Zeiterfassung

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber?

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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber?
Arbeitszeiterfassung

Arbeitszeit und Pflichten des Arbeitgebers

Es bestehen immer noch Unsicherheiten, ob der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer zu erfassen und aufzuzeichnen. Diese Frage soll hier beantwortet werden.

Was ist Arbeitszeit?

Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit abzüglich der Ruhepausen.

Wo ist die gesetzliche Grundlage geregelt?

Geregelt ist die Arbeitszeit und die entsprechenden Vorgaben zur Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz.

Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung

Ich hatte hier schon berichtet, dass der Europäische Gerichtshof deutlich gemacht hat, dass grundsätzlich nach der Arbeitszeitrichtlinie der EU die einzelnen Mitgliedstaaten verpflichtet sind dafür zu sorgen, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfassen. Eine entsprechende Umsetzung in das innerdeutsche Recht ist aber bis heute nicht erfolgt.

Entscheidung des BAG zur Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit

Ein Paukenschlag war von daher die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 13. September 2022 (Beschluss vom 13.9.2022, Aktenzeichen 1 ABR 22/21).

gesetzliche Grundlage = § § 3 Abs. 2 Nummer 1 des Arbeitsschutzgesetzes

Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass es schon lange eine gesetzliche Regelung gibt und zwar § 3 Abs. 2 Nummer 1 des Arbeitsschutzgesetzes, wonach Arbeitgeber verpflichtet sind die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Die Problematik daran war die, dass niemand davon ausgegangen ist, dass bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber bestand. Die Regelung, auf die das Bundesarbeitsgericht hier verwiesen hat, ist äußerst ungenau und aus dieser kann man zumindest durch einfaches Lesen ohne Auslegung nicht ohne weiteres die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ableiten.

Zitat

§ 3 Grundpflichten des Arbeitgebers – Arbeitsschutzgesetz

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie.

Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.

Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung besteht

Dies kann aber letztendlich alles dahinstehen. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dieser Norm abgeleitet und von daher sind Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Dies heißt, dass der Beginn und das Ende der Arbeitszeit-einschließlich der Pausen-zu erfassen sind.

keine Vorgabe, wie die Erfassung erfolgen soll

Das Bundesarbeitsgericht hat nicht geregelt, wie diese Erfassung auszusehen hat. Es hat insbesondere nicht den Arbeitgebern vorgeschrieben, dass diese besondere-zum Beispiel elektronische-Arbeitszeiterfassungsysteme einsetzen müssen. Dies heißt, dass es dem Arbeitgeber freisteht, wie er die Arbeitszeit letztendlich im Betrieb aufzeichnet.

per Hand oder elektronisch

Dies kann durch elektronische Arbeitszeiterfassungsysteme, wie zum Beispiel elektronische Steckkarten oder Login am Computer, erfolgen aber auch durch Aufzeichnungen zum Beispiel das Eintragen in einen entsprechenden Arbeitszeitkalender erfolgen.

Übertragung auf Arbeitnehmer möglich

Der Arbeitgeber ist sogar berechtigt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auf den Arbeitnehmer zu delegieren. Dies heißt, dass dann der Arbeitnehmer verpflichtet ist seine Arbeitszeiten zu erfassen. Damit ist der Arbeitgeber aber nicht komplett von seiner Verpflichtung befreit, sondern seine Aufzeichnungspflicht wandelt sich um in eine Überwachungspflicht. Der Arbeitgeber muss letztendlich auch überwachen, ob tatsächlich vom Arbeitnehmer die Aufzeichnung der Arbeitszeit korrekt erfolgt.

