Eigenkündigung
Rückzahlung von Weiterbildungskosten bei Kündigung durch den Arbeitnehmer
Rückzahlung von Fortbildungskosten bei Kündigung durch den Arbeitnehmer
Die Rückzahlung von Fortbildungskosten / Ausbildungskosten nach einer Kündigung durch den Arbeitnehmer ist ein häufiges Problem aus der Praxis. Zu der Rückzahlungspflicht in Bezug auf die vom Arbeitgeber ausgelegter Weiterbildungskosten gibt es eine Vielzahl von Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits mehrfach dazu entschieden und die Hürden für den Arbeitgeber eine solche Rückzahlung zu erreichen, sind recht hoch. Insbesondere muss eine Rückzahlungsklausel sorgsam formuliert sein, damit diese tatsächlich Bestand hat.
hohe Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers
Bereits im Jahr 2014 hatte das Bundesarbeitsgericht die Voraussetzungen für eine wirksame Klausel (Rückzahlung von Fortbildungskosten) dargelegt.
neue Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zur Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Nun gibt es eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022 zu der Frage, ob der Arbeitnehmer bei einer eigenen Kündigung die Fortbildungskosten zurückzahlen muss, wenn in einer Klausel dazu steht, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich bei jeder eigenen Kündigung, die nicht vom Arbeitgeber zu vertreten ist, zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet ist.
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Fall zugrunde:
Eine Arbeitnehmerin war in einer Reha-Klinik als Altenpflegerin beschäftigt. Die Parteien schlossen am 10. Februar 2019 einen Fortbildungsvertrag, dem zufolge die Beklagte in der Zeit vom 4. Juni bis zum 3. Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen an einer Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ teilnehmen sollte. Die Fortbildungskosten betrugen 4.090,00 Euro, welche von der Arbeitgeberin bezahlt wurden. Im Fortbildungsvertrag wurde folgende Klausel vereinbart:
„§ 3 Bindungsfrist und Rückzahlungsfrist
(1)
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.(2)
Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag.Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.
(3)
Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.…“
Bundesarbeitsgericht
Eigenkündigung der Arbeitnehmerin und Rückzahlung von Ausbildungskosten
Die Arbeitgeberin wollte nach der Eigenkündigung der Arbeitnehmerin die Rückzahlung der Weiterbildungskosten in Höhe von rund € 2.000. Die Arbeitnehmerin lehnte dies ab und der Arbeitgeber hob daraufhin Klage auf Rückzahlung der Fortbildungskosten vor dem Arbeitsgericht.
BAG – Klausel ist unzulässig
Das Bundesarbeitsgericht hielt die obige Klausel, obwohl diese schon-Im Gegensatz sich viele anderen Klauseln in der Praxis-recht sorgfältig formuliert ist, für unzulässig.
keine Differenzierung bei Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers
Der Grund für die Unzulässigkeit liegt darin, dass dort nur steht, dass bei allen Gründen bei der Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat, eine Rückzahlung zur Folge hat.
Kündigung aus gesundheitlichen Gründen durch den Arbeitnehmer
Vergessen ist vom Arbeitgeber worden, dass es ja auch Fälle geben kann, wo zum Beispiel der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen kann und kündigt. Die gesundheitliche Gründe hat der Arbeitgeber auch nicht zu vertreten, allerdings ist dies nicht die Schuld des Arbeitnehmers. Da die Klausel hier nicht entsprechend differenziert, ist diese grundsätzlich insgesamt unwirksam.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21) führte dazu folgendes aus:
§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des Fortbildungsvertrags knüpft die Rückzahlungspflicht an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers, die nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund beruhen (vgl. BAG 28. September 2017 – 8 AZR 67/15 – Rn. 62). Der Anwendungsbereich der Klausel erstreckt sich damit auch auf eine Kündigung, die der Arbeitnehmer ausspricht, weil er unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage ist, die Qualifikation, die er mit der vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildung erworben hat, im Rahmen der vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu nutzen.
§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des Fortbildungsvertrags ist nicht teilbar und deshalb einer einheitlichen Kontrolle nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu unterziehen. Sie erfasst in ihrem – den Fall der vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung ausnehmenden – Anwendungsbereich nicht verschiedene, nur äußerlich zusammengefasste Regelungen, sondern inhaltlich und sprachlich alle Fälle der Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Nähme man Streichungen vor, entfiele die Anspruchsgrundlage insgesamt (vgl. BAG 13. Dezember 2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 32 f.).
Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21
Anmerkung:
Wichtig, dass man versteht, dass die Klausel unwirksam ist, weil (theoretisch) der Arbeitnehmer, der aus krankheitsbedingten Gründen kündigt, unangemessen benachteiligt würde. Dabei ist es unerheblich, ob hier ein solcher Fall vorliegt oder nicht. Es reicht aus, dass dieser Fall nicht in der Klausel erfasst ist, obwohl die Arbeitnehmerin – wie hier – aus anderen Motiven kündigt.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Kündigung und Krankschreibung – was geht nicht mehr?
Krankschreibung nach Kündigung
Die Kündigung und die Krankschreibung bzw. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fallen oft zusammen. Nicht selten handelt es sich dabei um eine krankheitsbedingte Kündigung. Der Arbeitnehmer ist vom Arbeitgeber enttäuscht und holt sich vom Arzt eine Bescheinigung seiner Arbeitsunfähigkeit passgenau nach Zugang der Arbeitgeberkündigung. Die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit verpflichtet zunächst dem Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Denkbar ist auch der umgekehrte Fall, dass nämlich der Arbeitnehmer selbst kündigt und sodann nach der Kündigung arbeitsunfähig ist und dann einen Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Kündigung hat. Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, erhält er zunächst Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und später Krankengeld.
Nach der neuesten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes kann dies aber mittlerweile durchaus dazu führen, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch mehr auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat.
Warum dies so ist, erfahren Sie hier!
Kündigung während der Krankschreibung
Eine Kündigung während der Krankschreibung ist zulässig und nach dem deutschen Arbeitsrecht nicht verboten. Wenn auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, dann kann eine Kündigung des Arbeitgebers während Krankschreibung nur aus 3 Kündigungsgründen erfolgen. Der Arbeitgeber kann eine personenbedingte Kündigung aussprechen. Ein häufiger Fall ist dabei die krankheitsbedingte Kündigung. Dafür müssen erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen vorliegen. Auch muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) betreiben. Weiter kann der Arbeitgeber auch aus verhaltensbedingten Gründen kündigen oder eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen. Der Arbeitnehmer kann sich gegen eine unrechtmäßige Kündigung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren mittels Kündigungsschutzklage wehren.
Kündigung und Arbeitsunfähigkeit
Der klassische Fall ist der, dass der Arbeitnehmer, dem das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird, sodann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht und dann für maximal 6 Wochen einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat. Dies wurde bisher zähneknirschend von Arbeitgeberseite so hingenommen, manchmal wurde auch noch der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) in Anspruch genommen, meistens aber ohne Erfolg. Letztendlich muss der Arbeitgeber oft den Lohn des Arbeitnehmers im Wege der Entgeltfortzahlung zahlen. Die Lohnfortzahlung bei Kündigung ist rechtlich aber nicht unproblematisch.
Hinweis:
Gerade das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit ist aber nicht unproblematisch: Je nach Einzelfall kann bei einer vorsätzlich vorgetäuschten Krankheit, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Der Arbeitgeber muss aber die außerordentliche Kündigung grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen, nachdem er Kenntnis von der vorgetäuschten Krankheit erlangt hat, aussprechen. Bei einer solchen außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung hat der Arbeitnehmer ein Problem, denn bei einer fristlosen Kündigung wird der Arbeitgeber nur bis zu dessen Zugang die Entgeltfortzahlung vornehmen. Auch ist eine fristgemäße Kündigung denkbar. Bei einer fristgerechten Kündigung hat der Arbeitgeber nicht die 2-Wochen-Ausschlussfrist zu beachten. Grundsätzlich ist bei einer ordentlichen Kündigung wegen manipulierter Krankheit die Chance das Verfahren zu gewinnen für den Arbeitgeber größer als bei einer fristlosen Kündigung.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Beweiswert
Das Problem für den Arbeitgeber ist, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen hohen Beweiswert hat. Die gelben Scheine sind aber nicht unanfechtbar. Wenn der Arbeitgeber die Krankheit des Arbeitnehmers anzweifeln möchte, muss er zunächst diesen Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Einen solchen Beweis erbringt selbst eine ausländische AU-Bescheinigung. Dies ist nicht einfach. Die bloße Behauptung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht krank ist, reicht nicht aus.
