Europäische Gerichtshof

EuGH- Schlussantrag der EuGH-Generalanwältin – Arbeitgeber können Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten

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Der Fall vor dem EuGH (C 157/15) um das Verbot des Tragens eines Kopftuches während der Arbeit steht kurz vor dem Abschluss.

Die EuGH-Generalanwältin Juliane Kokott hat in ihrem Schlussantrag die Auffassung vertreten, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern grundsätzlich das Tragen eines islamischen Kopftuchs am Arbeitsplatz untersagen können. Dies sei dann möglich, wenn in dem Unternehmen das Tragen sichtbarer religiöser, politischer und philosophischer Zeichen allgemein verboten ist.
Damit spricht Einiges dafür, dass der EuGH hier zu Gunsten des Arbeitgebers entscheiden wird, da oft den Schlussanträgen der Generalanwälte gefolgt wird (dies muss aber nicht zwingend hier auch so sein).
Eine belgische Muslima, die an der Rezeption tätig war, hatte gegen ein Kopftuchverbot ihres Arbeitgebers geklagt und sah sich in ihrer Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigt. Der Arbeitgeber argumentiert, dass grundsätzlich im Betrieb das offene Tragen religiöser Symbole verboten sei. Von daher werden keine Arbeitnehmer mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit benachteiligt oder bevorzugt. Der Arbeitgeber verhalte sich hier neutral.
Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH dies auch so sieht.
Rechtsanwalt Andreas Martin

Öffentliche Ausschreibungen dürfen von Zahlung eines Mindestlohnes abhängig gemacht werden.

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Der EuGH hat entschieden, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen von der Zahlung eines bestimmten Mindestlohnes des Auftragnehmers abhängig gemacht werden darf. Die Stadt Landau hatte die Vergabe von Postdienstleistungen ausgeschrieben. Bei der Ausschreibung wurde nominiert, dass nur Firmen bei der Ausschreibung berücksichtigt werden, die zu sichern eine bestimmten Mindestlohn (damals war die €8,70) zu zahlen. Eine Firma, die die entsprechende Erklärung, die Mindestlohn zu zahlen, nicht abgab, wurde vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Diese Firma klagte und das OLG Koblenz legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob diese Rechtsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

Der EuGH bejahte dies und entschied hier zu Gunsten der Stadt Landau.

Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 17.11.2015- C 115/14 ) führte dazu aus:

 Im vorliegenden Fall wurde RegioPost von der Beteiligung am Verfahren zur Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags ausgeschlossen, nachdem sie sich geweigert hatte, ein ordnungsgemäßes, ihre schriftliche Erklärung, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung des in § 3 Abs. 1 LTTG vorgesehenen Mindestentgelts einhalten werde, enthaltendes Angebot abzugeben.

Der Ausschluss von der Beteiligung an dieser Auftragsvergabe lässt sich indessen nicht als Sanktion qualifizieren. Er ist lediglich die Folge des Versäumnisses, dem Angebot die nach § 3 Abs. 1 LTTG erforderliche schriftliche Verpflichtungserklärung beizufügen. Dieses Erfordernis wird in äußerst transparenter Weise in der betreffenden Vergabebekanntmachung formuliert und soll die Bedeutung der Einhaltung einer durch Art. 26 der Richtlinie 2004/18 ausdrücklich zugelassenen zwingenden Bestimmung über ein Mindestmaß an Schutz von vornherein hervorheben.

Ebenso wie dieser Artikel dem Erfordernis der Abgabe einer schriftlichen Erklärung über die Einhaltung der genannten Bestimmung nicht entgegensteht, gestattet er daher auch einen solchen Ausschluss.

Die Bedeutung der Einhaltung dieser zwingenden Bestimmung über ein Mindestmaß an Schutz ergibt sich überdies explizit aus dem 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18; darin heißt es nämlich, dass die Mitgliedstaaten die Nichteinhaltung der im einschlägigen nationalen Recht vorgeschriebenen Verpflichtungen als schwere Verfehlung oder als Delikt betrachten können, das die berufliche Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in Frage stellt und dessen Ausschluss vom Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Folge haben kann.

Im Übrigen ist der den Bietern und gegebenenfalls deren Nachunternehmern durch die Verpflichtung, eine Erklärung über die Einhaltung eines Mindestlohns wie die in § 3 Abs. 1 LTTG vorgesehene beizufügen, auferlegte Zwang zu vernachlässigen, zumal sie sich darauf beschränken können, vorbereitete Formulare auszufüllen.

