Wirksamkeit
Kann man einen arbeitsgerichtlichen Vergleich anfechten?
Wie bereits mehrfach geschildert, wird vor allem in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht sehr häufig der Rechtsstreit (vor allem in Kündigungsstreitigkeiten) durch einen Vergleich beendet. In den Vergleichsverhandlungen, bei denen häufig auch das Arbeitsgericht nicht unerheblichen Druck ausübt, werden häufig – von beiden Seiten – Angaben gemacht, die nicht immer stimmen. So kann der Arbeitgeber schon einmal – im Kündigungsrechtsstreit– wahrheitswidrig behaupten, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist. Besetzt er dann kurze Zeit später die Stelle des Arbeitnehmer neu, dann stellt sich die Frage, ob sich z.B. der Arbeitnehmer vom arbeitsgerichtlichen Vergleich lösen kann.
Anfechtung von Vergleich im Arbeitsrecht
Eine Anfechtung kommt vor allem wegen arglistiger Täuschung, § 123 I BGB in Betracht. Täuscht z.B. der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, wie oben ausgeführt, dann liegt eine Täuschung vor, die dann zur Anfechtung berechtigt, wenn diese auch ursächlich für den Vergleichsschluss wäre, also wenn der Arbeitnehmer ansonsten den Vergleich nicht geschlossen hätte. Die Darlegungs- und Beweislast für die Täuschung und deren Ursächlichkeit für den Vergleichsschluss trägt allerdings derjenige, der sich darauf beruft (also in unserem Beispiel der Arbeitnehmer). Eine Täuschung im obigen Fall (Wegfall des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers) liegt vor allem dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers, der ja angeblich weggefallen ist, kurz nach dem Vergleich wieder neu besetzt. Dies allein reicht aber als Vortrag eben nicht aus, denn der Arbeitgeber kann sich ja z.B. auch in seiner unternehmerischen Entscheidung geirrt haben.
Rechtsfolgen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
Ist die Anfechtung wirksam und erfolgreich führt dies dazu, dass der gerichtliche Vergleich nichtig ist und der Rechtsstreit fortzusetzen ist. Auch die das Arbeitsverhältnis beendende Wirkung des Vergleiches ist durch die wirksame Anfechtung aufgehoben.
Hürde der Vergleichsanfechtung nicht unterschätzen
In der Praxis hat die Anfechtung von Vergleichen vor dem Arbeitsgericht selten Erfolg. Die Hürde des Nachweises z.B. der arglistischen Täuschung und der Ursächlichkeit der Täuschung für den Vergleichsschluss ist für den Anfechtenden nur schwer zu nehmen. Häufig werden Vergleiche einfach deshalb geschlossen, da eine Unsicherheit in Bezug auf den Prozessausgang besteht und die Angaben des Arbeitgebers im Prozess spielen in der Regel „nur eine von vielen Rollen“ dabei und sind meist nicht alleiniger Entscheidungsgrund für den Vergleichsabschluss. Beim Abfindungsvergleich stellt sich ohnehin di e Frage, weshalb der Arbeitgeber eine Abfindung – wenn nicht für Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung bestehen – zahlen sollte.
Rechtsanwalt A. Martin
Abtretungsverbot für Arbeitslohn im Arbeitsvertrag wirksam?
In vielen Arbeitsverträgen finden sich Klauseln, wonach Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Arbeitslohn aus dem Arbeitsvertrag nicht an dritte Personen abtreten dürfen. Der Grund für solche Klauseln liegt darin, dass bei einer wirksamen Abtretung der Arbeitgeber dann den Arbeitslohn an dritte Person auskehren müsste, was einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordert. Darüber hinaus ist eine Abtretung des Arbeitslohns auch nur innerhalb der Pfändungsfreigrenzen (§§ 400, 1274 Abs. 2 BGB) möglich. Auch dies müsste dann der Arbeitgeber überwachen. Ein weiteres Problem für den Arbeitgeber besteht darin, dass er evtl. sogar zweimal leisten muss, wenn die Abtretung zum Beispiel unwirksam war oder nicht mehr aktuell ist. Von daher ist verständlich, dass viele Arbeitgeber versuchen in Arbeitsverträgen entsprechende Abtretungsverbotsklauseln zu „installieren“.
Zulässigkeit solcher Abtretungsverbotsklausel ?
