Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Betriebsbedingte Kündigung bei Betriebsschließung

Stilllegung eines Betriebs und Kündigung der Arbeitnehmer
Bei der Schließung eines Betriebs durch den Arbeitgeber werden in der Regel betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Es stellt sich dann die Frage für den Arbeitnehmer, wie hoch die Chancen sind hier sich erfolgreich mittels Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung zu wehren.
betriebsbedingte Kündigung
Wichtig ist zu wissen, dass es hier keine schematische Lösung gibt. Die betriebsbedingte Kündigung ist auf ihre Wirksamkeit hin zu prüfen und es kommt immer auf den Einzelfall an.
Sozialauswahl entfällt bei Betriebsschließung
Wenn aber klar ist, dass tatsächlich der komplette Betrieb aufgegeben wird und auch kein Betriebsübergang vorliegt und alle Arbeitnehmer entlassen werden sollen und dies auch in irgendeiner Weise nachvollziehbar ist, spricht einiges dafür, dass ein betriebsbedingte Kündigung berechtigt ist. Insbesondere ist dabei zu beachten, dass bei der Entlassung der kompletten Belegschaft wegen Betriebschließung eine Sozialauswahl unter den Arbeitnehmern nicht mehr notwendig ist.
Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen
Von einer betriebsbedingt Kündigung spricht man dann, wenn der Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Erfordernissen dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt.
Kündigungsschutzgesetz
Eine betriebsbedingte Kündigung ist dann vorgesehen, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Für das Kündigungsschutzgesetz ist Voraussetzung, dass im Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit abzüglich der Auszubildenden arbeiten und das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht. Dies sind die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.
Wenn die Voraussetzungen vorliegen, kann der Arbeitgeber nur aus drei Gründen kündigen. Er kann personenbedingt kündigen, verhaltensbedingt und betriebsbedingt. In der Praxis ist die betriebsbedingte Kündigung eine häufige Kündigungsart. Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung braucht der Arbeitgeber keinen Grund für die Kündigung. Es sei denn, dass Sonderkündigungsschutz vorliegt.
Gründe für betriebsbedingte Kündigung
Der Arbeitgeber muss bei der betriebsbedingten Kündigung eine unternehmerische Entscheidung zum Beispiel zur Personalreduzierung nachweisen und darlegen und auch dringende betriebliche Erfordernisse, die zum Ausspruch der Kündigung geführt haben.
Wegfall des Arbeitsplatzes
Insbesondere muss der Arbeitgeber darlegen und im Zweifel nachweisen, inwieweit seine Entscheidung zur Personalreduzierung konkret zum Wegfall des Arbeitsplatzes des gekündigten Arbeitnehmers geführt hat. Der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer kann auf unterschiedlichen Ursachen beruhen.
Umorganisation des Betriebs
In der Regel sind dies außerbetriebliche Ursachen, wie zum Beispiel der Auftragsrückgang oder aber auch innerbetriebliche Ursachen, wie zum Beispiel eine Umorganisation des Betriebs.
Im Unterschied zu Kurzarbeit, die von einem vorübergehenden Wegfall des Arbeitsplatzes ausgeht, muss bei einer betriebsbedingten Kündigung der Arbeitsplatz dauerhaft wegfallen.
Wie oben bereits dargelegt, ist die Besonderheit bei der Betriebschließung die, dass letztendlich alle Arbeitnehmer entlassen werden und der Betrieb stillgelegt wird.
Betriebsübergang
Zu unterscheiden ist die reine Betriebschließung von einen Betriebsübergang. Bei Betriebsübergang gehen die Arbeitsverhältnisse auf den neuen Erwerber über. Der Arbeitnehmer hat hier entsprechende Widerspruchsmöglichkeit und muss auch belehrt werden.
Massenentlassungsanzeige
Für den Fall das eben kein Betriebsübergang vorliegt, sondern tatsächlich der Betrieb stillgelegt werden soll, ist die Kündigung für den Arbeitgeber etwas einfacher. Er muss aber beachten, dass in der Regel eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG notwendig ist.
Interessenausgleich und Sozialplan
Weiter wird der Arbeitgeber-wenn im Betriebs ein Betriebsrat vorhanden ist -mit diesen über ein Interessenausgleich/Sozialplan verhandeln. In der Regel ist beim Vorliegen eines Betriebsrates es fast immer so, dass die Arbeitnehmer über einen Sozialplan eine Abfindung wegen der betriebsbedingten Kündigung erhalten.
