freie Mitarbeit

Wer A sagt, muss auch B sagen – „EMPLOYMENT CONTRACT“ ist Arbeitsverhältnis

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Wer A sagt, muss auch B sagen - „EMPLOYMENT CONTRACT“ ist Arbeitsverhältnis
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

freie Mitarbeit und Arbeitnehmerstellung

In der Praxis ist manchmal strittig, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder nur eine freie Mitarbeit. Entscheidend für die Einordnung ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach und neue Arbeitsformen, z.B. das Crowdworking, werfen die Problematik immer wieder auf bis auch hier eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.

Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

Auch für den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten spielt die Einordnung als Arbeitsverhältnis oder freies Mitarbeiterverhältnis eine Rolle.

Streitigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses sind nämlich ausschließlich beim Arbeitsgericht auszutragen. Man spricht hier von sogenannten Rechtsweg. Auch der Scheinselbständige kann vor dem Arbeitsgericht verklagt werden.

Fall des hessischen Landesarbeitsgerichts zur Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

Das hessische Landesarbeitsgericht hatte nochmals klargestellt, dass wenn die Parteien den zwischen ihnen bestehenden Vertrag als Arbeitsverhältnis bezeichnen, an diese Bezeichnung gebunden sind, insbesondere dann, wenn auch der restliche Teil des Vertrages, wie ein Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. In diesem Fall kommt es nicht so sehr darauf an, ob tatsächlich das Vertragsverhältnis, wie ein Arbeitsverhältnis gelebt wurde.

Falschbezeichnung ist im Normalfall unerheblich

Häufiger sind allerdings die Fälle, bei denen zum Beispiel ein Vertragsverhältnis als freies Mitarbeiterverhältnis bezeichnet ist und tatsächlich aber dieses, wie ein Arbeitsverhältnis gelebt wird. Es liegt dann eine Scheinselbstständigkeit vor. Hier kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses an, was also die Parteien letztendlich tatsächlich leben. Die Bezeichnung allein verhindert nicht, dass ein Gericht das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifiziert.

steht Arbeitsverhältnis über den Vertrag dann wird es so behandelt

Wie oben ausgeführt, ging es hier aber um den umgekehrten Fall. Hier hatten die Parteien das Vertragsverhältnis zwischen ihnen als Arbeitsverhältnis bezeichnet (auf Englisch „EMPLOYMENT CONTRACT“) und die Beklagte wandte sich nun gegen eine Klage des Vertragspartners mit dem Argument, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht geöffnet sei, da gar kein Arbeitsverhältnis tatsächlich gelebt wurde. Nur die Bezeichnung deutete darauf hin.

Entscheidung des LAG Hessen

Dies sah das Landesarbeitsgericht Hessen (Beschluss vom 1.02.2022 – Az 19 Ta 507/21) anders. Wenn die Parteien das Vertragsverhältnis das Arbeitsverhältnis bezeichnen, dann kann sich – zumindest für die Frage des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten – keine Seite darauf berufen, das faktisch kein Arbeitsverhältnis durchgeführt wurde, wenn auch der Inhalt des Vertrages, wie ein Arbeitsvertrag gestaltet ist.

Begründung des Landesarbeitsgerichts

Das LAG Hessen führte dazu aus:

Anders ist dies jedoch im umgekehrten Fall, in dem die Vertragsparteien einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag abschließen und für ein Arbeitsverhältnis typische Rechte und Pflichten im Vertrag regeln. Haben die Parteien – wie hier – ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 694/12 – Rn. 19, juris). Dass die Beklagte zu 1. das ihr vertraglich zustehende Weisungsrecht nicht ausgeübt hat, steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ist nur maßgebend, wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern z. B. als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet. Das beruht darauf, dass ein tatsächlich bestehendes Arbeitsverhältnis durch Parteivereinbarung nicht dem Geltungsbereich des zwingenden Arbeitnehmerschutzes entzogen werden kann. Hieraus folgt aber nicht, dass ein Rechtsverhältnis, das als Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, durch bloße Nichtausübung der Weisungsrechte zu einem freien Dienstverhältnis wird. Wollen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses ihre Rechtsbeziehungen künftig als freies Dienstverhältnis fortsetzen, müssen sie das hinreichend klar unter Beachtung von § 623 BGB vereinbaren (BAG, Beschluss vom 25. Januar 2007 – 5 AZB 49/06 – Rn. 12, NZA 2007, 580; BAG, Urteil vom 12. September 1996 – 5 AZR 1066/94 – Rn. 25, BAGE 84, 108; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Rn. 5; ErfK/Preis BGB § 611a Rn. 21). Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend nicht ersichtlich.

