöße?

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Arbeitszeitgesetz - Verjährung von Verstößen
Verjährung

Das Wichtigste vorab:

Das Arbeitszeitgesetz sieht bei Verstößen sowohl Bußgelder als auch Straffan vor. Hier ist zu unterscheiden. Die Ordnungswidrigkeiten nach § 22 Abs. 1 Nr. 9 des Arbeitszeitgesetzes verjähren nach § 31 OWiG. Die Verjährungsfrist beträgt für alle Fälle des § 22 ArbZG zwei Jahre (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Die Verjährungsfrist für Straftaten nach § 23 ArbZG beträgt drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB).

Arbeitszeitgesetz – Verjährung

Das Arbeitszeitgesetz bezweckt den Schutz, vor allen der Gesundheit der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland. Auch soll das Gesetz die Schutz vor Sonntagsarbeit und Arbeit an Feiertagen realisieren. Dieser Zweck ergibt sich aus § 1 des Arbeitszeitgesetzes.

Die Frage ist nun, wann Verstöße des Arbeitgebers gegen das Arbeitszeitgesetz verjähren. Dabei ist zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu unterscheiden.

Ordnungswidrigkeiten und Straftaten – ArbZG

Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz drohen dem Arbeitgeber Geldbußen und Strafen. Im 7. Abschnitt sind die Straf- und Bußgeldvorschriften geregelt.

Bußgeldvorschriften – § 22 Arbeitszeitgesetz

Die Geldbußen bei Verstößen gegen das ArbZG sind in § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 10 geregelt. Nach dem Absatz 2 der Vorschrift können Geldbußen bis € 15.000 verhangen werden. Bei einen Verstoß gegen die Aushangpflicht des Gesetztes ist eine Geldbuße bis € 2.500 möglich.

Verjährung eines bußgeldrechtlichen Verstoßes des Arbeitgebers

Verstößt der Arbeitgeber gegen eine Vorgabe des § 22 Abs. 1 des ArbZG, dann handelt er ordnungswidrig und bekommt – sofern dies der Behörde bekannt wird – in der Regel eine Geldbuße. Verfolgungsbehörde ist die nach § 17 Abs. 1 ArbZG zuständige Aufsichtsbehörde. Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) ist die Aufsichtsbehörde über den Arbeitsschutz in Berliner Betrieben.

Ordnungswidrigkeiten nach dem ArbZG werden nach dem Opportunitätsprinzip verfolgt. Die Verfolgungsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob sie eine Verwarnung ausspricht oder ein Bußgeldverfahren einleitet und durchführt.

Verdichten sich allerdings die Umstände – nach Aufklärung des Verstoßes des Arbeitgebers – derart, dass möglicherweise ein Straftatbestand i.S.d. § 23 ArbZG verwirklicht ist, so hat die Aufsichtsbehörde das Verfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben. In Berlin ist die Staatsanwaltschaft Berlin bzw. die Amtsanwaltschaft Berlin hier tätig.

Ist die Ordnungswidrigkeit aber verjährt, dann kann der Arbeitgeber aber nicht mehr belangt werden.

Die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nach dem ArbZG  verjährt gem.  § 31 Ordnungswidrigkeitengesetz. Die Verjährungsfrist beträgt für die Fälle des § 22 ArbZG insgesamt zwei Jahre (siehe dazu § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Der Verjährungssbeginn liegt vor, sobald die Handlung beendet ist. Die Verjährung der Ordnungswidrigkeit kann gem. § 33 OWiG unterbrochen werden. Eine Unterbrechung erfolgt durch die erste Vernehmung des Betroffenen (Arbeitgebers) und die Bekanntgabe, dass gegen den Betroffenen das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Die Unterbrechung hat die Folge, dass die Verjährung von neuen beginnt.

Verjährung eine Straftat des Arbeitgebers

Verstößt der Arbeitgeber gegen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, so kann dieser Verstoß auch eine Straftat darstellen. Dies ist in § 23 ArbZG geregelt. Als Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorgesehen. In bestimmten Fällen der fahrlässigen Tatbegehung beträgt die Strafe bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.

Für die Verfolgung der Straftaten nach § 23 ArbZG ist nicht die Aufsichtsbehörde, sondern die Staatsanwaltschaft zuständig. Für die Verfolgung der Straftaten gilt das Legalitätsprinzip, dies heißt, dass die Staatsanwaltschaft wegen aller verfolgbaren Straftaten einschreiten muss, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO).

Die Verfolgung des Verstoßes gegen das ArbZG als Straftat kann ebenfalls verjähren. Die Verjährungsfrist dafür beträgt 3 Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Die Verjährung der Straftat beginnt, sobald die Tat beendet ist. Die Verjährung kann auch nach § 78c StGB unterbrochen werden. Wie bei der Ordnungswidrigkeit geschieht dies z.B. durch die erste Vernehmung des Beschuldigten oder die Bekanntgabe, dass gegen den Beschuldigten gerichteten Strafverfahren.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin

Wann verjähren Urlaubsansprüche?

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Wann verjährt der Urlaubsanspruch?
Urlaub und Verjährung

Die Frage nach der Verjährung von Urlaubsansprüchen spielt mittlerweile wieder eine größere Rolle. Normalerweise verjähren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in der Regelzeit innerhalb von drei Jahren ab ihrer Entstehung, wobei die Anspruchsverjährung am Ende des Jahres beginnt, also am 31. Dezember. Dies ist eine Besonderheit des deutschen Rechts.

Dazu regelt § 199 Abs. 1 BGB

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Verjährungsbeginn nach § 199 I BGB

regelmäßige Verjährungsfrist im Arbeitsrecht

Von daher wäre die Frage eigentlich ganz einfach zu beantworten, dass Urlaubsansprüche jeweils zum Jahresende drei Jahre nach Entstehung verjähren.

Beispiel: Der Urlaub für das Jahr 2020 entsteht im Jahr 2020 und damit beginnt die Verjährung am 31.12.2020. Die Verjährung endet damit am 31.12.23.

Rechtsprechung des EuGH und neue Rechtsprechung des BAG

Ganz so einfach ist die Frage aber nicht, da mittlerweile die deutsche Urlaubsrechtsprechung sehr stark vom europäischen Recht (EG-Urlaubsrichtlinie) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof beeinflusst wird. Der EuGH hatte ja vor einiger Zeit auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zum Verfall von Urlaubsansprüchen auf den Kopf gestellt. Das Bundesarbeitsgericht hat diesbezüglich seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen geändert. Diese können nun nicht mehr so einfach zum Jahresende verfallen. Zusätzliche Voraussetzungen müssen dazu vorliegen.

Verjährung jetzt wieder aktuelles Problem

Der also in der Vergangenheit viel häufiger Urlaubsansprüche einfach zum Jahresende bzw. zum 31.03. des Folgejahres (so auch die gesetzliche Regelung im Bundesurlaubsgesetz) verfallen sind, hat sich die Fragen nach der Verjährung (die ja viel länger ist) kaum gestellt. Dies ist nun aufgrund der obigen neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zum Verfall von Urlaubsansprüchen anders. Nun es ist sogar wahrscheinlich, dass Urlaubsansprüche für die vergangenen Jahre gar nicht verfallen sind, sondern nur durch die Verjährung „erlöschen“. Zu beachten ist aber, dass die Verjährung eine Einrede ist, die die Gegenseite (also der Arbeitgeber) im Prozess erheben muss!

Tod des Arbeitnehmers und Urlaub

Im Übrigen geht der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers auch nicht mit dessen Tod unter. Die Erben können hier einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung haben. Auch hier spielt die Verjährung eine Rolle.

aktuelle Entscheidung des BAG zur Verjährung des Urlaubsanspruchs

Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A)- ) hat nun in seiner Pressemitteilung vom 29.09.2020 mit der Nr. 34/20 mitgeteilt, dass er die Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen zur weiteren Klärung dem EuGH vorlegt. Es stellt sich nämlich die grundsätzliche Frage, ob die bezahlte Urlaubsgewährung überhaupt der Verjährung unterliegt.

