Grundsatz: die gesetzliche Regelung des § 622 BGB

betriebsbedingte Kündigung – welche Kündigungsfrist gilt?

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betriebsbedingte Kündigung - welche Kündigungsfrist gilt?
Kündigungsfrist bei betriebsbedingter Kündigung

Die ordentliche und fristgerechte betriebsbedingte Kündigung ist die häufigste Kündigung, die Arbeitgeber aussprechen. Daneben besteht nach dem KSchG ( Kündigungsschutzgesetz) noch die Möglichkeit der verhaltensbedingten oder der personenbedingten Kündigung. Bei der ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber mittels der Kündigung sind die Kündigungsfristen zwingend zu beachten.

Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?

Die betriebsbedingte Kündigung ist eine der drei in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG genannten Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgeber, neben der verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigung. Bei der Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist das Kündigungsschutzgesetz (allgemeiner Kündigungsschutz) zu beachten ist, so dass für eine wirksame Beendigung durch den Arbeitgeber mittels Kündigungserklärung diese sozial gerechtfertigt ein muss. Bei einer betriebsbedingten Kündigung erfolgt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitnehmers oder aufgrund dessen Verschulden, sondern aufgrund eines dauerhaften betrieblichen Überhangs an Arbeitskräften.

betriebsbedingte Kündigung oft unwirksam

Eine Vielzahl betriebsbedingter Kündigungen sind unwirksam, sofern das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Findet dieses keine Anwendung und liegt auch kein besonderer Kündigungsschutz vor, dann braucht der Arbeitgeber keinen Grund für die Kündigung und kann „einfach so“ kündigen. Eine solche Kündigung z.B. im Kleinbetrieb oder in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses wird nur „sehr grob“ auf Treuwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit überprüft.

Corona und betriebsbedingte Kündigung

Update 5.4.2020:

Aufgrund der derzeitigen Corona-Epidemie ist mit zunehmenden betriebsbedingten Kündigungen zu rechnen. Derzeit haben viele Arbeitgeber Kurzarbeit wegen der starken Ausbreitung des Corona-Virus (COVID-19) angeordnet, bei längerer Dauer Quarantäne werden aber immer mehr betriebsbedingte Kündigung durch Arbeitgeber ausgesprochen werden. Die nachfolgenden Ausführungen gelten auch für die Corona-Kündigung!

Update 6.3.2021:

Die Lage könnte sich in Bezug auf Sars Cov 2 (Covid 19) etwas entspannen. Andererseits wird wahrscheinlich die große „Corona-Kündigungswelle“ wohl erst am Ende des harten Lockdowns im Anfang April / bzw. im Mai 2021 kommen. Bis dahin gibt es bei vielen Betrieben immer noch Kurzarbeit.

Update 27.08.2022:

Es gibt immer noch Kündigungswellen, allerdings kommt neben einer Erholung der Arbeitswelt von Corona derzeit wieder erschwerend die Auswirkungen der Ukrainekrieges hinzu. Arbeitgeber suchen in vielen Branchen Arbeitnehmer. Trotzdem gibt es im Raum Berlin-Brandenburg immer noch betriebsbedingte Kündigungen.

Eine Information vorab:

Es gibt keine besondere Frist für die betriebsbedingte Kündigung. Der Grund der Kündigung hat bei der ordentlichen Kündigung in der Regel keinen Einfluss auf die Kündigungsfrist! Für die betriebsbedingte Kündigung ist von daher die Frist genauso lang, wie bei einer ordentlichen personenbedingten oder verhaltensbedingten Kündigung.

Prüfung der betriebsbedingten Kündigung

Der Arbeitgeber muss nachweisen:

  • Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes
  • liegt eine unternehmerische Entscheidung vor/ welcher Inhalt?
  • liegen die Ursachen für die unternehmerische Entscheidung vor?
  • bedingt die unternehmerische Entscheidung die Verringerung des Personalbedarfes?
  • fällt der Arbeitsplatz spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist weg?
  • ist das betriebliche Erfordernis auch dringend?
  • kann der Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb beschäftigt werden?
  • hat der Arbeitgeber die Sozialauswahl beachtet?

Kündigungsfrist bei betriebsbedingter Kündigung

Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt, dann stellt sich für den Arbeitnehmer die Frage, welche Kündigungsfrist einzuhalten ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass es für die betriebsbedingte Kündigung keine Sonderregelungen in Bezug auf die Kündigungsfrist (abgesehen von wenigen Ausnahmen: z.B. Kündigung durch Insolvenzverwalter) gibt. Hier gilt für den Arbeitgeber die gleiche Kündigungsfrist, die er auch bei einer ordentlichen personenbedingten oder verhaltensbedingten Kündigung zu beachten hätte.

