Zeitarbeit
BAG- Vergütung von Leiharbeitern

Das Wichtigste vorab:
Nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz haben Leiharbeiter einen Anspruch auf die gleiche Bezahlung wie ein Stammmitarbeiter in dem Betrieb, in dem Sie eingesetzt sind, sofern der Ihnen in Qualifikation, Berufserfahrung und ausgeübter Tätigkeit ähnelt. Dies nennt man Equal-Pay-Grundsatz oder Gleichstellungsgrundsatz.
Was regelt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Vergütung der Leiharbeiter?
Der wichtigste Grundsatz zur Vergütung von Leiharbeitnehmer, der im Gesetz verankert ist, ist der Gleichstellungsgrundsatz. Dieser ist in § 8 des AÜG geregelt. Dort heißt es:
Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.
Was bedeutet der Gleichstellungsgrundsatz?
Der Grundsatz der Gleichstellung bedeutet, dass der Arbeitgeber, also die Zeitarbeitsfirma, dem Arbeitnehmer das gleiche Gehalt zahlen muss, wie ein vergleichbarer Stammmitarbeiter in dem Betrieb bekommt. Vergleichbar ist ein Arbeitnehmer dann, wenn er dem Stammmitarbeiter in Qualifikation und Kompetenz (Ausbildung und Berufserfahrung) ähnelt und im Betrieb ähnliche Aufgaben ausführt.
Darf vom Equal-Pay-Grundsatz aufgrund eines Tarifvertrags abgewichen werden?
Gesetzlich ist eine solche – auch negative – Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz geregelt und zwar für den Fall, dass ein Tarifvertrag Anwendung findet. Geregelt ist dies ist § 8 Abs. 2 AÜG. Dort steht:
Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. (§ 8, Abs. 2 AÜG)
Ist eine solche Abweichung durch das Europarecht gedeckt?
Dies ist die Frage, welche das Bundesarbeitsgericht nun dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat. Denn Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären (Grundsatz der Gleichbehandlung).
Welchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht zur Zeitarbeit und der Gleichstellung beim Lohn zu entscheiden?
Eine Zeitarbeitnehmerin war von April 2016 bis April 2017 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bei einer Leiharbeitsfirma als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Die Mitarbeiterin war einem Unternehmen des Einzelhandels für dessen Auslieferungslager als Kommissioniererin überlassen. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin einen Stundenlohn von 9,23 Euro brutto. Aufgrund tarifvertragliche Regelungen erhielt die Klägerin nicht die gleiche Vergütung eines vergleichbaren Stammarbeiters. Dort wäre der Stundenlohn € 13,64 brutto. Diesen wollte sie haben und zwar mit der Begründung, dass die tarifvertragliche Regelung über ihren Lohn (Verringerung) gegen Europarecht und zwar gegen den Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG verstoße.
Das Arbeitsgericht hat die Klage der Leiharbeitnehmerin abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage beim BAG weiter.
Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) hat keine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen, da der Ausgang der Angelegenheit von der Frage abhängig ist, ob hier ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt. Das BAG hat gemäß Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ersucht.
Was hat das BAG dazu in der Pressemitteilung ausgeführt?
In der Pressemitteilung Nr. 48/20 vom 16.12.2020 führt das Bundesarbeitsgericht dazu folgendes aus:
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären (Grundsatz der Gleichbehandlung). Allerdings gestattet Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie den Mitgliedsstaaten, den Sozialpartnern die Möglichkeit einzuräumen, Tarifverträge zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern beim Arbeitsentgelt und den sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen. Eine Definition des „Gesamtschutzes“ enthält die Richtlinie nicht, sein Inhalt und die Voraussetzungen für seine „Achtung“ sind im Schrifttum umstritten. Zur Klärung der im Zusammenhang mit der von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG verlangten Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern aufgeworfenen Fragen* hat der Senat entsprechend seiner Verpflichtung aus Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ersucht.
