Schmerzensgeld für unrechtmäßige Arbeitnehmerüberwachung!

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Überwachung des Arbeitnehmers
unrechtmäßige Arbeitnehmerüberwachung

Überwachung des Arbeitnehmers

Die Überwachung des Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv kann in bestimmten Fällen zulässig sein. Diese Fälle sind aber auf wenige Ausnahmen beschränkt. Insbesondere muss ein entsprechender Anlass bestehen und dem Arbeitgeber darf es nicht möglich sein anders eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers aufzuklären. Insbesondere bei der Begehung von Straftaten durch den Arbeitnehmer ist eine solche Überwachung durch eine Detektei denkbar. Auch eine offene Videoüberwachung kann zulässig sein. Gerichtlich wurde auch entschieden, dass in diesem Fall der Arbeitnehmer sogar die Kosten der Detektei unter bestimmten Voraussetzungen zahlen muss.

strenge Anforderungen an Detektivüberwachung

Wie aber bereits ausgeführt, ist es so, dass eine solche Überwachung die Ausnahme ist und im Normalfall eine Überwachung ausgeschlossen ist.

Wenn der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber – also unberechtigterweise – durch einen Privatdetektiv überwacht und ausspioniert wird, kann es sein, dass diese einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Schmerzensgeld wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes hat.

Entscheidung des LAG Düsseldorf zur Überwachung durch Privatdektiv

Einen solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 26.04.2023 – 12 Sa 18/23) vor kurzem zu entscheiden.

kranker Arbeitnehmer wird überwacht

Nach diversen Streitigkeiten zwischen dem Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeberin, insbesondere nach einer Kündigung nebst gewonnenen Kündigungsschutzprozess durch den Arbeitnehmer, einer Änderungskündigung und nebst weiteren Streitigkeiten, meldete sich der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber krank. Dies geschah kurze Zeit nach einem Streitgespräch mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin. Der Arbeitnehmer gab an, dass er sich verletzt habe.

Arbeitsunfähigkeit

Die Arbeitgeberin zweifelte die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers an und beauftragte dann eine Detektei mit der zumindest stichprobenartige Überwachung des Arbeitnehmers.

Im folgenden Bewachung wurde durch den Detektiv die behandelnde ärztliche Praxis aufgesucht und auch das Wohnhaus einer ehemaligen Lebensgefährtin des Arbeitnehmers. Darüber hinaus wurde auch das Wohnhaus des Klägers an mehreren Tagen und auch die täglichen Fahrten des Klägers überwacht. Dabei ging es vor allem darum, ob die Verletzung des Arbeitnehmers beobachtet werden konnte oder ob diese nicht bemerkbar war und damit der Verdacht des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit nahe lag.

Verdachtskündigung

Im Anschluss an diese Überwachungsmaßnahmen lud dann die Arbeitgeberinnen Klägers zu einem persönlichen Gespräch ein und konfrontierte dies mit dem Vorwurf der Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit.

Der Hintergrund ist der, dass die Arbeitgeberin eine Verdachtskündigung aussprechen wollte und dazu ist die Anhörung des Arbeitnehmers zwingend erforderlich.

Daraufhin hörte die Arbeitgeberinnen den Betriebsrat wegen einer beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung an und daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers außerordentlich und fristlos gekündigt.

Kündigungsschutzklage

Der Kläger erhob gegen die Kündigung der Arbeitgeberin Kündigungsschutzklage und sodann forderte der Arbeitnehmer mit einer Klageerweiterung wegen der unrechtmäßigen Überwachung ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 €. Nach der Auffassung des Arbeitnehmers / Klägers sei der Überwachungsauftragsei unvereinbar mit den Vorgaben des § 26 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BDSG. Der Arbeitnehmer trug auch gerichtlich vor, dass die Beauftragung der Detektei reine Schikane sei, weil die beklagte Arbeitgeberin ihn loswerden wolle.

Schmerzensgeldanspruch von € 1.500 als Entschädigung

Das Landesarbeitsgericht gab letztendlich in Bezug auf den Schmerzensgeldanspruch des Arbeitnehmers diesen zum Teil recht und zwar dem Grunde nach und in Höhe von 1500 € als Entschädigung für die unrechtmäßige Überwachung.

Dazu führte das Landesarbeitsgericht folgendes aus:

a)Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Einen solchen Anspruch macht der Kläger hier geltend, auch wenn er im Antrag von einem Schmerzensgeld spricht. Damit bringt er nur zum Ausdruck, dass es ihm insoweit nicht um einen materiellen Schadensersatz geht, sondern den davon zu unterscheidenden immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO (vgl. zur Abgrenzung von immateriellen und materiellem Schadensersatz als unterschiedliche Streitgegenstände zu § 15 Abs. 1 und 2 AGG: BAG 16.02.2012 – 8 AZR 697/10, juris Rn. 21), welchen die Kammer als Entschädigung bezeichnet hat. Davon geht der Kläger zuletzt ausdrücklich aus, wenn er sich zur Begründung seines Begehrens auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO stützt und ausführt, dass es insoweit auf eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung nicht ankomme und die Observation durch einen Detektiv einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstelle. Die Beklagte hat das Klagebegehren genauso verstanden, geht indes davon aus, dass die Datenverarbeitung durch sie rechtmäßig erfolgt sei und insbesondere alleine ein Verstoß gegen die DSGVO keinen Schaden darstelle.

a)Die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegen dem Grunde nach vor.

aa)Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Die Beklagte ist als juristische Person i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO Verantwortliche. Unstreitig hat diese durch ihren Geschäftsführer die Detektivüberwachung des Klägers in Auftrag gegeben und damit über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers entschieden. Es handelt sich dabei um Datenverarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO, weil dadurch Daten über den Kläger erhoben und verwandt wurden (vgl. bereits BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13, juris Rn. 23).

bb)Es liegt der für Art. 82 DSGVO erforderliche Verstoß gegen deren Bestimmungen vor, weil die Detektivüberwachung des Klägers als Datenverarbeitung im vorliegenden Fall unverhältnismäßig und damit rechtswidrig war.

(3)Die Datenverarbeitung in Form der Detektivüberwachung des Klägers war nicht erforderlich und zugleich unverhältnismäßig. Die Datenverarbeitung wurde nicht auf das notwendige Maß beschränkt.

(3.1.)Zu § 32 Abs. 1 BDSG a.F. ist das Bundesarbeitsgericht für die Zulässigkeit der verdeckten Observation durch einen Detektiv von Folgendem ausgegangen: Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 26). Nach den demgemäß in § 32 BDSG a.F. zusammengefassten Rechtsprechungsgrundsätzen sind – sofern weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Überwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist – Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch bspw. eine verdeckte (Video-)Überwachung nicht nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung besteht, sondern ebenso bei einem entsprechenden Verdacht einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 29). Es müssen dabei zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Falle einer attestierten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung bestehen, um einen aufklärungsbedürftigen Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit annehmen zu können (BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13, juris Rn. 25; BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 40). Zu fragen ist auch, ob andere gleich wirksame, aber weniger stark in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 41). Im Anwendungsbereich des Art. 26 BDSG gelten keine geringeren Anforderungen (vgl. z.B. die Sachprüfung bei LAG Hessen 18.10.2021 – 16 Sa 380/20, juris Rn. 126 ff.). Und auch Art. 6 Abs. 1 b) und f) DSGVO sowie Art. 5 Abs. 1 c DSGVO sowie Art. 9 DSGVO stellen keine geringeren Anforderungen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2023 – 12 Sa 18/23

Anmerkung:

Eine interessante Entscheidung, die zeigt, dass eine unberechtigte Überwachung des Arbeitnehmers durchaus negative Konsequenzen für den Arbeitgeber haben kann.


Rechtsanwalt Andreas Martin

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