Landesarbeitsgericht Köln
Dir ist schon klar, dass ich mich dann krankschreiben lasse? – Kündigung wirksam?
Die angekündigte Krankschreibung ist ein häufiger Grund für außerordentliche Kündigungen seitens der Arbeitgeber. Dabei überschätzen Arbeitgeber häufig ihre rechtlichen Möglichkeiten. Wenn der Arbeitnehmer ankündigt, dass er z.B. morgen zum Arzt geht, heißt dies noch lange nicht, dass er nicht krank ist. Ob der Arbeitgeber den Eindruck hatte,dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung noch völlig gesund ist, spielt keine Rolle. Der Arbeitgeber ist kein Arzt und es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen,die man eben dem Arbeitnehmer nicht ansieht.
angekündigte Krankschreibung als Druckmittel
Anders ist es aber, wenn der Arbeitnehmer einen Arztbesuch als Druckmittel benutzt, um den Arbeiteber zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen und faktisch die Krankschreibung ankündigt. Wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer Urlaub haben möchte und diesen nicht bekommt und sodann dem Arbeitgeber mitteilt, dass er so oder so nicht zur Arbeit erscheinen wird und wenn der Urlaub eben nicht bewilligt wird, wird er „sich krank schreiben lassen“ . Hier ist eine außerordentliche Kündigung – je nach Einzelfall – ohne vorherige Abmahnung möglich. Diese Fälle kommen aber selten vor. Oft kann der Arbeitgeber eine solche Drucksituation nicht nachweisen.
LAG Köln – angekündigte Krankschreibung
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 29.1.2014, 5 Sa 631/13) hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Eine länger erkrankte Arbeitnehmerin meldete sich nach dem sie aufgrund eines „Tennisarmes“ krankgeschrieben war beim Arbeitgeber. Diese sollte sodann eine Kollegin aus der Registratur vertreten. Die Arbeitnehmerin teilte dem Arbeitgeber mit,dass sie Schmerzen im Arm habe und diese sie an die Arbeit in der Registratur hindern würden. Der Arbeitgeber behauptete später, dass die Arbeitnehmerin gegenüber einen Vorgesetzten gesagt habe, „dir ist schon klar, dass ich mich dann krankschreiben lasse?“.
2 Tage arbeitete die Klägerin dann in der Registratur und reichte dann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein.
Kündigung wegen angekündigter Krankschreibung
Der Arbeitgeber kündigte außerordentlich und fristlos das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin wegen „angekündigter Krankschreibung“. Die Arbeitnehmerin wehrte sich gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage und gewann in beiden Instanzen.
Das LAG Köln führte aus, das hier kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorlag, denn die Arbeitnehmerin war zuvor objektiv krank und die Krankheit war noch nicht voll ausgeheilt. Den Hinweis an den Arbeitgeber,dass mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen sein, wenn eine bestimmte Arbeit ausgeführt werden sollte. Dies berechtigt den Arbeitgeber nicht zu einer außerordentlichen Kündigung.
Rechtsanwalt Andreas Martin- Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin
Nebenjob bei Krankheit – Kündigung zulässig?
Ist der Arbeitnehmer krank, hat er alles zu unterlassen, was eine Genesung verhindern oder verzögern könnte. Verhält sich hier der Arbeitnehmer grob „genesungswidrig„, kann der Arbeitgeber einen Grund zur verhaltensbedingten Kündigung haben.
fristlose Kündigung bei genesungswidrigen Verhalten
Aber auch hier gilt, dass der Arbeitgeber in der Regel den Arbeitnehmer abmahnen muss, bevor er das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt kündigen kann. Durch die Abmahnung muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sein vertragswidriges Verhalten vor Augen führen (Hinweisfunktion der Abmahnung) und ihm mitteilen, dass bei Wiederholung die Kündigung droht (Warnfunktion). Allein bei sehr schweren Arbeitsvertragsverstößen wäre eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung denkbar, wenn z.B. der Arbeitnehmer während der Krankheit darüber hinaus auch noch bei der Konkurrenz arbeiten würde (zusätzlicher Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot). Wie so oft kommt es immer auf den Einzelfall an.
