Beleidigung Arbeitgeber
Erst Schikane und dann fristlose Kündigung wegen Beleidigung

Beleidigung im Arbeitsverhältnis und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen
Eine Arbeitnehmerin musste nach einem gewonnen Kündigungsrechtsstreit sog. Archivarbeiten in einem verschimmelten und verdreckten Keller bei 11 Grad Celsius ausführen. Als Dank bekam diese später die fristlose Kündigung wegen angeblicher Beleidigungen von Arbeitskollegen.
außerordentliche Kündigung
Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmer wegen Beleidigungen des Arbeitgebers ist grundsätzlich möglich. In der Regel ist zwar bei einer verhaltensbedingten Vertrauenstörung durch den Arbeitnehmer zuvor abzumahnen, allerdings sind diverse Fälle bereits entschieden, wo eine massive Beleidigung auch eine fristlose, außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers ohne vorherige Abmahnung zulässt.
wichtiger Grund nach § 626 I BGB
Für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB braucht der Arbeitgeber einen wichtigen Grund. Ein solch wichtiger Grund kann grundsätzlich auch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer das Vertrauen dadurch stört, dass er den Arbeitgeber selbst oder Arbeitskollegen massiv beleidigt. Je nach Schwere der Beleidigung und der Vorbelastung muss dann entschieden werden, ob zuvor eine Abmahnung erforderlich ist. Insbesondere spielt auch eine Rolle, inwieweit das Arbeitsverhältnis bereits für eine gewisse Dauer bestanden hat und ob es bereits vorherige Abmahnung gegeben hat. Weiter ist wichtig, was der Anlass für die Beleidigung war und auch ob sich der Arbeitnehmer entschuldigt hat. In der Regel ist aber abzumahnen.
Interessenabwägung
Es ist bei einer außerordentlichen Kündigung immer eine Interessenabwägung vorzunehmen. Von daher kann man nicht sagen, dass eine fristlose Kündigung immer gerechtfertigt ist, wenn eine Beleidigung durch den Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber oder Arbeitskollegen erfolgt ist.
Entscheidung des LAG Thüringen
Einen komplett neuen Aspekt in der Frage, was alles bei der Interessenabwägung im Wege der Klärung durch das Arbeitsgericht zu berücksichtigen ist, hat das Landesarbeitsgericht Thüringen hier nun einen neuen „Punkt“ ins Spiel gebracht.
menschenunwürdige Arbeitsbedingungen
Das Landesarbeitsgericht Thüringen führte nämlich aus, dass eine außerordentliche Kündigung wegen grober Beleidigung auch schon deshalb unwirksam sein kann, wenn nämlich der Arbeitnehmer zuvor unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen tätig werden musste.
In dem Fall, den das Landesarbeitsgericht Thüringen jetzt zu entscheiden hatte, musste eine Arbeitnehmerin nach gewonnenen Kündigungsschutzverfahren weiterbeschäftigt werden. Der Arbeitgeber setzte diese zur Durchführung von Archivarbeiten in einem Keller bei einer Temperatur nur 11 °C ein. Darüberhinaus war der Keller verschimmelt und verdreckt. Der Arbeitgeber stritt sich auch über unstreitige Ansprüche mit der Arbeitnehmerin und tat alles, um der Arbeitnehmerin das Arbeitsleben so schwer, wie möglich zu machen.
Die Arbeitnehmerin soll später Arbeitskollegen beleidigt haben, wie zum Beispiel:
als „fette ….“, oder als „blöde ….“ (Was genau schreibt das Gericht nicht; kann man sich aber denken.)
außerordentliche Kündigung
Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin außerordentlich und fristlos. Die Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht. Die Arbeitgeberin ging in Berufung und verlor vor dem LAG Thüringen das Berufungsverfahren.
LAG entscheidet zu Gunsten der Arbeitnehmerin
Ob die Beleidigungen tatsächlich vorgelegen haben, ließ das Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 29.06.2022, 4 Sa 212/21) dahinstehen. Es kam darauf nicht an, da das LAG bereits aufgrund des schikanösen Verhaltens der Arbeitgeberin und der menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen unter der die Arbeitnehmerin hier tätig werden musste, davon ausgegangen ist, dass die Kündigung schon allein deshalb unwirksam ist.
Das LAG führte dazu aus:
Es kann offen bleiben, ob die als beleidigend titulierten Äußerungen der Klägerin über den Geschäftsführer der Beklagten und die Kolleginnen grundsätzlich geeignet sind, im Normalfall eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Hier kann aufgrund besonderer Umstände, die im Wesentlichen die Beklagte zu vertreten hat, nicht festgestellt werden, dass der Klägerin klar gewesen sein muss, die Beklagte würde dieses Verhalten nicht hinnehmen, und dass auszuschließen wäre, die Klägerin hätte nach einem entsprechenden Hinweis mit Kündigungsandrohung ihr Verhalten nicht umgestellt und die restliche Zeit des Arbeitsverhältnisses störungsfrei bewältigt.
Nachdem die Klägerin rechtskräftig im Rechtsstreit über die Kündigung aus dem Jahr 2016 obsiegt hatte, musste sie nach ihrer Rückkehr ins Arbeitsverhältnis zunächst in einem verschimmelten und verdreckten Keller bei 11 Grad Celsius arbeiten. Sie musste sich auch offensichtlich unstreitige Ansprüche wie Urlaubsentgelt erstreiten. Später musste sie von ihrem Büro aus über den Hof gehen und schwere Unterlagen tragen, um die ihr angewiesenen
Archivarbeiten zu bewältigen, obschon es einen weniger anstrengenden Zugang zum Archiv gegeben hätte. Das alles hat die Kammer ihrer Entscheidungsfindung als unstreitig zu Grunde zu legen, weil der entsprechende Sachvortrag der Klägerin trotz eines Hinweises auf die Relevanz für die Entscheidung im Hinweis vom 28.2.2022 (Bl. 161 d.A.) von der Beklagten nicht bestritten worden ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Diese hat nur die Notwendigkeit der Archivarbeiten verteidigt, nicht aber zu den Umständen der Beschäftigung Stellung genommen.
Die Klägerin hat diese Situation als erniedrigend und schikanös empfunden und fühlte sich von einigen Kollegen schlicht „ausgelacht“ (Seiten 2 und 3 der Berufungserwiderung, Bl. 151/152 d.A.).
In einer solchen Situation kann nicht ausgeschlossen werden und ist eher naheliegend, dass einemr Arbeitnehmerin der Blick dafür verstellt ist, welche Bedeutung es hat, wenn ersie sich in der behaupteten Art gegenüber einer ehemaligen Kollegin über die Arbeit, die Vorgesetzten und Kolleginnen äußert. Aufgrund dieser besonderen Situation steht nicht mit der für eine Entscheidungsfindung erforderlichen Sicherheit fest, dass eine Abmahnung nicht den gewünschten Effekt gezeitigt hätte.
Die als Beleidigung apostrophierten Äußerungen der Klägerin waren auch nicht derart ungeheuerlich und schwerwiegend, dass allein deshalb der Beklagten die Weiterbeschäftigung unzumutbar gewesen wäre. Dabei ist auch das Verhalten der Beklagten zu berücksichtigen. Diese hat die Klägerin menschenunwürdig in einem kalten, verdreckten und gesundheitsgefährdenden, weil verschimmelten Keller beschäftigt. Obschon das keine Rechtfertigung für Beleidigungen ist, stellt es eine Zumutung dar. Entsprechend erhöht ist das Maß an Zumutbaren, welches die Beklagte hinzunehmen hat.
Der Umstand, dass die Klägerin sich auch gegen Arbeitskolleginnen gewandt hat, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Arbeitskolleginnen tragen keine Verantwortung für die oben geschilderten Arbeitsbedingungen. Zugunsten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass durch eine solche Behandlung verständlicherweise die Unzufriedenheit im Arbeitsverhältnis extrem groß ist und dass dies auch zu einer emotionalen außergewöhnlichen Situation führt. Dass eine Arbeitnehmerin in einer solchen Situation u. U. bei Äußerungen über ihren Arbeitgeberin übers Ziel hinaus schießt und die Grenzen des Anstandes überschreitet und auch (ungerechter Weise) schlecht über ihre Arbeitskolleg*innen redet, ist nicht sanktionslos hinnehmbar, führt aber in einer solchen Ausnahmesituation nicht zum Ausspruch einer Kündigung.
Urteil vom 29.06.2022, 4 Sa 212/21
Anmerkungen:
Die Entscheidung ist bemerkenswert. Schade ist, dass nun auch einige Gerichte anfangen zu gendern und damit die rechtliche Sprache, die ohnehin für den Laien schwer verständlich ist, noch weiter zu erschweren. Die inhaltlichen Ausführungen sind gewagt, aber das Gericht kommt über die Schiene der vom Arbeitgeber verschuldeten Situation für die (angeblichen) Beleidigungen zu einem Punkt in der Interessenabwägung (Anlass für die Äußerungen), der nachvollziehbar ist. Ob jegliche Beleidigungen damit aber entschuldbar sind, zumal die Arbeitskollegen ja nichts für die Situation der Klägerin können, ist fraglich.
Rechtsanwalt Andreas Martin
„Arschloch“ – Arbeitnehmer will € 4.100,00 an Schmerzensgeld vom Arbeitgeber

Beleidigung durch Vorgesetzten
Auch ein Arbeitnehmer kann Schmerzensgeld vom Arbeitgeber erhalten. Dies kommt aber selten vor und setzt in der Regel eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber voraus. Auch bei Arbeitsunfällen kommt nur selten ein Schmerzensgeldanspruch des Arbeitnehmers in Betracht. Am häufigsten ist ein solcher Anspruch auf eine immaterielle Entschädigung noch beim sog. Mobbing gegenüber dem Arbeitnehmer im Betrieb.
