Kündigungsschutzprozesses

Ersatzurlaub bei Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung

Gepostet am


Nach dem Bundesurlaubsgesetz muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung ins nächste Kalenderjahr findet nur unter bestimmten Voraussetzungen statt. Wenn dann der Urlaub bis zum 31. 3. des nächsten Kalenderjahres (also z.B. Urlaub aus dem Jahr 2012 bis zum 31.3. 2013 ) nicht genommen wird, dann verfällt der Urlaub.

 Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer kann aber einen Schadensersatzanspruch haben, wenn der Arbeitgeber sich mit der Urlaubsgewährung in Verzug befindet. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber konkret Urlaub gefordert hat und der Arbeitgeber dies abgelehnt hat.

Ersatzurlaub

Der Schadensersatzanspruch im fortgesetzten Arbeitsverhältnis führt dazu, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ersatzurlaub hat.

Fall des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem zwischen den Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streitig war. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und während des Kündigungsschutzprozesses (dies zog sich über mehrere Jahre hin) beantragte der Arbeitnehmer die Gewährung des Urlaubs für das jeweils laufende Kalenderjahr vom Arbeitgeber. Der Arbeitgeber lehnte dies ab.

 Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 14.5.2013, 9 AZR 760/11) bejahte den Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatzurlaub. Nach der Beantragung des Urlaubsanspruches-die auch im Kündigungsschutzprozess gewährt werden kann-befand sich der Arbeitgeber durch seine Ablehnung dieses Anspruches mit der Urlaubsgewährung im Verzug. Verschuldet von daher Schadenersatz. Der Schadensersatzanspruch läuft hier auf die Gewährung von Ersatzurlaub.

 

Das BAG führt dazu aus:

I. Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um (vgl. BAG 17. Mai 2011 – 9 AZR 197/10 – Rn. 11, BAGE 138, 58). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

II. Der Urlaub des Klägers aus den Jahren 2006 bis 2008 verfiel nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte mit der Urlaubsgewährung im Verzug. Ohne dass es einer Mahnung bedurfte, trat der Verzug nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein, weil die Beklagte die Erfüllung des vom Kläger in seiner Klageschrift vom 6. Februar 2006 geltend gemachten Urlaubsanspruchs ernsthaft und endgültig verweigerte.

……………………….

2. An die Annahme, der Schuldner verweigere ernsthaft und endgültig die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, sind in der Regel strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Das ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn dieser sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen. In diesem Fall entbehrt eine Mahnung ihres Sinnes, den Schuldner zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten (BAG 13. Dezember 2011 – 9 AZR 420/10 – Rn. 44).

a) Der Kündigungserklärung eines Arbeitgebers kann deshalb nicht ohne Weiteres der Inhalt beigemessen werden, dieser werde die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend macht. Denn der Arbeitgeber hat regelmäßig ein wirtschaftliches Interesse daran, einem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch Urlaub zu erteilen, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (vgl. BAG 14. August 2007 – 9 AZR 934/06 – Rn. 15; offengelassen von BAG 13. Dezember 2011 – 9 AZR 420/10 – Rn. 45).

b) Anders verhält es sich in aller Regel jedoch, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streiten und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber erfolglos aufgefordert hat, ihm während des Kündigungsrechtsstreits Urlaub zu gewähren. Stellt der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Abrede und erteilt er trotz einer entsprechenden Aufforderung des Arbeitnehmers den verlangten Urlaub nicht, entbehrt eine Mahnung des Arbeitnehmers regelmäßig ihres Sinnes. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die dem entgegenstehen, darf der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen, er werde ihm keinen Urlaub gewähren. Eine Mahnung erwiese sich in diesem Falle als eine bloße Förmelei.

c) Daran gemessen durfte der Kläger nach seiner erfolglosen Aufforderung in der Klageschrift vom 6. Februar 2006, ihm Urlaub zu gewähren, annehmen, die Beklagte beharre auf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und werde sich weiterhin weigern, ihm während der im Klagezeitraum geführten Bestandsstreitigkeiten Urlaub zu gewähren. Besondere Umstände, die dieser Annahme entgegenstehen könnten, sind nicht festgestellt. Die Beklagte hat solche auch nicht behauptet.

3. Wird es dem Arbeitgeber während des Verzugs infolge der Befristung des Urlaubsanspruchs unmöglich, dem Arbeitnehmer Urlaub zu gewähren, richtet sich der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis gemäß § 249 Abs. 1 BGB auf die Gewährung von Ersatzurlaub (vgl. BAG 10. Mai 2005 – 9 AZR 251/04 – zu II 3 der Gründe, BAGE 114, 313). Demzufolge hat die Beklagte dem Kläger jeweils 30 Arbeitstage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 und somit insgesamt 90 Ersatzurlaubstage zu gewähren.

Anwalt A. Martin

Darf man als Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzverfahrens (also nach Erhebung der Kündigungsschutzklage) bei einem anderen Arbeitgeber arbeiten?

Gepostet am Aktualisiert am


Kündigungsschutzverfahren - Arbeit bei neuen Arbeitgeber
Arbeit während des Kündigungsschutzverfahrens

Wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung des Arbeitgebers erhält, dann kann er sich gegen diese Kündigung-wenn er meint diese Kündigung sei rechtswidrig-nur mittels Kündigungsschutzklage wehren. Häufig ist das Ziel der Kündigungsschutzklage nicht die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung bzw. die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet wurde, sondern die Zahlung einer Abfindung. Auf Abfindung kann der Arbeitnehmer aber nur in Ausnahmefällen klagen.

Trotzdem werden vor dem Arbeitsgericht – zumindest vor dem Arbeitsgericht Berlin – sehr häufig Abfindungen ausgehandelt, da der Arbeitgeber – wenn dieser weiß, dass die Kündigung nicht zum Erfolg führen wird- meistens kein Interesse an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers hat. Der Arbeitnehmer selbst möchte bei dem Arbeitgeber in den wenigsten Fällen dann auch weiterarbeiten. Dies ist der Normalfall nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber.

 keine Abfindung – streitiges Kündigungsschutzverfahren

Kommt es zu keiner Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber; meistens werden Einigungen in der so genannten Güteverhandlung erzielt, dann wird das Kündigungsschutzverfahren streitig geführt. Ein solches Verfahren kann durchaus in der ersten Instanz ein Jahr oder länger dauern. Danach ist die Berufung gegen die Entscheidung des Arbeitsgericht ist möglich.

 bei Kündigung – Annahmeverzugslohn – kein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers erforderlich

Der Arbeitgeber hat durch die Kündigung zum Ausdruck gebracht, dass er dem Arbeitnehmer keinen Arbeitsplatz zu Verfügung stellen wird und muss, wenn er das Kündigungsschutzverfahren verliert, dem Arbeitnehmer in der Regel den Lohn für den Zeitraum des Kündigungsschutzverfahrens zahlen.

Diesen Lohnanspruch nennt man auch Annahmeverzugslohn, da sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Verzug befindet. Der Arbeitnehmer muss sich aber Zahlungen von Dritten, insbesondere wird dies häufig ALG I sein, anrechnen lassen bzw. diesbezüglich sind die Ansprüche auf die Agentur für Arbeit aufgrund gesetzlichen Forderungsübergang übergegangen.

Zahlungen von Dritten sind natürlich auch Zahlungen eines neuen Arbeitgebers, bei dem der Arbeitnehmer während des Prozesses bereits gearbeitet hat.

 Arbeit bei neuen Arbeitgeber nach Kündigung (Kündigungsschutzklage) möglich?

So mancher Arbeitnehmer hat sich im Kündigungsschutzverfahren schon gefragt, ob er eigentlich während des Verfahrens auf den „Arbeitsplatz“ des Arbeitgebers warten muss oder ob er auch bei einen neuen Arbeitgeber bereits eine Stelle antreten darf. Diese Frage ist immer abhängig vom Ziel des Mandanten zu beantworten.

sogar Verpflichtung des Arbeitnehmers anderweitig Verdienst zu erzielen während des Kündigungsschutzprozesses

Hier ist die Antwort relativ einfach, der Arbeitnehmer darf und muss sogar – entgegen allgemeiner Meinung bei Arbeitnehmern – während des Kündigungsschutzverfahrens eine neue Arbeitsstelle antreten und einen neuen Arbeitgeber arbeiten, sofern dies möglich und zumutbar ist. Der Arbeitnehmer muss sich sogar während des Kündigungsschutzverfahrens um anderweitige Arbeit bemühen. Den Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer dort erhält, muss er sich natürlich – wenn er später das Kündigungsschutzverfahrens gewinnt- auf den Lohnanspruch gegenüber dem „Altarbeitgeber“ anrechnen lassen (§ 615 S. 2 BGB). Er kann bzw. darf nicht zweimal Lohn erhalten.

Zu beachten ist, dass es meist nicht sinnvoll ist, sofort bei einem anderen Arbeitgeber anzufangen, da dies die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess schwächen kann.

 aber vertragliches Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzverfahrens beachten

Eine Sache darf allerdings der Arbeitnehmer nicht machen, während des Kündigungsschutzverfahrens darf er keine Stelle bei unmittelbarer Konkurrenz zum alten Arbeitgeber antreten. Es gilt nämlich-auch wenn dies im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich geregelt ist-während des bestehenden Arbeitsverhältnis ein so genanntes Wettbewerbsverbot. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einreicht und eigentlich gehalten ist sich andere Arbeit zu suchen und der Arbeitgeber ihn gar nicht beschäftigen möchte. Verstößt der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot, dann droht ihm eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber. Dies ist dann „dumm“, wenn der Arbeitnehmer eigentlich dem Prozess vor dem Arbeitsgericht (Kündigungsschutzverfahren) gewonnen hätte und nun diesen Prozess zumindest im Hinblick auf die neue Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot verliert.

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin