Strafverfahren
VG Stuttgart: plötzliche Ohnmacht beim Dienstgespräch ist kein Dienstunfall
Ein Dauerbrenner in Dienstverhältnisses von Beamten ist das Thema Dienstunfall. So hatte z.B. das VG München entschieden, dass der Toilettengang eines Beamten nicht seiner dienstlichen Tätigkeit zu zuordnen sein und folglich der Unfall auf Toilette kein Dienstunfall ist.
Es gibt – da einiges davon abhängen kann – immer wieder Streitigkeiten über die Frage, wann ein solcher Dienstunfall vorliegt.
So hat nun das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart, Urteil v. 09.04.2014, 12 K 998/13) entschieden, dass ein Ohnmachtsunfall eines Beamten beim Dienstgespräch eben kein Dienstunfall sei.
Ein Beamter des Verfassungsschutzes hatte teils geheime Daten an Dritte weitergeleitet. Der Dienstherr war dem Beamten nun schweren Geheimnis- und Landesverrat vor (was völlig überzogen war) und lud zum Dienstgespräch. Schon kurze Zeit nach Beginn des Gespräches viel der Beamte in Ohnmacht und war ab diesem Zeitpunkt wegen posttraumatischer Stresserkrankung krank geschrieben. Er wurde später wegen dauernde Diensterkrankung in den Ruhestand versetzt. Das gegen den Beamten eingeleitete Strafverfahren wurde gegen Zahlung von € 800 eingestellt.
Der Beamte wollte die Anerkennung des Geschehens / der Ohnmacht im Dienstgespräch als Dienstunfall, was vom Dienstherrn abgelehnt wurde. Der Beamte verfolgte sein Ziel beim VG Stuttgart weiter.
Ein Dienstunfall setzt u.a. ein äußeres Ereignis voraus.
Das VG führte aus, dass im Dienstunfallrecht als äußeres Ereignis nur ein solches in Betracht komme, das nicht zu den typischen Ereignissen des Beamtenverhältnisses gehört. (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 10. 08. 2011,1 A 1455/09).
Das Gericht stellte fest, dass sich das Gespräch zwischen den Beamten und seinem Vorgesetzten im normalen Rahmen bewegte. Allenfalls, wenn der Vorgesetzte den Beamten beleidigt oder gar körperlich angegriffen hätte, würde ein atypische Ereignis vorliegen. Dies war hier aber nicht der Fall. Von daher lag kein Dienstunfall vor.
A. Martin
BAG: Muss ein Stellenbewerber dem „Arbeitgeber“ Auskunft über eingestellte strafrechtliche Ermittlungsverfahren erteilen?
Im Bewerbungsverfahren werden Stellenbewerber häufig nach diversen persönlichen Umständen befragt. Unter anderem auch, ob diese vorbestraft sind. Es kommt nicht selten vor, dass Fragen gestellt werden, die unzulässig sind. Hier hat der Stellenbewerber ein so genanntes Recht auf „Lüge“. Oder kann natürlich auch die Frage einfach nicht beantworten. Dies hat aber meistens negative Auswirkung auf die mögliche Anstellung.
Frage nach strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Lehrer nicht nur danach gefragt wurde, ob er vorbestraft sei, sondern auch, ob strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn vorgelegen haben, die mittlerweile eingestellt worden sind. Der Bewerber versicherte-schriftlich- (Fragebogen), dass keine solche Verfahren vorgelegen haben. Später stellte der Arbeitgeber fest-nach der Einstellung-, das es doch mehrere Ermittlungsverfahren gegeben hat, die nach 153 ff. StPO (wegen geringer Schuld) von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sind. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber außerordentlich und (auch noch) ordentlich – wegen dieser falschen Angabe im Einstellungsgespräch – das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer. Dieser erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers für unwirksam angesehen, das Landesarbeitsgericht haben sogar die ordentliche Kündigung.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes
Das Bundesarbeitsgericht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 –) wies die gegen die Entscheidung des Gerichtes eingelegte Revision des Arbeitgebers zurück und führt dazu in seiner Pressemitteilung aus:
Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.
Auch wenn die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes genau genommen auf die datenschutzrechtliche Situation im Bundesland Nordrhein-Westfalen zugeschnitten ist, so wird dies im Normalfall auch für andere Bundesländer zu treffen, der kaum nachzuvollziehen wäre, wenn datenschutzrechtliche Vorschriften es dem Arbeitgeber erlauben würden entsprechende Informationen zu erfragen.genau genommen müsste man im Datenschutzrecht des einzelnen Bundeslandes nach einer Erlaubnis des Arbeitgebers, also eine Rechtsgrundlage, suchen, die wie ausgeführt, es im Normalfall aber nicht geben wird.
Arbeitszeitbetrug und außerordentliche Kündigung
Im Kündigungsschutzrecht gibt es keine absoluten Kündigungsgründe. D. h., dass auch schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nicht automatisch immer eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers begründen ohne dass vorher die Pflichtverletzung abgemahnt werden müsste.
schwere Pflichtverletzung/Betrug
Eine von der Rechtssprechung anerkannte schwere Pflichtverletzung des Arbeitnehmers ist der so genannte Arbeitszeitbetrug. Dieser kann, muss aber nicht immer eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Diesbezüglich gibt es diverse Entscheidungen (auch des Bundesarbeitsgerichts), wonach ein außerordentlicher Kündigungsgrund gegeben ist, wenn ein Arbeitnehmer zum Nachteil des Arbeitgebers vorsätzliche falsche Angaben zu Beginn und zum Ende seiner Arbeitszeit macht. Erschwerend kommt noch hinzu, wenn der Arbeitnehmer ohnehin verpflichtet ist seine Arbeitszeit, also dass Ende und den Beginn der Arbeitszeit selbst zu erfassen und wenn er in dieser Situation vorsätzlich falsche Angaben macht.
Arbeitszeitbetrug und Abmahnung
Wie oben bereits ausgeführt wurde,gibt es keine absoluten Kündigungsgründe. Die Arbeitszeitbetrug muss also nicht zwingend immer eine außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen. Es kann also im Einzelfall sein, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung unwirksam ist. Denkbar sind Fälle, bei denen eine Abmahnung erforderlich ist, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer sehr langen beim Arbeitgeber störungsfrei (also ohne abgemahnte Pflichtverletzung)tätig war, dem Arbeitgeber ein nur geringer Schaden entstanden ist und das Verschulden des Arbeitnehmers nicht allzu schwer wiegt. Hier wäre es denkbar, dass dem Arbeitgeber eine vorherige Abmahnung zumutbar wäre, da wohl keine schwere Störung des Vertrauensbereiches vorliegt und mit einem Wiederholungsfall nicht zu rechnen ist. Wie gesagt, kommt es immer auf den Einzelfall an.
das Bundesarbeitsgericht und die Rechtsprechung zum Arbeitszeitbetrug
Das Bundesarbeitgericht hat in seinem Urteil vom 09.06.2011 – Az: 2 AZR 381/10 – sich mit dem Arbeitszeitbetrug beschäftigt. Das Bundesarbeitsgericht führt dazu aus
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtsnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).
Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz vorliegen einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des jeweiligen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.“
Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich.
Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines Vertrauensverlustes und dessen wirtschaftliche Folgen – der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.
Nach dem Bundesarbeitsgericht ist von daher ein Arbeitszeitbetrug grundsätzlich geeignet eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, auch ohne Abmahnung. Wichtig ist allerdings, dass dies nicht für jeden Fall gilt (siehe oben). Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beim Arbeitszeitbetrug des Arbeitnehmers
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu beachten. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt es unter anderem auf folgendes an:
– Dauer der Betriebszugehörigkeit
– Lebensalter/Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers
– Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers
– Schaden beim Arbeitgeber
– Schwere des Vertrauensverlustes
– Zeitdauer der Pflichtverletzung/ Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers
– erfolgte der Betrug im Kernbereich des Arbeitsverhältnisses (Hauptleistungspflicht)
– Dauer des störungsfreien Verlaufes des Arbeitsverhältnisses
– Höhe der Wiederholungsgefahr
– ggfs. Mitverschulden des Arbeitgebers (durch unklare Regelungen)
Muss der Arbeitnehmer beim vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug (Straftat) mit einem Strafverfahren rechnen?
Grundsätzlich ist der Arbeitszeitbetrug eine Straftat. Ein Betrug im Sinne des Strafgesetzbuches kann nur vorsätzlich begangen werden, von daher kann man auch nicht unterscheiden zwischen einem vorsätzlichen und einem fahrlässigen Arbeitszeitbetrug, denn der Arbeitszeitbetrug ist zwingend immer vorsätzlich.
Strafrechtlich liegt ein Betrug nach § 263 I StGB (Strafgesetzbuch) vor. Wichtig ist aber, dass der Arbeitgeber gegenüber der Polizei/Staatsanwaltschaft zunächst den Sachverhalt anzeigen muss, dies geschieht in der Praxis ist nicht so häufig und darüber hinaus auch die Beweismittel vorliegen müssen, die hier einen Arbeitszeitbetrug nachweisen.
In der Praxis ist es häufig so, dass der Arbeitgeber meistens nur die außerordentliche Kündigung ausspricht und dann es häufig auf das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren ankommt. Wenn die Auseinandersetzung sehr hart und über einen sehr langen Zeitraum geführt wird, kann es sein, dass der Arbeitgeber-auch um ein zusätzliches Druckmittel zu haben-den Sachverhalt bei der Polizei/Staatsanwaltschaft anzeigt. Wie gesagt, hängt es immer vom Einzelfall ab. Häufig ist es auch so, dass die Staatsanwaltschaft wenig Interesse hat Anklage in dieser Sache zu erheben, da der Schaden (das zu viel gezahlte Arbeitsentgelt) meistens sehr gering ist und ein öffentliches Interesse nicht vorliegt. Der Arbeitgeber wird dann auf das sog. Privatklageverfahren verwiesen. Er kann dann selbst – meist nach einem gescheiterten Sühneversuch – Anklage / Privatklage erheben. Dies wird aber in der Praxis dann tatsächlich kaum gemacht, da dies mit einem erheblichen Aufwand und auch Kosten verbunden sind, und das Ergebnis meistens ohnehin nur eine geringe Geldstrafe für den AN sein wird.
Rechtsschutzversicherung und fristlose Kündigung
Ein weiteres Problem ist das, dass der Arbeitnehmer, der eine Rechtsschutzversicherung hat, verpflichtet ist dieser den Sachverhalt, also den Rechtsschutzfall, wahrheitsgemäß und vollständig anzuzeigen. hat der Arbeitnehmer selbst die Kündigung durch ein vorsätzliches Verhalten, insbesondere durch eine Straftat, herbeigeführt, dann entfällt in der Regel der Versicherungsschutz. Die Rechtschutzversicherung wird in der Regel, der Arbeitnehmer in den meisten Fällen gegenüber Rechtschutzversicherung angibt, dass keine Straftat, also keinen Arbeitszeitbetrug begangen hat, die Deckungszusage für das Kündigungsschutzverfahren erteilen mit dem Hinweis, dass für den Fall, dass sich herausstellt, dass eine vorsätzliche Straftat vorliegt, der Rechtsschutz rückwirkend entfällt. Siehe hier den Artikel „Rechtschutz und Deckungszusage bei einer Straftat„.
Was tun beim Vorwurf durch den Arbeitgeber die Arbeitszeit vorsätzlich „manipuliert“ zu haben?
Nach alledem sollte der Arbeitnehmer – sofern ihm Arbeitszeitbetrug vorgeworfen wird – dies ernst nehmen und beim Erhalt einer Kündigung durch einen durch das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen, inwieweit die Erfolgsaussichten für eine Kündigungsschutzklage bestehen. Insbesondere dann, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht ist in der Regel zur Kündigungsschutzklage zu raten.
Vorsicht ist bei eigener Vertretung durch den Arbeitnehmer geboten, hier passiert es nicht selten, dass der Arbeitnehmer sich „noch mehr in die Sache reinreitet“.
Rechtsprechung/ Entscheidungen zum Arbeitszeitbetrug und Kündigung
Rechtsanwalt A. Martin