weitreichende Konsequenzen
Die Entscheidung des EuGH könnte weitreichende Auswirkungen auf die Praxis haben. Wenn der EuGH hier einen Verstoß gegen Unionsrecht feststellt, dann wird es zukünftig für Leiharbeitsfirmen äußerst schwierig weniger an Lohn als nach dem Gleichstellungsgrundsatz zu zahlen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin
Einigung über Reform zur Leiharbeit und Werkverträgen
Nach langem Hin und Her hat sich die Koalition nun auf neue Regeln für die Leiharbeit und Werkverträge geeinigt.
Zeitarbeit: Höchstüberlassungsdauer
Eine Dauerentleihung von Zeitarbeitnehmern darf es künftig nicht mehr geben. Die maximale Entleihdauer beträgt nun 18 Monate.
tarifliche Öffnungsklauseln
In Tarifverträgen sollen abweichende Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulässig sein. Von der Obergrenze der Verleihdauer von 24 Monaten soll nur dann durch Tarifvertrag abgewichen werden dürfen, wenn der Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen eine abweichende Obergrenze ausdrücklich festlegt.
Equal Pay – Prinzip
Nach einer Verleihdauer von 9 Monaten gilt, dann „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für den Leiharbeitnehmer. Der Zeitarbeitnehmer hat dann Anspruch auf den gleichen Lohn, wie die Stammbelegschaft.
Zeitarbeiter – keine Streikbrecher mehr
Der Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher ist nun ausgeschlossen, so die Gesetzesvorlage.
Werkverträge: genaue Definition
Bei Werkverträgen soll nun Anhand von Kriterien festgelegt werden, wann tatsächlich solcher Vertrag und wann ein normales sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt.
Rechtsanwalt Andreas Martin
BAG: kein Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher bei ihm nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung
Über die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg zur Frage, ob eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung dazu führt, dass zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zu Stande kommen, wenn der Arbeitgeber (Verleiher) den Arbeitnehmern nicht nur vorübergehend überlässt, hatte ich bereits berichtet. Grundlegend hatte das LAG B-W dazu im Jahr 2012 entschieden (11 SA 24/12).
nicht nur vorübergehende Überlassung
Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass dies nicht dazu führt, dass der Leiharbeitnehmer faktisch zum Arbeitnehmer des Entleihers wird und zwischen beiden ein Arbeitsverhältnis zu Stande kommen. Diese Rechtsfolge sieht das Bundesarbeitsgericht nur, so wie dies das Gesetz auch vorgibt, wenn der Verleiher keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt.
In seiner Pressemitteilung für das BAG (Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 -) dazu folgendes aus:
Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. Das Unionsrecht gibt kein anderes Ergebnis vor. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) sieht keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie überlässt die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG den Mitgliedstaaten. Angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen obliegt deren Auswahl dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen.
Gerade bei der Zeitarbeit ist derzeit viel in Bewegung. Die Entscheidung des BAG schließt eine lang diskutierte Unsicherheit der Branche. Leider erfolgen viele Arbeitnehmerüberlassung eben nicht nur vorübergehend, sondern gezielt um einen tatsächlichen Bedarf dauerhaft zu bedienen. Es sind aber noch viele andere Rechtsfragen vom BAG zur Zeitarbeit zu entscheiden, so dass es auch in der Zukunft interessant bleibt.
RA A. Martin
Mindestlöhne für Zeitarbeit ab Januar 2012
Ab Januar 2012 gibt es für die Zeitarbeitsbranche Mindestlöhne nach langer Zeit über die Verhandlungen über die Lohnuntergrenzen. Die Tarifvertragsparteien haben beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Vorschlag eingereicht. Der Vorschlag basiert auf dem „Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen in der Zeitarbeit“ vom 9. März 2010 und 30. April 2010. Ab dem 1. Januar 2012 wird durch Verordnung des Bundesarbeitsministerium die Mindestlöhne Zeitarbeit allgemeinverbindlich in Kraft treten.
