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LAG Hessen: Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung von Lohnzahlungsansprüchen

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Wer sich mittels Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehrt,  wahrt auch  eventuell bestehende tarifvertragliche Ausschlussfristen  im Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche.  dies gilt nun nicht nur für die erste Stufe der Ausschlussfristen, sondern auch bei zweistufigen Ausschlussfristen für die zweite Stufe ( gerichtliche Geltendmachung), so nun jüngst das BAG (Urteil vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07).

Verjährung

Die Ausschlussfrist ist streng von der Verjährung zu unterscheiden.  Die Verjährung ist eine Einrede  und muss erhoben werden. Die Ausschlussfrist prüft das Gericht – auch ohne Erhebung – von Amts wegen.  Auch ist die Verjährung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten  selten ein Problem.  Da die Ausschlussfristen meist viel kürzer sind als die Verjährungsfristen, stellen diese häufig eine Hürde für die Geltendmachung zum Beispiel von Lohnansprüchen des Arbeitnehmers dar.

Hemmung der Verjährung durch Kündigungsschutzklage

Es stellt sich nun die Frage, wenn nun doch ein Fall vorliegt, bei dem die Durchsetzung von Lohnansprüchen von der Verjährung abhängt,  ob die Erhebung der Kündigungschutzklage die Verjährung gehemmt, also eine ähnliche Wirkung hat, wie in Bezug auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen.

 Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hessen

Das hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 9.4.2013 – 8 Sa 1389/12)  entschied,  dass eine Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung der Annahmeverzugslohn Ansprüche des Arbeitnehmers hemmt und führt dazu aus:

2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn ist verjährt.

a) Die dreijährige Verjährungsfrist begann für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2003 und für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2004.

aa) Für den streitgegenständlichen Annahmeverzugslohnanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). ………………….

b) Die Verjährungsfrist lief für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2006 und für die Annahmeverzugslohnansprüche für das Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2007 ab. Sie war weder gehemmt noch hat ihr Lauf neu begonnen.

aa) Die Verjährung war weder durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch gemäß § 206 BGB durch höhere Gewalt gehemmt. …………

(a) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Die Hemmung tritt nur für den geltend gemachten Anspruch, also den Streitgegenstand der erhobenen Klage ein (BAG 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 –, Rn. 26, AP BGB § 280 Nr. 10 = NZA 2012, 377). Eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Aus diesem Grund hemmt die Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 –, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4; BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5).

(b) Daran ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197 = NZA 2011, 354) und der sich anschließenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Ausschlussfristen (19. September 2012 – 5 AZR 627/11 -, Rn. 13, NZA 2013, 101 = ZTR 2013, 153, 19. September 2012 – 5 AZR 924/11 -, Rn. 17, NZA 2013, 156) festzuhalten (von Medem NZA 2013, 345, 348; zweifelnd: ErfK-Preis § 194 – 218, Rn. 18). § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nicht dahingehend auszulegen, dass in der Erhebung einer Bestandsschutzklage zugleich eine Erhebung der Klage auf Leistung der davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs zu sehen ist.

(aa) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche im Sinne des Tarifvertrags „gerichtlich geltend“ macht und damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist wahrt.

(bb) Diese für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht auf die Verjährungsvorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu übertragen.

§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist – anders als tarifliche Regelung zu Ausschlussfristen – nicht dahingehend auszulegen, dass bereits eine die Durchsetzung des Anspruchs lediglich vorbereitende Klage die Verjährung unterbricht. Nach dem Wortlaut bedarf es einer Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Damit ist der Anspruch selbst gemeint, eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. Allen in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgeführten prozessualen Handlungen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar den Anspruch zum Gegenstand haben müssen, dessen Verjährung unterbrochen werden soll. Das entspricht dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu bewahren. Das Gesetz hat an die gerichtliche Geltendmachung die Unterbrechung der Verjährung angeknüpft, weil der Berechtigte durch positive Betätigung seines Rechts unmissverständlich zu erkennen gibt, dass und in welchem Umfang er sein Recht durchsetzen will (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Für eine analoge Anwendung ist mangels Regelungslücke kein Raum (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 -, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4). Eine Analogie kann nicht daraus hergeleitet werden, dass den Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO, § 17 TzBfG nach dem Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dieselbe Wirkung wie einer den Anspruch unmittelbar betreffenden Klage beizumessen ist. Die Kündigungsschutzklage ist wie auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO oder eine Befristungskontrollklage nicht auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Eine andere Auslegung ist aus Verfassungsgründen nicht zwingend geboten. Der Arbeitnehmer wird nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt, wenn das gesetzliche Erfordernis, eine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage zu erheben, nicht durch die Bestandsschutzklage gewahrt wird. Darin liegt keine übersteigerte Obliegenheit, da eine solche Klage dem Arbeitnehmer möglich und auch unter Berücksichtigung des Kostenrisikos zumutbar ist. Angesichts der erheblich längeren Dauer der Verjährungsfristen gibt es nur wenige Fälle, in denen der Kündigungsrechtsstreit bei Ablauf der Verjährungsfrist noch nicht beendet ist (von Medem NZA 2013, 345, 348). Die weit überwiegende Zahl der Kündigungsschutzverfahren wird vor Ablauf von drei Jahren abgeschlossen. In den wenigen anderen Fällen können die Arbeitnehmer ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie die Vergütungsansprüche im Wege uneigentlicher Hilfsanträge verfolgen. Werden vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche im Rahmen von Hilfsanträgen geltend gemacht, wirken sich diese nicht streitwerterhöhend aus, wenn die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages abgewiesen wird. Ein unechter Hilfsantrag ist bei der Berechnung der Gerichtskosten und der Anwaltskosten nur dann streitwerterhöhend zu bewerten, wenn über ihn entschieden wurde oder er Gegenstand eines Vergleichs der Parteien ist (LAG Berlin-Brandenburg 20. April 2012 – 26 Ta 535/12 – zitiert nach Juris).