Gibt es keinen Betriebsrat, sieht die ganze Angelegenheit schon erheblich negativer für die Arbeitnehmer aus.
keine Sozialauswahl bei Betriebsschließung notwendig
Im Unterschied zur normalen Kündigung, ist bei der kompletten Betriebschließung eine Sozialauswahl nicht mehr erforderlich. Der Grund ist der, dass ja alle Arbeitnehmer entlassen werden.
Entscheidung des LAG Düsseldorf
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG Düsseldorf Urteil – 3 Sa 282/22, Pressemitteilung vom 21.2.2023) hatte nun über einen solchen Fall zu entscheiden. Hier sollte ein Bergbaubetrieb geschlossen werden und der Arbeitnehmer, der davon betroffen war, klagte gegen diese betriebsbedingte Kündigung und wandte auch ein, dass er letztendlich rechtsmissbräuchlich von Seiten des Arbeitgebers behandelt wird.
Das Landesarbeitsgericht sah dies anders und führte dazu aus:
In dem Rechtsgespräch wies heute der Vorsitzende der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf darauf hin, dass die Berufung des Klägers nur geringe Erfolgsaussichten hat. Es liege der klassische Grund für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung vor, nämlich eine Betriebsschließung. Eine Sozialauswahl sei aufgrund der vollständigen Schließung nicht vorzunehmen. Formelle Fehler der Kündigung bestünden nicht. Es spreche zudem wenig für den vom Kläger mit der Berufung angeführten Rechtsmissbrauch. Die Beklagte sei aufgrund ihrer unternehmerischen Freiheit berechtigt gewesen, die organisatorische Entscheidung zu treffen, den „Servicebereich Rückzug“ abzuspalten. Dies sei zudem unter Beteiligung des Betriebsrats erfolgt, was indiziell gegen Rechtsmissbrauch spreche. Die Zuordnung der Beschäftigten zur Grubenwasserhaltung und dem „Servicebereich Rückzug“ sei nicht willkürlich, zumal der zuletzt genannte Betrieb nach der Abspaltung insgesamt zwei Jahre lang weiter bestand.
Auf der Basis dieser rechtlichen Einschätzung haben die Parteien sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2021 bei moderater Aufstockung der Sozialplanabfindung von 43.322,56 Euro brutto auf eine Gesamtabfindung von 55.000,00 brutto Euro verständigt.
https://www.justiz.nrw/JM/Presse/presse_weitere/PresseLArbGs/21_02_2023_/index.php
Anmerkung:
Letztendlich konnte der Arbeitnehmer doch noch etwas mit der Klage erreichen, da sein im Sozialplan vorgesehen Abfindung dann aufgrund eines Vergleichs vor dem LAG um zirka 12.000 Euro erhöht wurde.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Was passiert, wenn die Befristung um einen Tag überschritten wird?
Viele Arbeitsverhältnisse werden befristet geschlossen. Die Befristung erfolgt dann fast immer ohne Sachgrund. Hier darf bis zu 2 Jahre ohne Grund befristet werden.
verspätet geschlossener Arbeitsvertrag
In der Praxis passieren hier aber oft Fehler. Ein häufiger Fehler besteht z.B. darin, dass der Arbeitnehmer zunächst zu arbeiten beginnt und dann der Arbeitsvertrag unterzeichnet wird. Hier kommt dann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande.
falsche Verlängerung der Befristung
Weiter wird oft die Verlängerung der Befristung mit der Änderung von Arbeitsbedingungen verbunden. Auch damit ist die Befristung unwirksam.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber die Befristung um 1 Tag überschreitet, hat das LAG Düsseldorf entschieden.
Überschreitung des Befristungszeitraumes um einen Tag
Ein ehemaliger Anwalt wurde ab dem 5.9.2016 für 6 Monate (sachgrundlos) befristet beim Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingestellt.
In der Zeit vom 05.09.2016 bis zum 23.09.2016 besuchte der Kläger eine Schulung in Nürnberg. Hierzu reiste der in Düsseldorf wohnhafte Arbeitnehmer/ Kläger im Einvernehmen mit dem BAMF bereits am Sonntag, den 04.09.2016 an. Das BAMF erstattete dem Arbeitnehmer/Kläger die Reisekosten und die Hotelkosten für die Übernachtung vom 04.09.2016 auf den 05.09.2016.