Mindestlöhne für die Zeitarbeitsbranche ab dem 1.1.2012
Ab dem 1.1.2012 gelten dann folgende Mindestlöhne für die Zeitarbeitsbranche:
Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.10.2012
in den neuen Ländern: 7,01 Euro
in den übrigen Bundesländern: 7,89 Euro
Zeitraum vom 1.11.2012 bis zum 31.10.2013
in den neuen Ländern: 7,50 Euro
in den übrigen Bundesländern: 8,19 Euro
Rechtsanwalt A. Martin
Vorsicht Zeitarbeit – kurze Ausschlussfristen für Arbeitslohn beachten!
Vorsicht Zeitarbeit – Ausschlussfristen für Arbeitslohn beachten!
– RA Arbeitsrecht in Berlin – Anwalt A. Martin –
In Zeiten der Wirtschaftskrise arbeiten immer mehr Arbeitnehmer bei Zeitarbeitsfirmen. In den Arbeitsverträgen wird meist am Anfang des Vertrages auf die hier geltenden Tarifverträge (meist BZA oder iGZ) verwiesen. Dies wird meist von den Arbeitnehmern nicht beachtet, da meist kein ausdrücklicher Hinweis auf zu beachtende Ausschlussfristen erfolgt.
Wenn es nun Probleme mit dem Arbeitgeber (Zeitarbeitsfirma) gibt, dann schieben viele Arbeitnehmer diese Probleme vor sich her, da sie das Arbeitsverhältnis nicht „belasten“ möchten. So wird – wenn Arbeitslohn aussteht – meist auch nicht gemahnt oder der ausstehende Arbeitslohn eingeklagt.
Lohnklage bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Zeitarbeitsfirma
Ist aber das Arbeitsverhältnis beendet, was meistens dann auf eine Kündigung der Zeitarbeitsfirma zurückzuführen ist, dann möchte der Arbeitnehmer noch alle ihm zustehenden Ansprüche, insbesondere auch den Anspruch auf Zahlung des noch ausstehenden Arbeitslohnes geltend machen. Mit Erstaunen stellt der Arbeitnehmer dann aber meistens fest, dass die Ansprüche bereits verfallen sind. Im Tarifvertrag finden sich nämlich sehr kurze Ausschlussklauseln.
Manteltarifvertrag Zeitarbeit (iGZ) – Ausschlussfrist von 1 x 1 Monat
So lautet z.B. § 10 des Manteltarifvertrages der iGZ wie folgt:
„§ 10 Ausschlussfristen
Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis
in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb einer
Ausschlussfrist von einem Monat nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen
Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch
schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der
Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von
einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht
wird.“
Wer rechnet mit einer so kurzen Ausschlussfrist?
Faktisch haben wir hier eine Ausschlussfrist, die ähnlich, wie die Ausschlussfristen nach dem BRTV-Bau, formuliert sind, aber eben sehr kurz. Beim Bundesrahmentarifvertrag Bau beträgt die Frist immerhin 2 x 2 Monate. Fast kaum ein Arbeitnehmer kennt diese kurzen Fristen oder rechnet damit.
1 Monat für die außergerichtliche schriftliche Geltendmachung
1 Monat für die Klage vor dem Arbeitsgericht
Konsequenzen der Ausschlussfristen in der Zeitarbeit?
Wird die Ausschlussfrist versäumt, besteht in den meisten Fällen kaum eine Chance den Arbeitslohn noch vor dem Arbeitsgericht erfolgreich geltend machen zu können. Das Arbeitsgericht berücksichtigt die Ausschlussfristen von Amts wegen (anders als z.B. bei der Verjährung – auf die man sich berufen muss).
Rechtsanwalt in Berlin – Arbeitsrecht Berlin – Anwalt A. Martin