Die Zulässigkeit solcher Klauseln ist nicht ganz unproblematisch, zumindest dann nicht, wenn es sich um Abtretungsverbote in Formulararbeitsverträgen handelt, also wenn diese Abtretungsverbote nicht individuell ausgehandelt wurden. Der Bundesgerichtshof (BGH) achtet Abtretungsverbote in zivilrechtlichen allgemeinen Geschäftsbedingungen dann für unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an dem Abtretungsverbot nicht besteht oder die berechtigten Belange des Vertragspartners gegenüber den Belangen des Verwenders überwiegen (BGH BGH 13.07.2006, DB 2006, 2345). Da durch das Abtretungsverbot die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, nämlich den Arbeitslohn abzutreten und evtl. Kredit in Anspruch zu nehmen, dass Arbeitnehmers eingeschränkt wird, können hier schon solche Belange vorliegen.
Im Hinblick auf diese Entscheidung ist es so, dass viele Juristen Abtretungsverbote in Formulararbeitsverträgen als nicht zulässig betrachten. Von daher ist die Frage, ob Abtretungsverbote im Formulararbeitsverträgen zulässig oder unzulässig sind, unter den Juristen sehr strittig.
Sofern kein Formularmietvertrag vorliegt, ist ein Abtretungsverbot grundsätzlich möglich.
Wie können Abtretungsverbotsklauseln lauten?
Man unterscheidet zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Abtretungsverboten.
dingliches Abtretungsverbot
Beim dinglichen Abtretungsverbot wird generell die Abtretung ausgeschlossen.
Beispiel: “ Die Abtretung oder Verpfändung von Arbeitslohn sowie von sonstigen Vergütungsansprüchen ist ausgeschlossen. Tritt der Arbeitnehmer trotz dieses Verbotes Arbeitslohn ab oder verpfändet er diesen, so ist diese Abtretung/Verpfändung unwirksam.“
schuldrechtliches Abtretungsverbot
Beim schuldrechtlichen Abtretungsverbot ist die Abtretung von einer Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Ohne Zustimmung ist die Abtretung unwirksam.
Beispiel: “ Ansprüche des Arbeitnehmers auf Lohn sowie sonstige Vergütungsansprüche dürfen nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Arbeitgebers abgetreten oder verpfändet werden. Eine ohne vorherige schriftliche Zustimmung vorgenommene Abtretung oder Verpfändung ist ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers.“
Häufig wird dann der Verstoß auch mit einer Vertragsstrafe oder „Bearbeitungsgebühr“ verknüpft.
Rechtsanwalt A. Martin
Kündigung „im Auftrag“ kann unwirksam sein!
Kündigung „im Auftrag“ kann unwirksam sein!
In großen Unternehmen gibt es häufig verschiedene Hierarchieebenen. Bei Kündigungen unterzeichnet meist nicht selbst der Geschäftsführer oder Vorstand des Unternehmens, sondern meist ein Vertreter (z.B. der Leiter der Personalabteilung). Auf diesen Kündigungen finden sich häufig Zusätze, wie „i.V.“ oder „i.A.“. Die Frage ist, ob gerade die Unterzeichnung „im Auftrag“ überhaupt dem Schriftformerfordernis der Kündigung entspricht?
