Verspätung

Richterlicher Hinweis auf Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage im ersten Kammertermin – Befangenheitsantrag berechtigt?

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Vorab:

Ob eine Entscheidung nach Lage der Akten vor dem Arbeitsgericht bereits im ersten Kammertermin gestellt werden kann, ist umstritten.

Das Arbeitsgericht Stuttgart (Beschluss vom 7.3.2017, 25 Ca 5337/16) hat den Stand der aktuellen Rechtsprechung wie folgt zusammengefasst:

  • dafür: ArbG Stuttgart 05.12.2013 – 5 Ca 5903/13 – mwN; LAG Berlin 03.02.1997 – 9 Sa 133/96 -; Hessisches LAG 31.10.2000 – 9 Sa 2072/99 -; ArbG Köln 08.03.2013 – 2 Ca 4314/12 – und 02.09.2011 – 2 Ca 2969/11 -; Schwab/Weth-Korinth, 4. Aufl. § 59 ArbGG Rn. 53; Natter/Gross-Rieker ArbGG § 55ArbGG Rn. 9; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 31/2011, Anm. 6
  • dagegen: Hessisches LAG 10.11.2015 – 15 Sa 476/15 -; LAG Hamm 04.03.2011 – 18 Sa 907/19 -; Hessisches LAG 05.11.2010 – 3 Sa 602/10 -; LAG Bremen 25.06.2003 – 2 Sa 67/03 -; GMP-Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17; ErfK/Koch 16. Aufl.§ 55 ArbGG Rn. 4

Folgender Sachverhalt lag dem obigen Beschluss zu Grunde:

Die Klägerin ist 46 Jahre alt und beim Arbeitgeber seit dem 01.08.1990 beschäftigt. Die Klägerin war als Mitarbeiterin im Lager eingesetzt. Ihr monatliches Gehalt beträgt 2.302,00 Euro.

Die Arbeitgeberin/ die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 18.08.2016 ordentlich zum 31.03.2017. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin/ Klägerin am 25.08.2016 Kündigungsschutzklage.

Am 27.09.2016 fand die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht statt. Die Sach- und Rechtslage wurde zwischen den Parteien erörtert; es gab aber keine gütliche Einigung.

Das Gericht gab den Parteien für die Begründung / und Erwiderung zur Klage entsprechende Schriftsatzfristen und belehrte über die Folgen der Verspätung.

Die Beklagte begründete die streitgegenständliche Kündigung innerhalb der Frist mit 22-seitigem Schriftsatz vom 04.11.2016.

Die Klägerin reichte keinen weiteren Schriftsatz mehr ein (was sehr ungewöhnlich und nachteilig ist, denn damit waren ein Großteil des Vortrags der . Es ging auch kein weiterer Begründungsschriftsatz der Klägerin bis zum Kammertermin (der einmal verschoben wurde) beim Arbeitsgericht ein.

Im Kammertermin passierte (Zitat aus der Entscheidung des Arbeitsgericht Stuttgart Beschluss vom 7.3.2017, 25 Ca 5337/16):

Zum Kammertermin am 14.02.2017 erschienen die Klägerin mit der Klägervertreterin und für die Beklagte deren anwaltlicher Vertreter. Nachdem eine gütliche Einigung zwischen den Parteien scheiterte, erklärte die Klägervertreterin, dass sie für die Klägerin keine Anträge stellen werde. Die ständige Vorsitzende wies darauf hin, dass die Beklagte einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils und auf eine Entscheidung nach Aktenlage stellen könne. Dieser Hinweis ist Anlass des Befangenheitsantrags. Der Beklagte beantragte die Klage abzuweisen und stellte einen Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage. Die Sitzung wurde mit dem Hinweis geschlossen, dass eine Entscheidung am Ende des Sitzungstages ergehen werde.

….

Noch vor Verkündung einer Entscheidung am Ende des Sitzungstages ging per Telefax das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen die ständige Vorsitzende ein. Am Ende des Sitzungstages erging keine Entscheidung. Mit Verfügung vom 23.02.2017 bestimmte die Vertreterin der Ka. 25 einen Verkündungstermin auf den 23.03.2017.