der Fall des Bundesarbeitsgerichts

Eine Arbeitnehmerin verlangte in einem Arbeitsgerichtsprozess die Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren verlangt. Im Laufe des Prozesses hat die Gegenseite die Einrede der Verjährung erhoben.

die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage, ob die Verjährung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sich nach den §§ 194 ff. richtet und ob der Anspruch überhaupt der Verjährung unterliegt in Rahmen einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Es ist hier also vor allem die Frage zu beantworten, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub überhaupt verjähren kann. Davon abhängig ist dann auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Vorlage zum EuGH

Begründet hat das Bundesarbeitsgericht die Vorlage zum EuGH wie folgt:

Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann (vgl. dazu Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 9 vom 19. Februar 2019). Diese Obliegenheiten hat der Beklagte nicht erfüllt. 

Vor diesem Hintergrund hat der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.

Es bleibt nun abzuwarten, wie der Europäische Gerichtshof diese Frage beurteilt.

Informationen zur Berechnung der Urlaubsabgeltung finden Sie hier.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin – Berlin

LAG Hessen: Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung von Lohnzahlungsansprüchen

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Wer sich mittels Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehrt,  wahrt auch  eventuell bestehende tarifvertragliche Ausschlussfristen  im Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche.  dies gilt nun nicht nur für die erste Stufe der Ausschlussfristen, sondern auch bei zweistufigen Ausschlussfristen für die zweite Stufe ( gerichtliche Geltendmachung), so nun jüngst das BAG (Urteil vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07).

Verjährung

Die Ausschlussfrist ist streng von der Verjährung zu unterscheiden.  Die Verjährung ist eine Einrede  und muss erhoben werden. Die Ausschlussfrist prüft das Gericht – auch ohne Erhebung – von Amts wegen.  Auch ist die Verjährung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten  selten ein Problem.  Da die Ausschlussfristen meist viel kürzer sind als die Verjährungsfristen, stellen diese häufig eine Hürde für die Geltendmachung zum Beispiel von Lohnansprüchen des Arbeitnehmers dar.

Hemmung der Verjährung durch Kündigungsschutzklage

Es stellt sich nun die Frage, wenn nun doch ein Fall vorliegt, bei dem die Durchsetzung von Lohnansprüchen von der Verjährung abhängt,  ob die Erhebung der Kündigungschutzklage die Verjährung gehemmt, also eine ähnliche Wirkung hat, wie in Bezug auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen.

 Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hessen

Das hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 9.4.2013 – 8 Sa 1389/12)  entschied,  dass eine Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung der Annahmeverzugslohn Ansprüche des Arbeitnehmers hemmt und führt dazu aus:

2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn ist verjährt.

a) Die dreijährige Verjährungsfrist begann für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2003 und für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2004.

aa) Für den streitgegenständlichen Annahmeverzugslohnanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). ………………….

b) Die Verjährungsfrist lief für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2006 und für die Annahmeverzugslohnansprüche für das Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2007 ab. Sie war weder gehemmt noch hat ihr Lauf neu begonnen.

aa) Die Verjährung war weder durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch gemäß § 206 BGB durch höhere Gewalt gehemmt. …………

(a) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Die Hemmung tritt nur für den geltend gemachten Anspruch, also den Streitgegenstand der erhobenen Klage ein (BAG 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 –, Rn. 26, AP BGB § 280 Nr. 10 = NZA 2012, 377). Eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Aus diesem Grund hemmt die Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 –, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4; BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5).

(b) Daran ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197 = NZA 2011, 354) und der sich anschließenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Ausschlussfristen (19. September 2012 – 5 AZR 627/11 -, Rn. 13, NZA 2013, 101 = ZTR 2013, 153, 19. September 2012 – 5 AZR 924/11 -, Rn. 17, NZA 2013, 156) festzuhalten (von Medem NZA 2013, 345, 348; zweifelnd: ErfK-Preis § 194 – 218, Rn. 18). § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nicht dahingehend auszulegen, dass in der Erhebung einer Bestandsschutzklage zugleich eine Erhebung der Klage auf Leistung der davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs zu sehen ist.