Grundsatz: die gesetzliche Regelung des § 622 BGB

Die gesetzliche Grundregel für die (betriebsbedingte) Kündigung durch den Arbeitgeber befindet sich in § 622 BGB. Dort ist normiert mit welcher Kündigungsfrist der Arbeitgeber kündigen kann.

§ 622 BGB lautet:

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.

zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,

2.

fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,

3.

acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,

4.

zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,

5.

zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,

6.

15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,

7.

20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.

wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;

2.

wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.

Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Probezeit:

Innerhalb der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber und für den Arbeitnehmer 2 Wochen. Die Frist muss nicht zum 15. oder zum Monatsende enden. Die Probezeit ist in der Regel 6 Monate, kann aber auch im Arbeitsvertrag kürzer vereinbart werden.

Nach Probezeit bis noch nicht 2 Jahren

Im Zeitraum nach Ablauf der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende, sofern der Arbeitnehmer noch nicht 2 Jahre oder länger beim Arbeitgeber beschäftigt ist.

Beschäftigungsdauer 2 Jahre und länger

Jetzt gilt die Staffelung nach § 622 Abs. 2 BGB, abhängig von der Beschäftigungsdauer. Diese Regelungen gelten nur für die Kündigung durch den Arbeitgeber nicht für die Kündigung des Arbeitnehmers. Für die Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten andere Kündigungsfristen, nämlich es gilt der Abs. 1 des § 622 BGB.

Regelung, dass Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers vor Vollendung des 25. Lebensjahres nicht angerechnet werden

Die Regelung, wonach bestimmte Beschäftigungszeiten abhängig vom Alter (bis zum 25. Lebensjahr) nicht angerechnet werden, ist europarechtswidrig und damit nicht anzuwenden. Der Gesetzgeber hat es bis heute nicht geschafft, dies zu streichen!

Kündigungsfrist abhängig von der Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers

Die Kündigungsfrist ist abhängig von der Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers. Von daher stellt sich manchmal die Frage, was ist eigentlich die Beschäftigungsdauer im Betrieb? Maßgeblich ist der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses im Betrieb oder Unternehmen. Tatsächliche Unterbrechungen, z.B. aufgrund der Krankheit des Arbeitnehmers sind grundsätzlich unerheblich. Bei rechtlichen Unterbrechungen ist dies allerdings etwas komplizierter, z.B. bei einer Kündigung und der alsbaldigen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mittels neuen Arbeitsvertrag. Dies gilt als eine Beschäftigungszeit, wenn zwischen dem alten und neuen Arbeitsverhältnis ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.

Beispiel: Der A arbeitet beim B als Bürokraft. Der B kündigt dem A zum 31.03.2021 und schließt dann am 15.04.2021 einen neuen Arbeitsvertrag wieder mit dem A ab, wobei A die gleiche oder ähnliche Arbeit, wie zuvor (so auch der Arbeitsvertrag) ausführt (Bürokraft).

Hier bestünde der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang. Die Rechtsprechung lässt aber nur kurze rechtliche Unterbrechungen zu. Man kann in der Regel sagen, dass Unterbrechungen bis zu 3 Wochen noch unschädlich sind; darüber hinaus wird man in der Regel vom Fehlen eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen den alten und dem neuen Arbeitsverhältnis ausgehen müssen (wohl Ausnahme: Lehrer bis zu 6 Wochen oder Winterpause im Baugewerbe).

Betriebszugehörigkeit – Zeitpunkt Zugang der Kündigung oder Beendigung des Arbeitsverhältnis (Ende der Kündigungsfrist)?

Bei der Frage, wann nun die Betriebszugehörigkeit endet, wird von der Rechtsprechung nicht auf das Ende der Kündigungsfrist abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung.

Beispiel: Der A kündigt dem B mit einer Frist von 1 Monat zum 30.04.2012. Die Kündigung wird dem B von A am 15.03.2012 übergeben.Der B ist beim A seit dem 20.04.2007 beschäftigt. Es gibt hier keine Abweichungen von den gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB. Der B meint nun, dass doch seine Kündigungsfrist 2 Monate betragen müsste, denn zum Kündigungsende wäre er wenigstens 5 Jahre beschäftigt (also zum 30.04.2012).

Die Auffassung des B ist falsch, da er zum Zeitpunk des Zuganges der Kündigung (also am 15.03.2012) noch keine vollen 5 Jahre beschäftigt war. Auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung (30.04.2012) wird nicht abgestellt.