Das Arbeitsgericht Stuttgart Beschluss vom 7.3.2017, 25 Ca 5337/16 wies den Antrag auf Befangenheit zurück und führte dazu aus:

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist unbegründet.
…..

Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Vorsitzenden zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Bei Anlegung dieses objektiven Maßstabes kommt es entscheidend darauf an, ob die Prozesspartei, die das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von ihrem Standpunkt aus Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten. Es muss also die Befürchtung bestehen, dass der abgelehnte Richter in die Verhandlung und Entscheidung des gerade anstehenden Falles sachfremde, unsachliche Momente mit einfließen lassen könnte und den ihm unterbreiteten Fall nicht ohne Ansehen der Person nur aufgrund der sachlichen Gegebenheiten des Falles und allein nach Recht und Gesetz entscheidet. Unter Befangenheit ist danach ein Zustand zu verstehen, der eine vollkommen gerechte und von jeder falschen Rücksicht freie Entscheidung zur Sache beeinträchtigt (BAG 06.08.1997 – 4 AZR 789/95 (A) -).

Entscheidend ist dabei nicht, ob der Richter wirklich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob auch vom Standpunkt des Ablehnenden aus gesehen genügend objektive, d. h. nicht nur in der Einbildung der Partei wurzelnde Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu erzeugen (BAG 06.08.1997 – 4 AZR 789/95 (A) -).

In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Ablehnungsgesuch als unbegründet. Der im Kammertermin am 14.02.2017 erteilte Hinweis der ständigen Vorsitzenden, dass die Beklagte einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (§ 330 ZPO) oder auf Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a iVm. § 251a ZPO) stellen könne, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit. Der Hinweis ist von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt.

Nach § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Parteien sachdienliche (Sach- und Prozess-)Anträge stellen.

§ 139 ZPO dient der Erfüllung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, der Gewährleistung eines fairen Verfahrensablaufs sowie der Erzielung eines richtigen Prozessergebnisses. Unter Berücksichtigung dieses Normzwecks ist dem Richter gem. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auferlegt, sachdienliche Anträge anzuregen. Danach hat der Richter aber nicht erst dann einzugreifen, wenn die zur Entscheidung gestellten Anträge unklar oder unbestimmt sind. Bei der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO wegen sachdienlicher Anträge geht es darum, den bereits in den Prozess eingeführten und auf diese Weise angedeuteten Willen der Parteien in eine prozessual zulässige Form zu bringen, so dass er als Antrag berücksichtigt werden kann. Davon ausgehend kann das Gericht unter Umständen verpflichtet sein, einen neuen Klageantrag oder Hilfsantrag oder eine Widerklage anzuregen, wenn das Vorbringen der Partei auf ein bestimmtes Prozessziel deutet, das nach der aktuellen Prozesslage nur auf diese Art und Weise erreichbar ist (vgl. MüKoZPO/Fritsche ZPO § 139 Rn. 25 ff., beck-online).

Die Anwendung des § 139 ZPO begründet keinen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit, selbst wenn dadurch die Prozesschancen einer Partei verringert werden (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 42 Rn. 26).

Dies ist erst der Fall, wenn der Richter bei der Erfüllung seiner Hinweispflichten in unsachlicher Weise die eine Partei bevorzugen und die andere benachteiligen würde. Denn dann würde er die Pflicht zur Neutralität verletzen. Das ist nach der Gesetzesbegründung der Fall, wenn das Gericht durch Fragen oder Hinweise die Einführung neuer Anspruchsgrundlagen, Einreden oder Anträge anregt, die in dem streitigen Vorbringen der Parteien nicht wenigstens andeutungsweise bereits eine Grundlage haben oder etwa im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre im Ansatz vorgetragen sind. Die Grenze ist überschritten, wenn das Verfügungsrecht der Parteien über das Streitverhältnis und deren alleinige Befugnis zur Beibringung des Prozessstoffs nicht mehr gewahrt sind. Das Gericht ist daher gehindert, die Einbringung neuer selbstständiger Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 146 ZPO), weiterer Klagegründe, die Ausübung von Gestaltungsrechten und von Leistungsverweigerungsrechten anzuregen (MüKoZPO/Fritsche ZPO § 139 Rn. 7 f., beck-online).