Vertrauensarbeitszeit in Home Office

Dies gilt auch für den Fall der sogenannten Vertrauensarbeitszeit, wie zum Beispiel im Home Office. Auch hier ist die Arbeitszeit grundsätzlich zu erfassen. Das Bundesarbeitsgericht differenziert hier nicht zwischen Arbeitnehmern, die im Betrieb anwesend sind und Arbeitnehmern, die zum Beispiel mobil arbeiten. Bei allen Arbeitnehmergruppen hat eine Arbeitszeiterfassung zu erfolgen.

hohe Bußgelder drohen

Arbeitgeber, die sich nicht an diese Vorgaben halten, riskieren, dass sie entsprechend von Arbeitsschutzbehörden ein hohes Bußgeld (§ 25 des Arbeitsschutzgesetzes) erhalten.

Beweislastumkehr in Arbeitsgerichtsprozessen?

Darüber hinaus können sich in Prozessen ergeben, dass eine Beweislastumkehr in Bezug auf erbrachte Arbeitszeiten von den Arbeitsgerichten angenommen wird. Dies ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher. Entscheidung dazu-zumindest von höchstrichterlicher Stelle-gibt es dazu noch nicht.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

LAG Hessen: Arbeitszeitbetrug – fristlose / außerordentliche Kündigung wirksam!

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Meiner Erfahrung nach sind weit mehr als die meisten außerordentlichen / fristlosen Kündigungen von Arbeitgebern rechtlich nicht haltbar. Arbeitgeber überschätzen häufig ihre Rechtsposition und nehmen vorschnell, gerade bei verhaltensbedingten Verfehlungen des Arbeitnehmers einen außerordentlichen Kündigungsgrund an. Es fehlt hier oft an der vorherigen Abmahnung.

schwere der Pflichtverletzung maßgeblich

Die Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung erfolgt in meheren Schritten. Ein wichtiger Punkt ist die Art (Kernbereich der geschuldeten Arbeitsleitstung betroffen oder nur Nebenbereich) und die Schwere der Pflichtverletzung.

Straftaten und außerordentliche Kündigung

Bei Straftaten des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber liegt meist ein außerordentlicher Kündigungsgrund vor. Hier bedarf es – in der Regel – keiner vorherigen Abmahnung. Aber auch hiervon gibt es Ausnahmen, denn es erfolgt immer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Kündigung durch das Gericht. Gerade bei einer sehr langen störungsfrei (also ohne Abmahnungen) bestehenden Arbeitsverhältnis kann eine Interessenabwägung ergeben, dass der Arbeitgeber evtl. doch vorher hätte abmahnen müssen (siehe Fall Emmely – Bagatellkündigung).

Arbeitszeitbetrug ist eine Straftat

Der Arbeitszeitbetrug des Arbeitnehmers ist in der Regel ebenfalls eine solche Straftat, nämlich Betrug nach § 263 StGB. Dies hat zur Folge, dass ein solcher Arbeitszeitbetrug eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen kann. Auch ohne vorherige Abmahnung, denn jedem Arbeitnehmer wird in der Regel klar sein, dass eine Straftat gegen den Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigt und dies eine schwere Pflichtverletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt.

Entscheidung des LAG Hessen

Das Landesarbeitsgericht Hessen (Hessisches LAG, Urteil v. 17. 2.2014, 16 Sa 1299/13) hatt sich mit einen solchem Fall auseinanderzusetzen:

Ein bereits seit 25 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigter Arbeitnehmer manipulierte die Arbeitszeiterfassung beim Arbeitgeber. Zur Erfassung der Arbeitszeit und der Pausenzeiten musste eine Zeiterfassungskarte mit Chip verwendet werden, die u.a. bei Pausenzeiten für das Ausloggen und Einloggen verwendet wurde. Der Arbeitnehmer tat so als würde er sich – zur Durchführungen von Pausen – Ausloggen, verdeckte aber bewusst den Chip der Karte mit der Hand, so dass eine Zeiterfassung der Pausenzeiten nicht erfolgte. Dies tat er systematisch über einen Zeitraum von 1,5 Monaten. Dadurch „erschlich“ er sich insgesamt 3,5 Stunden an bezahlter Arbeitszeit, obwohl er in dieser Zeit Pause gemacht hatte.

Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer fristlos aus außerordentlichem Grund. Hiergegen wehrte sich der Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage.

Der Arbeitnehmer verlor sowohl in der ersten, als auch in der zweiten Instanz vor dem hessichen Landesarbeitsgericht.

Das LAG führte aus, dass trotz langjähriger Beschäftigung die Kündigung wirksam sein, denn durch das geplante und systematische Vorgehen zum Nachteil des Arbeitgebers sei ein schwerer Vertrauensverlust eingetreten. Darüber hinaus manipulierte der Arbeitnehmer die Zeiterfassungssysteme des Arbeitgeber im erheblichen Umfang und über einen relativ langen Zeitraum. All dies rechtfertige die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Berlin-Marzahn

 

Arbeitszeitbetrug und außerordentliche Kündigung

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Im Kündigungsschutzrecht gibt es keine absoluten Kündigungsgründe. D. h., dass auch schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nicht automatisch immer eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers begründen ohne dass vorher die Pflichtverletzung abgemahnt werden müsste.

schwere Pflichtverletzung/Betrug

Eine von der Rechtssprechung anerkannte schwere Pflichtverletzung des Arbeitnehmers ist der so genannte Arbeitszeitbetrug. Dieser kann, muss aber nicht immer eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Diesbezüglich gibt es diverse Entscheidungen (auch des Bundesarbeitsgerichts), wonach ein außerordentlicher Kündigungsgrund gegeben ist, wenn ein Arbeitnehmer zum Nachteil des Arbeitgebers vorsätzliche falsche Angaben zu Beginn und zum Ende seiner Arbeitszeit macht. Erschwerend kommt noch hinzu, wenn der Arbeitnehmer ohnehin verpflichtet ist seine Arbeitszeit, also dass Ende und den Beginn der Arbeitszeit selbst zu erfassen und wenn er in dieser Situation vorsätzlich falsche Angaben macht.

Arbeitszeitbetrug und Abmahnung

Wie oben bereits ausgeführt wurde,gibt es keine absoluten Kündigungsgründe. Die Arbeitszeitbetrug muss also nicht zwingend immer eine außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen. Es kann also im Einzelfall sein, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung unwirksam ist. Denkbar sind Fälle, bei denen eine Abmahnung erforderlich ist, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer sehr langen beim Arbeitgeber störungsfrei (also ohne abgemahnte Pflichtverletzung)tätig war, dem Arbeitgeber ein nur geringer Schaden entstanden ist und das Verschulden des Arbeitnehmers nicht allzu schwer wiegt. Hier wäre es denkbar, dass dem Arbeitgeber eine vorherige Abmahnung zumutbar wäre, da wohl keine schwere Störung des Vertrauensbereiches vorliegt und mit einem Wiederholungsfall nicht zu rechnen ist. Wie gesagt, kommt es immer auf den Einzelfall an.

das Bundesarbeitsgericht und die Rechtsprechung  zum Arbeitszeitbetrug

Das Bundesarbeitgericht hat in seinem Urteil vom 09.06.2011 – Az: 2 AZR 381/10 – sich mit dem Arbeitszeitbetrug beschäftigt. Das Bundesarbeitsgericht führt dazu aus

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtsnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz vorliegen einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des jeweiligen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.“

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich.

Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines Vertrauensverlustes und dessen wirtschaftliche Folgen – der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Nach dem Bundesarbeitsgericht ist von daher ein Arbeitszeitbetrug grundsätzlich geeignet eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, auch ohne Abmahnung. Wichtig ist allerdings, dass dies nicht für jeden Fall gilt (siehe oben). Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beim Arbeitszeitbetrug des Arbeitnehmers

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu beachten. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt es unter anderem auf folgendes an:

– Dauer der Betriebszugehörigkeit

Lebensalter/Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers

– Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers

Schaden beim Arbeitgeber

– Schwere des Vertrauensverlustes

– Zeitdauer der Pflichtverletzung/ Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers

– erfolgte der Betrug im Kernbereich des Arbeitsverhältnisses (Hauptleistungspflicht)

– Dauer des störungsfreien Verlaufes des Arbeitsverhältnisses

– Höhe der Wiederholungsgefahr

– ggfs. Mitverschulden des Arbeitgebers (durch unklare Regelungen)

Muss der Arbeitnehmer beim vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug (Straftat) mit einem Strafverfahren rechnen?

