Mutterschutzgesetz
Neuregelung des Mutterschutzes ab 1.1.2018
Der Bundestag hat am 30.3.2017 in 2. und 3. Lesung das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts beschlossen. Der Gesetzgeber hat in das Mutterschutzgesetz nun einige Neuregelungen eingeführt, die einen „bestmöglichen Gesundheitsschutz“ für schwangere und stillende Frauen gewährleisten sollen. Die Regelungen greifen überwiegend zum 1.1.2008.
Im Wesentlichen geht es um folgende Neuregelungen:
– Mutterschutz gilt nun auch für arbeitnehmerähnlichen Personen
– branchenunabhängiges Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit
– Verbot der Mehrarbeit auch bei Teilzeit bis Höchstgrenze
– behördliches Genehmigungsverfahren bei Arbeit nach 20 Uhr bis 22 Uhr
– Integration der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) in das Mutterschutzgesetz
– Einrichtung eines Ausschusses für Mutterschutz, welcher Behörden und Betriebe bei Umsetzung der Vorschriften berät
Insgesamt wird der Schutz der werdenden Mütter ausgebaut und verstärkt. Für die bisher privilegierten Branchen bei der Nachtarbeit (§ 8 Abs. 3 MuSchG), wie die Gastronomie und die Landwirtschaft bedeutet das Gesetz zusätzliche Einschnitte, die aber in Kauf zu nehmen sein werden, um die Gesundheit der Schwangeren und des ungeborenen Kindes zu gewährleisten.
Rechtsanwalt Andreas Martin
BAG: Entschädigung bei Diskriminierung einer Schwangeren durch Kündigung
Eine Schwangere, die eine Kündigung des Arbeitgebers erhält, kann sich in der Regel mit Erfolg dagegen mittels Kündigungsschutzklage wehren. Es besteht ein sog. Sonderkündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz, und dies sogar in der Probezeit (innerhalb der Wartezeit nach dem KSchG).
Kündigung während der Schwangerschaft
Kündigt der Arbeitgeber der Schwangeren das Arbeitsverhältnis so stellt sich die Frage, ob in der Kündigung gleichzeitig eine Diskriminierung der Schwangeren aufgrund des Geschlechts liegt, die dazu führt, dass die Schwangere einen Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG hat.
keine automatische Diskriminierung bei Kündigung während Schwangerschaft
Auch, wenn das BAG nun einen solchen Anspruch bejaht hat, so ist doch zu beachten, dass sich nicht automatisch bei jeder Kündigung ein Entschädigungsanspruch der Schwangeren ergibt. Denn noch vor kurzem hatte das BAG noch entschieden, dass die Kündigung einer Schwangeren nicht per se eine Diskriminierung beinhaltet. Ein Arbeitgeber kündigte einer schwangeren Arbeitnehmer und hatte von der Schwangerschaft keine Kenntnis. Die Arbeitnehmerin informierte den Arbeitgeber, um besonderen Kündigungsschutz zu erlangen und forderte diesen unter Fristsetzung auf, zu erklären, dass er nicht mehr an der Kündigung festhalte. In dieser fehlenden Erklärung sah das BAG (17.10.2013 – 8 AZR 742/13) keine Diskriminierung der Schwangeren.
Entscheidung des BAG – Diskriminierung durch Kündigung
Das BAG erklärt nun in seiner Pressemitteilung:
Wird unter Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz einer schwangeren Arbeitnehmerin eine Kündigung erklärt, stellt dies eine Benachteiligung wegen des Geschlechts dar und kann einen Anspruch auf Entschädigung auslösen.
Anders als im obigen Fall kündigte der Arbeitgeber hier im Kleinbetrieb einer schwangeren Arbeitnehmer in Kenntnis von der Schwangerschaft. Darüber hinaus wollte der Arbeitgeber auch ein zuvor ausgesprochenes Beschäftigungsverbot nicht beachten.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12) sah in der Kündigung eine Diskriminierung der Arbeitnehmerin und hielt eine Entschädigung hierfür von € 3.000 für gerechtfertigt.
Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.000,00 Euro zugesprochen hatte, bestätigt. Die Klägerin wurde wegen ihrer Schwangerschaft von der Beklagten ungünstiger behandelt und daher wegen ihres Geschlechtes benachteiligt, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in Verbindung mit § 1 AGG. Dies ergibt sich schon aus dem Verstoß der Beklagten gegen das Mutterschutzgesetz. Da Mutter und totes Kind noch nicht getrennt waren, bestand noch die Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Auch der Versuch, die Klägerin zum Ignorieren des Beschäftigungsverbotes zu bewegen und der Ausspruch der Kündigung noch vor der künstlich einzuleitenden Fehlgeburt indizieren die ungünstigere Behandlung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft. Der besondere, durch § 3 Abs. 1 AGG betonte Schutz der schwangeren Frau vor Benachteiligungen führt jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden auch zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Dies ist unabhängig von der Frage zu sehen, ob und inwieweit Kündigungen auch nach den Bestimmungen des AGG zum Schutz vor Diskriminierungen zu beurteilen sind.
Die Entscheidung führt nicht dazu, dass die Kündigung einer Schwangeren automatisch eine Diskriminierung beinhaltet. Gerade, wenn der Arbeitgeber eben nichts von der Schwangerschaft beim Ausspruch der Kündigung weiß, wird keine Diskriminierung vorliegen.
Beschäftigungsverbot und Mutterschutzlohn (Lohnfortzahlung bei Schwangerschaft)
Wird eine Arbeitnehmerin schwanger, dann hat dies Auswirkungen in vielen Bereichen des Arbeitsverhältnisses (siehe z.B. in Bezug auf die Kündigung : „Kündigung bei Schwangerschaft in der Probezeit„). Neben der erschwerten Kündigungsmöglichkeit (besonderer Kündigungsschutz nach § 9 Mutterschutzgesetz) gibt es vielfältige Schutzpflichten, die der Arbeitgeber zu beachten hat und der Arbeitgeber ist auch verpflichtet während eines bestehenden Beschäftigungsverbotes der Schwangeren den Lohn fortzuzahlen (Mutterschutzlohn).
Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft
Während der bestehenden Schwangerschaft können Beschäftigungsverbote bestehen (§§ 3 ff. Mutterschutzgesetz). Hier unterscheidet man individuelle Beschäftigungsverbote und generelle. Bei den individuellen Beschäftigungsverboten hat das vom Arzt angeordnete Beschäftigungsverbot den Grund im persönlichen (individuellen) Gesundheitszustand der Frau (Schwangeren). Beim generellen Beschäftigungsverbot kommt es auf den individuellen Gesundheitszustand nicht an.
Beispiel: Beschäftigung der Schwangen währen der Schutzfristen vor und nach der Entbindung.
Anspruch auf Zahlung von Mutterschutzlohn
Während des bestehenden Beschäftigungsverbotes hat die Schwangere in der Regel einen Anspruch auf Zahlung ihres Lohn (Durchschnittslohnes) gegenüber dem Arbeitgeber; dem sog. Mutterschaftslohn. Geregelt ist dies in § 11 MuSchG, welcher normiert:
(1) Den unter den Geltungsbereich des § 1 fallenden Frauen ist, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung beziehen können, vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu gewähren, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1, §§ 4, 6 Abs. 2 oder 3 oder wegen des Mehr-, Nacht- oder Sonntagsarbeitsverbots nach § 8 Abs. 1, 3 oder 5 teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. Dies gilt auch, wenn wegen dieser Verbote die Beschäftigung oder die Entlohnungsart wechselt. Wird das Arbeitsverhältnis erst nach Eintritt der Schwangerschaft begonnen, so ist der Durchschnittsverdienst aus dem Arbeitsentgelt der ersten 13 Wochen oder drei Monate der Beschäftigung zu berechnen. Hat das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 oder 3 kürzer gedauert, so ist der kürzere Zeitraum der Berechnung zugrunde zu legen. Zeiten, in denen kein Arbeitsentgelt erzielt wurde, bleiben außer Betracht.
(2) Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraums eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Durchschnittsverdienstes außer Betracht. Zu berücksichtigen sind dauerhafte Verdienstkürzungen, die während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraums eintreten und nicht auf einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot beruhen.
(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes im Sinne der Absätze 1 und 2 zu erlassen.
Voraussetzungen des Mutterschutzlohnes
Die obige Vorschrift hat mehrere Voraussetzungen.
Sinn und Zweck der Lohnfortzahlungspflicht beim bestehenden Beschäftigungsverbot
Sinn und Zweck der obigen Vorschrift besteht im Schutz der Schwangeren und des werdenden Kindes. Diese soll wirtschaftlich im Beschäftigungsverbot abgesichert sein und die Anordnung des Arztes nicht aufgrund wirtschaftlicher Zwänge ignorieren und trotz Beschäftigungsverbotes beim Arbeitgeber arbeiten.
Beschäftigungsverbot alleinige Ursache für das Aussetzen von der Arbeit
Voraussetzung für den Bezug des Mutterschutzlohnes ist, dass das Beschäftigungsverbot die alleinige und nicht wegzudenkende Ursache für das Aussetzung von der Arbeit der Schwangeren ist. Von daher muss das Beschäftigungsverbot kausal für die Nichtleistung der Arbeit sein.
Weitere Gründe dürfen nicht hinzutreten, wie z.B.
- vertragswidrige Arbeitsverweigerung
- Krankheit der Arbeitnehmerin
- Ablehnung einer zumutbaren Ersatzbeschäftigung
- Teilnahme an Arbeitskämpfen
Zusammentreffen und Krankheit und Mutterschutzlohn
Wie oben bereits ausgeführt wurde, muss das Beschäftigungsverbot die alleinige – nicht hinweg zudenkende Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin sein. Das BAG (Urteil vom 1.10.1997- 5 AZR 685/96) stellt ausdrücklich klar, dass wenn Krankheit und Beschäftigungsverbot zusammen vorliegen, dass dann kein Mutterschutzlohn vom Arbeitgeber geschuldet ist. Dies gilt ausdrücklich auch, wenn z.B. der Arbeitgeber nach dem Ablauf von 6 Wochen Krankheit nicht mehr zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.
Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG besteht nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, daß die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Das Beschäftigungsverbot muß die nicht wegzudenkende Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall sein. Für die Zeit, in der die Schwangere arbeitsunfähig krank ist, ist dieser alleinige Ursachenzusammenhang nicht gegeben. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber – nach Ablauf des Sechswochenzeitraums – nicht mehr zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle verpflichtet ist.
Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit (§ 3 Abs. 1 EFZG) und Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung (§ 3 Abs. 1 MuSchG) schließen sich gegenseitig aus. Beruhen die Beschwerden auf der Schwangerschaft, so kommt es darauf an, ob es sich um einen krankhaften Zustand handelt, der zur Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren führt. Ist dies der Fall, so ist kein Beschäftigungsverbot auszusprechen, sondern krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Haben die Schwangerschaftsbeschwerden dagegen keinen Krankheitswert oder führen sie nicht zur Arbeitsunfähigkeit, so kommt das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG in Betracht.
Pauschal gesagt, gehen von daher Krankengeld und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall dem Mutterschutzlohn vor.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, kann es in der Praxis hier Abgrenzungsschwierigkeiten geben, die letztendlich nur über den behandelnden Arzt geklärt werden können.
Höhe des Mutterschutzlohnes
Wie die Höhe des Mutterschutzlohnes zu berechnen ist, steht im Gesetz recht ausführlich. Gezahlt werden muss mindestens der Durchschnittswert der letzten 13 Wochen. Beim gleich bleibenden Monatslohn und einer 5 Tage- Woche würde man hier dies so berechnen: 3 x Monatslohn brutto ./. 65 = Anspruch pro Beschäftigungstag. Ansonsten ist der Lohn der letzten 13 Wochen zu Grunde zu legen.
Der Arbeitgeber ist bei Zahlung des Mutterschutzlohns auch zur Fortzahlung der im Lohn enthaltenen Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge verpflichtet.
Erstattungsanspruch des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber (weniger als 30 AN) hat in der Regel einen Erstattungsanspruch (in der Regel 80 %) gegenüber den Krankenkassen (U2- Verfahren) nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlungen (AAG).
Zusammenfassung der Voraussetzungen auf Zahlung des Lohnes während des Mutterschutzes/ Mutterschutzlohnes (§ 11 MuSchG)
- schwangere Arbeitnehmerin oder gleichgestellte Person (siehe § 1 MuSchG)
- kein Bezug von Mutterschaftsgeld nach § 13 MuSchG (im Normalfall erst währen der Schutzfristen des § 3 Abs.2 MuSchG und 6 Abs. MuSchG – also 6 Wochen vor und 8 bzw. 12 Wochen nach der Geburt)
- Bestehen eines Beschäftigungsverbotes (§ 3 Abs. 1; §§ 4,6 Abs. 2 oder 3 MuSchG oder
- Bestehen eines Mehr-, Nachts-,- oder Sonntagsarbeitsverbotes (§ 8 Abs. 1, 3 und 5 MuSchG)
- Aussetzen von der Arbeit (also Nichtarbeit)
- alleinige Kausalität des Beschäftigungsverbotes für das Aussetzen von der Arbeit (also z.B. keine Krankheit)
Mutterschaftsgeld / Zuschuss zum Mutterschaftsgeld
Bezieht die Arbeitnehmerin später sog. Mutterschaftsgeld (dies zahlt nicht der Arbeitgeber) nach § 13 des MuSchG, dann besteht ein Anspruch auf Zahlung eines Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser Zuschuss wird oft übersehen und/ oder falsch berechnet.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Berlin Marzahn
LAG Berlin: Zustimmung zur Kündigung während Elternzeit ersetzt nicht die Zustimmung nach dem Mutterschutzgesetz
Sowohl bei einer Kündigung während der Elternzeit als auch bei einer Kündigung während der Schwangerschaft ist eine Zustimmung des Integrationsamtes (oberste Landesbehörde) notwendig. Die Frage ist nun, ob eine Zustimmung für die Kündigung ausreichend ist, wenn die Arbeitnehmerin sowohl in der Elternzeit als auch (schon wieder) schwanger ist, wenn die Zustimmungen von der selben Behörde zu erteilen sind.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Entscheidung vom 6. 04.2011 15 Sa 2454/10) hatte zu entscheiden, ob eine Zustimmung zur Kündigung während der Elternzeit (wegen Betriebsteilstilllegung) des Integrationsamtes ausreichend ist, wenn die Arbeitnehmerin darüber hinaus wieder schwanger ist oder ob darüber hinaus eine weitere Zustimmung – des selben Amtes – nach § 9 MuSchG erforderlich ist. Die Arbeitnehmer wehrte sich mittels Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung des Arbeitgebers. Die erneute Schwangerschaft teilte die Arbeitnehmerin unverzüglich dem Arbeitgeber nach dem Erhalt der Kündigung mit.
Das LAG hielt nur eine Zustimmung für nicht ausreichen und führte dazu aus:
„Die Berufung ist zulässig. Sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass die Kündigung vom 20. Mai 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat. Diese Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an der erforderlichen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 9 MuSchG.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Unstreitig lag vor Ausspruch der Kündigung auch nicht eine Zustimmung der obersten Landesbehörde gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG vor.
Soweit der Beklagte meint, diese Zustimmung sei deswegen nicht erforderlich, weil die oberste Landesbehörde schon die Zustimmung nach § 18 BEEG erteilt hätte, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bundesarbeitsgericht (31.03.1993, NZA 1993, 664, 649) hat ausdrücklich festgestellt, dass eine erteilte Zustimmung während des Erziehungsurlaubs (heute: Elternzeit) nicht die Zustimmung nach § 9 MuSchG ersetzt. In der juristischen Literatur wird diese Rechtsansicht geteilt (KDZ-Söhngen/Zwanziger, 11. Auflage, § 9 MuSchG, Rdnr. 65; KZ-Bader § 9 MuSchG Rdnr. 73). Dem schießt sich die erkennende Kammer an.
Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Beklagten gilt dies auch im Insolvenzverfahren. Auch wenn das Insolvenzverfahren eine beschleunigte Abwicklung erreichen will, so hat der Gesetzgeber jedoch nirgendwo zu erkennen gegeben, dass der hier in Rede stehende besondere Kündigungsschutz nur eingeschränkt gelten soll.
Soweit der Beklagte meint, es käme zu einer künstlichen Verzögerung, da die oberste Landesbehörde angesichts des vorliegenden Einzelfalles auch unter dem Aspekt des § 9 MuSchG nicht anders entscheiden könne, kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Auch dies rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Würden die Gerichte für Arbeitssachen die in § 9 MuSchG geregelte Zustimmung für unbeachtlich halten, liefe das im Ergebnis darauf hinaus, dass sie selbst die erforderliche Zustimmung der Verwaltung ersetzten. Eine derartige Kompetenz steht ihnen nicht zu.“
Rechtsanwalt A. Martin – Arbeitsrecht in Berlin
Kündigung bei Schwangerschaft – kann die Arbeitnehmerin auch nachträglich die Schwangerschaft mitteilen?
Eine schwangere Arbeitnehmerin genießt besonderen Kündigungsschutz und zwar nach § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG (Mutterschutzgesetz), welcher ein grundsätzliches Kündigungsverbot normiert. Nun kann es aber sein, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung gar nicht weiß, dass seine Arbeitnehmerin schwanger ist. Die Frage ist nun, ob die Arbeitnehmerin diese Mitteilung noch nachholen kann?
Mitteilung des Bestehens einer Schwangerschaft
Der besondere Kündigungsschutz der Schwangeren setzt in der Regel positive Kenntnis des Arbeitsgebers von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin voraus. Positive Kenntnis bedeutet „überzeugtes Wissen“ und nicht Mutmaßungen. Dabei muss der Arbeitgeber auch nicht im Betrieb ermitteln, ob die Arbeitnehmerin schwanger ist; dies gilt selbst dann, wenn es diesbezüglich „Gerüchte“ im Betrieb des Arbeitgebers gibt. Der maßgebliche Zeitpunkt der positiven Kenntnis ist hier der Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung (andere Ansicht: Zugang der Kündigung).
nachträgliche Mitteilung
Darüber hinaus gewährt aber das Mutterschutzgesetz (§ 9 Abs. 1) auch der Arbeitnehmerin Schutz, die den Arbeitgeber nachträglich – also nach dem Zugang der Kündigung – über die bestehende Schwangerschaft informiert. Die Arbeitnehmerin muss dies allerdings spätestens innerhalb von 2 Wochen nachholen. Der Fristbeginn hierfür ist hier der Zugang der Kündigung. Von diesem Zeitpunkt an läuft die 2-Wochenfrist.
Nachweis der Schwangerschaft?
Das Mutterschutzgesetz verlangt grundsätzlich nur die Mitteilung der Schwangerschaft und nicht deren Nachweis. Hat die Arbeitnehmerin über das Bestehen einer Schwangerschaft noch Zweifel reicht es ebenfalls aus, dass diese dem Arbeitgeber mitteilt, dass vermutlich eine Schwangerschaft besteht.
Zeitpunkt der Schwangerschaft?
Aus der Mitteilung an den Arbeitgeber muss hervorgehen, dass die Arbeitnehmerin bereits zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war. Sie muss sich aber nicht ausdrücklich auf den besonderen Kündigungsschutz berufen.
Überschreitung der 2-Wochenfrist – was nun?
Überschreitet die Schwangere die 2-Wochenfrist für die nachträglich Anzeige der Schwangerschaft beim Arbeitgeber, dann kommt es darauf an, ob diese die Fristüberschreitung zu vertreten hat oder nicht.
unverschuldete Versäumung der Frist zur Anzeige der Schwangerschaft
Versäumt die Schwangere ohne Verschulden die 2-Wochenfrist für die Anzeige, dann ist dies unschädlich, wenn die Mitteilung dann unverzüglich nachgeholt wird. Unverzüglich wird von der Rechtsprechung mit „ohne schuldhaftes Zögern“ definiert (max 1 Woche). Ohne Verschulden ist Frist z.B. dann versäumt, wenn die Schwangere selbst von ihrer Schwangerschaft nichts weiß. Es soll aber nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Mutterschutz nur dann besteht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung die Arbeitnehmerin schon schwanger war.
verschuldete Versäumung der Frist zur Anzeige der Schwangerschaft
Versäumt die Schwangere die Frist aufgrund eigenes Verschuldens, dann kann diese sich nicht mehr auf den besonderen Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes berufen. Der Maßstab ist hier für ein Verschulden, wenn ein grober Verstoß gegen das , was von einem verständigen Menschen im eigenem Interesse billigeweise zu erwarten ist, vorliegt.
Trotzdem kann die Kündigung aber unwirksam sein, da z.B. die Unwirksamkeit auf anderen Gründen beruhen kann (Verstoß gegen das Kündigungsschutzgesetz etc). Von daher sollte bei Schwangerschaft immer die Möglichkeit des erfolgreichen Erhebens einer Kündigungsschutzklage durch einen Rechtsanwalt geprüft werden.
Siehe auch: Kündigung in der Probezeit bei Schwangerschaft