Das Gericht darf in Anwendung des § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO in einer Säumnissituationen auch auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage hinweisen.

Ist der Rechtsstreit nach Einschätzung des Gerichts entscheidungsreif und liegen auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Aktenlage gem. § 331a iVm. § 251a ZPO vor, ist ein Hinweis des Gerichts auf den Antrag gem. § 331a ZPO bzw. dessen Anregung von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt.

….

Davon ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass die ständige Vorsitzende im Kammertermin am 14.02.2017 auch auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage hinwies. Es handelt sich um eine von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckte prozessleitende und -fördernde Maßnahme.

Die Klägerin war im Kammertermin am 14.02.2017 wegen Nichtverhandelns säumig (§ 333 ZPO). In dieser Prozesslage war der von der ständigen Vorsitzenden erteilte Hinweis auf die in Betracht kommenden Anträge von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt. Die ständige Vorsitzende war gehalten, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, die der konkreten Prozesssituation gerecht werden. Wegen der Säumnis der Klägerin kam neben dem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (§ 330 ZPO) auch ein Antrag auf Erlass einer Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a iVm. § 251a ZPO) in Betracht. Hierauf wurde lediglich hingewiesen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus dem Ablehnungsgesuch und der dienstlichen Stellungnahme der ständigen Vorsitzenden. Darin liegt weder eine Bevorzugung der Beklagten noch eine Benachteiligung der Klägerin.

Anmerkung:

Dies kann man aber auch anders sehen. Das Gericht hat hier letztendlich einen Hinweis auf mögliche Anträge gegeben, was wohl etwas mehr ist als auf sachdienliche Anträge hinzuweisen. Wenn das Gericht meint, dass es unbefungen ist und trotzdem auf alle möglichen Anträge hinweisen darf, die die Klägerin bei Säumnis der Beklagten stellen darf, ist dies nicht überzeugend. Auch allein der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteil hätte sachdienlich sein können.

Anders wäre es, wenn die Klägerin das Gericht um Hinweis gebeten hätte, ob – der Sachverhalt/ der Rechtsstreit – nach Auffassung des Gerichts hinreichend aufgeklärt ist – dann hätte das Gericht hierzu Ausführungen machen können. Der Hintergrund des Hinweises des Gerichts ist der, dass bei einer Entscheidung nach Lage der Akten nur noch die Berufung als Rechtsmittel möglich ist, während beim Versäumnisurteil – nach Einlegung des Einspruchs- der Rechtsstreit fortzusetzen ist.

Rechtsanwalt Andreas Martin

-Fachanwalt für Arbeitsrecht –

Arbeitszeugnis nicht erstellt – Schadenersatz gegen den Arbeitgeber

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Nach § 109 Gewerbeordnung hat der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer ein einfaches Zeugnis – auch ohne Aufforderung – zu erstellen. Nach Aufforderung muss der Arbeitgeber eine qualifiziertes Arbeitszeugnis erstellen. Macht er Arbeitgeber dies nicht kann ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers bestehen:

Der Arbeitnehmer kann einen Schadensersatzanspruch gegen den säumigen Arbeitgeber herleiten:

  • aus Verzug,  Nichterteilung oder verspäteter Erteilung des Zeugnisses,
  • aus der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten wegen unvollständiger oder unrichtiger Zeugniserteilung.

Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Pflicht, dem Arbeitnehmer rechtzeitig ein ordnungsgemäßes Zeugnis zu erteilen, so haftet er dem Arbeitnehmer. Dies kann der sog.  Minderverdienst sein, der diesem dadurch entsteht, dass er bei Bewerbungen kein ordnungsgemäßes Zeugnis nachweisen kann.