MDK-medizinische Dienst der Krankenkassen
Auch der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), der derartige Fälle kontrollieren soll, kommt selten zum Ergebnis, dass eine falsche/ gefakte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt.
Erschütterung des Beweiswertes der AU-Bescheinigung
Gegebenenfalls ist über Privatdetektive möglich, nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich zumindest nicht die Erkrankung hat, die er vorzugeben versucht. Dann wäre der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Dies ist aber mit einen erheblichen Aufwand für den Arbeitgeber verbunden und auch nicht einfach sofort möglich. Es muss für eine solche Beauftragung einer Detektei ein berechtigter Anlass (Verdacht) bzw. begründete Zweifel bestehen. Auch ein Zeuge könnte ein maßgebliches Beweismittel dafür sein, dass gar keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Trotzdem muss man sagen, dass es Arbeitgebern nur in seltenen Fällen gelingt den Beweiswert der AU-Bescheinigung zu erschüttern.
Das Fotografieren durch den Arbeitgeber des angeblich erkrankten Arbeitnehmers bei einer der Krankheit widersprechenden Tätigkeit (hier Autowäsche) ist zulässig.
Wenn dies aber dem Arbeitgeber gelingt, dann
Fall des Bundesarbeitsgerichts
Wichtig ist zu wissen, dass das Bundesarbeitsgericht hier einen anderen Fall zu entscheiden hatte. Es ging nicht um den klassischen Fall, dass der Arbeitnehmer sich nach Kündigung durch den Arbeitgeber krankschreiben lassen hat, sondern um den Fall, dass der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat und sodann gleichzeitig mit der Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht hatte, die auch noch genau die Dauer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses umfasst hat.
Was war passiert?
Eine Arbeitnehmerin, die als kaufmännische Angestellte tätig war, kündigte selbst am 8. Februar 2019 gegenüber der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 22. Februar 2019 und legte sogleich mit der Kündigung eine auf den gleichen Tag datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) vor. Die Arbeitnehmer soll darüber hinaus auch einem Kollegen in ihrem damaligen Einsatzbetrieb telefonisch angekündigt haben, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung umfasste genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitgeberin verweigerte die Zahlung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin und gewann vor dem Arbeitsgericht und den Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 13. Oktober 2020 – 10 Sa 619/19).
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 ) hielt hier den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für nicht ausreichend gegeben und erschüttert und ließ die Revision nachträglich zu.
Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in diesem Fall in seiner Pressemitteilung vom 8.09.2021 Nr. 25/21 aus:
Die vom Senat nachträglich zugelassene Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und der am 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen. Die Klage war daher abzuweisen.
Welche Auswirkung hat die Entscheidung?
Man muss wissen, dass jede Entscheidung, egal ob von einem einfachen Arbeitsgericht oder vom Bundesarbeitsgericht, immer einen speziellen Fall betrifft. Nur für diesen Fall ist die Entscheidung bindend.
Allerdings ist es so, wenn das Bundesarbeitsgericht, als höchstes deutsches Arbeitsgericht, bestimmte Grundsätze in rechtlichen Dingen aufstellt, dass sich daran später die anderen Arbeitsgerichte orientieren. Ansonsten laufen sie nämlich Gefahr, dass ihre Entscheidung von der höheren Instanz aufgehoben wird.
Heißt dies nun, dass jede Erkrankung nach einer Kündigung nicht mehr beachtet werden muss?
Nein. Der obige Fall betrifft nur den Fall, dass der Arbeitnehmer selbst kündigt und dann bis zum Ende des Arbeitsverhältnis eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht.
Sind auch Fälle betroffen, wonach der Arbeitgeber kündigt und dann der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht?
Nein. Dies regelt die obige Entscheidung ausdrücklich nicht. Man muss allerdings abwarten bis das Bundesarbeitsgericht die Urteilsbegründung veröffentlich. Nach der Pressemitteilung ist die Übereinstimmung des Tages der Kündigung mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis genau zum Ende des Arbeitsverhältnisses der Grund die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzweifeln.
Übereinstimmung | Kündigung | Arbeitsunfähigkeit |
---|---|---|
Beginn / Einreichung | stimmt überein | stimmt überein |
Endes des Arbeitsverhältnisses | stimmt überein | stimmt überein |
Falls dort entsprechende Grundsätze aufgestellt werden, so geht dies auch für andere Fälle, allerdings muss man dies sich genau anschauen.
weitere Entscheidungen
- Krankenschein rückwirkend (mit Rückdatierung) zulässig?
- Arbeitnehmer lässt sich wegen Atemnot krankschreiben und führt dann Schleifarbeiten im Atemmaske aus
- Arbeitnehmer reicht Krankenschein/ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ein – was machen?
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Darf man als Arbeitnehmer kündigen, um eine Weiterbildung zu absolvieren ohne Sperre vom Jobcenter?
Wer als Arbeitnehmer mehr Geld verdienen will, kommt meist an eine Weiterbildung nicht vorbei. Die Unsicherheit ist hier besonders groß, da dies meist voraussetzt, dass das bestehende Arbeitsverhältnis – um die Weiterbildung zu machen – gekündigt werden muss. Während der Weiterbildung soll dann meist ALG I bezogen werden. Es droht dann eine Sperre bei der Agentur für Arbeit nach § 159 Abs. 1 SGB III.
Eigenkündigung des Arbeitnehmers und Sperre beim Arbeitslosengeld
Bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers droht in der Regel eine Sperre die Agentur für Arbeit beim Arbeitslosengeld.
Sperre bei Kündigung des Arbeitnehmers
Hier ist aber der Einzelfall entscheidend:
So hat zum Beispiel das Sozialgericht Karlsruhe (SG Karlsruhe, Urteil vom 8.11.2016, S 17 AL 1291/16) entschieden, dass eine Sperre bei Kündigung des Arbeitnehmers, um eine Weiterbildung zu besuchen, im vorliegenden Fall, nicht verhangen werden durfte.
Kündigung wegen Weiterbildung
Der Arbeitnehmer war als Zimmermann tätig. Er wollte später hier den Meister (Zimmerermeister) machen. Dazu wollte der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis kündigen und einen einjährigen Vorbereitungskurs zum Zimmerermeister zu besuchen. Seinen Lebensunterhalt wollte der Arbeitnehmer – für die Dauer des Kurses – über ALG I finanzieren.
Sperre des Jobcenter war unwirksam
Das Jobcenter erteilte dem Arbeitnehmer eine Sperre nach § 159 Abs. 1 SGB III. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer erfolgreich und bekam vor dem Sozialgericht Karlsruhe auch Recht:
Das Sozialgericht Karlsruhe (Pressemitteilung von 9.11.2016) führt dazu aus:
Eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe gem. § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III sei nicht eingetreten ist. Dem Kläger habe für sein Verhalten ein wichtiger Grund zur Seite gestanden, da er sein Beschäftigungsverhältnis gekündigt habe, um an dem Vorbereitungskurs zur Weiterbildung zum Zimmerermeister teilnehmen zu können.
Unter Abwägung des Interesses des Klägers sich beruflich weiterzubilden, um eine bessere berufliche Stellung zu erreichen, mit dem Interesse der Solidargemeinschaft, den Nachranggrundsatz der Leistungen des SGB III zu wahren, sei das Verhalten des Klägers nicht als sozialwidrig zu werten. Der nachvollziehbare Beweggrund für das Handeln des Klägers, das auch durch Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt sei, und vor allem die Tatsache, dass die Durchführung der Bildungsmaßnahme nicht berufsbegleitend hätte durchgeführt werden können, liesen die Kammer das Verhalten des Klägers nicht als sozialwidrig bewerten.
Des Weiteren entspreche das Verhalten des Klägers den Interessen der Versichertengemeinschaft, da durch die Weiterbildung nicht nur das Risiko zukünftiger Arbeitslosigkeit sinke, sondern auch die Chance künftiger höherer Beitragsleistungen bestehe.
Kein Schmerzensgeld vom Arbeitgeber für Manipulation des Facebook-Accounts (Link zu Pornoseiten)!
Während des Urlaubs des Arbeitnehmers manipulierten Arbeitskollegen desselben – unter Duldung des Assistentin der Geschäftsleitung – in einem Großraumbüro den Facebook Account des urlaubsabwesenden Arbeitnehmers.