Nach Qualifizierung zum „Entscheider“ arbeitete der Arbeitnehmer/ Kläger ab dem 21.01.2017 weiter.
Mit einer Vereinbarung aus Februar 2017 wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer/ Klägers bis zum 04.09.2018 verlängert.
Nach Ablauf dieser Befristung erhielt der Arbeitnehmer/ Kläger keine unbefristete Stelle mehr. Seine Bewerbung war erfolglos.
Daraufhin erhob der Kläger sog. Entfristungsklage (Befristungskontrollklage) auf Feststellung, dass seine Arbeitsverhältnis nicht durch Befristung zum 4.9.2018 endete.
Der Kläger war mit der Klage erfolgreich und gewann letztendlich vor dem LAG Düsseldorf.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 09.04.2019 – 3 Sa 1126/18) führt dazu in seiner Pressemitteilung aus:
Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger ist unwirksam. Diese ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Diese Zeitdauer war hier um einen Tag überschritten, weil die Dienstreise am 04.09.2016 bereits Arbeitszeit war.
Die einvernehmliche und von der Arbeitgeberin bezahlte Dienstreise wurde nicht in der Freizeit des Klägers, sondern bereits innerhalb des Arbeitsverhältnisses erbracht. Sie war Teil der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB. Das Arbeitsverhältnis hatte damit nicht erst am 05.09.2016, sondern bereits am 04.09.2016 begonnen.
Der Zwei-Jahres-Zeitraum endete mit Ablauf des 03.09.2018. Die Überschreitung der Höchstdauer von zwei Jahren für die sachgrundlose Befristung auch um nur einen Tag aufgrund der Dienstreise führt dazu, dass mit dem Kläger ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.
Anmerkung:
Laut dem LAG begann das Arbeitsverhältnis nicht, wie im Arbeitsvertrag vereinbart, erst ab dem 5.9.2016, sondern schon durch die tatsächliche Arbeitsaufnahme. Diese sieht das Gericht in den Antritt der Dienstreise am Sonntag den 4.9.2016. Dafür spricht eben auch, dass der Arbeitgeber genau diesen Tag auch bezahlt hat.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Verkäuferin fingiert Pfandbon über 3,25 EUR – Kündigung wirksam!
Die Arbeitnehmerin war seit 1998 beim Arbeitgeber als stellvertretende Filialleiterin und Kassiererin beschäftigt. Dem Arbeitgeber fiel auf, dass Waren wegkamen, gerade, wenn die Klägerin/ Arbeitnehmerin Dienst hatte. Daraufhin wurde mit Zustimmung des Betriebsrates der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin mittels Videokamera überwacht.
Dabei fiel auf, dass die Arbeitnehmerin sich eine Einweg-Pfandflasche nahm, die sich als „Musterpfandflasche“ ständig im Kassenbereich befindet, und diese über den Scanner ihres Kassenarbeitsplatzes zog. Damit führte diese eine Leergutregistrierung durch, öffnete sodann die Kassenlade und nahm Geld aus der Kasse, das sie zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche steckte. Die Arbeitnehmerin erstellte sich bei diesem Vorgang einen Kassenbon über eine Pfandbonauszahlung in Höhe von insgesamt 3,25 EUR für 13 Pfandflaschen.
Als der Arbeitgeber dies – bei Auswertung der Videoaufzeichnung – feststellte, kündigte er der Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis fristlos aus außerordentlichem Grund.
Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und verlor in beiden Instanzen.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 7.12.2015 7 Sa 1078/14 führte dazu aus:
Die Berufung ist auch begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt und der eigenen Einlassung der Klägerin steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass die Klägerin am 18.12.2013 zu ihren Gunsten einen Pfandbon erstellt und sich 3,25 € aus der Kasse genommen hat, ohne zuvor Leergut in die dafür vorgesehene Leergutbox gelegt zu haben. Ein Beweisverwertungsverbot besteht nicht. Die Beklagte hat die zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung maßgeblichen Fristen eingehalten und den Betriebsrat ordnungsgemäß auch zu einer Tatkündigung angehört. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung muss auch die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten ausgehen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher abzuändern. Im Einzelnen ist unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens und der vor der Berufungskammer durchgeführten Beweisaufnahme Folgendes auszuführen:
Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (vgl. BAG, Urteil vom 16.12.2010, 2 AZR 485/08, Rn. 18; Urteil vom 10.10.2010, 2 AZR 541/09, Rn. 26, jeweils zitiert nach juris). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (vgl. BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 153/11, zitiert nach juris).
……Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der streitgegenständliche Kündigungsvorwurf an sich geeignet, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen. Erstellt ein Arbeitnehmer einen falschen Pfandbon, um sich unter Verletzung des Vermögens seines Arbeitgebers das Pfandgeld rechtswidrig zuzueignen, verletzt er in besonders gravierender Weise seine vertraglichen Pflichten. Der mit einer derartigen Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch ist auch bei einem geringfügigen Schaden jedenfalls dann besonders gravierend, wenn der betreffende Arbeitnehmer gerade damit betraut ist, die Vermögensinteressen des Arbeitgebers zu wahren, wie dies bei einer Kassiererin der Fall ist. Die Erstellung eines falschen Pfandbons durch eine Kassiererin setzt ein aktives Verhalten des Arbeitnehmers zur Täuschung des Arbeitgebers unter Ausnutzung der übertragenen Vertrauensstellung im Hinblick auf die Vermögensinteressen des Arbeitgebers voraus, das ein besonderes Maß an krimineller Energie beinhaltet. Eine derartige Pflichtverletzung ist auch bei einem geringen Schaden ein schwerwiegender Vertrauensmissbrauch, der an sich geeignet ist, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen.
Anmerkung:
Auch nach der Emmely-Entscheidung gibt es immer noch die sog. Bagatellkündigung. Obwohl es keine absoluten Kündigungsgründe gibt; d.h. nicht immer rechtfertigt ein Diebstahl eine außerordentliche Kündigung, können auch die Unterschlagung und / oder der Diebstahl geringwertiger Sachen eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen. Es kommt aber auf den Einzelfall an. Hier war die Besonderheit, dass die Arbeitnehmerin als stellvertretende Filialleiterin gerade die Vermögensinteressen des Arbeitgebers wahren sollte. Wer in solcher Position eine Straftat gegen das Vermögen des Arbeitgebers begeht, muss mit einer außerordentlichen Kündigung rechnen. Das Vertrauensverhältnis ist hier in der Regel zerstört. Dies sollte man beachten.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Düsseldorf: Abfindungen nach dem „Windhundprinzip“ zulässig!
Der Kläger war im Bereich IT bei der Beklagten tätig. Die Beklagte wollte rund 1.600 von 9100 stellen abbauen und führte ein sog. offenes Abfindungsprogramm nach dem „Windhundprinzip“ (Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“) ein. Danach konnte sich jeder Arbeitnehmer, der gegen Abfindung ausscheiden wollte bei der Beklagten per E-Mail unter Verwendung eines bestimmten Formblattes melden. Winhundprinzip deshalb, da nur eine bestimmte / begrenzte Anzahl von Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung ausscheiden konnten. Sollten mehr Interessenten als Plätze im Kontingent vorhanden sein, sollte es auf den zeitlichen Eingang der Anmeldungen ankommen; also die „schnellsten“ Arbeitnehmer sollten die Plätze bekommen.
Im Bereich IT sollten 7 Stellen abgebaut werden.
Der Kläger meldet sich per E-Mail beim Arbeitgeber und erhielt eine Anmeldebestätigung mit Eingang 13:07:53:560 Uhr. Später teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger nicht berücksichtigt werden könne, weil seine Meldung zu einer Zeit eingetroffen sei, als es keine freien Plätze mehr im zur Verfügung stehenden Kontingent gegeben habe (letzte Vergabe für 13:01:09:603 Uhr).
Damit wollte sich der Kläger aber nicht abfinden und erhob Klage zum Arbeitsgericht und zwar auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 298.777,00 Euro (!).
Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte keinen Erfolg.
Das LAG Düsseldorf (Urteil 12.4.2016, 14 Sa 1344/15) führte dazu in der Pressemitteilung (PM vom 12.04.2016) u.a. aus:
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Arbeitgeber in Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat Mitarbeitern das Ausscheiden gegen Abfindung anbietet, die Anzahl der ausscheidenden Mitarbeiter begrenzt und die Auswahl nach dem zeitlichen Eingang der Meldungen trifft. Dies gilt selbst dann, wenn durch das Abstellen auf Millisekunden nach menschlichem Ermessen die exakte Eingangszeit nicht bis ins Letzte zu beeinflussen ist. Da kein Anspruch auf ein Ausscheiden gegen eine Abfindung besteht, ist der Arbeitgeber – abgesehen von unzulässigen Diskriminierungen, die hier nicht gegeben sind – frei, wie er die Auswahl gestartet.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Düsseldorf: Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Äußerung “ … wie vor 70 Jahren“ nicht rechtmäßig!