Rücksichtsnahmepflichten aus dem Arbeitsverhältnis
Aus einem Arbeitsverhältnis ergeben sich verschiedene Schutz- und Rücksichtsnahmepflichten als Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag. Eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag besteht doch darin, dass man das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Seite, also des Vertragspartners, achtet und dieses nicht verletzt.
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Eine solche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes liegt zum Beispiel dann vor, wenn eine Beleidigung gegenüber der anderen Seite ausgesprochen wird. Eine Beleidigung ist nach § 185 Strafgesetzbuch darüberhinaus auch eine Straftat.
Haftung des Arbeitgebers für eingesetzte Vorgesetzte
Der Arbeitgeber kann dabei auch für seine Untergebenen, die als Vorgesetzte der Arbeitnehmer fungieren, haften.
Schmerzensgeld und schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung
Bei einer starken Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes kann es durchaus sein, dass der Arbeitnehmer, der am Persönlichkeitsrecht vom Arbeitgeber schwer verletzt wird, gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld hat. Hierbei zu beachten, dass eine einfache Verletzung des Persönlichkeitsrechtes aber nicht ausreicht. Es muss ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber oder einer dem Arbeitgeber zurechenbaren Person vorliegen. In einem solchen Fall-welcher in der Praxis wahrscheinlich eher selten vorkommt-hat dann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gegenüber dem Arbeitgeber.
Höhe eines möglichen Schmerzensgeldes
Bei der Frage, in welcher Höhe dann ein solcher Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld besteht, gibt es keine eindeutige gesetzliche Regelung (§ 253 BGB).
Die gesetzliche Regelung des § 253 BGB lautet:
§ 253 Immaterieller Schaden
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
§ 253 BGB
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
billige Entschädigung in Geld
Der Schmerzensgeld liegt als „billige Entschädigung“ letztendlich im Ermessen des Gerichtes. In der Regel greifen Anwälte, um eine entsprechende Schmerzensgeld der Höhe nach bestimmen zu können, auf sogenannte Schmerzensgeldkatalog zurück. Dort sind-vor allen für körperliche Verletzungen-die Art der Verletzung und die Umstände des Einzelfalls aufgeführt und dann auch die entsprechende Entscheidung des Gerichtes mit der Höhe des damals zugesprochenen Schmerzensgeldes aufgelistet. Daran kann man sich grob orientieren. In der Regel wird der Anwalt immer etwas mehr Schmerzensgeld gerichtlich beantragen als er für realistisch hält, das Gericht bei einem bezifferten Schmerzengsgeldbetrag (anders beim Mindestschmerzensgeldantrag) nicht mehr zusprechen kann.
Fall des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen
Im vorliegenden Fall war so, dass ein Arbeitnehmer, der von einem Vorgesetzten aufgefordert wurde einen Coronatest beizubringen im Anschluss mit der Formulierung „Arschloch „betitelt wurde. Sodann wurde der Arbeitnehmer nach Hause geschickt.
Der Arbeitnehmer erhob auch später Klage, auch auf Feststellung, dass der Arbeitgeber von ihm keinen Coronatest verlangen durfte und darüber hinaus auch auf Zahlung von sogenannten Annahmeverzugslohn, da er den Test nicht sofort beibringen konnte. Der Annahmeverzugslohn wurde teilweise hier durch das Gericht zugesprochen, dass es die Aufgabe des Arbeitgebers gewesen wäre den Arbeitnehmer den Test mitzugeben, da der Arbeitgeber hierfür verantwortlich war.
Schmerzensgeldklage gegen den Arbeitgeber
Darüberhinaus wollte der Arbeitnehmer mit seiner Klage auch 4.100 € brutto an Schmerzensgeld vom Arbeitgeber, da er durch den Vorgesetzten (nicht vom Arbeitgeber selbst) mit dem Wort „Arschloch“ betitelt wurde und meinte, dass dies ein schwerwiegender Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht sei, welcher einen Anspruch auf Schmerzensgeld in derartiger Höhe rechtfertigte.
Entscheidung des Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen
Das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen (Urteil vom 22.10.2021 – 2 Ca 52/21) sah dies aber nicht so und lehnte den Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld des Arbeitnehmer mit der Begründung ab, dass vielleicht eine allgemeine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers vorliegen würde, aber die Rechtsverletzung aber kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen würde.
Begründung des Gerichts
Dazu führte das Gericht folgendes aus:
a) Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts folgt grundsätzlich aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1, 2 GG.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts voraus, dass ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94; LAG Baden-Württemberg vom 12. Juni 2006 – 4 Sa 68/05). Das hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGH vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94).
Bei der Anwendung der für einen Anspruch auf Geldentschädigung maßgeblichen Tatbestandsmerkmale einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der mangelnden Möglichkeit anderweitiger Genugtuung haben die Gerichte die Fundierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Würde des Menschen zu beachten. Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, alle Menschen gegen Angriffe auf die Menschenwürde zu schützen; der Schutz der Menschenwürde ist absolut und erstreckt sich auf alle Lebensbereiche. Der sich aus der Menschenwürde ergebende Achtungsanspruch kann verletzt werden, wenn die Diffamierung einer Person Ausdruck ihrer Missachtung ist, etwa durch Leugnung oder Herabsetzung der persönlichen Eigenschaften und Merkmale, die das Wesen des Menschen ausmachen. Die Feststellung einer solchen Verletzung durch eine Äußerung setzt eine deren Wortlaut und Begleitumstände berücksichtigende Deutung voraus (LG Oldenburg vom 7. Februar 2013 – 5 S 595/12 m. w. N.).
Eine Beleidigung kann also grundsätzlich – allerdings abhängig von den konkreten Umständen – einen Schmerzensgeldanspruch nach sich ziehen.
… Vorliegend sieht die Kammer jedoch keinen solchen Anspruch als begründet an, weil es an einem schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers infolge der zu betrachtenden Umstände fehlt.
Zu berücksichtigen ist hier nach Auffassung der Kammer zunächst, dass es sich um eine einmalige Beleidigung des Vorgesetzten gegenüber dem Kläger handelte. Jedenfalls trägt der Kläger selbst nicht vor, dass es schon öfter von Seiten des Vorgesetzten ihm gegenüber zu Beschimpfungen gekommen wäre. Hinzu kommt, dass die Beleidigung zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem die allgemeine Lage durch Corona generell angespannt war, die Nerven aller damit „blank“ lagen und im Unternehmen der Beklagten in der Schicht des Klägers zudem ein aktueller Corona-Fall aufgetreten war. Zu berücksichtigen war zudem, dass der Kläger im Oktober 2020 unstreitig im Unternehmen durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien Corona betreffend aufgefallen war, indem er entsprechende Flugblätter an Kollegen verteilte (vgl. Bl. 37 f. d. A.), sodass die Kammer – ohne dies indes gutzuheißen – nachvollziehen kann, dass in einer derartigen Gemengelage und zudem in der Produktion, in der meistens ein rauerer Umgangston herrscht, „im Affekt“ eine einmalige Beleidigung wie die streitgegenständliche fallen kann.
Eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das einen Geldentschädigungsanspruch nach sich zieht, sieht die Kammer aus den genannten Gründen in der Beleidigung also nicht, zumal auch der Kläger selbst nicht angibt, dass und in welcher Art und Weise er sich durch die Beleidigung in seiner Würde tatsächlich herabgesetzt gefühlt hat.
Ein Schmerzensgeldanspruch war also abzulehnen. ….
Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 22.10.2021 – 2 Ca 52/21
Anmerkung
Man darf das Urteil nicht falsch verstehen. Das Gericht sagt ausdrücklich, dass eine Beleidigung durchaus eine schwere Persönlichkeitsverletzung darstellen kann, die einen Schmerzensgeldanspruch des Beleidigten zur Folge haben kann. In diesem Einzelfall aber, meinte das Gericht aber, dass eine solche schwere Verletzung nicht vorliegt, da hier faktisch eine Handlung im Affekt vorgelegen hat und es sich um eine einmalige Angelegenheit gehandelt hat. Dies kann man durchaus auch anders sehen, allerdings wäre ohnehin der Schmerzensgeld hier wohl überhöht gewesen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin
Beleidigung des Arbeitgebers als „Ming Vase“ – fristlose Kündigung!

Kündigung wegen Beleidigung im Arbeitsverhältnis
Die Beleidigung des Arbeitgebers ist fast nie eine gute Idee. Manche Arbeitnehmer können sich aber-Hier kann auch die Situation eine Rolle spielen-nicht zurückhalten. Ist die Beleidigung erst einmal raus, ist das Dümmste, was der Arbeitnehmer machen kann, dass man diese auch noch rechtfertigt und daran festhält.
Beleidigung = Abmahnung oder Kündigung
Im Arbeitsrecht ist es nämlich so, dass eine Abmahnung dann entbehrlich ist, wenn von vornherein klar ist, dass der Arbeitnehmer für die Zukunft sein Verhalten nicht ändern wird. Wer also nicht einsieht, dass ein Fehler begangen hat und vielleicht dann sogar noch dummerweise ankündigt, dass er zukünftig sich ähnlich verhalten wird, muss in der Regel damit rechnen, dass er keine Abmahnung mehr erhält, sondern vielleicht sogar gleich eine Kündigung. Es besteht hier nämlich dann Wiederholungsgefahr.
Abmahnung als milderes Mittel
Beleidigungen des Arbeitgebers können-ohne Abmahnung-schon eine außerordentliche und fristlose Kündigung rechtfertigen.
Hierbei kommt es darauf an, ob es dem Arbeitgeber nach den Gesamtumständen überhaupt noch zumutbar ist das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortzusetzen. Es kommt auch auf die Situation an, die zu der Äußerung geführt hat, insbesondere, ob durch ein Verhalten des Beleidigten der Arbeitnehmer provoziert worden ist oder ohne Anlass die Herabwürdigung erfolgte.
grobe Beleidigung rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung
Im Falle einer groben Beleidigung muss der Arbeitnehmer in der Regel mit einer sofortigen (fristlosen) Kündigung, aus außerordentlichem Grund rechnen. Eine Abmahnung kommt hier nur noch selten in Betracht. Unter einer groben Beleidigung ist aber nur eine besonders schwere, den Angesprochenen kränkende Beleidigung, dies heißt eine bewusste und gewollte Ehrenkränkung aus gehässigen Motiven zu verstehen.
Rettungsanker „Entschuldigung“
Die einzige Rettung kann dann noch da bestehen, dass sich der Arbeitnehmer sofort beim Arbeitgeber entschuldigt und glaubhaft versichert, dass er hier in einer emotionalen Ausnahmesituation überreagiert hat und dass dies in der Zukunft nicht mehr vorkommt.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin (Beschluss vom 5. Mai 2021, Aktenzeichen 55 BV 2053/21) hatte sich nun mit einem Fall zu beschäftigen, indem ein Arbeitnehmerin in einem Kaufhaus ihre Vorgesetzten als „Ming Vase“ bezeichnet hat und dann auch mittels einer Geste des Nach-Hinten-Ziehens der Augen und Wiederholung „Na Sie wissen schon, die Ming-Vase“ bestärkt hat.
Daraufhin bekam sie als Quittung und sollte eine außerordentlich und fristlose Kündigung erhalten, allerdings war hier eine Zustimmung des Betriebsrats notwendig, die der Betriebsrat nicht erteilte. Die Arbeitnehmerin war nämlich geschützt als Ersatzmitglied des Betriebsrats.
Der Arbeitgeber vermutete hier rassistisches Gedankengut und teilte darüberhinaus auch mit, dass eine solche Haltung nicht hinnehmbar sei, da ein internationales Publikum im Kaufhaus verkehre.
Das Arbeitsgericht hatte sich nun im Rahmen der Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung mit dem Fall zu beschäftigen.
Das Arbeitsgericht Berlin entschied zugunsten des Arbeitgebers und hielt die Kündigung der Arbeitnehmerin für wirksam. In seiner Pressemitteilung Nummer 15/21 vom 18. Mai 2021 führte das Arbeitsgericht Berlin dazu folgendes aus:
Die Bezeichnung der mit den Worten „Ming Vase“ gemeinten Vorgesetzten und die zur Verstärkung der Worte verwendeten Gesten der Mitarbeiterin seien zur Ausgrenzung von Mitmenschen anderer Herkunft, deren Beleidigung und zu deren Herabsetzung geeignet und rechtfertigen unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls eine außerordentliche Kündigung. Die Verkäuferin habe zunächst gegenüber einer Kollegin gesagt, „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase“. Sie habe auf Nachfrage eines anwesenden Vorgesetzten, was damit gemeint sei erklärt „Na Sie wissen schon, die Ming-Vase“ und die Augen mit den Fingern nach hinten gezogen, um eine asiatische Augenform zu imitieren. In der dann erfolgten arbeitgeberseitigen Anhörung zu dem Vorfall habe die Verkäuferin erklärt, eine Ming Vase stehe für sie für einen schönen und wertvollen Gegenstand. Das Imitieren der asiatischen Augenform sei erfolgt, um nicht „Schlitzauge“ zu sagen, bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Herr Boateng“, weil sie diesen toll finde. In der Gesamtbetrachtung liege eine rassistische Äußerung vor, die die Pflicht zur Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeber verletze. Hierin liege eine erhebliche Herabwürdigung der gemeinten Vorgesetzten. Zudem sei es für ein Kaufhaus von internationalen Ruf nicht hinnehmbar, wenn eine Verkäuferin als Aushängeschild im täglichen Kontakt mit internationalem Publikum dieses wahlweise als Ming Vase oder Herr Boateng oder mit sonstigen abwertenden Formulierungen bezeichnen könnte.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben.
Anmerkung: Hier sieht man, dass bei einer solchen Beleidigung auch der Kündigungsschutz als Betriebsratsmitglied (hier Ersatzmitglied) nichts mehr nutzt.
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LAG Köln: Beschimpfungen des gegnerischen Anwalts im Arbeitsgerichtsprozess kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen
Ein hochqualifizierter Arbeitnehmer rief den Rechtsanwalt seines Arbeitgebers an (es gab hier einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht wegen Eingruppierung/ Lohn) und warf diesen vor, dass er sich durch die Verbreitung von Lügen und Verleumdungen seines Arbeitgebers im Prozess lächerlich mache und seine Anwaltszulassung riskiere.
Dies reichte – was nachvollziehbar ist – dem Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer und klagte u.a. gegen die Kündigung.
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 23. Januar 2014 · Az. 7 Sa 97/13) sah grundsätzlich in den im Telefonat geäußerten Vorwürfen gegenüber dem Anwalt der Gegenseite und dem Arbeitgeber einen geeigneten außerordentlichen Kündigungsgrund nach § 626 BGB, allerdings habe der Rechtsanwalt das Telefonat nicht annehmen dürfen und sich nicht 20 Minuten mit der Gegenseite unterhalten dürfen (§ 12 BORA). Von daher läge hier konkret ein Mitverschulden des Anwalts vor, dass sich der Arbeitgeber zurechnen lassen müsse. Eine außerordentliche Kündigung sei von daher unverhältnismäßig.
Allerdings sah das Gericht den Auflösungsantrag des Arbeitgebers – den dieser ebenfalls gestellt hatte – als zulässig und begründet an. Aufgrund des bisherigen Geschehens im Prozess und den Vorwürfen des Arbeitnehmers seien weitere schwere Konflikte vorhersehbar und eine weitere „gedeihliche Zusammenarbeit“ sei auf Dauer nicht mehr möglich.
RA A. Martin
Beleidigung des Arbeitgebers am Arbeitsplatz -„Arschl…“ – Unterlassungserklärung?
Eine Arbeitnehmer wurde während der Probezeit gekündigt und bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt. Bei der Übergabe der firmeneigenen Arbeitsmittel soll diese zum Chef „Arschloch“ gesagt haben und zu ihrer Nachfolgerin „Du wirst hier auch nur verarscht und angelogen.“.
Eine Kündigung erfolgte ja bereits vor der Beleidigung, so dass der Arbeitgeber hier von der Arbeitnehmerin verlangte, dass diese eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Darin sollte sich die ehemalige Arbeitnehmerin verpflichten, derartige Äußerungen wörtlich oder sinngemäß zu unterlassen. Für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung drohte er ihr eine Vertragsstrafe von mehr als 5.000 Euro an. Die ehemalige Arbeitnehmerin weigerte sich, eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Der Arbeitgeber klagte nun vor dem Arbeitsgericht Kiel auf Abgabe der Unterlassungserklärung gegen die ehemalige Arbeitnehmerin, allerdings ohne Erfolg.
Auch im Berufungsverfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein, (Urteil vom 27.08.2014, Az. 3 Sa 153/14) hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg.
Beide Gerichte gingen davon aus, dass hier keine Wiederholungsgefahr bestand. Das Arbeitsverhältnis war bereits gekündigt, die Arbeitssachen übergeben und zum Zeitpunkt der Klageverfahren beendet. Darüber hinaus lag eine einmalige „eskalierende Situation“ vor.
Dies heißt aber noch lange nicht, dass eine Beleidigung des Arbeitgebers folgenlos bleibt. Dies berechtigt im Normalfall zu einer außerordentlichen Kündigung (ggfs. zu einer Abmahnung) und darüber hinaus kann auch der Arbeitgeber Strafanzeige / Strafantrag stellen.
Anwalt A. Martin
LAG Berlin-Brandenburg: Prozesskostenhilfe für einen Arbeitsrechtsstreit trotz Rechtsschutzversicherung
Vielen Verfahren vor dem Berliner Arbeitsgericht oder dem LAG Berlin-Brandenburg werden über Prozesskostenhilfe finanziert, meist unter Beiordnung (Vertretung) eines Rechtsanwalt (was aber nicht zwingend der Fall sein muss). Wird die Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt, dann sind vom Antragsteller keine Gerichtskosten zu tragen, wobei unter Umständen die PKH auch mit Ratenzahlung gewährt werden kann, dann muss der Antragsteller monatlich einen Betrag an die Staatskasse entrichten. Wird darüber hinaus (und darum geht es meistens, da die Anwaltsgebühren häufig höher sind als die ohnehin vor dem Arbeitsgericht geringen Gerichtskosten) im Rahmen der PKH ein Rechtsanwalt für die Vertretung beigeordnet, dann rechnet der Anwalt später gegenüber der Staatskasse ab und der Antragsteller muss die Anwaltsgebühen nicht tragen (siehe aber Ratenzahlung).
PKH und Rechtschutzversicherung
Für die Gewährung der PKH muss der Antragsteller eine Erklärung ausfüllen (die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) hierbei ist anzugeben, ob eine Rechtschutzversicherung die Kosten der Prozessführung trägt (Punkt B des Formulars). Allgemein wird von Mandanten angenommen, dass schon beim bloßen bestehen einer Rechtsschutzversicherung kein Anspruch auf PKH bestehen kann. Dies ist nicht richtig, wie dies auch die nachfolgende Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zeigt.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Vor dem Arbeitsgericht Eberswalde machte eine Arbeitnehmerin Entgeltansprüche geltend. Diese hatte eine Rechtsschutzversicherung, welche auch Deckungszusage für das Klageverfahren erteilte, allerdings unter der Einschränkung,dass die Reisekosten und das Abwesenheitsgeld des beauftragten Rechtsanwalts nicht übernommen wird.
