russischer Mandant erklärt mir die Vorteile der Korruption

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In Russland ticken die Uhren anders; und nicht nur die Uhren. Auch so mancher Beamter lässt sich gern und reichlich schmieren. Darin einen Vorteil zu sehen, fällt uns hier in Deutschland schwer, aber ein russischer Mandant erklärte mir in der letzten Woche, welche Vorteile doch so ein korruptes System hat:

Der Mandant meinte:

„Hier in Deutschland muss Du schicken viel Papier; dauert alles lange! In Russland gehst Du hin zum Beamten, sagst Du willst Bescheinigung, gibst 50 Dollar und schon hast Du Stempel und Papier. Geht alles ganz schnell und einfach. Nicht – wie in Deutschland – wo Du musst lange hin und her schreiben!“

So hatte ich dies bisher noch nicht gesehen. Schnell und einfach = Korruption? Aber was machst Du, wenn Du nicht hast 50 Dollar?

Anwalt Martin – Kanzlei Marzahn

PS: Ich muss den Mandanten noch anrufen und darum bitten, dass er zum Termin beim Arbeitsgericht Berlin die 50 Dollar zu Hause lässt.

17 Gedanken zu „russischer Mandant erklärt mir die Vorteile der Korruption

    DAMerrick sagte:
    14. Februar 2011 um 07:18

    Was soll man sagen?
    Recht hat er und genau die gleichen Vorteile kann man auch in Deutschland genießen. Nur weil hier die Beamten wohlhabender sind braucht es mehr als 50€. Je nachdem eine oder zwei Nullen mehr.

    Mich wundert, das Ihnen diese Vorteile noch nicht bekannt waren. 😉

      rechtsanwaltarbeitsrechtberlin geantwortet:
      14. Februar 2011 um 08:42

      Die Vorteile sind schon bekannt, die Nachteile aber auch. Manchmal klickt nicht der Stempel, sondern die Handschellen.

      earthwitch sagte:
      14. Februar 2011 um 09:02

      Oh, da kann ich meinen Vorredner bestätigen. Ich habe persönlich als ehemalige Unternehmerin erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleben dürfen, weil ich im Gegensatz zu meiner Konkurrenz keinen dicken Briefumschlag zufällig beim Bauamt liegen ließ…

      Der freundliche und scheinbar ziemlich unterbezahlte Beamte sagte mir (natürlich ohne Zeugen), ich würde solange keine Baugenehmigungen für die Häuser bekommen, bis mein Konkurrent sein allerletztes Grundstück (von etwa 100) verkauft und bebaut hätte… ich wisse warum.

      Wir brauchen nicht bis nach Russland.

      Das war übrigens auch nicht der einzige Vorfall dieser Art. Das Gewerbe habe ich mittlerweile aufgegeben.

        Tourix sagte:
        14. Februar 2011 um 12:47

        @ earthwitch
        So etwas gab es hier im Kreisbauamt auch mal.
        Irgendwann ist das aufgeflogen. Die Beamten haben ihre Pension verloren, von den beteiligten Architekten hört und liest man auch nichts mehr.
        Fazit: Wenn man nicht schmiert hat man möglicherweise kurzfristige Nachteile, aber langfristig Vorteile.

        rechtsanwaltarbeitsrechtberlin geantwortet:
        14. Februar 2011 um 20:15

        Das Fazit ist schon richtig. Wer schmiert, verliert.

    […] This post was mentioned on Twitter by RA Berlin- Anwalt , andy müllen. andy müllen said: russischer Mandant erklärt mir die Vorteile der Korruption: http://t.co/PE50p7o […]

      DAMerrick sagte:
      14. Februar 2011 um 08:48

      Ich habe jetzt keine Statistiken aber aus meiner Erfahrung klicken sie seltener als früher.

    Tom sagte:
    14. Februar 2011 um 09:09

    Das ist in Indonesien nicht anders, eher spitzenmäßig. Wenn in D etwas gesetzlich nicht geht, dann geht es nicht. Hier schon. „Es ist ALLES verhandelbar“, wie mir mal ein indonesischer Anwalt erklärte. Auch noch wenige Stunden vor der Urteilsverkündigung. Das kann für den Ausländer und seinen immer gefährdeten Status sehr hilfreich sein. Gesamtgesellschaftlich wirkt sich die totale Korruption jedoch lähmend bis zerstörerisch aus.

    Anfi sagte:
    14. Februar 2011 um 10:34

    Wunderbar. Stimmt genau. Über das Thema habe ich auch schon darüber nachgedacht. Nur deshalb alleine, weil wir ein paar Zettelchen mehr ausstellen und Stempel drauf machen, sind wir nicht notwendiger Weise weniger korrupt.

    Der Punkt, den der Kollege aus Rußland natürlich übersieht, ist die rechtsstaatliche Kontrolle und Nachvollziehbarkeit, z.B. durch die Verwaltungsgerichte.

    Mir wurde z.B. aus Rußland/ der Ukraine berichtet, daß die Studenten am Beginn der Studien die Frage gestellt bekommen, ob sie eine „eins“ möchten, das erfordert einen größeren ähnlichen Beitrag ohne Dokumentation, oder nur so bestehen, das geht auch so! Andererseits gab es ja auch in Deutschland schon einige Skandale um Promotionen, die unter ähnlichen Kriterien vergeben wurden.

    step21 sagte:
    14. Februar 2011 um 11:40

    Wahrscheinlich zu idealistisch, aber ich glaube ich würde mir ernsthaft überlegen den Beamten an zu zeigen, auch wenns zu nichts direkt führt stehts dann hoffentlich immerhin in seiner Akte. Und entweder an die lokalzeitung schreiben und/oder schreiben/sagen was ich davon halte bzw was er mit seinem Verhalten für die Gesellschaft anrichtet.

    […] diesem Beitrag von RA Martin mußte ich an die Bemerkung eines russischen Mandanten denken, der mich vor einiger Zeit […]

    Rolf Schälike sagte:
    15. Februar 2011 um 06:25

    In der Sowjetunion – dem Vorgänger von Russland – gehörte die Korruption und die Nutzung persönlicher Beziehungen zu dem Wenigen Menschlichen, was noch vom alten Russland an Leben verblieb.

    Alles andere wurde geplant, vorausgesagt und die Menschen mussten nach vorgegebenen Regeln leben und denken.

    Die Korruption begleitet wie die Prostitution die Menschheit seit ihrem Bestehen.

    In Deutschland Heute herrscht nicht weniger Korruption als in Russland. Bei uns wird zivilisierter korrumpiert.

    Werden korrupte Politiker, Beamte, Geschäfts- und Privatleute erwischt, so unterliegt die Berichterstattung darüber den staatlichen Zensurregeln, realisiert über die Zensurgerichte in Hamburg, Berlin, Köln und anderswo.

    Es gibt auch die offizielle Korruption in Form der juristischen Abzocke durch Abmahnungen, Unterlassungen, Unterwerfungsverträge u.a. Korruption ist auch gesetzlich festgelegt, z.B. durch die RVG (Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte).

    Wir brauchen unsere Nase über Russland nicht zu rümpfen.

      rechtsanwaltarbeitsrechtberlin geantwortet:
      15. Februar 2011 um 09:23

      Ihre „offizielle Korruption“ kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Quatsch ist, dass das RVG etwas damit zu tun hat. Schließlich rechnen Sie auch Ihre Gebühren als Übersetzer nach einer Gebührenordnung ab. Mit Sicherheit gibt es in Russland mehr Korruption als bei uns.

        Rolf Schälike sagte:
        15. Februar 2011 um 17:31

        Für Übersetzer gibt es eine Gebührenordnung nur als Dolmetscher bei Gerichten. Gerichte verhandeln oft ohne Dolmetscher. Der Mandant braucht es ja nichts zu verstehen. Der Anwalt tut es schon.

        Bei der Polizei herrscht Marktfreiheit. Die Korruption in der Polizei läuft nicht über die Honorare der Dolmetscher. Dolmetscher warnen jedoch nicht selten die Kriminellen. Die Polizei ist nicht seltener der Nutznießer.

        Die Gerichtsdolmetscher sind nicht weit entfernt von der Korruption.

        Nebenbei bemerkt: Ich wurde in der DDR Dolmetscher, weil ich mich als Physiker (Wissenschaftler) von der Partei (SED) nicht korrumpieren ließ. Dolmetscherei und Übesetzerei war für mich eine gute Geld- und Informationsqelle, nicht mehr und nicht weniger.

        Zum RVG: Mit den RVG-Sätzen werden Leistungen oft überbezahlt und nicht weniger selten unterbezahlt. Werden Leistungen nicht nach Leistung bezahlt, dann steht Korruption Tür und Tor offen. Die Anwälte dürfen Mandanten ablehnen und mit Täuschungen werben.

        Nicht selten erhalten die Mandanten die von der Justizkasse und den Versicherungen zurückgeführte Gelder nicht zurück. Das Jammern, dass die RVG-Sätze nicht genügen, ist nicht selten nichts anderes als das Offenhalten der Hand klassischer korrupter Beamten.

        In Deutschland Heute hat die Korruption zivilisierten Charakter.

    AK sagte:
    15. Februar 2011 um 09:14

    Hinweise zu Korruptionsverdacht bei der Landeshauptstadt Saarbrücken bitte unter antikorruptionsstelle@saarbruecken.de oder 0800 905 1324

    Auch anonym – natürlich lieber mit Rückfragemöglichkeit; also E-mail oder Telefonangabe.

    Helmut Karsten sagte:
    15. Februar 2011 um 10:39

    Korruption ist so alt wie die zivilisierte Gesellschaftsordnung. Nur die Hintergründe und die Art und Weise sind verschieden. Nicht etwas das Land, die Geografie oder die Regierungsform sind entscheidend. Ausschlaggebend ist jedoch das Vorgehen, WENN jemand dabei erwischt wird. Die fiesesten Länder sind also die, bei denen es (angeblich) keine Korruption gibt (bei uns, uns, uns). Korruption hoch 3.

      Rolf Schälike sagte:
      15. Februar 2011 um 17:32

      Kann alles unterstreichen und beweisen.

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