Eine Betriebsratsmitglied (beschäftigt in der Altenpflege) äußerte sich per E-Mail zum Arbeitgeber, der eine Überwachung in den Pflegebereichendass installieren wollte, um zu erfassen, wie viel Zeit zwischen den Klingeln des Gepflegten bis zum Eintreffen mit Arbeitnehmer vergeht, wie folgt:
„Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann. (…)“
Als derArbeitgeber von dem Inhalt der E-Mail des Betriebsratsmitgliedes erfuhr, beantragte er beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsmitglieds. Der Betriebsrat verweigerte aber die Zustimmung zur Kündigung. Daraufhin beantragte der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung bei Gericht.
Der Arbeitgeber verlor sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht.
Das LAG Düsseldorf (Beschluss vom 4.3.2016, 10 Ta BV 102/15) führt dazu aus (Pressemitteilung vom 4.3.2016):
Diesen Antrag hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ebenso wie das Arbeitsge-richt Oberhausen zurückgewiesen. Ein Grund zur fristlosen Kündigung des Betriebs-ratsmitglieds liegt nicht vor. Zutreffend ist, dass ein Vergleich betrieblicher Verhält-nisse mit dem nationalsozialistischen Terrorregime in der Regel ein Grund für eine fristlose Kündigung ist. Eine solche Gleichsetzung ist in der E-Mail vom 21.04.2015 nicht enthalten. Das Betriebsratsmitglied warnt vielmehr vor einer möglichen künfti-gen Entwicklung und knüpft damit allenfalls an die Verhältnisse der Weimarer Repu-blik an. Es geht ihm darum, dass man Entwicklungen von Beginn an beobachten muss „bevor etwas aus dem Ruder läuft.“ Eine solche Äußerung ist von der Mei-nungsfreiheit geschützt. Die übrige Kritik des Betriebsratsmitglieds, u.a. an der von diesem behaupteten und von der Arbeitgeberin bestrittenen Unterbesetzung im Ta-ges- und Nachtdienst enthält zulässige Werturteile, die sich im Rahmen seiner Funk-tionen als Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied halten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
„Der Arbeitgeber behandelt uns wie Sklaven“ – Kündigung unwirksam!
Der Arbeitnehmer arbeitet beim Arbeitgeber (Paketzustellungsunternehmen) als Teamleiter. Der Arbeitgeber wirft dem Arbeitnehmer vor, dass dieser im September 2014 vor dem Betriebstor Flugblätter verteilt haben soll, in denen u.a. folgend Aussagen getätigt wurden:
„ Der Arbeitgeber behandelt uns wie Sklaven“
„Den Aushilfen werden ihre elementaren Rechte genommen …
„(der Arbeitgeber) kauft sich einen unternehmensfreundlichen Betriebsrat“
Der Arbeitgeber kündigte daraufhin; die erste Kündigung scheiterte aber an einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung. Danach kündigte der Arbeitgeber nochmals aus verhaltensbedingten Gründen.
Gegen die Kündigung wehrte sich der Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Er behauptete, dass er die Flugblätter nicht verteilt habe.
Ein Zeuge sagte aber später in der Beweisaufnahme aus, dass er vom Kläger/ Arbeitnehmer ein Flugblatt erhalten aber (aber nicht in der Öffentlichkeit oder am Betriebstor).
Das Arbeitsgericht Duisburg gab dem Arbeitnehmer Recht. Die hiergegen vom Arbeitgeber eingereichte Berufung zum LAG Düsseldorf (Urteil vom 16.11.2015 – 9 Sa 832/15) blieb ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf führte dazu aus, dass zwar eine Diffamierung und Beleieidung des Arbeitsgebers ausreichend für eine verhaltensbedingte Kündigung sein kann, hier aber der Arbeitnehmer das Flugblatt nicht in der Öffentlichkeit verteilt hatte, sondern einen Arbeitskollegen privat übergeben habe. Dies reiche nicht für eine verhaltensbedingte Kündigung aus.
