Bewerber

BAG: Öffentlicher Arbeitgeber muss geeigneten schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen!

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keine Einladung eines Schwerbehinderten zum Vorstellungsgespräch
Bewerbung

Ein Schwerbehinderter (Gleichstellung bei Grad der Behinderung von 30) Bewerber bewarb sich Anfang August 2015 mit einer E-Mail auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebene Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst.

schwerbehinderter Bewerber wird nicht zum Vorstellungsgespräch geladen

Obwohl der Bewerber
fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Klage auf Entschädigung nach AGG

Daraufhin klagte der Bewerber gegen das Land auf Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG auf Zahlung von 7.434,39 Euro.

Bewerbung wurde übersehen

Im Prozess verteidigte sich das Land damit, dass
die Bewerbung des Klägers aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt sei. Allein schon deshalb sei der Kläger nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden.

Entschädigung von € 3.717,30

Das Arbeitsgericht hat die Klage des schwerbehinderten Bewerbers abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 23. August 2018 – 6 Sa 147/18) hat ihr teilweise stattgegeben und dem behinderten Kläger eine Entschädigung iHv. 3.717,30 Euro zugesprochen.

BAG hält Entschädigung für richtig

Die Revision des beklagten Landes blieb im Ergebnis erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23. Januar 2020 – 8 AZR 484/18) führt dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 5/20 vom 23.1.2020 aus:

Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX aF zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Unterlässt er dies, ist er dem/der erfolglosen Bewerber/in allerdings nicht bereits aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet. Das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist lediglich ein Indiz iSv. § 22 AGG, das die Vermutung begründet, dass der/die Bewerber/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde. Diese Vermutung kann der Arbeitgeber nach § 22 AGG widerlegen.

Der Kläger hat Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in der zugesprochenen Höhe. Das beklagte Land hätte den Kläger, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, nach § 82 Satz 2 SGB IX aF zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt wurde. Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Insoweit konnte das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auch die Höhe der Entschädigung war im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin Marzahn Hellerdorf

Entschädigung nach AGG nur bei Ernsthaftigkeit der Bewerbung

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Über das sog. AGG-Hopping habe ich bereits mehrfach geschrieben. AGG-Hopper bewerben sich allein deshalb auf eine Stellenausschreibung, um abgelehnt zu werden und dann wegen angeblicher Diskriminierung eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einzuklagen. Hierbei besteht von Anfang an nie die Absicht tatsächlich die Stelle antreten zu wollen.

Rechtsprechung – keine Entschädigung bei fehlender Ernsthaftigkeit

Es gab schon mehrere Entscheidungen, die einen Entschädigungsanspruch des abgelehnten Bewerbers versagten, wenn klar war, dass dieser sich nicht ernsthaft um die Stelle beworben hatte.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg

So nun auch das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 30.10.2013 – 21 Sa 1380/13). Das LAG nahm eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme des potentiellen Arbeitgebers durch den abgelehnten Bewerber an und versagte diesem die Entschädigung. Der Bewerber war nie ernsthaft an der Stelle interessiert. Dies schloss das Gericht aus dem „nichtssagendem“ Bewerbungsschreiben; darüber hinaus erfüllte der Bewerber auch die Anforderungen aus der Stellenausschreibung.

Das AGG – Hopping scheint sich zum Volkssport zu entwickeln. Wahrscheinlich wird sich dies erst ändern, wenn ein Staatsanwalt mal auf die Idee kommt dies strafrechtlich zu werten. Es spricht hier einiges – in derartigen Fällen (wie oben) – für einen versuchten Betrug durch den Hopper.

RA A. Martin

 

 

kein Anspruch auf Entschädigung des schwerbehinderten Bewerbers bei Verschweigen der Schwerbehinderteneigenschaft

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Das Arbeitsgericht Stuttgart (ArbG Stuttgart Urteil vom 29.1.2014, 11 Ca 6438/13) entschied, dass ein schwerbehinderter nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladener Bewerber  keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG wegen Diskriminierung bekommt, wenn er  selbst nur versteckte Hinweise auf seine Schwerbehinderteneigenschaft macht, aber nicht offen angibt, dass er schwerbehindert ist.

