Beweiserleichterungen

Mündliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber – was gilt?

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In der Praxis kommt es oft vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag schließen und später diesen durch mündliche Absprachen ergänzen. Für den Arbeitnehmer stellt sich dann die Frage, ob er hier sich zum einen auf die Absprache berufen kann und zum anderen, ob es ggf. Beweiserleichterung gibt.

Ein  einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen:

Der Arbeitnehmer und Arbeitgeber schließen im Januar 2017 einen Arbeitsvertrag und vereinbaren als regelmäßige Arbeitszeit eine 35-h-Woche. Im Arbeitsvertrag ist geregelt, dass alle Abreden und Ergänzungen des Arbeitsvertrages schriftlich zu erfolgen hätten. Später einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche als regelmäßige Arbeitszeit.

Beweisrecht/Grundsatz

Grundsätzlich wäre es z. B. im obigen Beispiel zunächst erst einmal so, dass der Arbeitnehmer, wenn er dann später sich auf die mündlichen Vereinbarungen berufen möchte (hier also auf 40 Stunden pro Woche bezahlt haben möchte) darlegungs- und beweislastpflichtig für diesen Umstand ist. Der Arbeitnehmer muss also darlegen und beweisen, vor dem Arbeitsgericht, dass es eine Vereinbarung über 40 Stunden regelmäßige Arbeitszeit pro Woche gibt. Der Grundsatz im Beweisrecht ist grundsätzlich der, dass derjenige, der sich auf für ihn positive Tatsachen beruft, diese auch vor Gericht beweisen muss.

Beweiserleichterungen?

In bestimmten Fällen gibt es aber Beweiserleichterungen. Diese werden dann eingeräumt, wenn es unbillig wäre, dieser mit dem Vollbeweis zu belasten.

Es stellt sich von daher die Frage, z. B. ob im obigen Fall der Arbeitnehmer sich auf eine Beweiserleichterung berufen.

Nachweisgesetz

Nach dem Nachweisgesetz muss der Arbeitgeber grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 die vereinbarte Arbeitszeit schriftlich fixieren und diese schriftliche Aufnahme spätestens einen Monat nach vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer übersenden. Hier hätte also der Arbeitgeber die neue Vereinbarung über die regelmäßige Arbeitszeit dem Arbeitnehmer schriftlich bestätigen müssen, was nicht der Fall war. Von daher liegt ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz vor.

In der Praxis kommt dies oft vor. Das Nachweisgesetz verpflichtet den Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen im Arbeitsverhältnis wie z. B. Parteien, Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, Befristung, Arbeitsort, Beschreibung der Tätigkeit, Zusammensetzung des Arbeitsentgeltes, vereinbarte Arbeitszeit, Dauer des Urlaubs, Kündigungsfristen und den Hinweis auf Tarifverträgen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer dieses Schriftstück zu übersenden. Verstößt der Arbeitgeber dagegen, so wie hier, so gewährt die Rechtsprechung dem Arbeitnehmer eine sogenannte Beweiserleichterung. Der Arbeitnehmer muss nicht mehr den Vollbeweis erbringen. So z. B. das LAG Köln, Urteil vom 31.07.1998, Az. 11 Sa 1484/97 in NZA 99,544 und das LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.2001, Az. 5 Sa 45/01 in DB 01 1995).

Die entsprechenden Beweiserleichterungen gehen so weit, dass die Rechtsprechung sogar annimmt, dass in einem sogenannten Nonliquet-Fall dies zu Lasten des Arbeitgebers geht. Dies heißt, in einem Fall, in dem man nicht sicher sagen kann, wer hier nun nach der Beweisaufnahme die Wahrheit gesagt hat, dies zu Lasten des Arbeitgebers geht.

Dem Arbeitnehmer würden hier also Beweiserleichterungen zugute kommen.

Verstoß gegen die Schriftformklausel?

Daran ändert auch nichts, dass durch eine mündliche Zusage oft die sogenannten Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen verstoßen wird. Dort ist meist geregelt, dass jede Änderung und Ergänzung des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen.

Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu bereits am 20.05.2008 (Az. 9 AZR 382/07) entschieden, dass eine Vielzahl derartiger Klauseln schlichtweg unwirksam sind. Einzelabsprachen gehen im Normalfall immer Vertragsklauseln vor, und von daher kann sich der Arbeitgeber nur selten auf diese vorformulierten Vertragsklauseln berufen.

Besonders problematisch für Arbeitgeber ist aber, dass der Arbeitgeber als Verwender des Arbeitsvertrags (Allgemeine Geschäftsbedingungen) auch an unwirksame Klausel gebunden ist. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine mündliche Änderung des Arbeitsvertrags kann der Arbeitnehmer einfach auf die Schriftformklausel verweisen. Der Arbeitgeber kann sich dann nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm selbst verwendeten Klausel (hier Schriftformklausel) berufen.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Berlin Marzahn-Hellersdorf

Was ist Mobbing? Brauche ich einen Anwalt?

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Was ist Mobbing? Brauche ich einen Anwalt?

