Beweiswert

Kündigung und Krankschreibung – was geht nicht mehr?

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Kündigung und Krankschreibung - was geht nicht mehr?
Fake-Krankschreibung

Krankschreibung nach Kündigung

Die Kündigung und die Krankschreibung bzw. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fallen oft zusammen. Nicht selten handelt es sich dabei um eine krankheitsbedingte Kündigung. Der Arbeitnehmer ist vom Arbeitgeber enttäuscht und holt sich vom Arzt eine Bescheinigung seiner Arbeitsunfähigkeit passgenau nach Zugang der Arbeitgeberkündigung. Die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit verpflichtet zunächst dem Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Denkbar ist auch der umgekehrte Fall, dass nämlich der Arbeitnehmer selbst kündigt und sodann nach der Kündigung arbeitsunfähig ist und dann einen Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Kündigung hat. Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, erhält er zunächst Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und später Krankengeld.

Nach der neuesten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes kann dies aber mittlerweile durchaus dazu führen, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch mehr auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat.

Warum dies so ist, erfahren Sie hier!

Kündigung während der Krankschreibung

Eine Kündigung während der Krankschreibung ist zulässig und nach dem deutschen Arbeitsrecht nicht verboten. Wenn auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, dann kann eine Kündigung des Arbeitgebers während Krankschreibung nur aus 3 Kündigungsgründen erfolgen. Der Arbeitgeber kann eine personenbedingte Kündigung aussprechen. Ein häufiger Fall ist dabei die krankheitsbedingte Kündigung. Dafür müssen erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen vorliegen. Auch muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) betreiben. Weiter kann der Arbeitgeber auch aus verhaltensbedingten Gründen kündigen oder eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen. Der Arbeitnehmer kann sich gegen eine unrechtmäßige Kündigung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren mittels Kündigungsschutzklage wehren.


Kündigung und Arbeitsunfähigkeit

Der klassische Fall ist der, dass der Arbeitnehmer, dem das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird, sodann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht und dann für maximal 6 Wochen einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat. Dies wurde bisher zähneknirschend von Arbeitgeberseite so hingenommen, manchmal wurde auch noch der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) in Anspruch genommen, meistens aber ohne Erfolg. Letztendlich muss der Arbeitgeber oft den Lohn des Arbeitnehmers im Wege der Entgeltfortzahlung zahlen. Die Lohnfortzahlung bei Kündigung ist rechtlich aber nicht unproblematisch.

Hinweis:

Gerade das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit ist aber nicht unproblematisch: Je nach Einzelfall kann bei einer vorsätzlich vorgetäuschten Krankheit, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Der Arbeitgeber muss aber die außerordentliche Kündigung grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen, nachdem er Kenntnis von der vorgetäuschten Krankheit erlangt hat, aussprechen. Bei einer solchen außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung hat der Arbeitnehmer ein Problem, denn bei einer fristlosen Kündigung wird der Arbeitgeber nur bis zu dessen Zugang die Entgeltfortzahlung vornehmen. Auch ist eine fristgemäße Kündigung denkbar. Bei einer fristgerechten Kündigung hat der Arbeitgeber nicht die 2-Wochen-Ausschlussfrist zu beachten. Grundsätzlich ist bei einer ordentlichen Kündigung wegen manipulierter Krankheit die Chance das Verfahren zu gewinnen für den Arbeitgeber größer als bei einer fristlosen Kündigung.


Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Beweiswert

Das Problem für den Arbeitgeber ist, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen hohen Beweiswert hat. Die gelben Scheine sind aber nicht unanfechtbar. Wenn der Arbeitgeber die Krankheit des Arbeitnehmers anzweifeln möchte, muss er zunächst diesen Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Einen solchen Beweis erbringt selbst eine ausländische AU-Bescheinigung. Dies ist nicht einfach. Die bloße Behauptung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht krank ist, reicht nicht aus.


MDK-medizinische Dienst der Krankenkassen

Auch der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), der derartige Fälle kontrollieren soll, kommt selten zum Ergebnis, dass eine falsche/ gefakte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt.