Den Schadenersatzanspruch nebst Voraussetzungen muss aber der Arbeitnehmer beweisen. Dies dürfte häufig schwierig sein, insbesondere beim Nachweis des sog. Minderverdienstes.

RA A. Martin

Arbeitslohn und Abschlagszahlung im Arbeitsrecht

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Anrechnung von Abschlagszahlungen auf den Lohn
Abschagszahlungen

Es kommt im Arbeitsrechtsverhältnis häufiger vor – bei einigen Branchen mehr bei anderen weniger – dass der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer Abschlagszahlungen auf den Arbeitslohn vornimmt.

 Abschlagszahlung – was ist das?

Abschlagszahlung sind Auszahlungen des bereits verdienten, aber noch nicht abgerechneten Arbeitslohnes.

 Was passiert nach der Abschlagszahlung bei Auszahlung des Restlohnes?

Bei Auszahlung bzw. Abrechnungs – des Restlohnes werden die Abschlagszahlung einfach vom Lohn abgezogen, ohne dass aufgerechnet werden braucht. Auch müssen die Pfändungsfreigrenzen hierbei nicht beachtet werden.

Beispiel: Der Arbeitnehmer bekommt Mitte Februar 2020 eine Abschlagszahlung von € 500 vom Arbeitgeber. Sein Lohn beträgt insgesamt € 2.000 pro Monat; dies sind € 1.300 netto. Am Monatsende wird die Abschlagszahlung der € 500 netto vom Nettobetrag abgezogen, so dass noch € 800 netto ausgezahlt werden.

Unterschied zwischen Abschlag und Vorschuss?

Im Unterschied zum Vorschuss erfolgt die Abschlagszahlung bereits auf den verdienten Arbeitslohn, während beim Vorschuss der Arbeitslohn noch nicht verdient ist und vom Arbeitgeber trotzdem eine Zahlung vorgenommen wird im Hinblick auf eine zukünftig noch zu erbringende Arbeitsleistung (so das Bundesarbeitsgericht 
Urteil vom 11.02.1987, Az.: 4 AZR 144/86).

Beispiel: Wäre nach dem obigen Beispiel die Zahlung am Anfang Februar 2020 vorgenommen worden, dann wäre dies eine Vorschusszahlung. Denn Anfang Februar 2020 kann der Arbeitnehmer ja noch keine € 500 (für diesen Monat) verdient haben.

 Muss sich der Arbeitnehmer mit einer Abschlagszahlung zufrieden geben?

Nein, grundsätzlich nicht. Der Arbeitnehmer hat nach Erbringung seiner Arbeitsleistung zum Fälligkeitszeitpunkt einen Anspruch auf Zahlung des vollständigen Arbeitslohnes. Er muss sich nicht mit einer Abschlagszahlung zufrieden geben.  Gegebenfalls kann es Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarung oder auch im Arbeitsvertrag geben, wonach Abschlagszahlungen vereinbart werden. Zahlt der Arbeitgeber nur geringe Abschläge und nicht den vollständigen Arbeitslohn, kann der Arbeitnehmer Lohnklage erheben und so den Arbeitslohn gerichtlich einklagen. Auch hierbei zu beachten, dass der Arbeitnehmer nicht zu lange wartet, da zum Beispiel im Arbeitsvertrag oder in einem anwendbaren Tarifvertrag Ausschlussfristen vereinbart sein können, wonach eben auch Lohnansprüche verfallen.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht -Berlin

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Kündigung im Hausbriefkasten nicht erhalten- nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage möglich?

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Grundsätzlich ist es so, dass der Arbeitnehmer, der sich gegen eine unberechtigte Kündigung wehren möchte, die Möglichkeit hat, innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Diese Frist ist unbedingt zu beachten! Entscheidend ist der Zugang der Kündigungserklärung beim Arbeitnehmer. Bei Einwurf in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers geht die Kündigung in der Regel dann zu, wenn unter regelmäßigen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, also im Normalfall an gleichem Tag, es denn, dass die Kündigung spät abends eingeworfen wurde oder gegebenenfalls zu später Stunde am Nachmittag.

