Fristlose Kündigung wegen Weiterleitung eine E-Mail des Arbeitgebers?

Grundsätzlich ist es so, dass persönliche Daten geschützt sind. Wer unbefugt auf diese Daten zugreift und/oder die Daten sogar Dritten unberechtigterweise zugänglich macht, begeht als Arbeitnehmer eine Verletzung seiner Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich nämlich als Nebenpflicht eine Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und umgekehrt.
Pflichtverletzung – Kündigung oder Abmahnung
Nicht jede Pflichtverletzung des Arbeitnehmers führt dazu, dass dies ein außerordentlicher oder ordentlicher Kündigungsgrund für den Arbeitgeber ist. Auch eine Abmahnung kommt in Betracht.Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Kündigung bei schweren Pflichtverletzungen
Grundsätzlich kann man sagen, dass je schwerer eine Pflichtverletzung ist, umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber deswegen aus wichtigem Grund das Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung beenden darf.
Interessenabwägung bei einer außerordentlichen Kündigung
Auch spielt eine Rolle, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und welchen Anlass der Arbeitnehmer hatte und um welche Daten es sich hier handelt. Auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses und eventuell vorher bestehender Abmahnung oder ein störungsfreies Arbeitsverhältnis spielen hier bei der Beurteilung / Interessenabwägung eine Frage. Es kommt – wie so oft in der Juristerei – auf den Einzelfall an.
Entscheidung des LAG Köln zur Weitergabe von privaten Daten
Diesbezüglich hatte sich vor kurzem das Landesarbeitsgericht Köln mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen.
Kündigung wegen unberechtigten Zugriff auf Rechner des Arbeitgebers und Datenweitergabe
Dem Fall des LAG lag folgender Fall zu Grunde:
Eine seit 23 Jahren beschäftigte Arbeitnehmerin einer evangelischen Kirchengemeinde griff unbefugt auf den Dienst -Computer ihres Pastors zu. Auf diesem Computer fand die Arbeitnehmerin eine E-Mail mit einem privaten Chatverlauf, welcher den Pastor belastete. Es ging um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer Frau, die im Kirchenasyl lebte. Diese private E-Mail sicherte die Arbeitnehmerin auf ein USB-Stick und leitete diesen dann anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiter. Dies bekam der Arbeitgeber mit und kündigte daraufhin außerordentlich aus wichtigem Grund und fristlos das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin.
Die Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Aachen und gewann auch das Kündigungsschutzverfahren gegen den Arbeitgeber in der ersten Instanz.
Das Arbeitsgericht Aachen führte dazu aus, dass ein sehr langes unbelastetes Arbeitsverhältnis bestanden hat und eine Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht mehr bestand, sodass die außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig gewesen sei. Ein Kündigungsgrund an sich sah das Gericht aber schon.
Berufungsinstanz
Die Arbeitgeberin legte dagegen Berufung ein zum Landesarbeitsgericht Köln und gewann das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht.
Das LAG Köln (Urteil vom 2.11.2021 – 4 Sa 290/21) führte dazu in der Pressemitteilung vom 3.1.2022 aus:
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Kirchengemeinde hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Köln sah das für die Aufgaben der Klägerin notwendige Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an. In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag für das Gericht auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser sei auch nicht durch die von der Klägerin vorgetragenen Beweggründe, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Denn mit ihrer Vorgehensweise habe die Klägerin keines der angegebenen Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Lösungsinteresse der Gemeinde das Beschäftigungsinteresse der Klägerin deutlich. Selbst die erstmalige Hinnahme dieser Pflichtverletzung sei der Gemeinde nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für die Klägerin erkennbar – ausgeschlossen.
LAG Köln (Urteil vom 2.11.2021 – 4 Sa 290/21
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin