wichtiger Grund
Arbeitszeitbetrug bei Nichtausstempeln in der Zigarettenpause

Arbeitszeitbetrug bei Nichtausstempeln in der Zigarettenpause – was ist das?
Rauchen kann gefährlich sein und zwar nicht nur für die Gesundheit. Dies musste nun eine Arbeitnehmerin feststellen, die wegen des fehlenden Ausstempelns in der Zigarettenpause vom Arbeitgeber außerordentlich gekündigt wurde. Nach Ansicht des Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom vom 3.5.2022 – 1 Sa 18/21) zu Recht.
Arbeitszeitbetrug – was ist das?
Ein Arbeitszeitmissbrauch stellt in der Regel einen außerordentlichen Kündigungsgrund nach § 626 I BGB dar. Nach dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18) ist ein Arbeitszeitbetrug, „der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren … . Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch„. Gerichte verstehen hier keinen Spaß.
Pause ist keine Arbeitszeit
Wenn also eine Pause wissentlich als Arbeitszeit abgerechnet wird, dann ist dies ein (versuchter) Betrug des Arbeitnehmers über die Arbeitszeit. Nicht immer ist eine außerordentliche Kündigung sofort möglich. Wie so oft, kommt es auf den Einzelfall an.
Das LAG Thüringen hatte nun über folgenden Fall zu entscheiden:
Die Arbeitnehmerin ist seit dem Jahr 1990 als Mitarbeiterin in einem Arbeitsamt beim Arbeitgeber tätig. Bei einer Kontrolle der Arbeitszeit über die Arbeitszeiterfassung wurde festgestellt, dass die Klägerin an drei Tagen keine einzige Pause, sondern lediglich Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit gebucht hatte. Dies ist auf den ersten Blick wenig glaubhaft und legt den Verdacht der Arbeitszeitmanipulation nahe und führte in diesem Fall dazu, dass die Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber zur Stellungnahme aufgefordert wurde.
3 Tage keine Pause gemacht?
Die Arbeitnehmerin teilte mit, dass wohl doch Pausen gemacht wurden (da sie diese als Raucherin benötige) und bat um Entschuldigung und sie werde zukünftig die Pausen ganz genau und minutiös aufzeichnen. Weiter führte sie aus, dass sich ein derartiges Verhalten sich mit Sicherheit nicht mehr wiederholen werde. Die Klägerin gab damit den Arbeitszeitbetrug zu. Sie hätte sich vor der Stellungnahme besser anwaltlich beraten lassen sollen. Die Arbeitnehmerin wäre sogar besser gefahren, wenn sie gar keine Stellungnahme abgegeben hätte.
fristlose Kündigung, hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber
Die Arbeitgeberin sprach daraufhin die fristlose (außerordentliche) Kündigung, hilfsweise fristgerechte Kündigung zum 30.9.2019 aus.
Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage gegen die beiden Kündigungen.
Entscheidung des LAG
Das Arbeitsgericht hielt nur die außerordentliche Kündigung für unwirksam und die ordentliche hingegen für wirksam, so auch das LAG. Allerdings wurde die Revision zum BAG zugelassen.
Das Landesarbeitsgericht führte dazu aus:
Ein Arbeitszeitbetrug, bei dem ein Mitarbeiter vortäuscht, für einen näher genannten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall ist, stellt eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar und erfüllt an sich den Tatbestand des wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs 1 BGB. Auch die hartnäckige Missachtung der Anweisung, bei Raucherpausen auszustempeln, ist geeignet eine außerordentliche Kündigung zu begründen.
LAG Thüringen vom 3.5.2022 – 1 Sa 18/21
Der Sachverhalt:
Anmerkung:
Die Arbeitnehmerin dachte hier wohl, dass mit der Stellungnahme und ihrer Entschuldigung die Sache vom Tisch war. Dies war aber nicht so. Dadurch war es dem Arbeitgeber möglich den Arbeitszeitbetrug klar nachzuweisen, ansonsten bestünde nur der Verdacht des Betrugs. Dies kann aber als sog. Verdachtskündigung unter Umständen auch schon ausreichend sein.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fristlose Kündigung bei vorsätzlich falscher Dokumentation einer Pflegekraft.
Sachverhalt
Eine bereits seit mehr als 5 Jahren bei der Arbeitgeberin beschäftigte Altenpflegerin wurde bereits mehrfach abgemahnt, u.a. weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt hatte und dies auch nicht richtig dokumentiert worden war.
Anfang April 2019 fuhr die Arbeitnehmerin nicht persönlich zu einer Patientin, um dieser die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte lediglich mit ihr.
Den Leistungsnachweis für den nächtlichen Besuch zeichnete die Arbeitnehmerin jedoch trotzdem ab und bestätigte auf dem Tagestourennachweis, die Patientin in der Zeit von 22:55 Uhr bis 23:06 Uhr tatsächlich vor Ort versorgt zu haben.
außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin
Die Arbeitgeberin erfuhr davon und kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 05.04.2019 fristlos.
Die Arbeitnehmerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage.
Mit Urteil vom 07.08.2019 (Aktenzeichen 3 Ca 992/19) wies das Arbeitsgericht Siegburg die Klage ab und führte dazu in der Pressemitteilung 3/2019 vom 20.8.2019 aus:
Macht eine Pflegekraft in der Pflegedokumentation vorsätzlich Falschangaben und trägt ein, bei einer Patientin in der Wohnung gewesen zu sein, obwohl sie nur telefonischen Kontakt zur Patientin hatte, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
Weiter führt das Arbeitsgericht aus:
Die fristlose Kündigung hielt es (das Arbeitsgericht) für gerechtfertigt. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Nach Auffassung des Gerichts muss der Arbeitgeber auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Nach Auffassung der 3. Kammer hatte die Klägerin trotz vorheriger Abmahnung vorsätzlich falsche Eintragungen gemacht. Das Arbeitsverhältnis endete damit fristlos am 05.04.2019.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.
Anmerkung:
Gerade Arbeitszeitbetrug ist fast immer für den Arbeitnehmer problematisch und kann in der Regel zum Ausspruch einer Kündigung führen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin
Wann gibt es trotz Eigenkündigung des Arbeitnehmers keine Sperrzeit vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit)?
Das Sozialgesetzbuch III sieht in mehreren Fällen das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld vor. Der wichtigste Fall ist in der Praxis die Verhängung einer Sperrzeit nach § 144 SGB III. Danach wird eine Sperrzeit verhängt, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhält, ohne einen wichtigen Grund dafür zu haben.
Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe
Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ist der wichtigste Fall des sog. „versicherungswidrigen Verhaltens“ des Arbeitsnehmers.
Hier kann man 2 Unterfälle unterscheiden:
- die Eigenkündigung des Arbeitnehmers
- der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Sonderfall: Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung des Arbeitgebers?
Ein weiteres Problem ist die Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung des Arbeitgebers, die aber in der Regel zu keiner Sperrzeit des Arbeitslosengeldes führen darf, denn rein passives Verhalten stellt eben kein versicherungswidriges Verhalten dar, da hierfür eine Aktivität des Arbeitnehmers Voraussetzung ist. Hierzu wird aber noch ein weiterer Beitrag erfolgen, da diese Fälle in der Praxis viel Unsicherheit bei Arbeitnehmern hervorrufen.
Eigenkündigung des Arbeitnehmers und Sperre vom Arbeitsamt
Die Eigenkündigung des Arbeitnehmers stellt in der Regel ein versicherungswidriges Verhalten dar. Dies allein entscheidet aber noch nicht über eine Verhängung einer Sperrzeit. Weiter ist nämlich erforderlich, dass der Arbeitnehmer für die Eigenkündigung keinen wichtigen Grund hat. Der Arbeitnehmer muss – zum Beispiel bei Vertragsverletzungen des Arbeitgebers – dies nicht bis in alle Ewigkeit hinnehmen, was nachvollziehbar ist.
Als Arbeitshilfe kann man folgende Fallgruppen, der erlaubten Eigenkündigung benennen:
- alle Gründe, die es dem Arbeitnehmer erlauben des Arbeitsverhältnis aus außerordentlichem Grund zu kündigen (§ 626 BGB)
- z.B. Eigenkündigung beim Zahlungsverzug des Arbeitgebers mit dem Arbeitslohn
- erhebliche Vertragsverletzungen des Arbeitgebers (z.B. kein gefahrensicherer Arbeitsplatz/ Beleidigungen)
- Umzug zum Ehepartner / Lebenspartner
- Mobbing (kann aber problematisch nachzuweisen sein)
- untertarifliche Bezahlung bei Tarifgebundenheit/ Zahlung eines sittenwidrigen Arbeitslohnes
- Wechsel von unbefristetem in ein befristetes Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis mit Aussicht auf Weiterbeschäftigung
Der Arbeitnehmer sollte sich nicht von der Agentur für Arbeit „einschüchtern lassen“. Er muss Vertragsverletzungen des Arbeitgeber – wie vor allem Lohnrückstände – nicht ohne Weiteres hinnehmen und muss sich beim Arbeitsamt auch keine Erlaubnis für die Kündigung holen. Meistens sind die Sachbearbeiter vor Ort ohnehin überfordert und können dem Arbeitnehmer keine eindeutige Auskunft geben. Der Rat eines Rechtsanwalts, der sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert hat, wäre in solchen Fällen angebracht.