Dabei wurde der Account mit pornographischen Inhalten verknüpft. Dieser Vortrag des Arbeitnehmers ist aber in weiten Teilen streitig geblieben. Der Arbeitgeber bestreitet die Manipulation und die Duldung derselben.
Als Arbeitnehmer-nach seinem Urlaub-die Manipulation sah, sprach er eine fristlose Eigenkündigung aus, die vom Arbeitgeber akzeptiert wurde.
Der Teilnehmer geht nun gegen den Arbeitgeber vor und verlangt von diesem Schmerzensgeld von wenigstens € 5.000 und darüber hinaus Auskunft über die ladungsfähigen Anschriften der Personen, die die Manipulation des Accounts durchgeführt haben sollen.
Die Klage des Arbeitnehmers blieb vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main erfolglos. ebenso die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hessen.
Das LAG Hessen ( Urteil vom 13. April 2015, Aktenzeichen 7 Sa 1013/14) führte dazu aus:
Der vom Kläger mit dem ersten Klageantrag geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß §§ 241 Abs. 1, 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Beklagte ihn in zurechenbarer Weise und in schwerer Form in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der so genannte Ehrenschutz, der auch den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende ehrwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruches umfasst. Es umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere. Eine besonders schwerwiegende Verletzung eines Persönlichkeitsrechtes führt zu einem Schmerzensgeldanspruch (vgl. BAG Urteil vom 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Mobbing Rz. 123 m. w. N.).
Zwar stellen die in Rede stehenden Änderungen des Facebook-Profils des Klägers durch hierzu nicht befugte Personen einen gravierenden Eingriff im vorgenannten Sinne dar. Der nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat jedoch auch im Berufungsverfahren die behauptete Pflichtverletzung durch die von ihm benannten Arbeitnehmer nicht hinreichend substanziiert vorgetragen. Ob und inwieweit der Beklagten derartige Pflichtverletzungen ihrer Arbeitnehmer, sei es als Erfüllungsgehilfen über § 278 BGB oder als Verrichtungsgehilfen gemäß § 831 BGB, zuzurechnen wären, kann daher dahingestellt bleiben.
Der Vortrag des Klägers ist unzureichend, soweit er weiterhin nur pauschal behauptet, dass die Änderungen an seinem Facebook-Profil durch die von ihm benannten Personen vorgenommen worden seien, die sich hierzu um seinen Schreibtisch gruppiert hätten und von denen keiner an diesem Vormittag seiner normalen Beschäftigung nachgegangen sei.
Der Arbeitnehmer konnte hier seine Behauptungen nicht ausreichend darlegen. Er hat nicht „genau genug“ dazu vorgetragen. Denkbar wäre ein Schadenersatzanspruch ansonsten gewesen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Wann gibt es trotz Eigenkündigung des Arbeitnehmers keine Sperrzeit vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit)?
Das Sozialgesetzbuch III sieht in mehreren Fällen das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld vor. Der wichtigste Fall ist in der Praxis die Verhängung einer Sperrzeit nach § 144 SGB III. Danach wird eine Sperrzeit verhängt, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhält, ohne einen wichtigen Grund dafür zu haben.
Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe
Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ist der wichtigste Fall des sog. „versicherungswidrigen Verhaltens“ des Arbeitsnehmers.
Hier kann man 2 Unterfälle unterscheiden:
- die Eigenkündigung des Arbeitnehmers
- der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Sonderfall: Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung des Arbeitgebers?
Ein weiteres Problem ist die Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung des Arbeitgebers, die aber in der Regel zu keiner Sperrzeit des Arbeitslosengeldes führen darf, denn rein passives Verhalten stellt eben kein versicherungswidriges Verhalten dar, da hierfür eine Aktivität des Arbeitnehmers Voraussetzung ist. Hierzu wird aber noch ein weiterer Beitrag erfolgen, da diese Fälle in der Praxis viel Unsicherheit bei Arbeitnehmern hervorrufen.
Eigenkündigung des Arbeitnehmers und Sperre vom Arbeitsamt
Die Eigenkündigung des Arbeitnehmers stellt in der Regel ein versicherungswidriges Verhalten dar. Dies allein entscheidet aber noch nicht über eine Verhängung einer Sperrzeit. Weiter ist nämlich erforderlich, dass der Arbeitnehmer für die Eigenkündigung keinen wichtigen Grund hat. Der Arbeitnehmer muss – zum Beispiel bei Vertragsverletzungen des Arbeitgebers – dies nicht bis in alle Ewigkeit hinnehmen, was nachvollziehbar ist.
Als Arbeitshilfe kann man folgende Fallgruppen, der erlaubten Eigenkündigung benennen:
- alle Gründe, die es dem Arbeitnehmer erlauben des Arbeitsverhältnis aus außerordentlichem Grund zu kündigen (§ 626 BGB)
- z.B. Eigenkündigung beim Zahlungsverzug des Arbeitgebers mit dem Arbeitslohn
- erhebliche Vertragsverletzungen des Arbeitgebers (z.B. kein gefahrensicherer Arbeitsplatz/ Beleidigungen)
- Umzug zum Ehepartner / Lebenspartner
- Mobbing (kann aber problematisch nachzuweisen sein)
- untertarifliche Bezahlung bei Tarifgebundenheit/ Zahlung eines sittenwidrigen Arbeitslohnes
- Wechsel von unbefristetem in ein befristetes Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis mit Aussicht auf Weiterbeschäftigung
Der Arbeitnehmer sollte sich nicht von der Agentur für Arbeit „einschüchtern lassen“. Er muss Vertragsverletzungen des Arbeitgeber – wie vor allem Lohnrückstände – nicht ohne Weiteres hinnehmen und muss sich beim Arbeitsamt auch keine Erlaubnis für die Kündigung holen. Meistens sind die Sachbearbeiter vor Ort ohnehin überfordert und können dem Arbeitnehmer keine eindeutige Auskunft geben. Der Rat eines Rechtsanwalts, der sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert hat, wäre in solchen Fällen angebracht.
Schadenersatz des Arbeitnehmers bei Eigenkündigung (Auflösungsverschulden des Arbeitgebers)
Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass bei einer vom Arbeitgeber verschuldeten Kündigung (Eigenkündigung) des Arbeitnehmers, der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadenersatz nach § 628 Abs. 2 BGB haben kann. Hier kommen vor allem Fällen in Betracht, bei denen der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum keinen Arbeitslohn zahlt und dann der Arbeitnehmer deshalb den Arbeitsvertrag kündigt.
Eigenkündigung und Schadenersatz
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 8.8.2002 – 8 AZR 574/01 -) hat die Voraussetzungen des Schadenersatzanspruch nachvollziehbar geschildert.
1. berechtigte und wirksame Kündigung/ schuldhaftes Verhalten der Gegenseite
Die Kündigung des Arbeitnehmers muss berechtigt und wirksam sein. Ob die Kündigung außerordentlich mit einer Auslauffrist oder fristlos erfolgt ist dabei unerheblich. Die Kündigung muss aufgrund eines schuldhaften Fehlverhaltens des Arbeitgebers beruhen.
Vorliegen eines wichtiges Grundes
Es genügt hierbei nicht jede – noch so geringe – Vertragsverletzung des Arbeitgebers, sondern es muss ein Fehlverhalten vorliegen, dass gleichzusetzen mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes ist. Die Nichtzahlung des Arbeitslohnes kann einen wichtigen Grund darstellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nichtzahlung der Bezüge eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug mit der Zahlung sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg erstreckt. Dazu verweise ich auf meinen Artikel zur Eigenkündigung /Arbeitnehmerkündigung wegen Lohnrückstandes.
2. Wahrung der 2-Wochenfrist- § 626 Abs. 2 BGB
Der Arbeitnehmer kann – wie hier bei einer verhaltensbedingten Kündigung – nur unter Wahrung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB kündigen. Bei der Vorenthaltung von Lohnzahlungen handelt es sich um ein sogenanntes Dauerverhalten. Hier beginnt die Frist nicht vor Beendigung des Zustandes. Ist die Beendigung des Zustandes – also die Nichtzahlung des Lohnes – nicht bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eingetreten- bzw. 2 Wochen davor – ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
3. Zusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und der Kündigung
Die Vertragsverletzung des Arbeitgebers muss die Ursache für die Kündigung gewesen sein. Also ohne Vertragsverletzung hätte es keine Kündigung gegeben.