Kündigung „im Auftrag“
Bei der Unterzeichnung „im Auftrag“ kann ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis vorliegen. So führt z.B. das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 08.12.2006, Az.: 27 Ca 21/06):
„Versteht man das Zeichnen „im Auftrag“ als Kennzeichnung nicht einer Vertreter-, sondern einer Botenhandlung, so genügt eine solche Unterzeichnung nicht für die Erfüllung der Schriftform. Der Bote übermittelt nur als Werkzeug seines Geschäftsherrn dessen Willenserklärung . Er gibt im Gegensatz zum Vertreter nicht eine eigene, sondern eine fremde Willenserklärung im fremden Namen ab. Da er keine eigene Erklärung in eigener Verantwortung abgibt, kann sein Handeln die Schriftform nicht erfüllen. Denn er ist nicht Aussteller der Urkunde. Aussteller ist weder derjenige, der nur als Schreibgehilfe die Erklärung mechanisch herstellt, noch ihr Überbringer. Ist die Erklärung nicht schon durch das Handeln des Geschäftsherrn oder seines Vertreters formwirksam erfolgt, kann die Unterschrift des Boten diesen Mangel nicht mehr heilen. Die allein vom Boten unterzeichnete Kündigung ist von vornherein nichtig.“
die Kündigung i.A. Auftrag und die Ansicht des BAG
Auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13.12.2007 – 6 AZR 145/07) hatte sich – vor dem Arbeitsgericht Hamburg – im Jahr 2007 mit der Frage auseinander zusetzen, ob die Kündigung „im Auftrag“ formnichtig sei. Das BAG differenziert hier und legt die Erklärung aus:
„Ist das Kündigungsschreiben mit dem Zusatz “i.A.” unterschrieben, mag das im Einzelfall eher dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handelnd wie ein Vertreter die Verantwortung für den Inhalt des von ihm unterzeichneten Kündigungsschreibens übernehmen will …….. Bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Allgemeinen, nichtjuristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen “Auftrag” und “Vertretung” unterschieden wird. Oftmals werden die Zusätze “i.V.” und “i.A.” lediglich verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken …… Deshalb folgt nicht bereits aus dem Zusatz “i.A.”, dass der Erklärende lediglich als Bote gehandelt hat. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände.“
Das BAG deutet an, dass das Handeln als Bote und damit die Nichtigkeit der Kündigungserklärung hier nahe liegt, allerdings nicht automatisch folgt. Vielmehr muss die Erklärung ausgelegt werden. Maßgebliche Umstände nach dem BAG sind:
- Unterzeichner der Kündigungserklärung ist gegenüber dem Arbeitnehmer von Anfang an als Vertreter aufgetreten (z.B. Führen des Einstellungsgespräches,Unterzeichnung des Arbeitsvertrages, Ausspruch von Abmahnungen)
- Kündigungserklärung ist mit Vollmacht versehen
- Kündigung auf Geschäftsbriefkopf
- Unterzeichnung auf der Kündigungserklärung (nicht auf Begleitzettel)
Bundesarbeitsgericht tendiert zur Wirksamkeit einer Kündigung i.A.
Das BAG hat im obigen Fall aufgrund der vorstehend aufgezählten Umstände dann eine Vertretung und nicht eine Botenstellung angenommen mit der Folge, dass die Kündigung nicht gegen das Schriftformgebot verstoßen hat.
Zurückweisung einer Kündigung ohne Originalvollmacht nach § 174 BGB
Wichtig ist, dass hier die Frage, ob eine wirksame Vertretung vorliegt (das Problem der Zurückweisung der Kündigung mangels beigefügter Vollmacht) völlig unerheblich ist. Selbst wenn eine Vollmacht im Original – wie im obigen Fall – beigefügt ist und der Unterzeichner damit mit Sicherheit bevollmächtigt ist, kann trotz dem der Zusatz „i.A.“ dafür sprechen, dass der Unterzeichner nur als Bote handelt.
Zusammenfassung:
Die Unterzeichnung einer Kündigung mit dem Zusatz „i.A.“ ist für den Arbeitgeber immer gefährlich. Es spricht hier meistens ein Anschein dafür, dass die Kündigungserklärung nur vom Unterzeichner übermittelt werden soll. Aus den Gesamtumständen kann sich aber dennoch etwas anderes ergeben. Das Risiko, dass dies aber nicht der Fall ist, trägt der Arbeitgeber.
Nachtrag:
Auch das Landesarbeitsgericht Mainz (Urteil vom 19.12.2007 -7 Sa 530/07) hat entschieden, dass eine Kündigung im Auftrag (i.A.) nicht dem Schriftformerfordernis einer Kündigung entspricht.
Die Kündigungserklärung vom 05.12.2006 erlangte keine Rechtswirksamkeit, da sie die rechtlichen Voraussetzungen des § 623 S. 1 BGB nicht erfüllt. Demnach bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Nach § 126 Abs. 1 BGB muss, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist, die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterzeichnung oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte das Kündigungsschreiben weder eigenhändig noch mittels eines notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet. Vielmehr hat seine Mitarbeiterin, Frau X. mit „i. A. X.“ unterzeichnet.
Diese Unterzeichnung wäre dann ausreichend, wenn aus Sicht eines objektiven Dritten Frau X. als Vertreterin des Beklagten gehandelt hätte. Hierzu hätte gehört, dass die Kündigungserklärung im Namen des Vertretenen (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB) abgegeben wird. Ein Vertreterhandeln ist aber nicht erkennbar.