Reisekosten und Abwesenheitsgeld eines Rechtsanwalts
Dies kommt in den allgemeinen Rechtsschutzbedingungen der Rechtsschutzversicherer häufig vor. Dort steht meist, dass nur dann Fahrkosten und Abwesenheitsgeld eines Rechtsanwalt übernommen werden, wenn der Versicherungsnehmer mehr als 100 km Luftlinie vom Gericht entfernt wohnt. Damit will man verhindern, dass sich der Versicherungsnehmer, der z.B. ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin hat, einen Rechtsanwalt aus München nimmt, der dann die Fahrtkosten und sein Abwesenheitsgeld nach Berlin später gegenüber der Rechtsschutzversicherung geltend macht. Anders wäre es, wenn der Versicherungsnehmer zum Beispiel in München wohnt und sich dort einen Anwalt nimmt und das zuständige Gericht sich in Berlin befindet. Hier übernimmt der Rechtsschutzversicherer (ggfs. unter Einschränkungen – beschränkt auf Kosten eines Verkehrsanwalts) die Reisekosten und das Abwesenheitsgeld des Anwalts aus München für die Reise zum Gericht nach Berlin.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte im vorliegenden Fall über einen Antrag der Arbeitnehmerin auf Gewährung der Prozesskostenhilfe für die Reisekosten und das Abwesenheitsgeld zu entscheiden.
Dabei stellte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zunächst klar, dass der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entgegensteht, wenn der Antragsteller eine Rechtsschutzversicherung hat, die auch eintrittspflichtig ist.
Dies schließt die Bedürftigkeit des Antragstellers nur aus wenn,
- die Kosten der Rechtsverfolgung (komplett) von der Rechtsschutzversicherung gedeckt sind.
Ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe kann (daneben) bestehen, wenn
- durch die Rechtschutzversicherung keine Deckungszusage erteilt wurde oder
- die Deckungssumme nicht zur Finanzierung des Prozesses ausreicht oder
- ein Teil der Kosten z.B. aufgrund bestehender Selbstbeteiligung nicht übernommen werden/ oder bei Beschränkung auf Anwaltskosten ohne Reisekosten und Abwesenheitsgeld
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Entscheidung vom 25.4.2014 – 21 Ta 811/14) führte dazu aus:
Durch die Beiordnung des außerhalb des Gerichtsbezirks des Arbeitsgerichts Eberswalde am Wohnort der Klägerin ansässigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstehen auch keine höheren Kosten. Denn höhere Kosten entstehen nur dann, wenn der Sitz des Prozessbevollmächtigten vom Gerichtsort weiter entfernt ist als der vom Gerichtsort am weitesten entfernte, aber noch im Gerichtsbezirk liegende Ort (Zöller-Geimer, § 121 Rn. 13a), oder die Reise vom Sitz des Prozessbevollmächtigten zum Gerichtsort länger dauert als die Reise von jedem anderem im Gerichtsbezirk liegenden Ort. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Laut Google-Routenplaner beträgt die Entfernung zwischen der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Arbeitsgericht Eberswalde 84,5 km und die Fahrtzeit mit einem PKW 58 Minuten. Die Gemeinde Uckerland, die in der Nähe von Pasewalk und noch im Gerichtsbezirk des Arbeitsgericht Eberswalde liegt, ist vom Arbeitsgericht Eberswalde 92,6 km entfernt und die Fahrtzeit liegt bei über einer Stunde.
……………..
1) Nach § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei für die Prozesskosten ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zum Vermögen gehört auch der Versicherungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung (Zöller-Geimer, § 115 Rn. 49c; Musielak-Fischer, § 115 Rn. 54). Eine Rechtsschutzversicherung kann jedoch nur Teil des Vermögens i. S. d. § 115 Abs. 3 ZPO sein, soweit sie tatsächlich die Kosten der Rechtsverfolgung deckt. Wird keine Deckungszusage erteilt, reicht die Deckungssumme nicht aus, oder wird ein Teil der Kosten durch eine Selbstbeteiligung oder aus sonstigen Gründen durch die Versicherung nicht gedeckt, ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. OLG Dresden vom 27.11.2009 – 4 W 1188/09 -, juris; LSG NRW vom 11.02.2009 – L 1 B 25/08 AL -, juris; Schleswig-Holsteinisches LSG vom 27.01.2003 – L 2 B 121/02 SB PKH -, JurBüro 2004, 146; Zöller-Geimer, a. a. O.; Musielak-Fischer, a. a. O., jeweils m. w. N.).
RA A. Martin
Verleumdung von Kollegen und Vorgesetzten – Kündigung rechtens
Äußerungen von Arbeitnehmern in sozialen Medien über Arbeitskollegen und über Vorgesetzte oder dem Chef kommen immer häufiger vor, da insgesamt die sozialen Medien (wie z.B. Facebook) immer öfter als Kommunikationsplattform benutzt werden. Von daher spiele diese auch bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten eine immer größere Rolle.
negative Äußerungen über Arbeitskollegen
Negative und vor allem ehrenrührige – unwahre – Behauptungen über Arbeitskollegen oder Vorgesetzte können – je nach schwere der Vorwürfe – eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 04.02.2014 – 19 Sa 322/13) hatte über folgenden Fall zu entscheiden (siehe Pressemitteilung):
Die Klägerin wurde von dem beklagten Landkreis in einer Stadtkämmerei als Sekretärin beschäftigt. Sie erhob vor allem gegen die Kämmerin, aber auch gegen weitere Kollegen schwere Vorwürfe; so sei es u. a. zu Alkoholexzessen und sexuellen Handlungen während des Dienstes gekommen. Der Landkreis kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung einer Kündigungsfrist.