Schadenersatz des Arbeitnehmers bei Eigenkündigung (Auflösungsverschulden des Arbeitgebers)
Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass bei einer vom Arbeitgeber verschuldeten Kündigung (Eigenkündigung) des Arbeitnehmers, der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadenersatz nach § 628 Abs. 2 BGB haben kann. Hier kommen vor allem Fällen in Betracht, bei denen der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum keinen Arbeitslohn zahlt und dann der Arbeitnehmer deshalb den Arbeitsvertrag kündigt.
Eigenkündigung und Schadenersatz
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 8.8.2002 – 8 AZR 574/01 -) hat die Voraussetzungen des Schadenersatzanspruch nachvollziehbar geschildert.
1. berechtigte und wirksame Kündigung/ schuldhaftes Verhalten der Gegenseite
Die Kündigung des Arbeitnehmers muss berechtigt und wirksam sein. Ob die Kündigung außerordentlich mit einer Auslauffrist oder fristlos erfolgt ist dabei unerheblich. Die Kündigung muss aufgrund eines schuldhaften Fehlverhaltens des Arbeitgebers beruhen.
Vorliegen eines wichtiges Grundes
Es genügt hierbei nicht jede – noch so geringe – Vertragsverletzung des Arbeitgebers, sondern es muss ein Fehlverhalten vorliegen, dass gleichzusetzen mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes ist. Die Nichtzahlung des Arbeitslohnes kann einen wichtigen Grund darstellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nichtzahlung der Bezüge eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug mit der Zahlung sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg erstreckt. Dazu verweise ich auf meinen Artikel zur Eigenkündigung /Arbeitnehmerkündigung wegen Lohnrückstandes.
2. Wahrung der 2-Wochenfrist- § 626 Abs. 2 BGB
Der Arbeitnehmer kann – wie hier bei einer verhaltensbedingten Kündigung – nur unter Wahrung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB kündigen. Bei der Vorenthaltung von Lohnzahlungen handelt es sich um ein sogenanntes Dauerverhalten. Hier beginnt die Frist nicht vor Beendigung des Zustandes. Ist die Beendigung des Zustandes – also die Nichtzahlung des Lohnes – nicht bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eingetreten- bzw. 2 Wochen davor – ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
3. Zusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und der Kündigung
Die Vertragsverletzung des Arbeitgebers muss die Ursache für die Kündigung gewesen sein. Also ohne Vertragsverletzung hätte es keine Kündigung gegeben.
4. Schadenersatz = Auflösungsverschulden
Wenn die Voraussetzungen vorliegen, kann der Arbeitnehmer den Ausgleich aller adäquat kausal verursachten Schadensfolgen verlangen, die durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund des Auflösungsverschuldens des anderen Teils entstanden sind. Der Anspruch geht auf das Erfüllungsinteresse, der Berechtigte ist so zu stellen, wie er bei Fortbestand des Dienstverhältnisses stehen würde. Der Schaden wird nach der sogenannten Differenzmethode berechnet. Dem tatsächlichen durch die Kündigung eingetretenen Zustand ist der hypothetische ohne das schädigende Ereignis (die Kündigung) zu verzeichnende Zustand gegenüberzustellen Der Schaden besteht im Ausfall der Lohnzahlung einschließlich aller besonderen Zuwendungen sowie einer etwaigen Naturalvergütung. Bei der Ermittlung des Verdienstausfallschadens ist von der sogenannten Bruttolohnmethode auszugehen. Danach ist bei der Schadensberechnung der entgangene Bruttoverdienst des Geschädigten anzusetzen. Die Vorteile, die ihm auf Grund des Schadensereignisses durch den Wegfall zB von Steuern zufließen, sind im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen, wobei der Vorteilsausgleich entsprechendes Verteidigungsvorbringen des Schädigers voraussetzt. Die Berechnungsmethode ist für alle Fälle des Verdienstausfalls anwendbar, gleichgültig, ob es um den Verdienstausfall von Beamten, Selbständigen oder Arbeitnehmern geht.