„Die Abfindung ist vererblich.“ Was ist damit gemeint?

Der Anspruch auf Zahlung der Abfindung ist vererblich.
In vielen Aufhebungsverträgen, aber auch bei gerichtlichen Vergleichen über die Zahlung einer Abfindung findet man diese oder ähnliche Formulierungen:
„Der Anspruch auf Zahlung der Abfindung ist bereits entstanden und vererblich.“
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
Die Frage, ob ein Abfindungsanspruch vererblich ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht bisher uneinheitlich beantwortet worden.
9. Senat des BAG
Der 9. Senat des Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 26.8.1997 – 9 AZR 227/96,) ist der Auffassung, dass der Anspruch auf Zahlung der Abfindung nicht bereits mit Abschluss des Vertrages, sondern erst mit dem vereinbarten Ausscheidenstermin entsteht, wenn im Aufhebungsvertrag kein früherer Entstehungszeitpunkt bestimmt ist.
2. Senat des BAG
Anders hat dies der 2. Senat des Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 22.5.2003 – 2 AZR 250/02) für den Fall entschieden, dass der Abfindungsanspruch in einem Prozessvergleich tituliert geregelt war und der Arbeitnehmer vor dem im Abfindungsvergleich festgelegten Auflösungszeitpunkt verstarb. Hier ging das BAG nicht davon aus, dass die Abfindung vererblich ist.
Vererblichkeit der Abfindung- Klausel hat große Auswirkungen
Dies ist kein bloßer theoretischer Streit, sondern kann in der Praxis erhebliche Auswirkungen haben.
Beispiel:
Im Aufhebungsvertrag ist eine Abfindung in Höhe von € 100.000 für den Arbeitnehmer vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endet nach dem Aufhebungsvertrag zum 30.6.2020. Eine Regelung, wonach die Abfindung vererblich ist, gibt es dort nicht.
Nun verstirbt der Arbeitnehmer am 15.06.2020 am Corona-Virus. Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG würden die Erben des Arbeitnehmers keinen Anspruch auf die Zahlung der Abfindung haben. Die 100.000 Euro wären weg.
Anders wäre dies, wenn im Aufhebungsvertrag gestanden hätte:
„Der Anspruch auf Zahlung der Abfindung ist vererblich.“
Abfindung- Risiko bei falscher Formulierung im Aufhebungsvertrag/ Vergleich
Von daher ist bei fehlender Formulierung im Vergleich / Aufhebungsvertrag zu beachten, dass bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers der Anspruch auf Zahlung der Abfindung nicht entstehen und von den Erben durch Erbfolge nicht erworben werden kann. Zumindest besteht ein nicht kalkulierbares Risiko (siehe Entscheidung des 2. Senats des BAG).
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin – Anwalt in Berlin Marzahn-Hellersdorf
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Ein Gedanke zu „„Die Abfindung ist vererblich.“ Was ist damit gemeint?“
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19. Januar 2021 um 16:23
[…] der Hälfte aller Fälle in diesem Gütetermin eine vergleichsweise Einigung durch Zahlung einer Abfindung für die Kündigung erledigt werden. Von daher hat dieser Termin eine erhebliche Bedeutung für den […]