 Versäumung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage- nachträgliche Zulassung beantragen

Hat der Arbeitnehmer die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage, also die 3-Wochenfrist, versäumt, besteht unter Umständen die Möglichkeit einen Antrag nach § 5 des Kündigungsschutzgesetzes auf verspätete Zulassung der Kündigungsschutzklage, natürlich zusammen mit Einreichung der Kündigungsschutzklage zu beantragen. Im normalen Zivilprozess würde dies als Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bezeichnet werden, allerdings verwendet § 5 ausdrücklich eine andere Bezeichnung, nämlich die Zulassung verspäteter Klagen.

 Voraussetzungen für den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

Voraussetzung für eine Zulassung der Kündigungsschutzklage, die nach der 3- Wochen- Frist beim Arbeitsgericht eingeht, ist, dass der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zumutbaren Sorgfalt verhindert, war die Klage innerhalb der 3- Wochen- Frist beim Arbeitsgericht einzureichen. Dieser Antrag kann nur innerhalb von 2 Wochen nach Behebung der Hindernisse beim Arbeitsgericht gestellt werden. Nach Ablauf von 6 Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden (§ 5 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz).

 faktische Verhinderung – hohe Anforderungen

Also faktisch muss der Arbeitnehmer an der rechtszeitigen Erhebung der Kündigungsschutzklage gehindert gewesen sein. Die Anforderungen daran sind recht hoch und werden meistens von den Arbeitnehmers unterschätzt.

 Hausbriefkasten – „Es war nichts drin!“ – klassischer Fall

Ein klassischer Fall ist der, dass der Arbeitnehmer vorträgt, dass er die Kündigung eben nicht in seinem Hausbriefkasten vorgefunden hat. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist.

„Briefkastenrechtsprechung“

In Bezug auf den Hausbriefkasten gelten folgende Besonderheiten:

Wenn ein Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten durch den Arbeitnehmer gelangt, dies ist durch eine Beweisaufnahme zu klären, also der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er die Kündigung in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers geworfen hat, kann der Arbeitnehmer nicht die nachträglichen Kündigungszulassung darauf stützen, dass dieses Schreiben, also die Kündigung, aus ungeklärten Gründen ihm nicht zugegangen ist. Grundsätzlich muss der Inhaber eines Hausbriefkastens darauf Sorge tragen, dass er von Sendungen, die ihm in diesem Briefkasten eingeworfen werden, auch Kenntnis erlangt.

Organisationsverschulden?

Zu beachten ist, dass unter Umständen auch bei einer einwandfreien Organisation Schreiben, zum Beispiel durch Fremdverschulden (z. B. Schreiben wurde aus dem Briefkasten gestohlen oder von dritter Person wurde der Briefkasten geleert und das Schreiben ist verloren worden oder zusammen mit Werbung in den Müll geworfen worden) unverschuldet also ein Kündigungsschreiben abhanden kommen kann. Diesbezüglich muss der Arbeitnehmer allerdings substantiiert vortragen. Allein der Vortrag, dass man nicht wisse, wo das Schreiben abgeblieben ist, reicht dafür in der Regel nicht aus. Es reicht also nicht, wenn der Arbeitnehmer vorträgt, dass weder er, noch ein Familienangehöriger das Schreiben im Briefkasten nicht vorgefunden hat, sondern er muss darüber hinaus vortragen, dass es eine nahe liegende Erklärung für einen unverschuldeten Verlust des Kündigungsschreibens gibt.

Also

  1. der Arbeitgeber muss vortragen und beweisen, dass er die Kündigung in den Briefkasten geworfen hat
  2. der Arbeitnehmer muss vortragen und beweisen, dass nichts in den Briefkasten vorgefunden wurde und er muss weiter eine nahe liegende Erklärung für den Verlust des Schreibens haben

Zu beachten ist auch, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich das Verschulden von Hilfspersonen, die nicht prozessbevollmächtigt sind, so zum Beispiel von einem minderjährigen Kind, nicht zu rechnen lassen muss. Fraglich kann aber sein, ob dem Arbeitnehmer ein Organisations- oder Informationsverschulden trifft, also wenn er keine eindeutigen Anweisungen erteilt hat oder vom Kind nicht zu erwarten war, dass es die Anweisungen befolgen wird (da z.B. nicht in der Lage dazu oder nicht bereit).

 

Rechtsanwalt A. Martin

 

 

Kündigungsschutzklage am letzten Tag der Frist beim Arbeitsgericht einreichen – kein Problem?

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Viele Anwälte reichen klagen häufig am letzten Tag der Frist bei Gericht – meistens vorab per Fax – ein. Dies gilt auch für Kündigungsschutzklagen, die ja innerhalb  von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer erhoben werden müssen. Beim Büropersonal, dass dann meist alles für die Einreichung der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erledigt (z.B. Fax zum Arbeitsgericht) gilt vorherrschend die Auffassung, dass sich mit dem Zugang der Klage noch vor Fristablauf beim Arbeitsgericht die Sache erledigt hat und damit die Fristen gewahrt sind. Wenn dann noch einige Tage später beim Arbeitsgericht angerufen und nachgefragt wird, ob die Klage dort rechtzeitig eingegangen ist und dies bejaht wird, wird meistens im Sekretariat angenommen, dass die Frist gewahrt wurde, was so nicht richtig ist.

Einreichung der Kündigungsschutzklage am Tag des Fristablaufes

Grundsätzlich wahrt die am letzten Tag des Fristablaufes beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage die 3-Wochenfrist. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsgericht nicht zuständig ist. Die Klage kann vorab per Fax dort bis Fristablauf (also vor 24 Uhr) eingereicht werden,sofern das später übersandte Original dem Fax entspricht.

Zustellung der Klage „demnächst“

Nicht nur bei der Kündigungsschutzklage, aber auch bei dieser, muss aber dann noch eine Zustellung an die Gegenseite für die Fristwahrung erfolgen,die grundsätzlich „demnächst“ zu erfolgen hat (§§ 46 Abs. 2 ArbG, 495, 167 ZPO). Dass es also noch einen „zweiten Teil für die Fristwahrung“ gibt, wird häufig übersehen.

Verzögerungen in Sphäre des Gerichts

Verzögerungen, die eine Zustellung der Kündigungsschutzklage „demnächst“ verhindern, welche in der Sphäre des Gerichts liegen, sind dabei für die Fristwahrung unbeachtlich und führen nicht zur Fristversäumung auf Klägerseite, da sie dem Kläger ja nicht zurechenbar sind.

„demnächst“ – Rechtsprechung des BAG

Was demnächst ist, dass steht nicht im Gesetz, sondern wurde von der Rechtsprechung näher bestimmt. Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG – 17.01.2002 – 2 AZR 57/01 in NZA 2002,999) sind jedenfalls Verzögerungen, die einen Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreiten, unbeachtlich und führen nicht zu einer Fristversäumung.

klassischer Fall – Adresse der Gegenseite falsch in der Kündigungsschutzklage angegeben

Der klassische Fall der Fristversäumung ist der, dass am letzten Tag des Fristablaufs die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht und die Adresse der Gegenseite falsch angegeben wurde. Das Gericht versucht dann die Kündigungsschutzklage – meist zusammen mit der Ladung – zuzustellen und die Zustellung funktioniert nicht und die Unterlagen kommen zurück ans Arbeitsgericht. Dieses erfragt dann beim Kläger die richtige Adresse. Häufig sind die 14 Tage „Verzögerung“, dann schon verstrichen, insbesondere, wenn das Schreiben des Arbeitsgerichtes dem Anwalt nicht sofort vorgelegt wird und erst zur „normalen Post“ gelegt wird.

Was machen?

  • 1. Die Kündigungsschutzklage nicht auf den letzten Tag des Fristablaufs einlegen.
  • 2. Beim Arbeitsgericht nachfragen, wenn nun doch mal die Klage auf den letzten Tag eingereicht wurde, was sich nicht immer vermeiden lässt, ob die Kündigungsschutzklage ordnungsgemäß zugestellt werden konnte.

