Betriebsstilllegung
BAG – Betriebsübergang auch bei Auslagerung ins Nahe Ausland- betriebsbedingte Kündigung unwirksam
Legt der Arbeitgeber einen Betrieb bzw. einen Teil des Betriebes still, wird er in der Regel betriebsbedingt den Arbeitnehmern kündigen und darauf verweisen, dass durch die Stilllegung des Betriebes der Arbeitsplatz weggefallen ist.
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht
Den Arbeitnehmern bleibt nur die Möglichkeit zum Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage zu erheben und zu hoffen, falls dies ihr Ziel ist, noch eine Abfindung beim Gericht aushandeln zu können.
Verlagerung des Betriebs in das Ausland
Wird aber der Betrieb ins Nahe Ausland verlagert, sieht der Fall anders aus, wie jetzt des BAG entschied.
die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht
Ein international tätiges Unternehmen lagerte einen Betriebsteil in die Schweiz aus. Es wurden im Wesentlichen alle materiellen Betriebsmittel zum neuen Standort in die Schweiz gebracht, welcher nur 60 km vom alten Standort in Deutschland entfernt war. Der deutsche Betriebsteil wurde geschlossen. Den Arbeitnehmern kündigte der Arbeitgeber mit der Begründung der Betriebsstilllegung und bot diesen einen neuen Arbeitsvertrag für den Betriebsteil in der Schweiz an. Eine Arbeitnehmer klagte dagegen und bekam in allen Instanzen recht und zuletzt auch vor dem Bundesarbeitsgericht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Mai 2011 – 8 AZR 37/10 –
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 26. Mai 2011 – 8 AZR 37/10 -) gab dem Arbeitnehmer recht. Das BAG ging nicht von einer Betriebsstilllegung aus, sondern von einem Betriebsübergang. Dabei war für das Bundesarbeitsgericht auch der Umstand, dass ja der Betriebsteil ins Ausland „verlagert“ wurde (und dann noch ins „Nicht-EU-Ausland“) kein Hindernis hier einen Betriebsübergang anzunehmen. Dies ist erstaunlich. Wichtig ist aber auch, dass die Verlagerung in der Nähe des alten Betriebsstandortes erfolgte.
Wann besteht ein Wiedereinstellungsanspruch des betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmers?
Wann besteht ein Wiedereinstellungsanspruch des betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmers?
Wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hat, dann stellt sich die Frage, ob unter Umständen ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers in Betracht kommt, wenn sich die Prognoseentscheidung des Arbeitgebers in Bezug auf den Wegfall des Arbeitsplatzes noch nach der Kündigung ändert. Es geht hier also nicht um die Fälle, bei denen ohnehin ein Wiedereinstellungsanspruch besteht, wenn die betriebsbedingte Kündigung von vornherein unwirksam ist, sondern um eine formal wirksame Kündigung.
Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers vor Ablauf der Kündigungsfrist
Ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers – der betriebsbedingt gekündigt wurde – kann bestehen, wenn vor dem Ablauf der Kündigungsfrist folgende Voraussetzungen vorliegen (BAG, Urteil vom 28.06.2000, NZA 2000,1097):
- Eintritt einer unvorhergesehenen Beschäftigungsmöglichkeit (Prognose des AG war falsch)
- Änderung vor dem Ablauf der Kündigungsfrist/ Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Prognoseänderung führt zu einer neuen Beschäftigungsmöglichkeit des AN
- der AN hat noch keine andere Arbeitsstelle angenommen
Wiedereinstellungsanspruch nach dem Ende der Kündigungsfrist?
Ob auch noch nach dem Ende der Kündigungsfrist sich ein Wiedereinstellungsanspruch – unter den obigen Voraussetzungen – ergeben kann, ist selbst innerhalb der Senate des BAG umstritten. Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts sieht einen solchen Wiedereinstellungsanspruch für den Fall einer insolvenzbedingten Kündigung.
Gibt es eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung?
Gibt es eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung?
Eine betriebsbedingte Kündigung spricht der Arbeitgeber aus, wenn betriebliche Erfordernisse vorliegen. Diese wird in der Regel ordentlich ausgesprochen; d.h. der Arbeitgeber muss die ordentliche Kündigungsfrist wahren. Kann der Arbeitgeber aber auch außerordentlich, betriebsbedingt kündigen?
außerordentlicher Kündigungsgrund und betriebsbedingte Kündigung
Da sich betriebliche Ereignisse in der Regel längerfristig ankündigen, wir der Arbeitnehmer im Normalfall nur ordentlich, betriebsbedingt kündigen können. Eine außerordentliche Kündigung kommt aber vor allem dann – auch betriebsbedingt in Betracht – wenn eine ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers – zum Beispiel aufgrund von Unkündbarkeit aufgrund eines Tarifvertrages – ausgeschlossen wäre. In diesem Fall könnte der Arbeitgeber – trotz dringender betrieblicher Erfordernisse – nicht das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer beenden.
Betriebsstilllegung und außerordentliche Kündigung (auch betriebsbedingt)
Im Falle einer Betriebsstilllegung können die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorliegen. Trotzdem muss ein außerordentlicher Grund nach § 626 BGB vorliegen. Nur weil der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter normalen Umständen nicht lösen kann, reicht nicht aus. Der Arbeitgeber muss aber trotz der außerordentlichen Kündigung die Kündigungsfrist einhalten (Auslauffrist).
Arbeitsrecht Berlin – Anwalt A. Martin