Ausbildungszeit – gleich Beschäftigungszeit?

Nach der Rechtsprechung des BAG (Entscheidung vom 30.09.2010 – 2 AZR 456/09) gilt auch die Zeit als Azubi im Betrieb (Berufsausbildungszeit) als Beschäftigungszeit.

Welche Zeiten gelten nicht als Beschäftigungszeiten?

Folgende Zeiten gelten nicht als Beschäftigungszeit:

  • Praktikumszeiten
  • Zeit der Beschäftigung als freier Mitarbeiter
    • bei beiden wird vorausgesetzt, dass rechtlich auch ein Praktikum und ein freies Dienstverhältnis vorliegt

Wie lang ist die Kündigungsfrist nach 8 Jahren Betriebszugehörigkeit?

Nach 8 Jahren der Betriebszugehörigkeit – unter der Voraussetzung, dass hier die gesetzlichen Fristen für die Kündigung gelten – beträgt die Kündigungsfrist beträgt die Kündigungsfrist für die ordentliche Arbeitgeberkündigung 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Wie lang ist die Kündigungsfrist nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit?

Sofern hier die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten, dann gilt eine Frist für die Kündigung bei 25-jähriger Betriebszugehörigkeit von 7 Monaten zum Monatsende. Die Frist verlängert sich nach 20 Jahren der Unternehmenszugehörigkeit nicht mehr.

Welche Kündigungsfrist gilt bei 40 Jahren Betriebszugehörigkeit?

Hier gilt das gleiche, wie zuvor. Falls hier die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB gelten, dann gilt eine Frist für die Kündigung bei 40-jähriger Betriebszugehörigkeit von 7 Monaten zum Monatsende. Die Frist verlängert sich nach 20 Jahren der Unternehmenszugehörigkeit nicht mehr.

Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung des § 622 BGB

Es gibt einige wenige gesetzliche Sonderregelungen, die von § 622 BGB abweichen:

Zum Beispiel gibt es im Gesetz folgende Ausnahmen von den Kündigungsfristen des § 622 BGB

  • im Berufsausbildungsverhältnis – keine Kündigungsfrist in der Probezeit, § 22 BBiG
  • Kündigung eines Arbeitnehmers zum Ende der Elternzeit  – Frist 3 Monate, § 19 BEEG
  • Heimarbeiter, § 29 HAG
  • Besatzungsmitglieder eines Schiffes nach dem SeemG

andere Kündigungsfrist in Tarifverträgen

Wenn auf das Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag Anwendung findet, dann findest man häufig in diesen Tarifverträgen abweichende Regelungen über die anzuwendenden Kündigungsfristen. Grundsätzlich findet dann die Frist aus dem Tarifvertrag Anwendung. Der Arbeitgeber  muss bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses auf einen anwendbaren Tarifvertrag hinweisen (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Nachweisgesetz). Im Übrigen sieht der BRTV-Bau eine Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer von 6 bzw. 12 Tagen vor (§ 12 BRTV-Bau).

andere Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag

Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn im Arbeitsvertrag (Tarifverträgen – siehe oben) eine andere Kündigungsfrist vereinbart wurde. Zulässig wäre es, wenn der Arbeitgeber für sich und den Arbeitnehmer andere – längere Kündigungsfristen – vereinbart. So kann zum Beispiel im Arbeitsvertrag geregelt sein, dass das Arbeitsverhältnis nach der Probezeit für beide Seiten ordentlich mit einer Frist von 6 Monaten beendet werden kann. Nicht möglich ist, wenn  der Arbeitgeber z.B. für sich eine Kündigungsfrist von 1 Monat und für den Arbeitnehmer eine längere Frist vereinbart. In Kleinbetrieben kann maximal eine Verkürzung der Kündigungsfrist auf 4 Wochen vereinbart werden.

Überprüfung der Kündigungsfristen durch Kündigungsschutzklage

In vielen Fällen wird also bei der betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber die gesetzliche Kündigungsfrist, die abhängig von der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers ist, gelten. Die Vorschrift ist etwas unübersichtlich, aber zu verstehen. Der Teufel liegt häufig im Detail. Hält der Arbeitgeber die Kündigungsfrist nicht ein, sollte der Arbeitnehmer rechtzeitig (3 Wochen ab Zugang) Kündigungsschutzklage erheben. Es sind zwar Fälle denkbar, bei denen der Arbeitnehmer dies auch noch später rügen kann (Kündigungserklärung ohne konkretes Beendigungsdatum); ohne Rechtsanwalt kann der Arbeitnehmer dies ohnehin nicht sicher einschätzen.


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin