Rückzahlungsklausel
Pilot und Eigenkündigung – Rückzahlungsklausel für Ausbildungskosten, wenn krankheitsbedingtes Ausscheiden nicht berücksichtigt wurde!
Das Arbeitsgericht Ulm Urteil vom 8.5.2017, 4 Ca 486/16 hat entschieden,dass eine Rückzahlungsklausel, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Ausbildungskosten auch dann verpflichtet, wenn aus krankheitsbedingten Gründen die ausbildungsgemäße Beschäftigung nicht (mehr) möglich ist, nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Arbeitnehmer war in der Zeit vom 1. Februar 2016 bis 31.8.2016 bei der Klägerin als Pilot beschäftigt. Das Bruttogehalt des Arbeitnehmers betrug zuletzt 4650 EUR pro.
Bei der Arbeitgeberin sind Flugzeuge des Typs Cessna C525 und Embraer 500/505 im Einsatz. Da der Arbeitnehmer über eine entsprechende Musterberechtigung (Flugschein für diese Flugzeuge) nicht verfügte, schlossen die Parteien eine „Vereinbarung über die Ausbildung zum Erwerb des Type-Rating für „Embraer EMB-505“ vom 8.11.2015.
Diese lautete u.a. wie folgt:
§ 1
(1) Der Arbeitnehmer nimmt in der Zeit von (voraussichtlich Januar 2015 bis März 2015 an folgender, ca. 3-wöchiger Ausbildung teil:
Erwerb der Musterberechtigung (Type-Rating) für den Flugzeugtyp “Embraer EMB-500/505“
(2) Der Erwerb der Musterberechtigung (Type-Rating) ist Voraussetzung für das Wirksamwerden des Anstellungsvertrages vom 31.10.2015.
§ 2
(1) Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten der Ausbildung zum Type-Rating, soweit sie nicht von einem anderen Leistungsträger übernommen werden. Die Ausbildungskosten setzen sich (voraussichtlich) wie folgt zusammen:
– Lehrgangsgebühr
19.000,00 EUR
– Reisekosten (Hin- und Rückflug nach Finnland/Pori)
1.200,00 EUR
– Hotelkosten
1000,00 EUR
– Sonstiges
2000,00 EUR
Voraussichtlicher Gesamtbetrag
23.000,00 EUR§ 3
(1) Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis während der Ausbildung oder vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Type-Ratings durch den Arbeitnehmer aus vom Arbeitgeber nicht zu vertretenden Gründen beendet wird, verpflichtet sich der Arbeitnehmer, die in § 2 genannten Ausbildungskosten ganz oder anteilig nach näherer Maßgabe des nachfolgenden § 4 zu erstatten.
(2) Dasselbe gilt, wenn die Ausbildung aus einem vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund nicht bestanden wird oder das Arbeitsverhältnis von Seiten des Arbeitgebers aus wichtigem Grund oder aus sonstigen Gründen, die im Verhalten des Arbeitnehmers begründet liegen, gekündigt werden sollte.
Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung besteht kein Erstattungsanspruch.
Der Arbeitnehmer/ Beklagter absolvierte den Lehrgang mit Erfolg, welchen die Arbeitgeberin / Klägerin dann bezahlte. Am 10.02.2016 wurde die Lizenz eingetragen.
Nach einigen Monaten nach der Ausbildung kündigte der Arbeitnehmer/ Beklagter das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin/ Klägerin selbst mit Schreiben vom 28.7.2016 zum 31.7.2016.
Mit Rechnung vom 26.9.2016 übersandte die Arbeitgeberin/ Klägerin dem Arbeitnehmer/ Beklagten eine Rechnung über Ausbildungskosten in Höhe von 22.854,95 EUR und bestand auf Rückzahlung der Ausbildungskosten.
Der beklagte Arbeitnehmer bot der Arbeitgeberin/ Klägerin die Zahlung von 5.000,00 EUR (als Vergleichssumme zur Erledigung der Angelegenheit) an.
Die Arbeitgeberin / Klägerin beharrte auf ihrem Standpunkt und forderte den Arbeitnehmer zur Zahlung von 19.205,84 EUR (korrigierte Rückforderungssumme) auf.
Diesen Betrag klagte die Arbeitgeberin/ Klägerin auch vor dem Arbeitsgericht Ulm ein. Die Arbeitgeberin meinte, dass der Arbeitnehmer ja aus eigenem Entschluss aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war und von daher – nach der Rückzahlungsklausel – dieser die Ausbildungskosten der Klägerin erstatten müsste.