Die Erforderlichkeit und Angemessenheit des Ausschlusses eines Wirtschaftsteilnehmers von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, wie ihn § 3 Abs. 1 LTTG vorsieht, ergibt sich auch daraus, dass der Ausschluss, wie diese Bestimmung ausdrücklich vorsieht, nur dann erfolgen kann, wenn sich der betreffende Wirtschaftsteilnehmer, nachdem er zur Vervollständigung seines Angebots durch Beifügung der genannten Erklärung aufgefordert wurde, wie im Ausgangsverfahren weigert, der Aufforderung nachzukommen.

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 26 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

 

Rechtsanwalt Andreas Martin

EuGH-Kücük- Kettenbefristungen bei Arbeitsverträgen wegen Vertretungsbedarf – Entscheidung vom 26.01.2012 –

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Der EuGH hat nun eine langandauernd diskutierte Frage geklärt, nämlich nach der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit von fortdauernden Befristungen von Arbeitsverträgen (Kettenbefristungen) wegen Vertretungsbedarf.

Sachverhalt- Frau Kücük und die fortlaufenden Befristungen

In der Pressemitteilung des EuGH wird folgender Sachverhalt dargestellt:

Frau Kücük war über einen Zeitraum von elf Jahren auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen beim Land Nordrhein-Westfalen als Justizangestellte im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig. Alle diese Verträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter Justizangestellter geschlossen, die sich vorübergehend (beispielsweise im Rahmen der Elternzeit) hatten beurlauben lassen.

Vor dem Arbeitsgericht Köln hat Frau Kücük geltend gemacht, ihr letzter Arbeitsvertrag müsse als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten, da kein sachlicher Grund vorliege, der seine Befristung rechtfertige. Bei insgesamt 13 in einem Zeitraum von elf Jahren unmittelbar aneinander anschließenden befristeten Arbeitsverträgen könne nämlich nicht mehr von einem vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften ausgegangen werden. Das Bundesarbeitsgericht, das diesen Rechtsstreit in letzter Instanz zu entscheiden hat, fragt den Gerichtshof nach der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts.

die Entscheidung des EuGH zur Kettenbefristung nach Unionsrecht

Der EuGH (Entscheidung vom 26.01.2012 -in der Rechtssache C-586/10) hält eine fortlaufende Befristung von Arbeitsverträgen (hier 13) wegen Vertretung grundsätzlich mit dem Unionsrecht für vereinbart, sofern tatsächlich der Vertretungsbedarf fortbesteht.

Dazu führt der EuGH (Pressemitteilung) aus:

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass der vorübergehende Bedarf an Vertretungskräften – wie im deutschem Recht vorgesehen – grundsätzlich einen sachlichen Grund im Sinne des Unionsrechts darstellen kann, der sowohl die Befristung der mit den Vertretungskräften geschlossenen Verträge als auch deren Verlängerung rechtfertigt.

Aus dem bloßen Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein mag, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und dass diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, folgt weder, dass kein solcher sachlicher Grund gegeben ist, noch das Vorliegen eines Missbrauchs. Automatisch den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, wenn die Größe des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Einrichtung und die Zusammensetzung des Personals darauf schließen lassen, dass der Arbeitgeber mit einem wiederholten oder ständigen Bedarf an Vertretungskräften konfrontiert ist, ginge nämlich über die Ziele hinaus, die mit der durch das Unionsrecht umgesetzten Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner verfolgt werden, und würde somit den Wertungsspielraum verletzen, der den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern eingeräumt wird.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags im Einzelfall durch einen sachlichen Grund wie den vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften gerechtfertigt ist, müssen die nationalen Behörden jedoch alle Umstände dieses Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigen.

Kommentar:

Das Urteil ist etwas dünn und viele Juristen haben hier etwas anderes, nämlich die Unvereinbarkeit mit dem EU-Recht erwartet. Wer 13 befristete Verträge nacheinander schließt, hat wohl im Normalfall keinen vorübergehenden Vertretungsbedarf, sondern ein Dauerproblem. Von daher ist die Entscheidung kaum nachvollziehbar.

Anwalt Andreas Martin