Erschütterung des Beweiswertes der AU-Bescheinigung

Gegebenenfalls ist über Privatdetektive möglich, nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich zumindest nicht die Erkrankung hat, die er vorzugeben versucht. Dann wäre der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Dies ist aber mit einen erheblichen Aufwand für den Arbeitgeber verbunden und auch nicht einfach sofort möglich. Es muss für eine solche Beauftragung einer Detektei ein berechtigter Anlass (Verdacht) bzw. begründete Zweifel bestehen. Auch ein Zeuge könnte ein maßgebliches Beweismittel dafür sein, dass gar keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Trotzdem muss man sagen, dass es Arbeitgebern nur in seltenen Fällen gelingt den Beweiswert der AU-Bescheinigung zu erschüttern.


Das Fotografieren durch den Arbeitgeber des angeblich erkrankten Arbeitnehmers bei einer der Krankheit widersprechenden Tätigkeit (hier Autowäsche) ist zulässig.

Wenn dies aber dem Arbeitgeber gelingt, dann


Fall des Bundesarbeitsgerichts

Wichtig ist zu wissen, dass das Bundesarbeitsgericht hier einen anderen Fall zu entscheiden hatte. Es ging nicht um den klassischen Fall, dass der Arbeitnehmer sich nach Kündigung durch den Arbeitgeber krankschreiben lassen hat, sondern um den Fall, dass der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat und sodann gleichzeitig mit der Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht hatte, die auch noch genau die Dauer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses umfasst hat.


Was war passiert?

Eine Arbeitnehmerin, die als kaufmännische Angestellte tätig war, kündigte selbst am 8. Februar 2019 gegenüber der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 22. Februar 2019 und legte sogleich mit der Kündigung eine auf den gleichen Tag datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) vor. Die Arbeitnehmer soll darüber hinaus auch einem Kollegen in ihrem damaligen Einsatzbetrieb telefonisch angekündigt haben, nicht mehr zur Arbeit zu kommen.  Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung umfasste genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitgeberin verweigerte die Zahlung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin und gewann vor dem Arbeitsgericht und den Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 13. Oktober 2020 – 10 Sa 619/19).


Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 ) hielt hier den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für nicht ausreichend gegeben und erschüttert und ließ die Revision nachträglich zu.


Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in diesem Fall in seiner Pressemitteilung vom 8.09.2021 Nr. 25/21 aus:

Die vom Senat nachträglich zugelassene Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und der am 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen. Die Klage war daher abzuweisen.


Welche Auswirkung hat die Entscheidung?

Man muss wissen, dass jede Entscheidung, egal ob von einem einfachen Arbeitsgericht oder vom Bundesarbeitsgericht, immer einen speziellen Fall betrifft. Nur für diesen Fall ist die Entscheidung bindend.

Allerdings ist es so, wenn das Bundesarbeitsgericht, als höchstes deutsches Arbeitsgericht, bestimmte Grundsätze in rechtlichen Dingen aufstellt, dass sich daran später die anderen Arbeitsgerichte orientieren. Ansonsten laufen sie nämlich Gefahr, dass ihre Entscheidung von der höheren Instanz aufgehoben wird.


Heißt dies nun, dass jede Erkrankung nach einer Kündigung nicht mehr beachtet werden muss?

Nein. Der obige Fall betrifft nur den Fall, dass der Arbeitnehmer selbst kündigt und dann bis zum Ende des Arbeitsverhältnis eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht.


Sind auch Fälle betroffen, wonach der Arbeitgeber kündigt und dann der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht?

Nein. Dies regelt die obige Entscheidung ausdrücklich nicht. Man muss allerdings abwarten bis das Bundesarbeitsgericht die Urteilsbegründung veröffentlich. Nach der Pressemitteilung ist die Übereinstimmung des Tages der Kündigung mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis genau zum Ende des Arbeitsverhältnisses der Grund die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzweifeln.


ÜbereinstimmungKündigungArbeitsunfähigkeit
Beginn / Einreichungstimmt übereinstimmt überein
Endes des Arbeitsverhältnissesstimmt übereinstimmt überein

Falls dort entsprechende Grundsätze aufgestellt werden, so geht dies auch für andere Fälle, allerdings muss man dies sich genau anschauen.


weitere Entscheidungen

  1. Krankenschein rückwirkend (mit Rückdatierung) zulässig?
  2. Arbeitnehmer lässt sich wegen Atemnot krankschreiben und führt dann Schleifarbeiten im Atemmaske aus
  3. Arbeitnehmer reicht Krankenschein/ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ein – was machen?

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitnehmer lässt sich wegen Atemnot krankschreiben und führt dann Schleifarbeiten im Atemmaske aus

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Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit wird häufig von Arbeitgebern vermutet, wenn sich ein Arbeitnehmer krank schreiben lässt. Dabei kommt aber der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen hohen Beweiswert zu. Das Gericht geht schlichtweg davon aus, dass der behandelnde Arzt hier keine falsche Angaben gemacht hat und in der Lage war die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Beschwerden zu überprüfen und eine Diagnose zu erstellen.

Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Dem Arbeitgeber bleibt in dieser Situation nur die Möglichkeit den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern. Dafür reichen bloße Zweifel an der Diagnose nicht aus. Vielmehr muss der Arbeitgeber Tatsachen vortragen – und ggfs- beweisen – die erhebliche Zweifel an der vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründen.

Informationsbeschaffung

Der Arbeitgeber wird versuchen entsprechende Informationen zu beschaffen. Er kann zum Beispiel den MDK einschalten, was aber in der Praxis selten etwas bewirkt. Erfolgversprechender – wenn auch kostenintensiver – ist die Einschaltung eines Privatdetektivs.

Es stehen dann eine verhaltensbedingte Kündigung oder eine Abmahnung im Raum.

Fall des LAG R-P

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.07.2013 – 1ß Sa 100/13) hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Der 1953 geborene Kläger ist seit 26.04.1995 im Kurbetrieb der Beklagten als Masseur beschäftigt. ………

Der Kläger leidet seit 1996 unter chronischem Bluthochdruck. …………..

Am 20.06.2012 suchte der Kläger die Praxis seines Hausarztes auf. Er wurde für die Zeit vom 20.06. bis einschließlich 29.06.2012 von der Allgemeinärztin Dr. med. E. B. arbeitsunfähig krankgeschrieben. Ihre Diagnose lautete: „Belastungsdyspnoe sowie Verdacht auf koronare Herzerkrankung.“ Der Kläger litt nach seinen Angaben unter zunehmendem Herzrasen, Atemnot und einer starken Zunahme von Wasser in den Beinen. Allein das Gehen habe ihm erhebliche Probleme bereitet, er sei erschöpft gewesen und habe sich ständig ausruhen und erholen müssen. Sein Pulsschlag habe nach normalem Treppensteigen ca. 120/min. betragen. Erfreulicherweise habe sich sein Gesundheitszustand durch die Einnahme des Medikaments Molsidomin in einer erhöhten Dosierung (2 x 4, statt 2 x 2 mg tgl.) wesentlich gebessert. Er habe sich daher zum Ende der Krankschreibung in der Lage gefühlt, leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.

Bei der Beklagten ging aus den Reihen der Belegschaft der Hinweis ein, dass der Kläger während der Krankschreibung im Wohnhaus seiner Tochter Renovierungsarbeiten durchführe. Deshalb beauftragte die Beklagte am 25.06.2012 eine Detektei mit der Observierung des Klägers. Der Kläger wurde drei Tage vom 26. bis 28.06.2012 von Detektiven beschattet.

Am Samstag, dem 30.06.2012, nahm der Kläger seine Tätigkeit als Masseur im Betrieb der Beklagten wieder auf. Die Detektei legte der Beklagten am 03.07.2012 ihren Bericht (vgl. wegen des Inhalts im Einzelnen: Bl. 44-60 d.A.) vor. Am 03.07.2012 konfrontierte der kaufmännische Leiter der Beklagten den Kläger mit den Beobachtungen der Detektei und hörte ihn zu den Verdachtsmomenten an, die er in einem Aktenvermerk stichwortartig wie folgt zusammenfasste:
„…
Besuch Bauhaus am 26.06.12 à Herr C. stimmt zu
Schleifarbeiten mit Schleifmaschine und Atemschutzmaske am 26.06.12 à keine Rückmeldung
Fenster geputzt und „abgerubbelt“ à Zustimmung
Arbeiten mit Akkuschrauber oder -bohrer à keine Rückmeldung
Diverse Fahrten zwischen seinem Haus und der Baustelle im Zeitraum 26.06. – 28.06.12 à Zustimmung
Diverse Putzarbeiten, Säuberung von Arbeitsmaterial, Tragen von Kartonagen und einer Holzpalette à Zustimmung
Schrank ausgeladen aus Pkw am 28.06.12 à Zustimmung“

Mit Schreiben vom 05.07.2012 hörte die Beklagte unter Beifügung des Berichts der Detektei den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung an. Die Betriebsratsvorsitzende teilte der Beklagten mit Schreiben vom 06.07.2012 mit, der Betriebsrat habe in seiner Sitzung den Beschluss gefasst, sich zur Kündigungsabsicht nicht zu äußern.