Entscheidung und AGG-Entschädigung

Das Arbeitsgericht führt dazu aus:

Ein Entschädigungsanspruch nach den §§ 81 Abs. 2 SGB IX, 15 Abs. 2 AGG setzt voraus, dass ein behinderter Bewerber wegen seiner Behinderung benachteiligt wird. Ein Nachteil liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits in der Versagung einer Chance bei der Auswahl der Bewerber im Hinblick auf eine zu besetzende Stelle, beispielsweise – wie hier – durch die Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch.

2. Zur Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen nachteiliger Behandlung und Behinderung genügt es, wenn der Bewerber Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen, § 22 AGG. Wird ein schwerbehinderter Bewerber von einem öffentlichen Arbeitgeber entgegen § 82 S. 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, rechtfertigt dieser Verfahrensverstoß die Annahme einer durch die Behinderung motivierten Benachteiligung, wenn dem Arbeitgeber die schwerbehinderte Eigenschaft bekannt gewesen ist oder er sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis hätte verschaffen können.

3. Das setzt voraus, dass der Bewerber im Bewerbungsschreiben oder den beigefügten Unterlagen einen hinreichend deutlichen Hinweis darauf gibt, dass in seiner Person die Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Bewerbung (noch) vorliegt. Der öffentliche Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Bewerbungsunterlagen nach versteckten und obendrein missverständlichen Hinweisen auf eine Schwerbehinderteneigenschaft zu durchsuchen.

4. Der öffentliche Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, im Zweifelsfall nachzufragen. Erkundigungen in Bezug auf ein verbotenes Differenzierungsmerkmal im Sinne des § 1 AGG könnten ihm als Indiz-Tatsachen nach § 22 AGG entgegengehalten werden.

5. Der schwerbehinderte Bewerber, der die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch auslösen möchte, hat es in der Hand, sich klar, unmissverständlich und eindeutig auszudrücken. Er handelt missbräuchlich, wenn er dem öffentlichen Arbeitgeber die fehlende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch als Indiztatsache für eine Benachteiligung vorhält obwohl er lediglich versteckte und missverständliche Hinweise auf seine Schwerbehinderteneigenschaft gegeben hat.

RA A. Martin

BAG: Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbung beteiligen – ansonsten droht Entschädigung

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Entschädigungsklagen nach dem AGG nehmen stetig zu. Insbesondere gibt es mittlerweile auch einige Bewerber, die sich gar nicht ernsthaft um die Stelle bemühen, sondern denen es nur darum geht später wegen angeblicher Diskriminierung Entschädigungsansprüche geltend zu machen (AGG Hopper). Von diesen Personen sind selbstverständlich die Bewerber zu unterscheiden, die sich ernsthaft um die Stelle bemühen und die vom Arbeitgeber nicht entsprechend den Vorgaben des AGG behandelt werden.

 BAG: Bewerbung eines Schwerbehinderten

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun darüber zu entscheiden, ob – bei einer internen Stellenausschreibung – ein schwerbehinderter Mitarbeiter, der gleichzeitig Mitglied der Schwerbehindertenvertretung des Betriebes war, einen Anspruch auf Entschädigung hat, da er bei der Vergabe des Arbeitsplatzes nicht berücksichtigt wurde und auch die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt wurde.

 Schwerbehindertenvertretung ist zu beteiligen

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass selbst dann die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen ist, wenn der Bewerber selbst Mitglied derselben ist.

Das BAG (Urteil vom 22.8.2013 – 8 AZR 574 / 12) führt dazu aus:

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hat vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Bei der Entscheidung über die Bewerbung des Klägers hätte die Schwerbehindertenvertretung nach § 81 SGB IX beteiligt werden müssen. Dem stand nicht entgegen, dass sich die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen selbst und der Stellvertreter auf eine der zu besetzenden Stellen beworben hatten. Einen möglichen Interessenkonflikt zwischen Bewerbern hätte der Kläger verhindern können, indem er nach § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX die Beteiligung des Schwerbehindertenvertreters als seines direkten Konkurrenten um die zu besetzende Stelle ausdrücklich hätte ablehnen können. Dagegen oblag es nicht dem Arbeitgeber, von der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung Abstand zu nehmen.