Anwalt A. Martin – Arbeitsrecht Berlin

 

 

Kündigung bei nicht rechtzeitiger Krankmeldung?

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Nach § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich über eine Krankschreibung zu informieren. Der Gesetzestext lautet:

„Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. „

Von daher ist es nicht ausreichend, wenn der Arbeitnehmer nur innerhalb der 3-Tagesfrist dem Arbeitnehmer den Nachweis über die Krankschreibung übersendet. Der Arbeitgeber muss ja aufgrund des Wegfalles der Arbeitskraft des Arbeitnehmer umdisponieren können, was ansonsten dazu führen würde, dass dem Arbeitgeber ein wirtschaftliche Schaden entstehen kann.

Kündigung und fehlende unverzügliche Krankmeldung

Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgeber wegen des Fehlens der unverzüglichen Krankmeldung ist denbkar, wenn auch unter hohen Voraussetzungen.

Kündigung ohne Abmahnung?

Eine außerordentliche Kündigung (verhaltensbedingt) ohne Abmahnung ist in der Regel nicht möglich. Von daher ist wenigestens eine Abmahnung wegen des gleichen Verhaltens erforderlich. Aber selbst dann ist nicht sicher, dass die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Es kommt immer auf den konkreten Einzelfall an.

Landesarbeitsgericht Berlin – Entscheidung

Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18.12.2009 – 6 Sa 1239/09 ) hatte sich bereits mit einem ähnlichen Fall auseinanderzusetzen. Der Arbeitnehmer machte zum einen falsche Angaben über die Dauer der Krankschreibung und zeigte auch die Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig an, wurde aber nur wegen der falschen Angaben abgemahnt. Das LAG Berlin-Brandenburg hielt dies für nicht ausreichend und gab dem Arbeitnehmer – der Kündigungsschutzklage erhoben hatte – Recht.

Das Langesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg – (Urteil vom 18.12.2009 – 6 Sa 1239/09 ) -führt dazu aus:

„Selbst wenn nun eine spätere Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Krankmeldung als gleichartiger Wiederholungsfall anzusehen gewesen wäre, was für eine einschlägige Abmahnung ausreichend ist ( dazu BAG, Urteil vom 27.02.1985 – 7 AZR 525/83 – RzK I 1 Nr. 5 zu 3 c bb der Gründe ), hätte dies im vorliegenden Fall doch nicht genügt. Dieser weist nämlich die Besonderheit auf, dass sich die Klägerin auch schon am 3. September 2007 verspätet krank gemeldet hatte. Wenn sich die Beklagte dann darauf beschränkte, Konsequenzen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nur für den Fall einer erneuten unzureichenden Mitteilung über die Dauer der Krankschreibung oder einer Lüge im Zusammenhang mit Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis anzudrohen, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass ihre erst deutlich nach Dienstbeginn erfolgte Krankmeldung keine entsprechend erhebliche Pflichtverletzung darstellte.“

Zu spät kommen/verschlafen – außerordentliche Kündigung?

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Zu spät kommen/verschlafen – außerordentliche Kündigung?

Wer ist nicht schon einmal zu spät zur Arbeit gekommen? Es gibt eben Situationen, in denen man eine Verspätung nicht vermeiden kann. Gerade bei der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ich denke hier vor allen an die Situation in Berlin) kann eine Verspätung schon einmal vorkommen. Aber selbst bei der Anfahrt mit dem Auto ist eine Verspätung nicht ausgeschlossen, z.B. beim nicht Vorhersehbaren Stau.

Wann kann eigentlich der Arbeitgeber hier eine Kündigung wirksam aussprechen?

Einmalige Verspätung = Kündigung

Häufig hört man, dass ein einmaliges Verspäten die „sofortige Kündigung“ rechtfertigt. Dies ist so nicht richtig.