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10.07.2012, das dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos, rein vorsorglich zum nächstzulässigen Termin. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 30.07.2012 Kündigungsschutzklage erhoben und die Ansicht vertreten, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege nicht vor. Er habe nur Hilfstätigkeiten bei der Renovierung im Haus seiner Tochter verrichtet, nachdem er sich erheblich besser gefühlt habe. Er habe sorgfältig jedes Maß an Anstrengung vermieden. Er bestritt, dass er eine Holzplatte in der Größe von 2,5 x 0,5 m getragen habe. Er habe nicht mit „Hammer und Meißel“ gearbeitet, sondern Fliesenkanten mit Hammer und Schraubenzieher geglättet. Er habe auch keinen Schrank getragen, sondern mit einer zweiten Person den Korpus eines Schuhschranks ohne Türen. Er habe mit Pausen und nach selbstbestimmtem Rhythmus gearbeitet.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen gab dem Kläger (Arbeitnehmer) Recht und hielt die Kündigung des Arbeitgebers für nicht rechtmäßig. Der Arbeitgeber legte gegen das Urteil der 1. Instanz Berufung ein und der Fall landete dann beim LAG R-P. Das Landesarbeitsgericht gab nun dem Arbeitgeber Recht und hielt die Kündigung für wirksam und führte dazu aus:

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist gemäß § 626 BGB rechtswirksam. Gegen den Kläger besteht der dringende Verdacht, dass er zumindest ab 26.06.2012 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt war und sich von der Beklagten Entgeltfortzahlung erschlichen hat.

a) Die körperlich anstrengenden Tätigkeiten des Klägers auf der Baustelle im Haus seiner Tochter während der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen die außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB an sich.

aa) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (st. Rspr. vgl. BAG 25.10.2012 – 2 AZR 700/11 – Rn. 13-14 mwN, NZA 2013, 371).

bb) Die Berufungskammer geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG (26.08.1993 – 2 AZR 154/93 – AP BGB § 626 Nr. 112) und des LAG Rheinland-Pfalz (12.02.2010 – 9 Sa 275/09 – Juris) davon aus, dass es einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung darstellen kann, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Arbeit fern bleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. Auch der dringende Verdacht, der Arbeitnehmer habe sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit unlauteren Mitteln erschlichen, kann einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen (BAG 26.08.1993 – 2 AZR 154/93 – aaO).

Hinzu kommt, dass sich ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer so verhalten muss, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Der erkrankte Arbeitnehmer hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich ua. aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen. Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann nach der Rechtsprechung des BAG eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen. Deshalb kann ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet. Damit verstößt er nicht nur gegen eine Leistungspflicht, sondern zerstört insbesondere auch das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Redlichkeit. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer während der Krankheit nebenher bei einem anderen Arbeitgeber arbeitet, sondern kann auch gegeben sein, wenn er Freizeitaktivitäten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind (BAG 02.03.2006 – 2 AZR 53/05 – Rn. 23, 24 mwN, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14).

Das LAG hielt also die Verdachtskündigung (keine Tatkündigung, sondern der starkeVerdacht kann hier bereits ausreichen – Anhörung des Arbeitnehmers aber zwingend erforderlich) aufgrund der wohl vorgetäuschten Krankheit und des genesungswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers (siehe hier auch „Nebentätigkeit bei Krankheit“) für wirksam.

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin

Arbeitsgericht Berlin: Wie schwanger muss man sein?

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Manche Dinge im Leben gehen nur ganz oder gar nicht. Allgemein ist bekannt, dass man nicht „ein bisschen schwanger“ sein kann.