Der Rechtsstreit wurde zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

RA A. Martin

 

BAG: Muss ein Stellenbewerber dem „Arbeitgeber“ Auskunft über eingestellte strafrechtliche Ermittlungsverfahren erteilen?

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Im Bewerbungsverfahren werden Stellenbewerber häufig nach diversen persönlichen Umständen befragt. Unter anderem auch, ob diese vorbestraft sind. Es kommt nicht selten vor, dass Fragen gestellt werden, die unzulässig sind. Hier hat der Stellenbewerber ein so genanntes Recht auf „Lüge“. Oder kann natürlich auch die Frage einfach nicht beantworten. Dies hat aber meistens negative Auswirkung auf die mögliche Anstellung.

 Frage nach strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Lehrer nicht nur danach gefragt wurde, ob er vorbestraft sei, sondern auch, ob strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn vorgelegen haben, die mittlerweile eingestellt worden sind. Der Bewerber versicherte-schriftlich- (Fragebogen), dass keine solche Verfahren vorgelegen haben. Später stellte der Arbeitgeber fest-nach der Einstellung-, das es doch mehrere Ermittlungsverfahren gegeben hat, die nach 153 ff. StPO (wegen geringer Schuld) von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sind. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber außerordentlich und (auch noch) ordentlich – wegen dieser falschen Angabe im Einstellungsgespräch – das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer. Dieser erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers für unwirksam angesehen, das Landesarbeitsgericht haben sogar die ordentliche Kündigung.

 Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes

Das Bundesarbeitsgericht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 –) wies die gegen die Entscheidung des Gerichtes eingelegte Revision des Arbeitgebers zurück und führt dazu in seiner Pressemitteilung aus:

 Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

Auch wenn die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes genau genommen auf die datenschutzrechtliche Situation im Bundesland Nordrhein-Westfalen zugeschnitten ist, so wird dies im Normalfall auch für andere Bundesländer zu treffen, der kaum nachzuvollziehen wäre, wenn datenschutzrechtliche Vorschriften es dem Arbeitgeber erlauben würden entsprechende Informationen zu erfragen.genau genommen müsste man im Datenschutzrecht des einzelnen Bundeslandes nach einer Erlaubnis des Arbeitgebers, also eine Rechtsgrundlage, suchen, die wie ausgeführt, es im Normalfall aber nicht geben wird.

BAG: Entschädigung wegen Altersdiskriminierung auch, wenn kein Bewerber eingestellt wird!

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Vor den Arbeitsgerichten häufen sich Fälle (Entschädigungsklagen) aufgrund von Diskriminierung von Bewerbern. Altersdiskriminierungsfälle in Stellenanzeigen gibt es immer noch genug, obwohl sich doch schon rumgesprochen haben dürfte, dass gerade der „Klassiker“ – nämlich die Stellenanzeige unter Nennungen von Altersgrenzen in der Regel ein typischer Diskriminierungsfall ist. Nun hat das BAG eine grundlegende Entscheidung hierzu getroffen, welche wohl einen Anstieg von Entschädigungsklagen zur Folge haben dürfte.

BAG – Entscheidung zur Entschädigung wegen Altersdiskriminierung

Wenn der Leser nun wissen möchte, wie er als Arbeitgeber auf keinen Fall eine Stellenausschreibung formulieren sollte, dann aufgepasst:

Schreiben Sie nie – “ Wir suchen 2 Mitarbeiter im Alter von 25 bis 35 Jahren.“

Das BAG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2012 – 8 AZR 285/11 –) hatte sich mit der obigen (oder ähnlichen) Formulierung auseinanderzusetzen, wobei die Besonderheit bestand, dass der Arbeitgeber später überhaupt keinen Bewerber einstellte, also die Stellen unbesetzt ließ. Ein älterer Bewerber klagte später und bekam in den Vorinstanzen kein Recht (so z.B. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2010 - 17 Sa 1410/10 ) und zwar weil das Arbeitsgericht als auch das LAG davon ausgingen, dass ein Entschädigungsanspruch nach dem AGG auch tatsächlich voraussetzen würden, dass aufgrund der Stellenausschreibung später überhaupt irgend ein Bewerber eingestellt werden müsste. Man könnte ja hier argumentieren, dass eine Benachteiligung eines Bewerbers ja immer eine Bevorteilung eines anderen Bewerbes voraussetzt. Das BAG sah dies aber anders.

Anspruch auf Entschädigung wegen unzulässiger Benachteiligung setzt keine Besetzung der ausgelobten Stelle voraus

Das BAG gab dem abgewiesenen Bewerber zumindest dahingehend recht , dass eine Abweisung seiner Entschädigungsklage nach dem AGG nicht mit der Begründung erfolgen durfte, dass kein anderer Bewerber eingestellt wurde.

Das BAG führte aus: (in der Pressemitteilung):

Das Landesarbeitsgericht hätte die Entschädigungsklage nicht allein mit der Begründung abweisen dürfen, ein Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG scheide allein deshalb aus, weil sie keinen anderen Bewerber eingestellt habe. Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dies wird bei seiner Entscheidung über das Bestehen des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ua. zu prüfen haben, ob der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war und ob eine Einstellung wegen seines Alters unterblieben ist.

Das LAG Berlin-Brandenburg muss nun also weitere Prüfungen vornehmen. Die Entscheidung des BAG bedeutet nicht, dass das Bewerber nun mit seiner Klage  auf Entschädigung auch Erfolg haben wird; dies hängt von weiteren Voraussetzungen ab.

Anwalt Martin

BAG: Erteilung einer Falschauskunft – Indiz für Diskriminierung

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Die Verfahren vor den Arbeitsgerichten wegen Diskriminierung – vor allem von Bewerbern – nehmen immer mehr zu. Der Arbeitgeber kann hier schon in der Stellenanzeige und dann auch später im Bewerbungsgespräch viel falsch machen und setzt sich dann später Entschädigungsklagen nach dem AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz)  der abgelehnten Bewerber aus. Das Bundesarbeitsgericht beschäftigt sich immer häufiger mit derartigen Fällen (siehe diesbezüglich die letzte Entscheidung des BAG vom 21. Juni 2012 zur Frist für die Geltendmachung des Anspruches auf Entschädigung wegen Diskriminierung).

Entscheidung des BAG

Der abgelehnte Bewerber muss die Diskriminierung innerhalb bestehender Ausschlussfristen geltend machen und darüber hinaus auch nachweisen, dass er nach dem AGG diskriminiert wurde, was in der Praxis schwierig ist, da der Bewerber meist wenig über die anderen Bewerbungsgespräche weis und meist auch wenig über die dann später eingestellte Person. Selbst wenn die Diskriminierung offen im Bewerbungsgespräch durch Äußerungen des Arbeitgebers erfolgt, ist der Arbeitnehmer hier im Bestreitensfall beweislastpflichtig und kann häufig diesen Beweis nicht erbringen.

falsche Angaben des Arbeitgebers über die Einstellung

Der Arbeitgeber muss den abgelehnten Bewerber keine Auskunft über die Gründe der Ablehnung oder über die Gründe für die Einstellung einer anderen Person erteilen. Das BAG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Juni 2012 – 8 AZR 364/11 -) urteilte nun, dass der Arbeitgeber aber, wenn er Angaben zu seiner Maßnahme macht, diese Angaben wahr sein müssen, ansonsten liegt ein Indiz für eine Diskriminierung vor.

Das BAG führt hier – in seiner Pressemitteilung – aus:

Begründet ein Arbeitgeber seine Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer, so muss diese Auskunft zutreffen. Ist sie dagegen nachweislich falsch oder steht sie im Widerspruch zum Verhalten des Arbeitgebers, so kann dies ein Indiz für eine Diskriminierung bedeuten.

………………………………………………………………………………………

Anders als das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 2.500,00 Euro und von Schadensersatz verurteilt. Die Revision der Beklagten und die hilfsweise eingelegte Anschlussrevision der Klägerin hatten vor dem Achten Senat Erfolg. Eine Verurteilung der Beklagten kann nicht auf die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung gestützt werden. Das Landesarbeitsgericht wird aber aufzuklären haben, ob die von der Beklagten erteilten Auskünfte über die Gründe der Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses Indizwirkung für eine Diskriminierung der Klägerin haben, weil diese Auskünfte möglicherweise falsch waren oder im Widerspruch zu dem sonstigen Verhalten der Beklagten standen. Das Landesarbeitsgericht wird dabei zu prüfen haben, ob das erteilte Zeugnis falsch war oder die Begründung, eine Entfristung sei wegen der Leistungsmängel der Klägerin nicht möglich gewesen. Auch wird dem Vortrag der Klägerin nachzugehen sein, zuvor sei eine andere, ebenfalls nicht zutreffende Auskunft erteilt worden. Die Klägerin soll zunächst auf einen Wegfall ihres Arbeitsplatzes wegen einer bevorstehenden Fusion hingewiesen worden sein.

Anwalt Martin

LAG Berlin-Brandenburg: Streitwert für Klage des abgelehnten Bewerbers = Quartalsverdienst

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Klagen abgelehnter Bewerber auf Schadenersatz wegen Benachteiligung (vor allem nach dem AGG) haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Für den Anwalt, der das Verfahren führt ist wichtig in welcher Höhe das Gericht hier die Streitwert festlegt, aus dem sich dann die Anwaltsgebühren berechnen.

Streitwert nach dem LAG Berlin-Brandenburg – Quartalsverdienst

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (11.06.2011 – 17 Ta -Kost – 6053/12)  hat nun entschieden, dass der Streitwert hierfür mit einem Quartalsverdienst festzusetzen ist.

Das LAG führt dazu aus:

Es ist bei Anwendung dieser Grundsätze angemessen, den Klageantrag zu 1) mit dem Vierteljahresverdienst zu bewerten, den der Kläger bei einer erfolgten Einstellung hätte erzielen können. Zwar übersteigt das wirtschaftliche Interesse des Klägers, einen Ausgleich für die entgangene Vergütung zu erhalten, selbst bezogen auf den bei einer Klage auf wiederkehrende Leistungen maßgeblichen Zeitraum von drei Jahren deutlich diesen Betrag. Bei der Bewertung muss jedoch zum Ausdruck kommen, dass der Wert der weitergehenden Klage auf Einstellung nach § 42 Abs. 3 GKG begrenzt gewesen wäre. Einer Klage, mit der der Kläger so gestellt werden will, als sei er eingestellt worden, kann nicht höher als eine Bestandsstreitigkeit als solche bewertet werden. Dies gilt umso mehr, als die vom Kläger erstrebte Rechtsposition zu einem in seinem Bestand noch ungesicherten Arbeitsverhältnis geführt hätte. Um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, ist die Wertgrenze des § 42 Abs. 3 GKG deshalb auch in Fallgestaltungen wie der vorliegenden zu beachten, was zur teilweisen Änderung des angefochtenen Beschlusses unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen führt.

A. Martin

BAG: Frage nach Schwerbehinderung falsch beantwortet

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Schwerbehinderte genießen im Arbeitsrecht besonderen Schutz. Manchmal kommt es aber vor, dass gerade wegen des starken Schutzes der Arbeitgeber einen Schwerbehinderten eben nicht einstellen möchte, obwohl die Möglichkeit der Kündigung während der Probezeit ohne Einschaltung des Integrationsamtes besteht. Die  Schwerbehinderung kann von daher für den Arbeitgeber ein Umstand sein, der  erheblich ist. Eine interessante Frage ist, ob der Arbeitnehmer hier wissentlich die Unwahrheit sagen darf, da es sich bei der Frage nach einer Schwerbehinderung um eine unzulässige Frage handelt?

BAG_ Schwerbehinderung – falsche Beantwortung der Frage danach

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Pressemitteilung auf eine Entscheidung hingewiesen (BAG Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10 ). Eine Bewerber hatte gegenüber dem Arbeitgeber angegeben, dass er nicht schwerbehindert sei.

Das BAG führt in seiner Pressemitteilung aus:

“ Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unzutreffend verneint. Die Täuschung war jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Die Beklagte vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die seit In-Kraft-Treten des § 81 Abs. 2 SGB IX zum 1. Juli 2001 und des AGG zum 18. August 2006 umstrittene Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an.“

Das BAG bejaht eine Täuschung, meint dann aber – richtigerweise- dass auch ohne Täuschung ist zum Arbeitsvertrag gekommen wäre. Man hat also den Arbeitsvertragsabschluss nicht „erschlichen“. Auf die Frage, ob ein Recht zur Lüge bestanden hat, geht das BAG leider nicht ein, da es darauf nicht mehr angekommen ist.

Anwalt Martin – Arbeitsrecht

Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG – Klagefrist beachten!

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein Antidiskriminierungsgesetz, welches den Diskriminierten einen Schadenersatzanspruch gegen den Diskriminierer (Arbeitgeber) zuspricht. Das Gesetz gewinnt derzeit an Bedeutung. Mittlerweile gab es auch bereits diverse Entscheidungen des BAG hierzu.

Diskriminierungen können dabei wegen

  • Geschlecht
  • Abstammung (Rasse/ ethnische Herkunft)
  • Alters
  • Behinderung
  • sexuelle Orientierung
  • Weltanschauung/ Religion
vorliegen.

Im Falle der Diskrimierung – z.B. bei der Auswahl einer Stellenausschreibung/ Beförderung etc. kann der Betroffene einen Anspruch auf Schadenersatz (beim Vorliegen eines Vermögensschadens) bzw. Entschädigung (beim Nichtvermögensschaden – maximal 3 Monatsgehälter) geltend machen.

Übergewicht / Fettleibigkeit kein Diskriminierungsmerkmal

Entschieden wurde nun auch bereits mehrfach,dass Fettleibigkeit kein Diskriminierungsmerkmal ist und dies auch nicht unter das Merkmal „Behinderung“ fällt.

Fristen für die Geltendmachung des Anspruches?

Der Anspruch auf Schadenersatz/ Entschädigung ist in § 15 des AGG geregelt. Absatz 4 dieser Norm regelt die Fristen, die in dieser Sache zu beachten sind.

Regelung des § 15 Abs. 4 AGG – 2 Monate für schriftliche Geltendmachung

Nach § 15 Abs. 4 AGG ist der Anspruch innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten – nach der Diskriminierung – schriftlich bei der Gegenseite geltend zu machen; es sei denn, dass ein anwendbarer Tarifvertrag hier eine andere Frist regelt.

Das BAG hat nun entschieden,dass eine solche Geltendmachung auch schon mit der Klageerhebung erfolgt. Dass heißt, man kann gleich klagen und mit Zugang der Klage beim Arbeitsgericht  -sofern die Zustellung der Klage demnächst erfolgt – ist die Frist gewahrt und nicht erst mit Zugang der Klage bei der Gegenseite.

Regelung des § 61 b ArbGG

Außerhalb des AGG gibt es eine weitere Frist, die zu beachten ist. Das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) regelt nämlich in § 61 b, dass für den Fall der Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG eine weitere Frist für die Erhebung der Klage auf Entschädigung gilt, nämlich eine Frist von 3 Monaten. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Geltendmachung des Anspruches bei der Gegenseite.

aktuelle Entscheidungen zum AGG:

BAG: Frist für schriftliche Geltendmachung mit Klage gewahrt

Arbeitsgericht Darmstadt: Übergewicht keine Behinderung und damit kein Diskriminierungsmerkmal

RA A. Martin – Arbeitsrecht