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass zuvor wegen einer Verspätung (mindestens 1 x – meist aber sogar häufiger) abgemahnt werden muss. Bei Arbeitspflichtverletzungen durch den Arbeitnehmer, die auf ein steuerbares Verhalten desselben zurückzuführen sind, ist in der Regel abzumahnen. Auch ist zu beachten, dass die Verspätung in der Regel eine Nebenpflichtverletzung ist und dass die verlorene Zeit meist unproblematisch nachgearbeitet werden kann.

Unpünktlichkeit und Kündigung

Wiederholte Verspätungen des Arbeitnehmers an sich sowie unentschuldigtes Fehlen kommen – nach vorheriger Abmahnung – durchaus als Gründe für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht (BAG Urteil vom 13. März 1987 – 7 AZR 601/85 ). Auch eine außerordentliche Kündigung kann hier gerechtfertigt sein, wobei es, wie immer, auf den Einzelfall ankommt.

Durch das unentschuldigtes Fehlen oder durch die verspätete Arbeitsaufnahme verletzt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten. Erscheint der Arbeitnehmer ohne Entschuldigung überhaupt nicht oder verspätet zur Arbeit, erbringt er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung nicht oder – sofern diese nachholbar ist – jedenfalls nicht zur rechten Zeit. Dies ist ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglich geschuldete Pflicht, die Arbeitsleistung  zu erbringen. Im Normalfall wirken sich die Fehlzeiten auch negativ auf den Betriebsablauf aus. Der Arbeitgeber rechnet mit der Erbringung der Arbeitskraft des Arbeitsnehmers zur rechten Zeit und muss dann ggfs. Ersatz schaffen.

Verspätung und Abmahnung

Eine einmalige (verschuldete) Verspätung rechtfertigt im Normalfall noch keine verhaltensbedinte Kündigung. Der Arbeitgeber muss zuvor den Arbeitnehmer abmahnen. Durch die Abmahnung wird dem Arbeitnehmer vor Augen geführt, dass er gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen hat und im Wiederholungsfall mit einer verhaltensbedingten Kündigung rechnen muss. Aber selbst für eine Abmahnung muss es nicht immer reichen.

Es ist auch denkbar, dass bei einem langjährig ohne Abmahnung beschäftigten Arbeitnehmer, der sich nur um ein paar Minuten verspätet, eine Abmahnung unverhältnis wäre.

außerordentliche Kündigung beim Zuspätkommen?

Obwohl es immer auf den Einzelfall ankommt, ist es in der Regel so, dass die zweite kurzfristige Verspätung des Arbeitnehmers – auch nach einer Abmahnung – im Normalfall noch keine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Kommt der Arbeitnehmer aber unentschuldigt zum zweiten Mal einen ganzen Arbeitstag nicht zur Arbeit, so kommt eine außerordentliche Kündigung – verhaltensbedingt nach Abmahnung – in Betracht (BAG Urteil vom 15.03.2001 – 2 AZR 147/00). Viele kleine Verstöße können auch zur außerordentlichen Kündigung führen. Jeder einzelne Verstoß führt dabei zu einer stärkeren Belastung des Arbeitsverhältnisses.

Praxis – Verspätung und Kündigungsschutzprozess

In der Praxis ist es so, dass die meisten Arbeitsgerichte bei einer Kündigung des Arbeitgeber wegen Verspätung des Arbeitnehmers „abwinken“. Selbst bei einer vorherigen Abmahnung wird im Normalfall auch eine mehrmalige Verspätung nicht zur verhaltensbedingten Kündigung ausreichen. Arbeitgeber schätzen hier häufig ihre Erfolgsaussichten im Kündigungsschutzverfahren falsch ein.

Bei der Frage, ob eine Kündigung zulässig ist oder nicht, kommt es auch auf den Grund für die Verspätung, die Dauer der Verspätung, die Häufigkeit (innerhalb welchen Zeitraumes), den Schaden für den Arbeitgeber und das Verhalten des Arbeitnehmers (vor und nach der Verspätung) sowie dessen Verschulden an.

Rechtsanwalt A. Martin – Arbeitsrecht Berlin