Arbeitsgericht Berlin und das Beschäftigungsverbot

Das Arbeitsgericht Berlin entschied im August 2012 (31.08.2012 – Az 28 Ca 10643/12) über den Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung über ein Beschäftigungsverbot. Dem Arbeitgeber war die Arbeitnehmerin einfach nicht schwanger genug, denn er zweifelte  Schwangerschaft und vor allem das Beschäftigungsverbot und damit auch die ärztliche Bescheinigung der Arbeitnehmerin an.

hoher Beweiswert der ärztlichen Mutterschutzbescheinigung

Grundsätzlich wies das Arbeitsgericht Berlin darauf hin, dass – entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BAG (7.11.2007 – 5 AZR 883/06) – der ärztlichen Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot ein ausgesprochen hoher Beweiswert zu kommt, der erst einmal vom Arbeitgeber erschüttert werden muss. Der Vortrag, dass der Arbeitgeber zuvor keine schwangerschaftsbedingten Ausfallerscheinungen bei der Arbeitnehmerin feststellen konnte, reicht hierfür aber nicht aus.

RA A. Martin

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – die Auslandserkrankung (ausländischer Krankenschein)

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Für den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Arbeitnehmer im Inland oder im Ausland erkrankt. Der Arbeitnehmer hat also auch bei einer vorliegenden Auslandserkrankung einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Anforderungen an die Anzeigepflicht und Nachweispflicht des Arbeitnehmers bei einer Auslandserkrankung

Allerdings sind die Anforderungen an die Anzeigepflicht des Arbeitnehmers höher als bei einer Erkrankung im Inland. Dies macht auch Sinn, denn der Arbeitgeber hat ansonsten kaum Möglichkeiten zu überprüfen, ob tatsächlich einer Erkrankung im Ausland vorliegt.

§ 5 Abs. 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes regelt dazu Folgendes:

(2) Hält sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer, wenn er Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, verpflichtet, auch dieser die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als angezeigt, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, der gesetzlichen Krankenkasse die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Die gesetzlichen Krankenkassen können festlegen, daß der Arbeitnehmer Anzeige- und Mitteilungspflichten nach den Sätzen 3 und 4 auch gegenüber einem ausländischen Sozialversicherungsträger erfüllen kann. Absatz 1 Satz 5 gilt nicht. Kehrt ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer in das Inland zurück, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr unverzüglich anzuzeigen.

Der Arbeitnehmer muss also gegenüber dem Arbeitgeber bei einer Auslandserkrankung unverzüglich

  • die Arbeitsunfähigkeit
  • deren voraussichtliche Dauer
  • und die Adresse an seinem Aufenthaltsort

mitteilen. Die Kosten hierfür trägt der Arbeitgeber. Dies führt dazu, dass in der Regel der Arbeitnehmer die obigen Verpflichtungen telefonisch (schnellst möglich) mitzuteilen hat.

Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch – wie bei einer Erkrankung in Deutschland – die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (also den ausländischen Krankenschein) zu übermitteln. Hier gilt die gleiche Frist, wie bei einer Erkrankung innerhalb Deutschlands (§ 5 EFZG).

Kehrt der Arbeitnehmer ins Inland – weiter arbeitsunfähig erkrankt – zurück, muss er dies auch dem Arbeitgeber anzeigen.

Vereinfachtes Verfahren bei Auslandserkrankungen innerhalb der EU

Bei einer Auslandserkrankung innerhalb der EU gibt es ein vereinfachtes Verfahren für den Arbeitnehmer in Bezug au die Nachweispflicht (nicht die Informationspflicht!) . Hier gilt die EG VO 1408/71  .

Der Arbeitnehmer hat hier die vereinfachte Möglichkeit, dass der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (also den ausländischen Krankenschein) direkt einer ausländischen Krankenkasse vorlegt und diese die dann nach Deutschland weiterleitet. Er muss den Krankenschein also nicht zum Arbeitgeber nach Deutschland übersenden. Der Arbeitgeber bekommt dann Nachricht von der deutschen Krankenkasse.

Rechtsfolge der Verletzung der Anzeigepflichten / Mitteilungspflichten

Verletzt der Arbeitnehmer die obigen Verpflichtungen steht dem Arbeitgeber in Bezug auf die Fortzahlung des Lohnes ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) zu; er muss den Lohn also solange nicht zahlen, wie der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Marzahner Promenade 22, Berlin-Marzahn