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BAG: Bis wann muss man den Krankenschein (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) beim Arbeitgeber einreichen?

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Wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, dann muss er den Arbeitgeber über seine Arbeitsunfähigkeit informieren. Viele Arbeitnehmer meinen, dass sie nur innerhalb von 3 Tagen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Arbeitgeber schicken müssen, um ihrer Verpflichtung nachzukommen.

Dies ist „doppelt falsch“; zum einen steht im Gesetz nichts von einer Frist von 3 Tagen (dort steht, etwas „spätestens am darauf folgenden Tag“) und darüber hinaus besteht neben der Pflicht zur Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch die unverzügliche Informationspflicht in Bezug auf die Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber.

Informationspflicht und Nachweispflicht bei Krankschreibung

Mein unterscheidet also zwischen der Informationspflicht (Mitteilung über Erkrankung beim Arbeitgeber) und der Nachweispflicht (Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung).

gesetzliche Regelung – § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz

§ 5 Abs. 1 des Entgeldfortzahlungsgesetz regelt:

(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muß die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, daß der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.

…………..

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Krankenschein) muss der Arbeitnehmer also spätestens am darauf folgenden (auf die Erkrankung folgenden Tag) Tag dem Arbeitnehmer vorlegen; wobei der Arbeitgeber dies auch eher – also früher – verlangen kann. Dies ist von der Pflicht zur Information (also dem Arbeitnehmer mitzuteilen, dass man krank ist) zu unterscheiden. Hier geht es um den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nebst Dauer.

Entscheidung des BAG – Vorlage des Krankenscheines am 1. Tag der Erkrankung

Das BAG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. November 2012 – 5 AZR 886/11 -) hat nun entschieden, dass der Arbeitgeber sogar die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am ersten Tag der Erkrankung verlangen kann, wenn dies so im Arbeitsvertrag vereinbart wurde.

Das Bundesarbeitsgericht führt dazu in seiner Pressemitteilung aus:

Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitgeber berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Die Ausübung dieses Rechts steht im nicht an besondere Voraussetzungen gebundenen Ermessen des Arbeitgebers.

Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Sie stellte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Eine nochmalige Anfrage der Klägerin wegen der Dienstreisegenehmigung am 29. November wurde abschlägig beschieden. Am 30. November meldete sich die Klägerin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Widerruf dieser Weisung begehrt und geltend gemacht, das Verlangen des Arbeitgebers auf Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten Tag der Erkrankung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung. Außerdem sehe der für die Beklagte geltende Tarifvertrag ein derartiges Recht nicht vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine tarifliche Regelung steht dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt. Das war vorliegend nicht der Fall.

Die Entscheidung ist mit dem Gesetzestext gut zu begründen, führt aber dazu, dass der ohnehin kranke Arbeitnehmer nun – an Stelle – sich um seine Genesung zu kümmern, um die Vorlage/ Übersendung der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber kümmern muss. Dies wird auch nicht immer sofort möglich sein; z.B. bei schweren Erkrankungen oder wenn gar nicht die Möglichkeit der Übersendung/ Vorlage besteht. Dem Arbeitnehmer kann man ein verspätetes Einreichen aber nur vorwerfen, wenn er dabei schuldhaft gehandelt hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer z.B. aufgrund der Erkrankung dazu nicht in der Lage war und auch keine andere Person damit beauftragen konnte.

Auswirkungen der Entscheidung des BAG über Vorlage der AU am ersten Krankentag

Ich kann mir gut vorstellen, dass nun viele Arbeitgeber in Neuverträgen die Regelung aufnehmen werden, dass der Arbeitnehmer bereits am ersten Tag der Erkrankung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorzulegen habe. Diese Regelung ist nach der obigen Entscheidung grundsätzlich zulässig. Ob dies tatsächlich so in der Praxis umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten. Der Arbeitnehmer kann sich grundsätzlich diesbezüglich auf seinen (alten) Arbeitsvertrag berufen und muss keine neue Regelung mit dem Arbeitgeber abschließen. Oft legen Arbeitgeber neue Arbeitsverträge vor, „um den Arbeitsvertrag anzupassen“ (damit im Unternehmen alle Arbeitnehmer gleiche Verträge haben). Hier sollte man immer vorsichtig sein, denn fast immer ist der neue „angepasste“ Arbeitsvertrag für den Arbeitnehmer schlechter.