Anmerkung:
In der Tat macht es einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer am Werktor steht und derartige Flugblätter an Arbeitskollegen verteilt und damit zum Ausdurck bringt, dass er sich derartige Äußerungen zu eigen macht und zur Verbreitung dieser Aussagen beiträgt oder ob er „privat“ ein Flugblatt an einen Kollegen weiterreicht (Nach dem Motto: „Schau mal, was hier steht!“). Das Vorgehen mittels einer Verdachts- und Tatkündigung wäre hier wohl aus Sicht des Arbeitgebers sinnvoll gewesen. Vielleicht hätte der Sachverhalt für eine Verdachtskündigung ausgereicht.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Düsseldorf: private, kostenpflichtige Anrufe mit Geschäftstelefon – Kündigung?
Eine Arbeitnehmerin / Klägerin war seit dem 1.2.14 beim Arbeitgeber als Bürokauffrau tätig. Im Betrieb war es gestattet, über die Telefonanlage des Arbeitgebers private Anrufe zu tätigen. Der Anruf bei kostenpflichtigen Sonderrufnummern war weder ausdrücklich genehmigt noch untersagt; hierzu gab es keine Anweisung im Betrieb.
Die Arbeitnehmerin rief im Januar 2015 bei einem lokalen Radiosender an und nahm dort an einen kostenpflichtiges, telefonisches Gewinnspiel teil. Dies geschah in den Arbeitspausen, aber vom betrieblichen Telefon des Arbeitgebers. Jeder Anruf kostete pauschal 0,50 EUR. Diese Kosten fielen dem Arbeitgeber zur Last.
Die Telefonrechnung des Betriebes wies für Januar 2015 insgesamt 37 Einheiten (37 x 0,50 Euro) auf. Die kostenpflichtigen Telefonverbindungen wurden per Lastschrift vom Arbeitgeber eingezogen. Für Sonderrufnummern scannte die Arbeitnehmerin die Rechnungen ein, ohne auf die von ihr getätigten kostenpflichtigen Anrufe bei dem Gewinnspiel hinzuweisen.
Dem Geschäftsführer des Arbeitgebers fielen dann die 37 Anrufe bei der kostenpflichtigen Sonderrufnummer auf und er befragte dazu die Arbeitnehmerin. Diese leugnete zunächst die Anrufe getätigt zu haben, am nächsten Morgen räumte sie diese aber ein und bot an die € 18,50 zu erstatten.
Der Arbeitgeber kündigte darauf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin/ Arbeitnehmerin fristlos und hilfsweise fristgerecht und ordentlich.
Die Arbeitnehmerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und klagte nur gegen die fristlose Kündigung. Im Kündigungsschutzverfahren räumte die Klägerin die Anrufe ein, bestritt aber die Anzahl der von ihr getätigten Anrufe.
Das Arbeitsgericht gab der Klage der Klägerin statt mit der Begründung, dass es keine eindeutige Regelung für die private Nutzung der Telefonanlage gegeben habe.
Dem schloss sich das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 16.09.2015- 12 Sa 630/15) an und führte in seiner Pressemitteilung (vom 16.09.2015) aus:
Es liegt zwar eine Pflichtverletzung vor. Auch wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz gestattet ist, ist es pflichtwidrig, diese Gestattung dazu zu benutzen, um bei einer kostenpflichtigen Gewinnspielhotline anzurufen. Die Pflichtverletzung hatte zur Überzeugung der Kammer in diesem Fall aber nicht das Gewicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Umstand, dass bei der Beklagten der Umfang der Privatnutzung betrieblich nicht geregelt war, minderte den Verschuldensvorwurf gegenüber der Klägerin. Zu berücksichtigen war weiter, dass die Anrufe in den Arbeitspausen erfolgten, so dass nicht von einem Arbeitszeitbetrug auszugehen war. Die Beklagte hatte zudem weder vor dem Arbeitsgericht noch vor der erkennenden Kammer trotz des Bestreitens der Klägerin die genaue Anzahl der ihr zuzurechnenden Anrufe ausreichend dargelegt.