Grundsätzlich ist der Arbeitszeitbetrug eine Straftat. Ein Betrug im Sinne des Strafgesetzbuches kann nur vorsätzlich begangen werden, von daher kann man auch nicht unterscheiden zwischen einem vorsätzlichen und einem fahrlässigen Arbeitszeitbetrug, denn der Arbeitszeitbetrug ist zwingend immer vorsätzlich.

Strafrechtlich liegt ein Betrug nach § 263 I StGB (Strafgesetzbuch) vor. Wichtig ist aber, dass der Arbeitgeber gegenüber der Polizei/Staatsanwaltschaft zunächst den Sachverhalt anzeigen muss, dies geschieht in der Praxis ist nicht so häufig und darüber hinaus auch die Beweismittel vorliegen müssen, die hier einen Arbeitszeitbetrug nachweisen.

In der Praxis ist es häufig so, dass der Arbeitgeber meistens nur die außerordentliche Kündigung ausspricht und dann es häufig auf das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren ankommt. Wenn die Auseinandersetzung sehr hart und über einen sehr langen Zeitraum geführt wird, kann es sein, dass der Arbeitgeber-auch um ein zusätzliches Druckmittel zu haben-den Sachverhalt bei der Polizei/Staatsanwaltschaft anzeigt. Wie gesagt, hängt es immer vom Einzelfall ab. Häufig ist es auch so, dass die Staatsanwaltschaft wenig Interesse hat Anklage in dieser Sache zu erheben, da der Schaden (das zu viel gezahlte Arbeitsentgelt) meistens sehr gering ist und ein öffentliches Interesse nicht vorliegt. Der Arbeitgeber wird dann auf das sog. Privatklageverfahren verwiesen. Er kann dann selbst – meist nach einem gescheiterten Sühneversuch – Anklage / Privatklage erheben. Dies wird aber in der Praxis dann tatsächlich kaum gemacht, da dies mit einem erheblichen Aufwand und auch Kosten verbunden sind, und das Ergebnis meistens ohnehin nur eine geringe Geldstrafe für den AN sein wird.

Rechtsschutzversicherung und fristlose Kündigung

Ein weiteres Problem ist das, dass der Arbeitnehmer, der eine Rechtsschutzversicherung hat, verpflichtet ist dieser den Sachverhalt, also den Rechtsschutzfall, wahrheitsgemäß und vollständig anzuzeigen. hat der Arbeitnehmer selbst die Kündigung durch ein vorsätzliches Verhalten, insbesondere durch eine Straftat, herbeigeführt, dann entfällt in der Regel der Versicherungsschutz. Die Rechtschutzversicherung wird in der Regel, der Arbeitnehmer in den meisten Fällen gegenüber Rechtschutzversicherung angibt, dass keine Straftat, also keinen Arbeitszeitbetrug begangen hat, die Deckungszusage für das Kündigungsschutzverfahren erteilen mit dem Hinweis, dass für den Fall, dass sich herausstellt, dass eine vorsätzliche Straftat vorliegt, der Rechtsschutz rückwirkend entfällt. Siehe hier den Artikel „Rechtschutz und Deckungszusage bei einer Straftat„.

Was tun beim Vorwurf durch den Arbeitgeber die Arbeitszeit vorsätzlich „manipuliert“ zu haben?

Nach alledem sollte der Arbeitnehmer – sofern ihm Arbeitszeitbetrug vorgeworfen wird – dies ernst nehmen und beim Erhalt einer Kündigung durch einen durch das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen, inwieweit die Erfolgsaussichten für eine Kündigungsschutzklage bestehen. Insbesondere dann, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht ist in der Regel zur Kündigungsschutzklage zu raten.