(aa) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche im Sinne des Tarifvertrags „gerichtlich geltend“ macht und damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist wahrt.

(bb) Diese für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht auf die Verjährungsvorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu übertragen.

§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist – anders als tarifliche Regelung zu Ausschlussfristen – nicht dahingehend auszulegen, dass bereits eine die Durchsetzung des Anspruchs lediglich vorbereitende Klage die Verjährung unterbricht. Nach dem Wortlaut bedarf es einer Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Damit ist der Anspruch selbst gemeint, eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. Allen in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgeführten prozessualen Handlungen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar den Anspruch zum Gegenstand haben müssen, dessen Verjährung unterbrochen werden soll. Das entspricht dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu bewahren. Das Gesetz hat an die gerichtliche Geltendmachung die Unterbrechung der Verjährung angeknüpft, weil der Berechtigte durch positive Betätigung seines Rechts unmissverständlich zu erkennen gibt, dass und in welchem Umfang er sein Recht durchsetzen will (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Für eine analoge Anwendung ist mangels Regelungslücke kein Raum (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 -, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4). Eine Analogie kann nicht daraus hergeleitet werden, dass den Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO, § 17 TzBfG nach dem Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dieselbe Wirkung wie einer den Anspruch unmittelbar betreffenden Klage beizumessen ist. Die Kündigungsschutzklage ist wie auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO oder eine Befristungskontrollklage nicht auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Eine andere Auslegung ist aus Verfassungsgründen nicht zwingend geboten. Der Arbeitnehmer wird nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt, wenn das gesetzliche Erfordernis, eine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage zu erheben, nicht durch die Bestandsschutzklage gewahrt wird. Darin liegt keine übersteigerte Obliegenheit, da eine solche Klage dem Arbeitnehmer möglich und auch unter Berücksichtigung des Kostenrisikos zumutbar ist. Angesichts der erheblich längeren Dauer der Verjährungsfristen gibt es nur wenige Fälle, in denen der Kündigungsrechtsstreit bei Ablauf der Verjährungsfrist noch nicht beendet ist (von Medem NZA 2013, 345, 348). Die weit überwiegende Zahl der Kündigungsschutzverfahren wird vor Ablauf von drei Jahren abgeschlossen. In den wenigen anderen Fällen können die Arbeitnehmer ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie die Vergütungsansprüche im Wege uneigentlicher Hilfsanträge verfolgen. Werden vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche im Rahmen von Hilfsanträgen geltend gemacht, wirken sich diese nicht streitwerterhöhend aus, wenn die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages abgewiesen wird. Ein unechter Hilfsantrag ist bei der Berechnung der Gerichtskosten und der Anwaltskosten nur dann streitwerterhöhend zu bewerten, wenn über ihn entschieden wurde oder er Gegenstand eines Vergleichs der Parteien ist (LAG Berlin-Brandenburg 20. April 2012 – 26 Ta 535/12 – zitiert nach Juris).

Von daher sollten  für den Fall, dass die Verjährung droht, gleich als  uneigentlichen Hilfsantrag  mit der Kündigungschutzklage geltend gemacht werden.

Rechtsanwalt  A.Martin

LAG Hessen: Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung von Lohnzahlungsansprüchen

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Wer sich mittels Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehrt,  wahrt auch  eventuell bestehende tarifvertragliche Ausschlussfristen  im Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche.  dies gilt nun nicht nur für die erste Stufe der Ausschlussfristen, sondern auch bei zweistufigen Ausschlussfristen für die zweite Stufe ( gerichtliche Geltendmachung), so nun jüngst das BAG (Urteil vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07).

Verjährung

Die Ausschlussfrist ist streng von der Verjährung zu unterscheiden.  Die Verjährung ist eine Einrede  und muss erhoben werden. Die Ausschlussfrist prüft das Gericht – auch ohne Erhebung – von Amts wegen.  Auch ist die Verjährung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten  selten ein Problem.  Da die Ausschlussfristen meist viel kürzer sind als die Verjährungsfristen, stellen diese häufig eine Hürde für die Geltendmachung zum Beispiel von Lohnansprüchen des Arbeitnehmers dar.

Hemmung der Verjährung durch Kündigungsschutzklage

Es stellt sich nun die Frage, wenn nun doch ein Fall vorliegt, bei dem die Durchsetzung von Lohnansprüchen von der Verjährung abhängt,  ob die Erhebung der Kündigungschutzklage die Verjährung gehemmt, also eine ähnliche Wirkung hat, wie in Bezug auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen.

 Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hessen

Das hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 9.4.2013 – 8 Sa 1389/12)  entschied,  dass eine Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung der Annahmeverzugslohn Ansprüche des Arbeitnehmers hemmt und führt dazu aus:

2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn ist verjährt.

a) Die dreijährige Verjährungsfrist begann für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2003 und für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2004.

aa) Für den streitgegenständlichen Annahmeverzugslohnanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). ………………….

b) Die Verjährungsfrist lief für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2006 und für die Annahmeverzugslohnansprüche für das Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2007 ab. Sie war weder gehemmt noch hat ihr Lauf neu begonnen.

aa) Die Verjährung war weder durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch gemäß § 206 BGB durch höhere Gewalt gehemmt. …………

(a) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Die Hemmung tritt nur für den geltend gemachten Anspruch, also den Streitgegenstand der erhobenen Klage ein (BAG 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 –, Rn. 26, AP BGB § 280 Nr. 10 = NZA 2012, 377). Eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Aus diesem Grund hemmt die Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 –, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4; BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5).

(b) Daran ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197 = NZA 2011, 354) und der sich anschließenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Ausschlussfristen (19. September 2012 – 5 AZR 627/11 -, Rn. 13, NZA 2013, 101 = ZTR 2013, 153, 19. September 2012 – 5 AZR 924/11 -, Rn. 17, NZA 2013, 156) festzuhalten (von Medem NZA 2013, 345, 348; zweifelnd: ErfK-Preis § 194 – 218, Rn. 18). § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nicht dahingehend auszulegen, dass in der Erhebung einer Bestandsschutzklage zugleich eine Erhebung der Klage auf Leistung der davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs zu sehen ist.

(aa) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche im Sinne des Tarifvertrags „gerichtlich geltend“ macht und damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist wahrt.

(bb) Diese für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht auf die Verjährungsvorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu übertragen.

§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist – anders als tarifliche Regelung zu Ausschlussfristen – nicht dahingehend auszulegen, dass bereits eine die Durchsetzung des Anspruchs lediglich vorbereitende Klage die Verjährung unterbricht. Nach dem Wortlaut bedarf es einer Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Damit ist der Anspruch selbst gemeint, eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. Allen in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgeführten prozessualen Handlungen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar den Anspruch zum Gegenstand haben müssen, dessen Verjährung unterbrochen werden soll. Das entspricht dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu bewahren. Das Gesetz hat an die gerichtliche Geltendmachung die Unterbrechung der Verjährung angeknüpft, weil der Berechtigte durch positive Betätigung seines Rechts unmissverständlich zu erkennen gibt, dass und in welchem Umfang er sein Recht durchsetzen will (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Für eine analoge Anwendung ist mangels Regelungslücke kein Raum (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 -, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4). Eine Analogie kann nicht daraus hergeleitet werden, dass den Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO, § 17 TzBfG nach dem Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dieselbe Wirkung wie einer den Anspruch unmittelbar betreffenden Klage beizumessen ist. Die Kündigungsschutzklage ist wie auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO oder eine Befristungskontrollklage nicht auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Eine andere Auslegung ist aus Verfassungsgründen nicht zwingend geboten. Der Arbeitnehmer wird nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt, wenn das gesetzliche Erfordernis, eine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage zu erheben, nicht durch die Bestandsschutzklage gewahrt wird. Darin liegt keine übersteigerte Obliegenheit, da eine solche Klage dem Arbeitnehmer möglich und auch unter Berücksichtigung des Kostenrisikos zumutbar ist. Angesichts der erheblich längeren Dauer der Verjährungsfristen gibt es nur wenige Fälle, in denen der Kündigungsrechtsstreit bei Ablauf der Verjährungsfrist noch nicht beendet ist (von Medem NZA 2013, 345, 348). Die weit überwiegende Zahl der Kündigungsschutzverfahren wird vor Ablauf von drei Jahren abgeschlossen. In den wenigen anderen Fällen können die Arbeitnehmer ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie die Vergütungsansprüche im Wege uneigentlicher Hilfsanträge verfolgen. Werden vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche im Rahmen von Hilfsanträgen geltend gemacht, wirken sich diese nicht streitwerterhöhend aus, wenn die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages abgewiesen wird. Ein unechter Hilfsantrag ist bei der Berechnung der Gerichtskosten und der Anwaltskosten nur dann streitwerterhöhend zu bewerten, wenn über ihn entschieden wurde oder er Gegenstand eines Vergleichs der Parteien ist (LAG Berlin-Brandenburg 20. April 2012 – 26 Ta 535/12 – zitiert nach Juris).

Von daher sollten  für den Fall, dass die Verjährung droht, gleich als  uneigentlichen Hilfsantrag  mit der Kündigungschutzklage geltend gemacht werden.

Rechtsanwalt  A.Martin

LAG Nürnberg: Anspruch auf Schadenersatz wegen Mobbing nach 2 Jahren verwirkt

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Wer nach mehr als 2 Jahren noch Ansprüche auf Schadenersatz wegen Mobbing geltend machen möchte, hat unter Umständen schlechte Karten. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg (Urteil vom 28.10.2013 – 5 SA 525 / 11) entschied nämlich, dass ein solcher Anspruch verwirkt sei.

regelmäßige Verjährungsfrist

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt zwar hier 3 Jahre. Dies ist die äußerste Grenze für die Geltendmachung derartiger Ansprüche.

Ausschlussfristen aus dem Arbeitsvertrag / Tarifvertrag

Ansprüche können aber auch aufgrund von tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen verfallen sein (von wenigen Ausnahmen abgesehen, z.B. vorsätzliche unerlaubte Handlung).

Verfallfristen nach dem AGG

Fallen die Mobbinghandlungen unter § 1 AGG (Benachteiligungsmerkmale), dann sind die Ansprüche innerhalb von 2 Monaten (§ 15 Abs. 4 AGG) geltend zu machen.

Verwirkung

Die Verwirkung kann eingreifen, wenn keine Verfallfristen und Ausschlussfristen bestehen, so wie im Fall, den das LAG Nürnberg zu entscheiden hatte. Auch wenn das Urteil des LAG dies vermuten lässt, ist es dogmatisch nicht „sauber“ die Verwirkung automatisch nach einem bestimmten Zeitraum – hier nach 2 Jahren – anzunehmen. Für die Verwirkung muss immer ein Zeit- und ein Umstandsmoment vorliegen. Das LAG begründet die Verwirkung hier mit den langen Zeitablauf (2 Jahre) und dem Argument, dass ja – wenn ein Benachteiligungsmerkmal nach § 1 AGG vorliegt – nur 2 Monate Zeit für die Geltendmachung bleiben und darüber hinaus, der Arbeitgeber nach langem Zeitablauf nicht mehr mit der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Mobbing rechnen muss.

RA A. Martin

Sinn und Zweck von Ausschlussfristen im Arbeitsrecht

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In vielen Arbeitsverträgen findet man Ausschlussfristen. Darüber hinaus benannten fast alle Tarifverträge, meist am Ende , tarifvertragliche Ausschlussfristen. Vielen Arbeitnehmern ist dies nicht bewusst. Häufig werden dann die Arbeitsverträge / Tarifverträge von den Arbeitnehmern nicht sorgfältig gelesen, wobei sicherlich auch viele Arbeitnehmer gibt, die auch die entsprechenden Formulierungen nicht verstehen.

Es ist drauf hinzuweisen, dass wenn kein Tarifvertrag Anwendung findet, und der Arbeitsvertrag eine Ausschlussfrist beinhaltet, dass viele Klauseln, die von Arbeitgebern verwendet werden unwirksam sind. Generell sind Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen traditionell zulässig. D.h., dass im Rahmen der AGB Kontrolle durch die Arbeitsgerichte sind Ausschlussfristen nicht von vorne rein unzulässig. Allerdings werden diese streng durch die Arbeitsgerichte überprüft, insbesondere auf ausreichende Transparenz / Bestimmtheit und ob sich nicht aufgrund der Ausschlussfristen ein unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers ergibt.

Hiergegen wird in der Praxis häufig verstoßen. Auch das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass jede Stufe eine Ausschlussfrist (siehe doppelte Ausschlussfristen) wenigstens 3 Monate betragen muss. Häufig sind die Formulierung auch ungenau und unbestimmt oder es steht noch nicht einmal im Text, welche Konsequenzen die Versäumung der Fristen hat.

Der Sinn und Zweck von Ausschlussfristen besteht darin, dass beide Seiten, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sich möglichst schnell und umfassend einen Überblick verschaffen können, inwieweit noch gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. Die Ausschlussfristen dienen von daher der Rechtsklarheit und dem Rechtsfrieden, so jedenfalls das Bundesarbeitsgericht. Ich halte dies nicht für überzeugend. In den meisten anderen Rechtsgebieten gibt es keine Ausschlussfristen, was mich dazu führt, dass dort keine Rechtsklarheit oder kein Rechtsfrieden herrscht. Hier bildet die Grenze für die Geltendmachung von Forderungen die Verjährung bzw. die Verwirkung. Dies wäre auch im Arbeitsrecht ausreichend.

In der Praxis hat sich gerade gezeigt, dass durch kurze Ausschlussfristen in Tarifverträgen Arbeitnehmer benachteiligt werden, die den Inhalt des Tarifvertrages nicht kennen. Hier wird derjenige „bestraft“, der gegenüber dem Arbeitgeber „nachsichtig“ ist und z.B. seinen Lohnanspruch nicht sofort geltend macht. Auch wissen viele ausländische Arbeitnehmer in Deutschland (die Erfahrung habe ich mit polnischen Arbeitnehmern oft gemacht) gar nicht, was eine Ausschlussfrist ist.

Anwalt A. Martin

Scheinselbstständigkeit und Haftung des Arbeitgebers für nicht gezahlte Sozialversicherungsabgaben

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In der Praxis kommt die Scheinselbstständigkeit häufig vor. Dies gilt vor allem im Baubereich. Auf dem Bau arbeiten vor allem Personen aus Osteuropa, die genaugenommen Arbeitnehmer und nicht selbst ständig sind. Über die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und freien Mitarbeiter/Selbstständigen hatte ich ja bereits berichtet.

Die Frage ist nun welche Konsequenzen ist für den Arbeitgeber hat, wenn sich zum Beispiel über eine Klage des Arbeitnehmers oder über ein sozialversicherungsrechtliches Statusverfahren herausstellt, dass der „freie Mitarbeiter“ in Wirklichkeit als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist.

Konsequenzen für den Arbeitgeber bei Scheinselbstständigkeit

Neben strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen ist die Rechtsfolge für den Arbeitgeber vor allem im Hinblick auf  Sozialversicherungsbeiträge meistens existenzgefährdend. Dies gilt vor allem deshalb, da der Arbeitgeber grundsätzlich für die gesamten Sozialversicherungsbeiträge seit Beginn des Vertragsverhältnisses im vollen Umfang haftet (§ 28 e SGB IV). Eine Ausnahme kann bei rechtzeitigem Antrag im Statusverfahren gelten. Dies kommt in der Praxis allerdings selten vor. Insbesondere haftet der Arbeitgeber auch gemäß § 42 d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes für die gesamte Lohnsteuer.

Der Arbeitgeber muss weiter den Vorsteuerabzug aus der Umsatzsteuer des Auftragnehmers dem Finanzamt zurückerstatten

Verjährung?

