Sachverhaltsaufklärung

BAG: kein Ordnungsgeld gegen nicht erschienene Partei, deren persönliches Erscheinen angeordnet wurde, wenn Termin entscheidungsreif ist

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Gerade bei den Arbeitsgerichten wird das persönliche Erscheinen der Parteien zum Termin zum Gericht angeordnet, wenn dies zur Sachverhaltsaufklärung notwendig erschein, vor allem bei komplizierten und hoch strittigen Sachverhalten. Häufig ist dies aber nicht der Hauptgrund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien oder einer Partei. Richter hoffen dadurch nicht selten auf den Abschluss eines Vergleiches, da diese dann auf die Parteien im Termin „einwirken“können. Dies ist natürlich nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die sich allein an der Sachverhaltsaufklärung orientiert.

Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 1.10.2014, 10 AZB 24/14) hat nun entschieden,dass ein Ordnungsgeld gegen eine Partei, deren persönliches Erscheinen zum Kammertermin angeordnet war und die nicht erschienen war, nicht rechtmäßig festgesetzt werden kann, wenn die Sache ohnehin bereits entscheidungsreif ist.

Das BAG führte dazu aus:

1. Nach § 51 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, § 141 Abs. 3 ZPO kann gegen eine Partei Ordnungsgeld wie gegen einen im Verhandlungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden, sofern die Partei entgegen einer Anordnung ihres persönlichen Erscheinens im Termin ausbleibt. Danach steht die Festsetzung von Ordnungsgeld im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hierbei hat es den Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei sowie des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen(BAG 20. August 2007 – 3 AZB 50/05 – Rn. 5).

a) Zweck des § 141 Abs. 3 ZPO ist es nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gesetzes oder des Gerichts durch die nicht erschienene Partei zu ahnden; ebenso wenig darf die Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld dazu verwendet werden, einen Vergleichsabschluss zu erzwingen. Mit der Möglichkeit, das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen, setzt das Gesetz das Gericht vielmehr in die Lage, den entscheidungserheblichen Sachverhalt so umfassend und rasch wie möglich zu klären, um auf diese Weise zu einer der materiellen Rechtslage möglichst gerecht werdenden Entscheidung zu gelangen. Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 141 Abs. 1 ZPO ist demnach allein, die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern. Ordnungsgeld kann daher nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch der Prozess verzögert wird (BAG 20. August 2007 – 3 AZB 50/05 – Rn. 6; BGH 22. Juni 2011 – I ZB 77/10 – Rn. 16; 12. Juni 2007 – VI ZB 4/07 – Rn. 16; ErfK/Koch 14. Aufl. § 51 ArbGG Rn. 12; Musielak/Stadler ZPO 11. Aufl. § 141 Rn. 13).

b) Die abweichende Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach es nicht zwingende Voraussetzung eines Ordnungsgeldbeschlusses sei, dass sich durch das Ausbleiben der persönlich geladenen Partei die Erledigung des Rechtsstreits verzögere, ist damit nicht vereinbar. Das Beschwerdegericht kann sich hierzu nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen.

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2. Nach diesen Grundsätzen war die Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht gerechtfertigt.

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b) Entscheidend ist jedoch, dass der Rechtsstreit auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts am 27. November 2013 entscheidungsreif war und Gründe für die Bestimmung eines Fortsetzungstermins nicht vorlagen. Durch das unentschuldigte Ausbleiben des Beschwerdeführers ist die Sachaufklärung deshalb nicht erschwert und der Prozess nicht verzögert worden.

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cc) Als Grund für eine etwaige Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung und eine dadurch bedingte Verzögerung des Rechtsstreits kommt damit allenfalls in Betracht, dass sich der Beschwerdeführer infolge seines Ausbleibens im Kammertermin vom 27. November 2013 zum Inhalt des dort überreichten Schriftsatzes der Klägerin nicht äußern konnte. Allerdings enthielt dieser Schriftsatz nicht mehr als eine Zusammenführung ihres bisherigen streitigen Vorbringens zu den bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern mit den diesbezüglichen Angaben der Beklagten. Selbst wenn das Arbeitsgericht den klägerischen Vortrag im Schriftsatz vom 25. November 2013 nach § 138 Abs. 3 ZPO als von der Beklagten zugestanden angesehen hätte, wäre keine Änderung in Bezug auf den Sach- und Streitstand eingetreten, der bereits der Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags zugrunde gelegen hatte. Die Klage blieb unschlüssig und abweisungsreif.

c) Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Kammertermin vom 27. November 2013 erklärt hat, er sei gehalten, keinen Vergleich abzuschließen. Dies mag zwar der Annahme entgegenstehen, der Beschwerdeführer habe zu dem Termin einen besonderen Vertreter iSv. § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsandt. Soweit das Landesarbeitsgericht die Festsetzung des Ordnungsgeldes auch hiermit begründet, ist dies jedoch ermessensfehlerhaft. Das Beschwerdegericht hat hier außer Acht gelassen, dass die Entscheidung des Rechtsstreits in diesem Termin entscheidungsreif war und die Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld nicht dazu verwendet werden darf, einen Vergleichsabschluss zu erzwingen (BGH 22. Juni 2011 – I ZB 77/10 – Rn. 17).

Die Entscheidung zeigt deutlich auf, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens im Termin allein der Sachverhaltsaufklärung dienen soll und nicht dazu dient

  • einen Vergleichsschluß vorzubereiten oder
  • die Missachtung des Gerichts zu sanktionieren.

Dies wird in der Praxis häufig übersehen bzw. nicht beachtet.

Anwalt A. Martin

Anordnung des persönlichen Erscheinens vor dem Arbeitsgericht Berlin (Gütetermin)

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Erhebt der Arbeitnehmer Klage –  z.B. Lohnklage oder Kündigungsschutzklage – vor dem Arbeitsgericht Berlin oder vor einem anderen Arbeitsgericht in Deutschland, dann ordnet das Arbeitsgericht häufig das persönliche Erscheinen des Arbeitnehmers und auch des Arbeitgebers zur Güteverhandlung an. Dies geschieht meist zur Aufklärung des Sachverhalts und vor allem um eine Einigung (ohne Widerruf) vor dem Arbeitsgericht zu erreichen. Wird das persönliches Erscheinen angeordnet, erhält der Arbeitnehmer/Arbeitgeber eine eigenständige Ladung zum Termin (neben der Ladung, die dem Rechtsanwalt zugeht).

persönliches Erscheinen

Diese Anordnung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Arbeitgeber haben häufig Probleme mit der Anordnung, da diese „keine Zeit“ haben den Termin wahrzunehmen. Außerdem wird häufig argumentiert, dass ja ein Anwalt beauftragt ist, der in Sache tätig werden kann, weshalb sollte man denn dann noch selbst zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin gehen?

Vorsicht – Ordnungsgeld

Letztendlich kann ja jeder seine Meinung zu dieser Anordnung haben, was aber nicht daran ändert, dass eine Verpflichtung beseht. Erscheint die Partei nicht kann das Gericht sogar ein Ordnungsgeld wegen des Nichterscheinens festsetzen. Darüber hinaus kann das Gericht den Prozessbevollmächtigten – neben der Anordnung des Ordnungsgeldes – ausschließen (§ 51 Abs. 1  und Abs.2 ArbGG). Dann besteht die Gefahr, dass gegen die nicht vertretene Partei ein Versäumnisurteil ergeht.

Entsendung eines Vertreters

Die Partei, die persönlich erscheinen muss, kann einen Vertreter entsenden, der zur Sachverhaltsaufklärung  und auch zum Vergleichsschluss in der Lage ist. Häufig meinen die Mandanten, dass dieser Vertreter doch der Anwalt sein könne. Dies ist aber problematisch, da der Vertreter aus eigener Kenntnis Informationen zum Sachverhalt haben muss, was in der Regel nicht der Fall ist. In der Praxis wir dies gleichwohl häufig so gemacht – auch ohne eine besondere Vollmacht vorzulegen. Damit begeben sich der Prozessbevollmächtigte und auch die Partei auf dünnes Eis. Schlimmes wird es dann noch, wenn der Prozessbevollmächtigte (Anwalt), dann noch nicht einmal einen Vergleich ohne Widerruf schließen kann. Dann ist klar, dass er kein Vertreter sein kann.

 

Arbeitsrecht Berlin – Anwalt Martin-

Internetnutzung am Arbeitsplatz oder wer surft der fliegt?

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Internetnutzung am Arbeitsplatz ist ein Kündigungsgrund?

Wer hat nicht schon einmal während der Arbeitszeit kurz seine E-Mails oder die neuesten Nachrichten gescheckt. Die Frage ist, ob dies schon ein Kündigungsgrund ist. Die Juristen würden hier antworten, „es kommt darauf an …..“.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2005 einige Grundsätze zur Internetnutzung am Arbeitsplatz aufgestellt. Dabei stellte das BAG auch klar, dass die Nutzung des Internet´s am Arbeitsplatz – sogar, wenn kein eindeutiges Verbot der Nutzung am Arbeitsplatz bestand – schon eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. 

BAG Urteil vom 07.07.2005 – 2 AZR 581/04

Folgende Grundsätze gelten: Eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers liegt vor:

  • durch eine Nutzung des Internet entgegen dem ausdrücklichen Verbot des Arbeitgebers
  • bei  Nichterbringen seiner Arbeitsleistung durch langes Surfen zu privaten Zwecken
  • durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen aus dem  Internet
  • durch Verursachung von zusätzlichen Kosten
  • durch  Rufschädigung des Arbeitgebers wegen Nutzung von strafbaren oder pornografischen Darstellungen 

Eine außerordentliche Kündigung ist der Ausnahmefall, wenn zuvor noch keine Abmahnung erteilt wurde. Allerdings kann schon ein einmaliger schwerwiegender Verstoß durch die private Nutzung des Internets zu einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Arbeitnehmersohne vorherige Abmahnung – führen.

Liegt eine Pflichtverletzung vor, wenn der Arbeitgeber die Nutzung des Internet´s für private Zwecke nicht verboten hat?

Ja, zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer das Internet „ausschweifend“ nutzt. In diesem Fall kann er nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber dies toleriert, da dann notwendigerweise „ein Verschwenden“ der Arbeitszeit vorliegt („Ich zahle Sie nicht dafür, dass Sie hier privat im Internet surfen!“).

Gab es bereits Fälle zum privaten Surfen im Internet am Arbeitsplatz, die gerichtliche entschieden wurden?

Zum Beispiel den obigen Fall des Bundesarbeitsgerichtes. Hier surfte ein Chemikant (sogar Schichtleiter) mehrmals trotz Verbot (und dann auch noch in erheblichen Umfang) im Inernet, sah sich pornografische Inhalte an und verursachte in einem Monat zusätzliche Kosten in Höhe von € 400,00 (faktisch das „volle Programm“).

Der Arbeitnehmer behauptete; er habe nur in den Pausen gesurft und sei auf die pornografischen Seiten nur durch Zufall gestoßen. Zudem wusste er angeblich nichts vom Verbot der privaten Nutzung des Internet´s. Man hätte ihn auch abmahnen müssen.

Der Arbeitgeber kündigte – eine  Beitriebsratsanhörung fand statt- das Arbeitsverhältnis fristlos und außerordentlich, hilfsweise ordentlich (dies wird häufig sicherheitshalber gemacht). Der Arbeitnehmer/Chemikant wehrte sich gegen die verhaltensbedingte Kündigung mittels eine Kündigungsschutzklage (Arbeitsgericht Ludwig-Hafen). Das Arbeitsgericht hielt die  Kündigungsschutzklage für zulässig und begründet und verurteilte den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung. Auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pflalz hielt die Kündigung des Arbeitgebers für unwirksam und wies die Berufung des Arbeitgebers ab. Erst das Bundesarbeitsgericht gab der Revision des Arbeitgebers statt und wies den Rechtsstreit zurück an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung.

Also, sofern Sie diesen Artikel während ihrer Abeitszeit lesen, denken Sie nochmals darüber nach, ob dies nicht Konsequenzen haben kann ……

 

Rechtsanwalt Andreas Martin – Arbeitsrecht Berlin