Das Arbeitsgericht Ulm Urteil vom 8.5.2017, 4 Ca 486/16 sah dies anders und hielt die Rückzahlungsklausel für unwirksam und führte dazu aus:
Eine Rückzahlungsverpflichtung ergibt sich nicht aus § 3 der zwischen den Parteien am 8.11.2016 abgeschlossenen Vereinbarung über die Ausbildung zum Erwerb der Musterzulassung für die bei der Beklagten vorrangig verwendeten Flugzeugtypen. Die Regelung ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
……
Bei der Klausel handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff BGB. Ob die Rückzahlungsvereinbarung von der Klägerin generell verwendet wird oder nur zum einmaligen Gebrauch gegenüber dem Beklagten, ist nicht vorgetragen. Nach § 310 Abs. 2 S. 2 BGB findet § 307 BGB aber auch dann Anwendung, wenn die Regelung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist und soweit der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.
…..
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. …….
§ 3 der zwischen den Parteien am 8.11.2016 geschlossenen Rückzahlungsvereinbarung benachteiligt den Beklagten unangemessen, weil aus ihr auch dann eine Rückzahlungspflicht resultiert, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt (dauerhaft) nicht in der Lage ist, die Tätigkeit als Pilot fortzuführen und das Arbeitsverhältnis aus diesem Grunde selbst kündigt.
Für eine vom Arbeitgeber ausgesprochene personenbedingte Kündigung wird regelmäßig eine Erstattungspflicht verneint:
Vom Arbeitnehmer kann keine Beteiligung an den Kosten der Fortbildung verlangt werden, wenn er trotz der hierbei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht den subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers über seine weiteren Verwendungsmöglichkeiten entspricht und der Arbeitgeber daraufhin das Arbeitsverhältnis kündigt. ……Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, muss deshalb nicht entschieden werden, ob für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger betriebsbedingte oder personenbedingte Gründe ausschlaggebend waren (z.B. BAG 24.6.2004, 6 AZR 320/03).
Nicht jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist hat eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auslösen können. Nur in den Fällen ist eine Erstattung angemessen gewesen, in denen die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen war, er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beeinflussen konnte. Ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer eine Bildungsmaßnahme finanziert, hat ein Interesse daran, den Arbeitnehmer möglichst lange an seinen Betrieb zu binden und damit dessen Qualifikation für sich zu nutzen. Angemessen ist eine bindungsgesicherte Erstattungspflicht, wenn der Arbeitnehmer es in der Hand hat, der Erstattung durch eigene Betriebstreue zu entgehen… Bisher noch nicht zu entscheiden hatte das BAG Fallgestaltungen, in denen aufgrund einer personen- oder einer verhaltensbedingten Kündigung das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer endete. Nach den genannten Grundsätzen spricht vieles dafür, das Mobilitätsinteresse eines Arbeitnehmers, der eine verhaltensbedingte Kündigung provoziert und damit bei einer von ihm zu verantwortenden Eigenkündigung den Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsfrist setzt, nicht zu schützen. Anders dagegen der per Fall der personenbedingten Kündigung, bei der ein Arbeitnehmer letztlich aus Gründen, die ihm nicht zugerechnet werden können, an der Einhaltung der Bindungsfrist zur Abgeltung der Ausbildungskosten gehindert wird (Ingrid Schmidt, NZA 2004, 1002).
Eine Rückzahlungsklausel, die schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der Bindungsfrist anknüpft, ist somit unzulässig. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Andernfalls bliebe die Eigenkündigung des Arbeitnehmers, welche durch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers ausgelöst wurde, außer Betracht. …
Anmerkung:
Die Vereinbarung zwischen Parteien behandelte das Arbeitsgericht als AGB, was auch in der Praxis in den meisten Fällen bei derartigen Abreden so ist. Bei der Frage der Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel war es unerheblich, dass der Arbeitnehmer hier nicht tatsächlich krankheitsbedingt ausgeschieden ist (dieser hat einfach aus eigenem Interesse gekündigt). Entscheidend ist, dass eine solche Klausel für alle denkbaren Fälle angemessen sein muss; für den denkbaren Fall der Erkrankung und der damit verbundenen Ausscheidens, war die Klausel nach dem Arbeitgsgericht Ulm nicht angemessen.
Das Gericht stellt aber klar, dass es hier noch keine höchstrichterliche Entscheidung gibt. Das BAG hat noch nicht entschieden, ob in einer solchen Klausel – damit diese wirksam ist – tatsächlich immer normiert sein muss, dass eine Rückzahlung ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt ausscheidet. Arbeitgebern ist zu raten, dass diese eine solche Ausnahme in ihrer Rückzahlungsklausel (bis zu einer Klärung durch das BAG) aufnehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich innerhalb des Rückforderungszeitraumes krankheitsbedingt ausscheidet, dürfte recht gering sein.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
BAG: Erstattung von Weiterbildungskosten – fehlende Transparenz einer arbeitsvertraglichen Regelung
Das Bundesarbeitsgericht ( BAG, Urteil vom 14.1.2009 – 3 AZR 900/7 ) hat im Jahr 2009 grundlegend zu den so genannten arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklauseln bei Fortbildung/Weiterbildung entschieden und hier die Anforderungen an solche Klauseln festgelegt.
Im nun vorliegenden Fall lag die Besonderheit darin, dass der Arbeitgeber recht unbestimmt die „gesamten Aufwendungen“ für die Weiterbildung laut Nebenabrede zum Arbeitsvertrag je nach Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nach der Fortbildung von der Arbeitnehmerin zurückverlangen wollte.
In der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag war nämlich geregelt:
„-Endet das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben, dann sind
im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen.
im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei Drittel der Aufwendungen,
im ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwendungen“
Der Arbeitgeber verlangte – nach dem die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis kündigte – nun 1/3 der Aufwendungen (zuletzt € 6212,94) zurück.
Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht; das LAG stellte sich auf Seiten der Arbeitnehmerin.
Das BAG (Urteil vom 6.8.2013, 9 AZR 442/12) wie die Revision zurück und führte u.a. aus:
b) Die Angaben in Nr. 2 der Nebenabrede genügen dem Transparenzgebot schon deshalb nicht, weil die Klausel der Klägerin vermeidbare Spielräume bei der Bestimmung der zu erstattenden Kosten eröffnet.
aa) Die in der Rückzahlungsklausel verwendete Formulierung „die der E entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten“ lässt offen, welche Kosten dies im Einzelnen sein sollen. Es fehlt an der Angabe, welche konkreten Kosten damit gemeint sind und in welcher Höhe diese anfallen können. Der Klausel ist nicht zu entnehmen, mit welchen Lehrgangsgebühren zu rechnen ist, ob der Beklagte neben den Lehrgangsgebühren Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu erstatten hat, wie diese ggf. zu berechnen sind (zB Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), für welchen konkreten Zeitraum Lohnfortzahlungskosten anfallen, ob die Rückzahlungsverpflichtung auf die Netto- oder die Bruttosumme gerichtet ist und ob auch die Beiträge zur Zusatzversorgung zu erstatten sind. Die Intransparenz der Klausel wird im Übrigen durch den Umstand belegt, dass die Klägerin die Klageforderung auf der Grundlage der von ihr selbst gestellten Klausel mehrfach unterschiedlich berechnete. Zunächst hat sie unter Einschluss der Sozialversicherungsabgaben und der Beiträge zur Zusatzversorgung 9.346,28 Euro beansprucht. Sodann hat sie den Erstattungsbetrag „buchhalterisch noch einmal nachberechnet“ und ihn mit 8.649,29 Euro beziffert. Schließlich hat sie die Forderungshöhe zumindest unter Ausschluss der Zusatzversorgungsbeiträge auf eine dritte Weise bestimmt und danach 6.212,94 Euro geltend gemacht.
bb) Die genauere Bezeichnung dieser Kosten war der Klägerin möglich. Dies ergibt sich aus der Berechnung, die die Klägerin ihrem Rückforderungsverlangen zugrunde legt. Mit der Klageschrift vom 20. Mai 2011 reichte sie eine Aufstellung zur Akte, die verschiedene Rechenpositionen ausweist. Die Klägerin hat Umstände, die den Schluss rechtfertigten, sie habe von diesen Positionen bei Abschluss der Nebenabrede keine Kenntnis gehabt, nicht vorgetragen, solche sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr bietet die Klägerin nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vergleichbare Weiterbildungen jährlich ein bis zwei Mitarbeitern an. Die Klägerin hatte demnach Kenntnis von den dabei anfallenden Kosten.
Auch hier zeigt sich wieder, dass die Anforderungen an Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen / Nebenabreden recht hoch sind. Solche Vereinbarungen werden in der Regel als AGB´s einstuft, da diese nicht ausgehandelt oder auch nur zur Disposition gestellt werden. Die Arbeitsgerichte führen eine Inhaltskontrolle durch – unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts – die recht streng ist, insbesondere wird hier immer wieder mangelnde Transparenz gerügt. Der Arbeitnehmer soll wissen, auf was er sich einlässt und mit welchen Rückzahlungskosten er bei Eigenkündigung rechnen muss.
RA A. Martin