Unter dem Begriff Mobbing kann man sich schon etwas vorstellen, wenn man aber danach fragt „Mobbing“ zu beschreiben, dann wird´s meistens nichts. Eventuell kann ja das Bundesarbeitsgericht weiterhelfen, die befassen sich ja berufsmäßig mit den Erstellen aller erdenklichen Definitionen, so auch hier.

Nach dem BAG ist Mobbing Folgendes: 

Mobbing ist ein“ systematisches Anfeinden, Schikanieren und die Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder duch Vorgesetzte“ (BAG Enscheidung vom 15.01.1997 – 7 ABR 14/96  NZA 1997,781).

Zugegeben etwas schwammig, aber wir haben noch die einzelnen Arbeitsgerichte, die sich ebenfalls an der Definition des Mobbings versucht haben.

Nach den meisten Landesarbeitsgerichten ist Mobbing folgendes:

Mobbing ist die“ fortgesetzten aufeinander aufbauenden und ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskrminierung dienenden Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall eine übergeordneten, von der Rechtsprechung nicht gedeckte Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.“ (Zitat aus ZAP Formularbuch Arbeitsrecht, Meixner, Seite 313 mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung). 

Nun gut, da ist die Definition des BAG durch etwas handlicher.

Ansatzweise definiert auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in § 3 Abs. 3 ein Verhalten, dass als Mobbing bezeichnet werden kann (ohne den Begriff „Mobbing“ zu verwenden).

Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Welche Verhaltensweisen sind konkret Mobbing?

In Betracht kommen hiebei Tätlichkeiten, Ehrverletzungen, Demütigungen, Isolierung, auch unsinnige und schikanöse Arbeitsanweisungen vom Arbeitgeber, unbegründete Ungleichbehandlungen, Ausschluss des Arbeitnehmers von Informationen und Kommunikation

Welche Rechte hat das Mobbing-Opfer?

Zunächst soll klargestellt werden, dass das  soziale Phänomen des Mobbings nicht als eigenständige Anspruchsgrundlage vom Gesetzgeber geregelt wurde.  Selbstverständlich haben aber die gemobbten Arbeitnehmer Ansprüche, die sich mittels allgemeiner Vorschriften durchsetzen lassen (z.B. §§ § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 und 2 BGB).

Welche Ansprüche bestehen beim Mobbing?

Der Arbeitnehmer kann Abwehr- Schadenersatz- und/oder Schmerzensgeldanspräche haben. Diese Ansprüche können sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber Arbeitskollegen bestehen. Darüber hinaus kann ein außerordentliches und fristloses Kündigungsrecht des Mobbingopfers bestehen. Auch kann ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Widerruf ehrverletzender Behauptungen und auf zukünftige Unterlassung haben. Weiter kann ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bestehen.

Welche Verpflichtung trifft den Arbeitgeber in Mobbingfällen?

Den Arbeitgeber trifft eine Fürsorgepflicht  gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Er ist verpflichtet das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers aus  gegen Eingriffe durch Belästigungen Dritter, insbesondere anderer Arbeitnehmer zu schützen. Natürlich darf auch der Arbeitgeber nicht selbst das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen. Der Arbeitgeber muss seinen Betrieb so organisieren, dass ein Mobbing von Arbeitnehmern ausgeschlossen ist.

Was macht die Durchsetzung der obigen Ansprüche des Mobbingopfers so schwer?

Das Problem ist die Beweislast, die liegt nämlich beim Arbeitnehmer. Eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen greifen grundsätzlich nicht. Der Arbeitnehmer muss das Mobbing und auch den Schaden und die Kausalität des Mobbings für den Schaden nachweisen. Der Schaden ist hier z.B. die Gesundheitsverletzung des Arbeitnehmers (z.B. bei Klage auf Schmerzensgeld).

Der Arbeitnehmer kann aber (dies ist aber keine Besonderheit des Mobbing-Prozesses) als Partei angehört oder vernommen werden. Dies sind keine Beweiserleichterungen, sondern die „normalen“ Mittel des Zivil- und Arbeitsgerichtsprozesses, die hier aber eine besondere Bedeutung haben. Faktisch heisst dies, dass Gericht hört hier verstärkt den klagenden Arbeitnehmer an und kann dann entscheiden, ob die Behauptungen glaubhaft sind ober nicht. In Bezuga auf die Ursächlichkeit von Mobbing und Schaden (z.B. Gesundheitsbeeinträchtigung) kann ein Indiz für einen Zusammenhang angenommen werden, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.

Im übrigen reicht es auf keinen Fall ist, wenn der Arbeitnehmer im Prozess vor dem Arbeitsgericht vorträgt, dass er „gemobbt“ wurde. Es müssen immer ganz konkret die einzelnen Umstände und Verhaltensweisen  dargelegt werden.

Aufgrund der obigen Problematik sind Probleme im Verfahren vor dem Arbeitsgericht schon vorprogrammiert, wenn sich der Arbeitnehmer hier selbst vertritt. Von daher kann eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nur nahegelegt werden.

 

 

RA Martin Arbeitsrecht Berlin
RA Martin Arbeitsrecht Berlin