LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung wegen HIV-Infektion in Probezeit zulässig!

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Gestern (am 13.01.2012) befasste sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit einer Probezeitkündigung eines Pharmaunternehmens aus Berlin gegenüber einem HIV-infizierten Arbeitnehmer. Das LAG Berlin-Brandenburg (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Januar 2012 – 6 Sa 2159/11 – Link zur Pressemitteilung) urteilte, dass die Kündigung rechtmäßig sein.

Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Grundsätzlich wird die Kündigung innerhalb der Probezeit von den Arbeitsgerichten nur auf Willkür überprüft. Es reicht aus, wenn irgendein sachlicher Grund für die Kündigung vorliegt. Dies ist hier eine Besonderheit des Falles. Zumindest ist eine Kündigung wegen HIV innerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (hier findet es aber wegen der Probezeit keine Anwendung) als personenbedingte Kündigung in der Regel nicht zulässig, da im Grunde von der HIV – Infektion kein Risiko für Dritte ausgeht und auch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht eingeschränkt ist. Anders ist dies, gerade im Hinblick auf zu erwartende Erkrankungen beim Ausbruch der Krankheit (Aids). Im vorliegenden Fall war es aber so, dass ein nachvollziehbares Interesse des Arbeitgebers bestand eben keinen HIV-infizierten Mitarbeiter im „Proberaum“ für die Entwicklung von Medikamenten zu beschäftigen. Auch liegt keine Diskriminierung vor,die zu einer Entschädigung nach dem AGG rechtfertigen würde.

Pressemitteilung des LAG Berlin-Brandenburg- HIV und Probezeitkündigung

In der Pressemitteilung wird demnach ausgeführt:

Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für rechtswirksam gehalten. Die Kündigung sei nichtwillkürlich und verstoße deshalb nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dem Arbeitgeber könne nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, sei auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Da auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, komme es auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht an.

Dem Arbeitnehmer stehe auch eine Entschädigung nach dem AGGnicht zu. Dabei könne dahinstehen, ob die bloße HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstelle und ob der Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt worden sei. Denn eine – einmal angenommene – Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt.

Revision zum BAG zugelassen

Die Revision zum BAG wurde zugelassen. Ich glaube aber nicht, dass das BAG das Urteil aufheben wird.

Nachtrag – 30.12.2013

Überraschenderweise wurde das Urteil vom BAG aufgehoben. Zum Artikel über die Entscheidung des BAG bitte hier klicken.

Der Rechtsstreit wurde vom BAG an das LAG Berlin-Brandenburg zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

RA A. Martin

10 Gedanken zu „LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung wegen HIV-Infektion in Probezeit zulässig!

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    […] LAG Berlin-Brandenburg – Kündigung in Probezeit wegen HIV-Infektion nicht sittenwidrig […]

    Schröder sagte:
    30. Oktober 2013 um 12:33

    Selbstverständlich wird die Klage Erfolg haben, spätestens auf Europäischer Ebene, denn das geltende Recht ist ganz klar auf der Seite des Klägers!!!
    Das sollte einem als jemand der Recht studiert hat bewusst sein und von solchen unqualifizierten Annahmen (…Ich glaube aber nicht, dass das BAG das Urteil aufheben wird. RA A. Martin) abhalten.

      Rechtsanwalt Andreas Martin geantwortet:
      4. November 2013 um 06:40

      Schauen wir erst einmal, was das BAG entscheidet, ob der Fall beim EuGH landet, ist nicht sicher. Im Übrigen die Richter am LAG Berlin-Brandenburg haben auch Jura studiert …..

      Rechtsanwalt Andreas Martin geantwortet:
      30. Dezember 2013 um 19:14

      Das BAG hat das Urteil nun tatsächlich aufgehoben und an das LAG zurückverwiesen. Es kommt nun darauf an, ob eine Beschäftigungsmöglichkeit tatsächlich mit der Infektion besteht oder nicht. Dies muss das LAG aufklären.

    […] einem Jahr hatte ich über das Urteil des LG Berlin Brandenburg berichtet  und bin damals davon ausgegangen, dass das Urteil Bestand haben würde. So kann man sich irren. […]

    Schröder sagte:
    1. Januar 2014 um 22:59

    Ich frage mich ob der hier bloggende Anwalt wirklich Anwalt ist, falls ja scheint er, mit Hinsicht auf seine Fallbeurteilung, sein Examen auf dem Russischen Jahrmarkt gewonnen zu haben. Unfassbar

      Rechtsanwalt Andreas Martin geantwortet:
      7. Januar 2014 um 21:53

      Dann wahrscheinlich die Richter des LAG auch und wohl auch die des BAG, denn diese halten unter bestimmten Voraussetzungen die Kündigung ebenfalls für zulässig, ansonsten hätte das BAG den Fall nicht zur Sachaufklärung an das LAG verwiesen. Aber jeder darf ja eine Meinung haben ….

    […] Stoffels 14.01.2012: Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion RA A. Martin 14.01.2012: LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung wegen HIV-Infektion in Probezeit zulässig! Juraforum 16.01.2012: Pharmaunternehmen müssen HIV-Infizierte Arbeitnehmer nicht weiter […]

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