Kündigung wirksam
Das Landesarbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung nach der Vernehmung von Zeugen für berechtigt gehalten und die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Die Klägerin habe ihre Kollegen zu Unrecht beschuldigt und hierdurch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt; dass die Arbeitsabläufe in der Stadtkämmerei teilweise zu beanstanden gewesen seien, rechtfertige oder entschuldige die ehrenrührigen Behauptungen der Klägerin nicht. Dem Landkreis sei es insgesamt nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen.
Zu beachten ist, dass – wie so oft schon ausgeführt – nicht immer eine Kündigung wegen ehrenrühriger Äußerungen des Arbeitnehmers wirksam sein muss; es kommt – nicht nur – aber vor allem auf die schwere der Vorwürfe an und welche Rechtfertigung der Arbeitnehmer hierfür haben könnte. Bei derart schweren Vorwürfen – wie oben geschildert – ist die Auffassung des LAG Berlin – Brandenburg durchaus nachvollziehbar.
RA A. Martin
„Ausbeutung“ – menschenverachtende Jagd auf Kranke“ – Kündigung unwirksam!
„Ausbeutung“ – menschenverachtende Jagd auf Kranke“ – Kündigung unwirksam!
– Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin – Anwalt A. Martin-
Erstaunlich ist, dass viele Arbeitsgerichte bei Vermögensschädigungen des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer (Stichwort: „Bagatellkündigung) kleinlich sind, bei Meinungsäußerungen über den Arbeitgeber aber eine erstaunliche Großzügigkeit an den Tag legen. So auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg.
Beleidigung des Arbeitgebers im Internet:
Ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer aus der Automobilbranche äußerte sich gegenüber seinen Arbeitgeber wie folgt:
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Äußerungen verhaltensbedingt durch außerordentliche Kündigung. Der Arbeitnehmer wehrte sich dagegen durch eine Kündigungsschutzklage.
Nach langjähriger Auseinandersetzung unterlag der Arbeitgeber.
Das Landesarbeitsgericht Baden – Württemberg Urteil 10.02.2010 (2 Sa 59/09). dazu aus:
„Die Berufungskammer ist der Auffassung, dass die verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten unwirksam ist. Der dem Kläger zuzurechnende Internetbeitrag ist vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und verletzt nicht seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Zusammenhang mit den (gerichtlichen) Auseinandersetzungen der Parteien zu sehen sind.
Die Äußerungen des Klägers rechtfertigen auch nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers. Eine Gesamtbewertung der Äußerungen und des Verhaltens des Klägers lässt nicht erkennen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu erwarten ist.“
Verhältnisse am Arbeitsplatz mit Kz verglichen – fristlose Kündigung!
Verhältnisse am Arbeitsplatz mit Kz verglichen – fristlose Kündigung!
Es kommt schon mal vor, dass Arbeitnehmer mit den Verhältnissen am Arbeitsplatz unzufrieden sind. Diesen Unmut kann man durchaus auch gegenüber dem Arbeitgeber äußern, sofern die Kritik sachlich und nachvollziehbar ist.
Wer aber seinen Arbeitsplatz mit den Verhältnissen im Konzentrationslager vergleicht, riskiert die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber.
Dies entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 29.08.2006 – Az.: 6 Sa 72/06):
Ein Arbeitnehmer hat während eines Personalgespräches eine Abmahnung überreicht bekommen. Er weigerte sich die Abmahnung anzunehmen, worau hin im der Arbeitgeber „die Abmahnung über den Tisch zugeworfen habe“, daraufhin äußerte der Arbeitnehmer „Ist das hier Konzentrationslager oder was?“ und damit die betrieblichen Verhältnisse mit dem nationalsozialistischen System und den verbrecherischen Verhältnissen in einem Konzentrationslager verglichen.
„Dies stellte nach Auffassung des Gerichts eine grobe, durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckte Beleidigung des Arbeitgebers dar. Derartige Beleidigungen berechtigten den Arbeitgeber regelmäßig auch ohne vorherige Abmahnung zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung.„
Auch eine spätere Äußerung des Arbeitnehmers „Er habe dies nicht so gemeint.“ führte nicht mehr dazu, dass der Arbeitgeber sein Meinung ändert, er kündigte außerordentlich und fristlos. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht und unterlage im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht. Eine Abfindung hat der Arbeitnehmer natürlich nicht erhalten.
Eine Abmahnung war hier nicht erforderlich.
Rechtsanwalt A. Martin – Berlin
siehe auch hier Kündigung Berlin