Von daher sollten  für den Fall, dass die Verjährung droht, gleich als  uneigentlichen Hilfsantrag  mit der Kündigungschutzklage geltend gemacht werden.

Rechtsanwalt  A.Martin

LAG Hessen: Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung von Lohnzahlungsansprüchen

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Wer sich mittels Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehrt,  wahrt auch  eventuell bestehende tarifvertragliche Ausschlussfristen  im Bezug auf Annahmeverzugslohnansprüche.  dies gilt nun nicht nur für die erste Stufe der Ausschlussfristen, sondern auch bei zweistufigen Ausschlussfristen für die zweite Stufe ( gerichtliche Geltendmachung), so nun jüngst das BAG (Urteil vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07).

Verjährung

Die Ausschlussfrist ist streng von der Verjährung zu unterscheiden.  Die Verjährung ist eine Einrede  und muss erhoben werden. Die Ausschlussfrist prüft das Gericht – auch ohne Erhebung – von Amts wegen.  Auch ist die Verjährung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten  selten ein Problem.  Da die Ausschlussfristen meist viel kürzer sind als die Verjährungsfristen, stellen diese häufig eine Hürde für die Geltendmachung zum Beispiel von Lohnansprüchen des Arbeitnehmers dar.

Hemmung der Verjährung durch Kündigungsschutzklage

Es stellt sich nun die Frage, wenn nun doch ein Fall vorliegt, bei dem die Durchsetzung von Lohnansprüchen von der Verjährung abhängt,  ob die Erhebung der Kündigungschutzklage die Verjährung gehemmt, also eine ähnliche Wirkung hat, wie in Bezug auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen.

 Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hessen

Das hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 9.4.2013 – 8 Sa 1389/12)  entschied,  dass eine Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung der Annahmeverzugslohn Ansprüche des Arbeitnehmers hemmt und führt dazu aus:

2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn ist verjährt.

a) Die dreijährige Verjährungsfrist begann für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2003 und für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2004.

aa) Für den streitgegenständlichen Annahmeverzugslohnanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). ………………….

b) Die Verjährungsfrist lief für die Annahmeverzugslohnansprüche aus dem Jahr 2003 mit dem Schluss des Jahres 2006 und für die Annahmeverzugslohnansprüche für das Jahr 2004 mit dem Schluss des Jahres 2007 ab. Sie war weder gehemmt noch hat ihr Lauf neu begonnen.

aa) Die Verjährung war weder durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch gemäß § 206 BGB durch höhere Gewalt gehemmt. …………

(a) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Die Hemmung tritt nur für den geltend gemachten Anspruch, also den Streitgegenstand der erhobenen Klage ein (BAG 15. September 2011 – 8 AZR 846/09 –, Rn. 26, AP BGB § 280 Nr. 10 = NZA 2012, 377). Eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Aus diesem Grund hemmt die Kündigungsschutzklage nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 –, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4; BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5).

(b) Daran ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197 = NZA 2011, 354) und der sich anschließenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Ausschlussfristen (19. September 2012 – 5 AZR 627/11 -, Rn. 13, NZA 2013, 101 = ZTR 2013, 153, 19. September 2012 – 5 AZR 924/11 -, Rn. 17, NZA 2013, 156) festzuhalten (von Medem NZA 2013, 345, 348; zweifelnd: ErfK-Preis § 194 – 218, Rn. 18). § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nicht dahingehend auszulegen, dass in der Erhebung einer Bestandsschutzklage zugleich eine Erhebung der Klage auf Leistung der davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs zu sehen ist.

(aa) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche im Sinne des Tarifvertrags „gerichtlich geltend“ macht und damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist wahrt.

(bb) Diese für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht auf die Verjährungsvorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu übertragen.

§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist – anders als tarifliche Regelung zu Ausschlussfristen – nicht dahingehend auszulegen, dass bereits eine die Durchsetzung des Anspruchs lediglich vorbereitende Klage die Verjährung unterbricht. Nach dem Wortlaut bedarf es einer Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Damit ist der Anspruch selbst gemeint, eine auf die Feststellung eines diesem Streitgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gerichtete Klage reicht nicht aus (vgl. BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – zu II 3 b cc der Gründ, zitiert nach Juris). Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. Allen in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgeführten prozessualen Handlungen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar den Anspruch zum Gegenstand haben müssen, dessen Verjährung unterbrochen werden soll. Das entspricht dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu bewahren. Das Gesetz hat an die gerichtliche Geltendmachung die Unterbrechung der Verjährung angeknüpft, weil der Berechtigte durch positive Betätigung seines Rechts unmissverständlich zu erkennen gibt, dass und in welchem Umfang er sein Recht durchsetzen will (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Für eine analoge Anwendung ist mangels Regelungslücke kein Raum (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 910/06 -, Rn. 14, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4). Eine Analogie kann nicht daraus hergeleitet werden, dass den Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO, § 17 TzBfG nach dem Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dieselbe Wirkung wie einer den Anspruch unmittelbar betreffenden Klage beizumessen ist. Die Kündigungsschutzklage ist wie auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO oder eine Befristungskontrollklage nicht auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet (BAG 7. November 1991 – 2 AZR 159/91 – AP BGB § 209 Nr. 6 = EzA BGB § 209 Nr. 5, zu B der Gründe).

Eine andere Auslegung ist aus Verfassungsgründen nicht zwingend geboten. Der Arbeitnehmer wird nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt, wenn das gesetzliche Erfordernis, eine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage zu erheben, nicht durch die Bestandsschutzklage gewahrt wird. Darin liegt keine übersteigerte Obliegenheit, da eine solche Klage dem Arbeitnehmer möglich und auch unter Berücksichtigung des Kostenrisikos zumutbar ist. Angesichts der erheblich längeren Dauer der Verjährungsfristen gibt es nur wenige Fälle, in denen der Kündigungsrechtsstreit bei Ablauf der Verjährungsfrist noch nicht beendet ist (von Medem NZA 2013, 345, 348). Die weit überwiegende Zahl der Kündigungsschutzverfahren wird vor Ablauf von drei Jahren abgeschlossen. In den wenigen anderen Fällen können die Arbeitnehmer ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie die Vergütungsansprüche im Wege uneigentlicher Hilfsanträge verfolgen. Werden vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche im Rahmen von Hilfsanträgen geltend gemacht, wirken sich diese nicht streitwerterhöhend aus, wenn die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages abgewiesen wird. Ein unechter Hilfsantrag ist bei der Berechnung der Gerichtskosten und der Anwaltskosten nur dann streitwerterhöhend zu bewerten, wenn über ihn entschieden wurde oder er Gegenstand eines Vergleichs der Parteien ist (LAG Berlin-Brandenburg 20. April 2012 – 26 Ta 535/12 – zitiert nach Juris).

Von daher sollten  für den Fall, dass die Verjährung droht, gleich als  uneigentlichen Hilfsantrag  mit der Kündigungschutzklage geltend gemacht werden.

Rechtsanwalt  A.Martin

Arbeitsgericht Cottbus: außerordentliche Kündigung wegen Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis

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Das Arbeitsgericht Cottbus hatte darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber, der nachträglich, also während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, Kenntnis von mehreren Eintragungen im Führungszeugnis des Arbeitnehmers erhält, diesen außerordentlich das Arbeitsverhältnis kündigen kann.

 Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war seit dem 1.2.2008 als Fachangestellter im Bäderbetrieb beim Arbeitgeber tätig. Das Kündigungsschutzgesetz (allgemeiner Kündigungsschutz) fand hier Anwendung. Im Jahr 2012 forderte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer 2 x erfolglos auf und ein weiteres Mal im Jahr 2013 das erweiterte Führungszeugnis §§ 30 a, 31 Bundeszentralregistergesetz (BZRG)  vorzulegen. Dem kann der Arbeitnehmer nicht nach.

Am 18. Februar 2013 bekam der Arbeitgeber nun selbst das erweiterte Führungszeugnis in dem sich mehrere strafrechtliche Eintragungen befanden.

  •  im 2008 – Verurteilung wegen unlauteren Erwerb von Betäubungsmitteln in drei Fällen – 120 Tagessätze Geldstrafe (Tat aus dem Jahr 2007)
  •  im März 2012 – Verurteilung wegen Körperverletzung zu 90 Tagessätzen Geldstrafe (Tat aus dem Jahr 2011)
  •  im Oktober 2012 – versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung Geldstrafe zu 140 Tagessätzen (Tat aus dem Jahr 2011)

 Kündigung des Arbeitgebers

Nach der Anhörung des Personalrates, der der außerordentlichen Kündigung zustimmte, kündigte der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.2.2013 außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

 Kündigungsschutzklage

Der Arbeitnehmer erhob dagegen Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht Cottbus (Urteil vom 30.5.2013- 3 Ca 317/13 ) gab dem Arbeitnehmer Recht und hielt die Kündigungsschutzklage zulässig und begründet. Allein die Eintragung im Führungszeugnis stellt noch keinen außerordentlichen Kündigungsgrund nach § 626 BGB dar. Ebenso ist die alleinige strafrechtliche Verurteilung ohne Berücksichtigung des zu Grunde liegenden Tatgeschehens kein außerordentlichen Kündigungsgrund nach § 626 Abs. 1 BGB.

 

Das Arbeitsgericht Cottbus führt aus:

Die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist unwirksam, da ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB nicht vorliegt. Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, ist in zwei selbständigen Abschnitten zu prüfen. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Sodann ist zu prüfen, ob bei Berücksichtigung dieser Umstände und der Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist (Erfurter Kommentar Müller/Glöwe, § 626 BGB Rn. 15). Außerdienstliches Verhalten, insbesondere die Begehung einer Straftat, die sich nicht gegen den Arbeitgeber oder einen Arbeitskollegen richtet, kann nur dann ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein, wenn dadurch das Arbeitsverhältnis beeinträchtigt wird. Gewöhnlich ist streng zwischen der Privatsphäre und der Stellung als Arbeitnehmer zu unterscheiden. Ebenso wie bei Straftaten, die sich gegen eine Partei des Arbeitsverhältnisses richten, kommt es auch bei anderen strafbaren Handlungen nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf an, ob dem Kündigenden nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Das setzt voraus, dass die Straftaten das Arbeitsverhältnis belasten, indem sie z.B. bei objektiver Betrachtung ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit oder der Eignung des Arbeitnehmers für die von ihm zu verrichtende Tätigkeit begründen (KR-Fischermeier, 10. Auflage, § 626 Rz. 114).

aa) Zur Frage, inwieweit allein die Rechtskraft einer strafgerichtlichen Verurteilung an sich geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen, hat sich das BAG in zwei Entscheidungen vom 08.06.2000 (2 ABR 1/00) und vom 16.09.1999 (2 ABR 68/98) geäußert: „Maßgeblich ist, ob der rechtskräftige Schuldspruch unter Berücksichtigung der Tatvorwürfe eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen auslösen kann. Wie der Senat schon in seinem Beschluss vom 16. September 1999 (a.a.O.) ausgeführt hat, ist ein Strafurteil ohne Rückkoppelung an die eigentlichen Tatvorwürfe nicht geeignet, ein persönliches Defizit des Arbeitnehmers (fehlende Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Eignung) zu belegen, dass als personenbedingter Grund zur Kündigung berechtigen würde. Sowohl unter dem Aspekt verhaltens- als auch unter dem personenbedingter Gründe ist immer auch auf die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten oder – hier nicht relevant – den Verdacht der Tatbegehung abzustellen.“ (BAG vom 08.06.2000, a.a.O. Rz 21).

bb) Ob also eine rechtskräftig verurteilte Straftat des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB darstellen kann, kann nicht alleine anhand der Tatsache ihrer Verurteilung bestimmt, sondern muss immer auch im Zusammenhang mit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Tatgeschehen beurteilt werden. Alleine die strafrechtliche Verurteilung kann die unzumutbare Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses nicht auslösen. Dieser Auffassung des BAG schließt sich die erkennende Kammer an. Dass dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung innewohnende Unwerturteil des Arbeitgebers kann nicht allein auf eine strafgerichtliche Verurteilung gestützt werden. Die mit der rechtskräftigen Verurteilung eventuell zutage tretenden Defizite des Arbeitnehmers, die personen- oder verhaltensbedingter Kündigungsgrund sein können, können nicht aus der Verurteilung an sich, sondern nur aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt begründet werden.

Die Beklagte hat ihre außerordentliche Kündigung ausschließlich auf das Vorliegen von drei rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers gestützt. Dies ist zur Begründung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB nicht ausreichend. Der Beklagten war auch nicht weitere Gelegenheit zum Vortrag zu geben, da bei einer Auseinandersetzung mit den der Verurteilung zugrunde liegenden Tatgeschehen jedenfalls festzustellen gewesen wäre, dass in dieser Hinsicht der Personalrat zur ausgesprochenen Kündigung nicht vollständig und umfassend angehört wurde.

Der Fall hätte auch anders ausgehen können, wenn der Arbeitgeber hier zunächst den Sachverhalt richtig ermittelt hätte.

RA A. Martin