Nebenjob während bestehendem Arbeitsverhältnis
Ein Nebenjob im bestehenden Arbeitsverhältnis ist in der Regel möglich. Klauseln, wonach der Arbeitgeber hier ausdrücklich zustimmen muss, sind möglich (Genehmigungsvorbehalt), führen aber nicht dazu, dass es vom Belieben des Arbeitgebers abhängt, den Nebenjob zu genehmigen. Der Arbeitnehmer kann mehrere Jobs haben und dadurch wird die Arbeitsleistung im jeweils anderen Job in der Regel nicht beeinträchtig. Problematisch sind aber auf jeden Fall Beschäftigungen bei Konkurrenzfirmen, denn im bestehenden Arbeitsverhältnis besteht ein Wettbewerbsverbot, auch wenn dies nicht expliziert im Arbeitsvertrag vereinbart wurde.Dies gilt sogar weiter fort, sofern es zum Kündigungsschutzverfahren kommt.
Ausübung des Nebenjobs während der Arbeitsunfähigkeit
Wie oben bereits ausgeführt, muss sich der Arbeitnehmer während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit so verhalten, dass er die Heilung nicht gefährdet. Dies ist der Grundsatz. Dies kann auch dazu führen, dass während der Krankheit ein bestimmtes Freizeitverhalten (z.B. anstrengender Sport) zu unterlassen ist. Es kommt hierbei immer auf die Art der Erkrankung an und welches Verhalten sich auf den Heilungsprozess dieser Erkrankung negativ auswirkt.
Arbeitsunfähig, nur für den Hauptjob?
Die Nebentätigkeit kann während der Erkrankung problematisch sein, denn es stellt sich dann die Frage, weshalb der Nebenjob während der Arbeitsunfähigkeit ausgeübt werden kann, wenn dorch für den Hauptjob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Hier wird der Arbeitgeber in der Regel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zweifeln.
Vertragswidrig verhält sich der Arbeitnehmer aber allein dann, wenn durch den Nebenjob die Heilung gefährdet wird; er sich also genesungswidrig verhält. Auch spricht die Tatsache, dass der Arbeitnehmer im Hauptjob arbeitsunfähig krank ist nicht immer gegen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme im Nebenjob. Es kommt hier eben auf die Art der Erkrankung an. Wer im Hauptjob Bauarbeiter ist, kann mit einem gebrochenen Bein diese Tätigkeit nicht ausüben, aber wohl eine Nebentätigkeit am Computer.
Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im Nebenjob den Heilungsprozess beeinträchtigt bzw. gefährdet oder nicht.
Rechtsprechung zur nebenberuflichen Tätigkeit bei Krankheit
Das LAG Köln (Urteil vom 16.10.2013 – 11 Sa 915/12) hat entschieden, dass kleinere Nebenjobs die Heilung kaum gefährden, so dass eine fristlose Kündigung wegen genesungswidrigen Verhalten unzulässig ist. Ein Arbeitnehmer hatte hier einen Leistenbruch erlitten und wurde operiert. Trotz der Krankschreibung half er eine Stunde am Tag beim Verladen von Zeitungspaketen aus. Der Arbeitgeber kündigte fristlos das Arbeitsverhältnis und meinte, dass der Arbeitnehmer zum einen eine Krankheit vorgetäuscht hätte und zum anderen er sich durch die Aushilfstätigkeit genesungswidrig verhalten habe. Das Gericht vernahm den Arzt als Zeugen und stellte fest, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank war (Erkältung und Leistenbruch), somit lag kein Vortäuschen einer Krankheit vor. Das Landesarbeitsgericht sah hier einen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers durch die Arbeit im Nebenjob (körperliche Arbeit bei Leistenbruch); sah den Verstoß aber als gering und nicht schwerwiegend an, so dass die Kündigung unzulässig sei.
Interessant ist auch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (Beschluss vom 31.1.2014, in Bl. 2 B 88.13) , wonach ein erkrankter Beamter nicht mit seiner Band auftreten und musizieren darf. Die Besonderheit bestand aber hier daran, dass der Arbeitgeber die Nebentätigkeitsgenehmigung widerrufen hatte und der Beamte trotz mehrere Abmahnungen immer weiter während der Krankheit in der Band musizierte.
Anwalt A. Martin
LAG Köln: Betriebsrat bekommt Nachtzuschlag ohne Nachtarbeit
Das LAG Köln ( Köln, Urteil vom 13.12.2013 – 12 SA 682/13) hat entschieden, dass ein Betriebsrat auch einen Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen hat, obwohl er gar nicht in der Nacht arbeitet. Dies hat das Landesarbeitsgericht so entschieden, da der Betriebsrat nicht schlechter bezahlt werden darf als vergleichbare Arbeitnehmer.
Zuvor hatte das Betriebsratsmitglied nämlich in einer Abteilung gearbeitet, in der häufig Nachtschichten gemacht wurden. Dies war nach Antritt seiner Tätigkeit im Betriebsrat weggefallen.
Das Landesarbeitsgericht führt dazu aus:
Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Art und Umfang des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die Vorschrift konkretisiert hinsichtlich der Vergütung das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG (BAG, Urteil vom 05. April 2000 – 7 AZR 213/99, NZA 2000, 1174, juris-Rz. 15; Hess u.a./Glock, 8. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 99, 103).
Für die Bemessung des Entgelts gilt das Lohnausfallprinzip (BAG, Urteil vom 05. Mai 2010 – 7 AZR 728/08, BAGE 134, 233, Rz. 29; Richardi/Thüsing, 13. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 31, Moll/Roebers, NZA 2012, 57). Den Betriebsratsmitgliedern steht während der Arbeitsbefreiung dasjenige Arbeitsentgelt zu, das sie nach § 611 Abs. 1 BGB ohne Freistellung verdient hätten (BAG, Urteil vom 23. Juni 2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287, juris-Rz. 33). Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft der Arbeitnehmer zur Übernahme eines Betriebsratsmandats fördern. Ihnen soll die Befürchtung genommen werden, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung des Ehrenamts zu erleiden. Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn das Betriebsratsmitglied weiterhin alle Entgeltbestandteile erhält, die es ohne Arbeitsbefreiung erreicht hätte. Zum Arbeitsentgelt iSd. § 37 Abs. 2 BetrVG zählen neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen, die es ansonsten verdient hätte, insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Erschwernis- und Sozialzulagen (BAG, Urteil vom 23. Juni 2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287, juris-Rz. 33; Urteil vom 05. April 2000 – 7 AZR 213/99, NZA 2000, 1174, juris-Rz. 15; LAG Hamburg, Urteil vom 09. August 2007 – 7 Sa 27/07, juris-Rz. 56; Richardi/Thüsing, § 37 BetrVG Rz. 31; Wlotzke/Preis/Kreft, 4. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 21; GK/Weber, 9. Aufl., § 37 BetrVG Rz. 60; Hess u.a./Glock, § 37 BetrVG Rz. 57; Rieble, NZA 2008, 276).
Gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden (BT-Drucksache VI/2729, S. 23; BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836, Rz. 15). Das Betriebsratsmitglied soll so gestellt werden, als ob es im Betrieb weitergearbeitet und keine Amtstätigkeit ausgeübt hätte (BAG, Beschluss vom 29. September 1999 – 7 AZR 378/98, juris-Rz. 6). Die Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG ist in erster Linie für freigestellte Betriebsratsmitglieder von Bedeutung, kann allerdings auch für nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder bedeutsam werden, wenn sie sich ihrer beruflichen Entwicklung nicht in gleicher Weise widmen können wie ihnen vergleichbare Arbeitnehmer (Fitting, § 37 Abs. 4 BetrVG Rz. 117).