Die Verjährung der Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge beträgt grundsätzlich vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Zu beachten ist allerdings, dass in vielen Fällen Vorsatz seitens des Arbeitgebers vorliegen dürfte und in diesem Fall beträgt die Verjährung 30 Jahre.

Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer?

Ein Rückgriffsanspruch auf den Arbeitnehmer besteht grundsätzlich nach dem Gesetz schon, allerdings ist dieser kaum durchsetzbar. Nach § 28 g SGB IV kann der Anspruch nur durch Abzug von Arbeitsentgelt bei den nächsten 3 Gehaltszahlungen geltend gemacht werden. Weiter ist zu bedenken, dass zum Beispiel bei Ansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer gemäß § 670 BGB (z.B. bei nachträgliche  Zahlung der Lohnsteuer auch für den Arbeitnehmer) ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer in der Praxis meistens nicht durchsetzbar ist. Dies ist deshalb so, da häufig arbeitsvertragliche beziehungsweise tarifvertragliche Ausschlussfristen gelten, die dann den Anspruch des Arbeitgebers ausschließen (z.B. im BRTV-Bau – § 15).

Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer bei Falschangaben

Darüber hinaus  kommt ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nur unter den Voraussetzungen des § 826 BGB in Betracht, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer vorsätzlich falsche Angaben gegenüber dem Arbeitgeber gemacht hat. Solche Fälle kommen der Praxis selten vor.

Rückforderungsansprüche bei höherer Zahlung an Arbeitnehmer?

Häufig ist es der Praxis so, dass der Arbeitgeber dem Scheinselbstständigen zuvor eine Vergütung gezahlt hat, die in der Regel höher ist als die Arbeitsvergütung (Lohn). Die Differenz zwischen dem Arbeitslohn und dieser Vergütung kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht mehr zurückfordern (BAG in NZA 1987,16). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn unterschiedliche Vergütungsordnung für Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter bestehen. Dies ist in der Praxis sehr selten.

Festzuhalten bleibt, dass für den Arbeitgeber die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Scheinselbstständige zunächst lohnend erscheint, dass allerdings bei einer Klage des Arbeitnehmers beziehungsweise einem Statusverfahren, welches der Arbeitnehmer unproblematisch einleiten kann, sich erhebliche finanzielle Belastungen für den Arbeitgeber ergeben können.

Anwalt Martin

 

Ausschluss der Verjährungseinrede im Arbeitsrecht?

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Ausschluss der Verjährungseinrede im Arbeitsrecht?

Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer oder auch der Arbeitgeber die Einrede der Verjährung im Arbeitsgerichtsprozess (dies geschieht – anders als bei der Ausschlussfrist – nicht von Amts wegen)  geltend machen und wird damit Erfolg haben, wenn die Forderung tatsächlich verjährt ist. Die Frage ist hier nun, ob Fälle denkbar sind, bei denen es einer Seite verwehrt ist, die Einrede der Verjährung zu erheben?

Verjährungseinrede und Verwirkung des Rechts auf Erhebung der Verjährung

Eine „Verwirkung der Verjährungseinrede“ ist möglich. Wichtig ist aber, dass dies nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.  Grundsätzlich können sich beide Seiten immer auf die Einrede der Verjährung berufen ohne das dieses Recht eingeschränkt ist. Grundsätzlich ist es nämlich so, dass z.B. der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht darauf hinweisen muss, dass ein Anspruch des Arbeitnehmers demnächst verjährt (BAG, Urteil vom 7.05.1986, AP BAT § 4 Nr. 12).

Rechtsmißbrauch

Das berufen auf die Verjährung kann aber rechtsmißbräuchlich sein, wenn z.B. der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer den nachvollziehbaren Anschein geschaffen hat, dass er sich nicht auf die Verjährung berufen wird und dadurch den Arbeitnehmer von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abhält (BAG, Urteil vom 18.03.1997, AP BGB § 217 Nr.1).

Rechtsanwalt Martin- Arbeitsrecht Berlin

Siehe auch zum Thema: Welche Verjährungsfristen gelten im Arbeitsrecht?