Anmerkung:
Das Hauptproblem für den Arbeitgeber war die – aus Arbeitgebersicht – nachteilige Regelung über die Benutzung der betrieblichen Telefonanlage. Aber selbst mit einer entsprechenden Regelung wäre es hier für den Arbeitgeber, was die fristlose Kündigung angeht, „knapp“ geworden. Die Entscheidung zeigt auch, wie hoch die Anforderungen an eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers sind. Weshalb die Arbeitnehmer hier sich nicht gegen die ordentliche Kündigung gewehrt hat, ist nicht nachvollziehbar. In der Praxis wird aber nicht selten übersehen, dass in einer Kündigungserklärung, in der eine fristlose Kündigung und eine hilfsweise ordentliche Kündigung enthalten sind, insgesamt 2 Kündigungen enthalten sind, gegen die sich der Arbeitnehmer wehren muss, wenn der feststellen lassen möchte, dass alle Kündigungen in der Erklärung unwirksam sind.
LAG Düsseldorf: Wann sind Umkleide- und Waschzeit vergütungspflichtige Arbeitszeit?
Ein als Kfz-Mechaniker tätiger Arbeitnehmer war aufgrund einer Betriebsvereinbarung verpflichtet spezielle Arbeitskleidung während der Arbeit (mit Firmenlogo) zu tragen. Die Kleidung wurde vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und dort auch gewaschen.
Strittig war, ob die Kleidung auch mit nach Hause genommen und privat getragen werden durfte. Auch verblieb die Firmenkleidung im Betrieb.
Der Arbeitnehmer meinte nun, dass die Umkleidezeit pro Tag bei Beginn 5 Minuten betrage und beim Arbeitsende insgesamt 15 Minunten, davon 10 min für das Duschen (Waschzeit), da die Arbeit mit einer starken Verschmutzung verbunden sei.
Daraus ergäbe sich für die Zeit von März 2014 bis Oktober 2014 ein Anspruch in Höhe von insgesamt 750,08 EUR brutto und zwar für zu vergütende Umkleide- und Waschzeiten.
Da der Arbeitgeber eine Zahlung ablehnte, klagte der Arbeitnehmer. Das Arbeitsgericht Oberhausen gab dem Arbeitnehmer Recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung der € 750,08 brutto.
Vor dem LAG Düsseldorf (AZ 3.8.15, 9 Sa 425/15) kam es zu einem Vergleich. Das Landesarbeitsgericht wies zuvor auf Folgendes hin:
Umkleidezeiten
Umkleidezeiten sind zu vergüten, wenn das Umziehen fremdnützig, also im Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Dies ist dann der Fall, wenn die Dienstkleidung während der Arbeitszeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zu tragen und die private Nutzung ausgeschlossen sei.
Hier sah das LAG einen Anspruch des Arbeitnehmers aufgrund der Betriebsvereinbarung.
Waschzeiten
Maßgeblich ist, ob das Duschen hier ebenfalls fremdnützig – also im Interesse des Arbeitgebers – sei. Problematisch ist aber, wann dies der Fall ist. Dabei spielt der Grad der Verschmutzung des Arbeitnehmers eine Rolle. Man könnte hier darauf abstellen, ob das Waschen / Duschen zwingend hygienisch notwendig ist.
Hier hatte das LAG Zweifel an den Anspruch des Arbeitnehmers, da ja gerade die Dienstkleidung vor der Verschmutzung schützen sollte.
Am Ende schlossen die Parteien einen Vergleich wonach die Umkleidezeiten von insgesamt 10 min pro Arbeitstrag zu vergüten waren.
Anwalt Andreas Martin
LAG Düsseldorf: 1 Monat Ausschlussfrist im Insolvenzplan ist wirksam
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 3.7.2014, 5 Sa 225/14) hat entschieden, dass eine Ausschlussfrist in einem Insolvenzplan von 1 Monat wirksam ist.
Diese Ausschlussfrist umfasst – nach der Meinung des LAG Düsseldorf – auch Schadenersatzansprüche von Arbeitnehmern, die wegen der Anwendung der verkürzten Kündigungsfrist des § 113 InsO entstanden sind.
RA A. Martin
Arbeitgebers ein Arbeitszeugnis nach dem Formulierungsvorschlag des Arbeitnehmers zu erteilen – nicht vollstreckungsfähig
Anders als das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 9.9.2011 – 3 AZB 35/11) hält das Landesarbeitsgericht (Beschluss vom 4.3.2014 – 13 Ta 646/13) einen Vergleich nicht für vollstreckungsfähig. Wenn im Vergleich formuliert ist, dass sich der Arbeitgeber verpflichtet dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis – nach einem noch vom Arbeitnehmer zu erstellenen Formulierungsvorschlag – zu erstellen.
Das LAG hält diese Formulierung für zu unbestimmt.
RA A. Martin