4. Schadenersatz = Auflösungsverschulden
Wenn die Voraussetzungen vorliegen, kann der Arbeitnehmer den Ausgleich aller adäquat kausal verursachten Schadensfolgen verlangen, die durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund des Auflösungsverschuldens des anderen Teils entstanden sind. Der Anspruch geht auf das Erfüllungsinteresse, der Berechtigte ist so zu stellen, wie er bei Fortbestand des Dienstverhältnisses stehen würde. Der Schaden wird nach der sogenannten Differenzmethode berechnet. Dem tatsächlichen durch die Kündigung eingetretenen Zustand ist der hypothetische ohne das schädigende Ereignis (die Kündigung) zu verzeichnende Zustand gegenüberzustellen Der Schaden besteht im Ausfall der Lohnzahlung einschließlich aller besonderen Zuwendungen sowie einer etwaigen Naturalvergütung. Bei der Ermittlung des Verdienstausfallschadens ist von der sogenannten Bruttolohnmethode auszugehen. Danach ist bei der Schadensberechnung der entgangene Bruttoverdienst des Geschädigten anzusetzen. Die Vorteile, die ihm auf Grund des Schadensereignisses durch den Wegfall zB von Steuern zufließen, sind im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen, wobei der Vorteilsausgleich entsprechendes Verteidigungsvorbringen des Schädigers voraussetzt. Die Berechnungsmethode ist für alle Fälle des Verdienstausfalls anwendbar, gleichgültig, ob es um den Verdienstausfall von Beamten, Selbständigen oder Arbeitnehmern geht.
Eigenkündigung + Abfindung + Schadenersatz + Lohn = Rundumschlag gegen den Arbeitgeber!
Eigenkündigung + Abfindung + Schadenersatz + Lohn = Rundumschlag gegen den Arbeitgeber!
Was machen? Der Arbeitgeber zahlt den Lohn nicht und man ist schon über lange Zeit im Betrieb beschäftigt. Die Arbeitsstelle wechseln? Kann man machen, aber wenn, dann richtig:
fristlose Kündigung
Steht Arbeitslohn aus dann kann der Arbeitnehmer im Normalfall – nach vorheriger Abmahnung – fristlos das Arbeitsverhältnis kündigen (siehe Beitrag „Der Arbeitgeber zahlt nicht, wann kann man selbst kündigen?„). Es ist die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers den Lohn zu zahlen. Wichtig ist, dass man eine Abmahnung vorher nicht vergessen sollte. Ohne Abmahnung wird es Probleme geben; nur in Ausnahmefällen dürfte eine Abmahnung entbehrlich sein, wenn z.B. der Arbeitgeber ernsthaft und nachdrücklich die Zahlung für die Zukunft verweigert.
Der Arbeitnehmer kann nach § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber selbst aus außerordentlichem Grund fristlos kündigen, wenn dieser mit der Zahlung des Arbeitslohnes in Verzug ist und entweder
- der Lohnrückstand eine nicht unerhebliche Höhe erreicht hat oder
- der Lohnrückstand sich über einen nicht unerheblichen Zeitraum erstreckt und
- der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zuvor abgemahnt hat
Lohnrückstand einklagen
Der Arbeitgeber ist natürlich weiter verpflichtet den rückständigen Arbeitslohn zu zahlen. Hier sollte man darauf achten, dass ggfs. Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag greifen könnten. In der Praxis weiter in Arbeitsverträgen häufig Ausschlussfristen verwendet, die kürzer als 3 Monate sind, was dazu führt, dass diese Klauseln unwirksam sind.
Arbeitslohn bis zur Frist für die ordentliche Kündigung einklagen
Aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers musste der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden und außerordentlich und fristlos kündigen. Der Arbeitgeber muss im Rahmen des Schadenersatzes den Arbeitslohn zahlen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer ist so zu stellen, wie stünde, wenn er ordentlich das Arbeitsverhältnis beendet hätte. Dann hätte er ja noch Lohn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist erhalten.
Schadenersatz / Abfindung
Der Lohn bis zur ordentlichen Kündigung ist ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers. Darüber hinaus steht dem Arbeitnehmer auch im Rahmen des Schadenersatzanspruches ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zu, wenn er aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit einen Bestandschutz erlangt hat und das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Wichtig ist auch, dass der Arbeitgeber nicht hätte selbst kündigen können, weil er zum Beispiel den Betrieb schließen wollte.
Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, wenn mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit im Betrieb tätig sind und das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht.
Das BAG führt aus:
„Der Schadensersatzanspruch gem. § 628 Abs. 2 BGB umfasst neben der entgangenen Vergütung auch eine angemessene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 KSchG. Dieser Anspruch tritt kumulativ zu dem Anspruch auf Ersatz des Vergütungsausfalls hinzu, wenn der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers bei unberechtigter fristloser Kündigung des Arbeitgebers zum Kündigungstermin einer (umgedeuteten) ordentlichen Kündigung hätte gestellt werden können (BAG 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19, zu B III 2d bb der Gründe).“
Entscheidungen:
BAG – Entscheidung vom 26.07.2007 – AZR 796/ 06
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 21.04.2009 Az. 3 Sa 701/08
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Arbeitnehmerkündigung: Der Arbeitgeber zahlt nicht, wann kann man selbst kündigen?
Der Arbeitgeber zahlt nicht, wann kann man selbst kündigen?
Die Zahlung des Arbeitslohnes ist die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer ist in einer schwierigen Situation, wenn der Arbeitgeber nicht zahlt. Einerseits ist er auf eine pünktliche Lohnzahlung angewiesen, andererseits soll das Verhältnis zum Arbeitgeber nicht belastet werden. Es gibt aber Situationen, in denen der Arbeitnehmer einen Schlussstrich ziehen muss, die Frage ist nur, wie lange muss der Arbeitslohn ausstehen, damit der Arbeitnehmer selbst kündigen kann.
Eigenkündigung bei ausstehenden Arbeitslohn
Der Arbeitnehmer kann nach § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber selbst aus außerordentlichem Grund fristlos kündigen, wenn dieser mit der Zahlung des Arbeitslohnes in Verzug ist und entweder
- der Lohnrückstand eine nicht unerhebliche Höhe erreicht hat oder
- der Lohnrückstand sich über einen nicht unerheblichen Zeitraum erstreckt und
- der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zuvor abgemahnt hat
nicht unerhebliche Höhe des Lohnrückstandes
Wann der Lohnrückstand in nicht unerheblicher Höhe besteht, ist im Gesetz nicht bestimmt. Die Rechtsprechung lässt hier – immer vom Einzelfall abhängig – schon einen Monatslohn ausreichen (so dass LAG Rheinland-Pfalz 3 SA 701/2008). Auch spielt eine Rolle, ob der Arbeitgeber das erste Mal unpünktlich zahlt oder zuvor bereits mehrfall in Verzug geraten ist. Unerheblich ist aber, ob der Arbeitgeber zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig ist. Wann der Arbeitslohn fällig wird, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, dem Tarifvertrag oder aus dem Gesetz (Normalfall ist der letzte Tag des Monats), bereits am nächsten Tag, der auf die Fälligkeit folgt, befindet sich der Arbeitgeber im Zahlungsverzug.
nicht unerheblichen Zeitraum in Rückstand
Wann ein nicht unerheblicher Zeitraum des Zahlungsverzuges vorliegt, ist ebenfalls nicht im Gesetz bestimmt. Die Rechtsprechung gibt hier keine starre Regelung vor. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Es wird zum Teil aber bereits eine Woche (LAG Rheinland-Pfalz) des Zahlungsverzuges für ausreichend gehalten. Zumindest dann, wenn der Rückstand auch erheblich ist und der Arbeitgeber bereits zuvor unpünktlich gezahlt hatte.
Wichtig ist, dass die beiden Kündigungsgründe – Lohnrückstandshöhe und Lohnrückstandszeitraum – ineinander greifen.
Abmahnung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer
Ebenso, wie der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses abmahnen muss, muss dies auch der Arbeitnehmer tun. Dies gilt auch bei Eigenkündigungen aufgrund des ausstehenden Arbeitslohnes. Die Rechtsprechung hält nur in Ausnahmefällen eine Abmahnung für entbehrlich. Dies sind Fälle, in denen eine schwerwiegende Pflichtverletzung seitens des Arbeitgeber besteht, die ohne weiters erkennbar ist, wie zum Beispiel der Rückstand von mehreren Monatslöhnen oder Selbstmahnung des Arbeitgebers.