Beschluss vom 1.02.2022 – Az 19 Ta 507/21

Anmerkung:

Als Arbeitgeber sollte man nur in Ausnahmefällen einen Arbeitsvertrag in englischer Sprache abschließen. Allein schon bei der Übersetzung ins Englische und „Rückübersetzung“ ins Deutsche für das Arbeitsgericht tuen sich diverse Fehlerquellen auf.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

freier Mitarbeiter – Abgrenzung zum Arbeitnehmer

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freier Mitarbeiter – Abgrenzung zum Arbeitnehmer

Die Unterscheidung zwische freien Mitarbeit und Arbeitnehmereigenschaft hat in der Praxis eine große Bedeutung. Gerade im Hinblick auf die Abfuhr von Sozialversicherungsabgaben für den Auftraggeber beim freien Mitarbeiter bietet die freie Mitarbeiterschaft eine Möglichkeit um die Ausgaben für den Auftraggeber zu reduzieren. Bei der Abgrenzung zwischen der freien Mitarbeiterschaft vom Arbeitnehmer kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung des Auftragsverhältnis/ Arbeitsverhältnis an und nicht darauf, was vertraglich zwischen den Parteien geregelt ist.

Arbeitnehmer – freier Mitarbeiter – Bedeutung in der Praxis

Häufig wird in der Praxis ein Arbeitnehmer „ausgelagert“, um die Sozialversicherungsabgaben zu sparen. Auf dem Papier ist dieser dann freier Mitarbeiter, faktisch aber noch Arbeitnehmer. Vorherrschend ist von daher die Irrtum, dass – aufgrund der vertraglichen Regelung – die Angelegenheit „sicher“ ist und es allein darauf ankommt, was man („auf den Papier“) geregelt hat, dies ist nicht richtig. Entscheidend ist, wie das Auftragsverhältnis tatsächlich aussieht.

Ein anderer Vorteil des freien Mitarbeiters kann darin bestehen, ob für ausländische Arbeitnehmer das Verbot der Tätigkeit als Arbeitnehmer in Deutschland zu umgehen. In Deutschland dürfen z.B. die Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten (z.B. aus Polen) noch nicht ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt werden („die sog. 2+3+3-Regelung“). Das Verbot endet 2011. Dieses Verbot gilt aber nur für Arbeitnehmer und nicht für Selbstständige. Von daher wird dies hier massiv umgangen, vor allem im Bereich des Baugewerbes, bei Haushaltshilfen und auch im fleischverarbeitenden Gewerbe. Aber auch hier kommt es nicht so sehr darauf an, was auf dem „Papier“ steht,sondern wie es in der Praxis dem „Arbeitsalltag“ aussieht.

Abgrenzungskriterien zwischen Arbeitnehmer und freien Mitarbeiter

Der freie Mitarbeiter ist selbstständig tätig. Er ist nicht – wie der Arbeitnehmer – persönlich abhängig. Der Arbeitnehmer ist organisatorisch in die Betriebsabläufe des Arbeitgebers eingegliedert. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach.

Die Abgrenzung zwischen beiden kann man anhand folgender einer Merkmalliste vornehmen:

  • persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Auftraggeber
  • unternehmerische Eigenverantwortlichkeit mit ohneWeisungsfreiheit des Auftraggebers
  • Anmeldung eines Gewerbes
  • eigene Werbung
  • Beschäftigung von Hilfskräften
  • Tätigkeit mit eigenen Betriebsmitteln (Werkzeug / Arbeitskleidung / Fahrzeugen)
  • selbstständige  Bestimmung von Art, Ort, Zeit und Weise der Arbeit,
  • Tätigkeit für mehrere Auftraggeber

Liegen sowohl Merkmale vor, die für eine Beschäftigung sprechen als auch solche Merkmale, die eher auf die Selbstständigkeit deuten, kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen.

Statusklärung  § 7a SGB IV

Der Arbeitgeber selbst hat zu prüfen, ob eine freie Mitarbeit oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Kommt er zu dem Ergebnis, dass eine freie Mitarbeit vorliegt, muss er sozialversicherungstechnisch nichts veranlassen. Das Risiko liegt aber beim Auftraggeber stellt sich später nämlich heraus, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt, kann muss er mit einer Nachzahlung der Sozialversicherungsabgaben (Arbeitnehmer und Arbeitgeberanteile) rechnen.

Um dieses Risiko einzuschränken,kann der Auftraggeber eine sog. Statuserklärung von der BfA einholen.

Die Statusklärung soll allen Beteiligten Rechtssicherheit verschaffen, ob sie selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt sind. Diese Statusfeststellung können nur die Vertragspartner beantragen, nicht Dritte einholen. Für das Verfahren ist Schriftform vorgeschrieben. Vordrucke sind bei den Krankenkassen oder direkt bei der BfA in Berlin zu erhalten. Gegen den Bescheid ist der Widerspruch und später die Klage möglich.

Update 2021:

Das Bundeskabinett hat am 01.06.2016 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung in geänderter Fassung verabschiedet. Dort findet man nun auch in § 611 a BGB die Definition des Arbeitnehmersbegriffs:

§ 611a Arbeitsvertrag

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Rechtsanwalt A. Martin – Arbeitsrecht Berlin