Was wenn der Krankenschein nicht sofort eingereicht wird?

Macht dies der Arbeitnehmer aber nicht, wird ohne Abmahnung – nur in absoluten Ausnahmefällen – eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers möglich sein. Wie oben bereits ausgeführt, kommt es entscheidend dabei an, ob ein schuldhaftes Unterlassen des Arbeitnehmers vorliegt. Nur dann kommt eine Abmahnung in Betracht. Ist der Arbeitnehmer zum Beispiel im Krankenhaus in Behandlung wird man nicht sogleich die Vorlage der AU-Bescheinigung verlangen können. Die Kündigung ist nur in seltenen Fällen denkbar. Dagegen sollte sich der Arbeitnehmer auf jeden Fall per Kündigungsschutzklage wehren.

Zurückbehaltungsgericht des Arbeitgeber mit Zahlung des Arbeitslohnes bei Nichteinreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitnehmer

Bis zur Vorlage der Bescheinigung hat der Arbeitgeber ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die Zahlung des Arbeitslohnes. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann man aber noch nachreichen. Häufig bestreiten Arbeitgeber in Lohnprozessen den Erhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dies ist kein Problem, wenn man z.B. in der Verhandlung dann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Zweitausstellung) überreicht.

Zu beachten ist auch, dass die AU-Bescheinigung im Original beim Arbeitgeber einzureichen ist und nicht in Kopie.

Zur der rechtzeitigen Einreichung von Folgebescheinigungen verweise ich auf die Ausführungen hier.

Anwalt A. Martin

LAG Berlin: tarifliche Reduzierung des Mindesturlaubs auf den Prüfstand – Vorlage zum Europäischen Gerichtshof

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Gemäß § 13 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz darf der 4-wöchige Mindesturlaub durch Tarifvertrag reduziert werden. Solche Reduzierungen finden sich z.B. im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe. Ob dies mit europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, dies ist fraglich.

Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg: Vorlage § 13 Abs. 2 BUrlG rechtmäßig?

Das LAG Berlin-Brandenburg ( LArbG Berlin-Brandenburg 2. Kammer 2 Sa 3/11- 16.06.2011) legte dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen vor:

„1. Stehen Artikel 31 Grundrechtecharta und Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vom 04. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung einer nationalen Regelung wie in § 13 Abs. 2 BUrlG entgegen, nach der in bestimmten Branchen die Dauer des jährlichen Mindesturlaubs von vier Wochen durch Tarifvertrag verringert werden kann?

2. Stehen Artikel 31 Grundrechtecharta und Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vom 04. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung einer nationalen tariflichen Regelung wie derjenigen im Bundesrahmentarifvertrag Bau entgegen, nach der ein Urlaubsanspruch in solchen Jahren nicht entsteht, in denen wegen Krankheit eine bestimmte Bruttolohnsumme nicht erzielt wird?

3. Falls die Fragen zu 1. und 2. bejaht werden:

Ist eine Regelung wie in § 13 Abs. 2 BUrlG dann unanwendbar?

4. Falls die Fragen zu 1. bis 3. bejaht werden:

Besteht im Hinblick auf die Wirksamkeit der Regelung des § 13 Abs. 2 BUrlG und den Regelungen des Bundesrahmentarifvertrages Bau ein Vertrauensschutz, wenn Zeiträume vor dem 01. Dezember 2009, dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages und der Grundrechtecharta betroffen sind? Ist den Tarifvertragsparteien des Bundesrahmentarifvertrages Bau eine Frist einzuräumen, innerhalb derer sie selbst eine andere Regelung vereinbaren können?“

Ein im Baubereich tätiger Arbeitnehmer machte vor Landesarbeitsgericht (II. Instanz) einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2007,2008 und 2009 geltend. Dabei war er während des Arbeitszeitraumes arbeitsunfähig erkrankt. Der hier zunächst anwendbare BRTV-
Bau
schließt – sofern der Bruttoverdienst im Arbeitsjahr 0 ist – einen Urlaubsanspruch und damit auch einen Abgeltungsanspruch aus. Nach § 13 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz darf vom Mindesturlaub durch Tarifvertrag abgewichen werden. Die Frage ist nun, ob diese Regelungen europarechtskonform sind.

Anwalt Martin – Informationen zum Arbeitsrecht in Berlin

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