Vorsicht ist bei eigener Vertretung durch den Arbeitnehmer geboten, hier passiert es nicht selten, dass der Arbeitnehmer sich „noch mehr in die Sache reinreitet“.

Rechtsprechung/ Entscheidungen zum Arbeitszeitbetrug und Kündigung

LAG Hessen: Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug ist wirksam, da Arbeitnehmer hier (Manipulation des Zeiterfassungschips durch Abdecken mit der Hand) gezielt vorging und im erheblichen Maße den Arbeitgeber täuschte

Rechtsanwalt A. Martin

LAG Schleswig-Holstein und die Manipulation von Zeiterfassungdaten

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Wer als Arbeitnehmer Zeiterfassungsdaten manipuliert, der riskiert seinen Arbeitsplatz (siehe Beitrag über Raucherin, die sich nicht ausgestempelt hatte!) . Nicht jede Manipulation muss aber den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigten. Der klassische Fall ist das „manipulierte Einstempeln“ beim Arbeitsbeginn oder beim Arbeitsende. Es geht aber auch komplizierter.

Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein – Kündigung wegen Manipulation

Das LAG  Schleswig Holstein (Entscheidung vom 29.03.201 – Sa 533/10) musste sich mit der Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers beschäftigen, der nach Zeitlohn vom Arbeitgeber bezahlt wurde. Der Arbeitnehmer arbeitete in einer Werkstatt und musste einen Ölwechsel an einem Kfz durchführen. Für jede Arbeit wurden bestimmte Arbeitswerte festgeschrieben. Arbeiten mehrere Arbeitnehmer an einer Aufgabe (z.B. Ölwechsel), erhöhen sich der Werte; so dass der einzelne Arbeitnehmer besser steht, wenn er Arbeiten allein ausführt und damit schneller „seine Leistung“ erreicht. Der Arbeitnehmer führte also den Ölwechsel durch, wobei ihm ein Auszubildender kurz (ungefähr 1 Minute) half. Er wies den Azubi an, dass dieser nicht nicht in die Zeiterfassungeintragen“ sollten, um schneller seine Mindestleistung zu erbringen. Der Arbeitgeber bekam dies mit und kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

außerordentliche Kündigung

Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage und gewann in 2 Instanzen, also auch vor dem LAG Schleswig-Holstein.

Begründung des Landesarbeitsgerichtes

Das LAG hielt die Kündigung für rechtsunwirksam, obwohl die Manipulation von Zeiterfassungsgeräten sehr wohl ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein kann. Gleichwohl war in diesem Fall kein schwerwiegender Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten des Arbeitnehmers festzustellen. Es lag nur ein geringfügiger einmaliger Verstoß vor. Weiter hatte der Arbeitgeber auch keine präzisen Anweisungen in Bezug auf das „kurzzeitige Einstempeln“ erteilt.

Konsequenzen?

Wie so häufig, kommt es immer auf den Einzelfall an.

Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe und nicht jede Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung; und dies schon gar nicht, wenn nicht zuvor abgemahnt wurde. Selbst bei einer Abmahnung hätte es hier der Arbeitgeber wohl schwer gehabt.

Er hätte erst klar Anweisungen in Bezug auf die Benutzung der Zeiterfassungssysteme geben und dokumentieren müssen (Muss man sich auch bei sehr kurzen Hilfstätigkeiten einbuchen und wenn ja, ab welcher Zeitdauer?). Anders wäre der Fall, wenn der Arbeitnehmer gezielt und regelmäßig im erheblichen Umfang hier manipuliert hätte. Dann wäre eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung durchaus denkbar gewesen. Wichtig ist, dass aber auch allein die obigen Umstände meist nie alleinentscheidend sind und es eben auch u.a. auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit und auf das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers ankommt.

Anwalt Martin