LAG Nürnberg
Altersdiskriminierung – „junges, hochmotiviertes Team“-€ 6.700 Entschädigung.

Diskriminierung wegen Alters:
Gerade bei Stellenanzeigen sollten Arbeitgeber sehr sorgfältig sein. Bei ausgeschriebenen Stellen bevorzugen Arbeitgeber gern junge Mitarbeiter, die insbesondere noch „formbar“ und wahrscheinlich auch „flexibler“ sind. Ein älterer Arbeitnehmer mit entsprechender Erfahrung lässt eben nicht alles mit sich machen und sagt auch schon mal nein, wenn wieder Überstunden anfallen.
Stellenanzeigen müssen altersneutral sein
Auf keinen Fall darf aber in der Stellenanzeige eine solche Motivation des Arbeitgebers erkennbar sein. Hier soll dahinstehen, ob eine solche Intention von Arbeitgeberseite aus überhaupt in irgendeiner Weise vertretbar ist. Meiner Ansicht nach ist der Jugendwahn bei Arbeitgebern nicht nachvollziehbar. Gerade ältere Arbeitnehmer verfügen über Erfahrungen im Beruf, die für Arbeitgeber wertvoll sind.
keine Stellenausschreibung mit diskriminierenden Inhalt erlaubt
Juristisch gesehen ist dies aber eindeutig. Wenn der Arbeitgeber bei der Stellenausschreibung junge Mitarbeiter sucht, dann liegt eine Diskriminierung gegenüber älteren Stellenbewerbern vor.
AGG – gesetzliche Regelung gegen Altersdiskriminierung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet eine solche Diskriminierung und gibt den Stellenbewerbern, die hier wegen ihres Alters diskriminiert wurden, die Möglichkeit eine Entschädigung vom Arbeitgeber zu verlangen.
Voraussetzung ist aber, dass kein AGG-Hopping vorliegt und insbesondere die Bewerbung ernst gemeint war.
Fall des Landesarbeitsgericht Nürnberg
Über einen solchen Fall hatte nun das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LArbG Nürnberg, Urteil v. 27.05.2020 – 2 Sa 1/20) zu entscheiden.
Und zwar schrieb ein Softwareunternehmen eine Stelle aus und zwar wie folgt: „zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team“.
junges, hochmotiviertes Team = Diskriminerung wegen Alters?
So könnte man meinen, dass ja kein junger Mitarbeiter ausgeschrieben wurde, allerdings ist der Zusammenhang zwischen dem Mitarbeiter und dem jungen hochmotivierten Team erkennbar, sodass ich gerade junge Mitarbeiter angesprochen und ältere nicht angesprochen und ausgegrenzt worden sind.
61-jähriger Bewerber klagte wegen Altesdiskriminierung
Ein 61-jähriger Bewerber schrieb eine 18-seitige Bewerbung und erfüllt auch die Voraussetzungen für die Stelle. Er wurde nicht angenommen. Daraufhin erhob Entschädigungsklage und verlangte drei Monatsgehälter als Entschädigung.
Entschädigung von € 6.700
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg sprach dem Bewerber letztendlich eine Entschädigung von 6700 € zu.
Das Landesarbeitsgericht sah hier eine Diskriminierung des 61-jährigen durch die Stellenanzeige und führte dazu in der Urteilsbegründung aus:
Die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem „jungen, hochmotivierten Team“ geboten wird, bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG. Das erkennende Gericht folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2016 zu Stellenangeboten, die mit der Mitarbeit in einem „jungen, dynamischen Team“ warben (BAG 19.05.2016 – 8 AZR 470/14 und 11.08.2016 – 406/14). Die Verwendung der Begriffe dynamisch und hochmotiviert in einer Stellunganzeige im Zusammenhang mit einem jungen Team sind austauschbar und unterscheiden sich in der Zielsetzung kaum.
Mit dem Begriff „jung“ wird unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt wird diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „hochmotiviert“, der ebenso wie der Begriff „dynamisch“ eine Eigenschaft beschreibt, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird. Wird in einer Stellenausschreibung – wie hier – darauf hingewiesen, dass eine zukunftsorientierte Mitarbeit in einem „jungen hochmotivierten Team“ geboten wird, enthält dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber/innen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb hochmotiviert sind. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Empfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und hochmotiviert ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Die Annahme, dass mit der Beschreibung des Teams als „jung“ und „hochmotiviert“ der Zweck verfolgt wird, den potentiellen Bewerber/die potentielle Bewerberin darüber zu informieren, dass das Team selbst noch nicht lange Zeit besteht, ist demgegenüber fernliegend, wenn dieser Umstand nicht zugleich in der Stellenausschreibung erläutert wird. Sofern dies – wie hier – nicht der Fall ist, kann der Zweck einer solchen Stellenbeschreibung nur darin bestehen, einen zum vorhandenen Team passenden neuen Beschäftigten zu gewinnen. Andernfalls wäre die so formulierte Stellenbeschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig. Dies stimmt mit der Behauptung der Beklagten überein, das Durchschnittsalter des Teams betrage 38 Jahre.
Anmerkung:
Die Entscheidung ist richtig. Der einzige Grund eine solche Stellenausschreibung zu formulieren ist, dass man nach jungen Mitarbeitern sucht. Dafür gab es jetzt den Denkzettel.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin
BAG: keine vorschnelle Verwirkung von Schadenersatzansprüchen wegen Mobbing
Ein Arbeitnehmer machte gegen einen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen jahrelangen Mobbing in Höhe von mindestens 10.000 Euro (Mindestschaden) geltend. Er soll im Zeitraum von 2006 bis 2008 von diesem schikaniert worden sein. Der letzte Vorfall war angeblich im Februar 2008. Der Arbeitnehmer war über einen langen Zeitraum krank geschrieben u.a. wegen Depressionen.
Erst im Dezember 2010 klagte der Arbeintehmer gegen seinen früheren Vorgesetzten auf Schmerzensgeld vor dem Arbeitsgericht.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg (Urteil vom 25. Juli 2013 – 5 Sa 525/11) (darüber hatte ich bereits berichtet) wies in 2. Instanz den Anspruch des Arbeitnehmers wegen Verwirkung zurück. Der Arbeitnehmer habe schlichtweg (hier 2 Jahre) zu lange mit der Klage gewartet.
Die dagegen gerichtete Revision zum Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 11. Dezember 2014 – 8 AZR 838/13) hatte Erfolg. Das BAG hob das Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das LAG Nürnberg zurück.
Das BAG ging von keiner Verwirkung aus und führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 65/14 vom 11.12.2014 aus:
Eine Verwirkung, die nur unter ganz besonderen Umständen zu bejahen ist, scheidet hier aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein bloßes Zuwarten nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Ein Unterlassen begründet nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung besteht. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung darf nicht auf eventuelle Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Anspruchsgegners abgestellt werden. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung darf in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen wird. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob tatsächlich ein Mobbinggeschehen festzustellen ist.
Die Entscheidung des BAG ist richtig. Eine Verwirkung besteht aus einem Zeit- und einem Umstandsmoment. Das Abwarten allein reicht im Normalfall für eine Verwirkung nicht aus.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Nürnberg- zweistufige Ausschlussfrist durch Kündigungsschutzklage gewahrt
In Arbeits- und in vielen Tarifverträgen finden sich häufig Ausschlussfristen. Hiernach verfallen Ansprüche, wenn diese nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden. Einfache Ausschlussfristen schreiben häufig eine gerichtliche Geltendmachung vor und doppelter Ausschlussfristen eine außergerichtliche und dann gerichtliche Geltendmachung.
Die meisten Arbeitsgericht stehen auf dem Standpunkt, dass – bei einer doppelten Ausschlussfrist – die Erhebung einer Kündigungsschutzklage die erste Stufe – also die schriftliche Geltendmachung – eines Lohnanspruches wahrt. Die zweite Stufe also die gerichtliche Geltendmachung wird durch die Kündigungsschutzklage nicht gewahrt, da diese eben nicht den Lohn gerichtlich geltend macht, sondern nur auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichtet ist.
Das LAG Nürnberg (Entscheidung vom 12.1.11 – SA 437/10) sieht dies aber anders und meint, dass auch die zweite Stufe durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt ist. Diese Entscheidung ist erstaunlich, da die meisten Arbeitsgericht dies anders sehen. Von daher sollte immer sicherheitshalber eine Lohnklage eingereicht werden bzw. bereits Zahlungsantrag im Kündigungsschutzverfahren gestellt werden.
Anwalt Arbeitsrecht Berlin